Verwaltungsrecht

Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug, Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft, eheunabhängiges Aufenthaltsrecht, Wechsel des Aufenthaltszwecks, Trennungsprinzip, Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit, Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, Ausweisungsinteresse, Nachholen des Visumsverfahrens

Aktenzeichen  W 7 S 21.1296

Datum:
22.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42626
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 5 Abs. 2
AufenthG § 19c Abs. 1
AufenthG § 25 Abs. 5
AufenthG § 28 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 28 Abs. 3 S. 1
AufenthG § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
AufenthG § 31 Abs. 2 S. 1
AufenthV § 39 S. 1 Nr. 1
BeschV § 26 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Prozesskostenhilfebewilligung und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Sofortvollzug der Ablehnung seines Antrags auf Aufenthaltserlaubnis sowie der damit verbundenen Abschiebungsandrohung und Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots.
1. Der Antragsteller wurde am … … 1978 geboren und ist Staatsangehöriger von B* …-H* … Am 29. April 1993 reiste er als minderjähriger Bürgerkriegsflüchtling gemeinsam mit seinen Eltern in das Bundesgebiet ein. Aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen räuberischer Erpressung wurde der Antragsteller mit bestandskräftig gewordenem Bescheid des Landratsamtes M* …-S* … vom 21. April 1998 unbefristet aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Auf seinen Antrag wurden die Wirkungen der Ausweisung nachträglich auf den 30. April 1999 befristet, um dem Antragsteller die Familienzusammenführung mit seiner damaligen Ehefrau, einer deutschen Staatsangehörigen, sowie dem gemeinsamen Kind zu ermöglichen.
Nachdem der Antragsteller im Bundesgebiet erneut straffällig geworden war, wies ihn die Stadt W* … mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 25. Februar 2000 aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Mit Urteil des Landgerichts W* … vom 26. April 2000, rechtskräftig seit 11. Mai 2000, wurde der Antragsteller wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, weshalb er sich seit 11. Mai 2000 in Haft befand. In der Folgezeit wurde die Ehe des Antragstellers geschieden. Am 12. November 2002 wurde der Antragsteller mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft nach B* …-H* … abgeschoben. Nach erneuter Eheschließung des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen wurden die Ausweisungswirkungen zunächst auf den 1. August 2007 befristet. Da die Abschiebungskosten beim Antragsteller nicht beigetrieben werden konnten und die Staatsanwaltschaft nicht auf die Vollstreckung der infolge der Abschiebung noch nicht verbüßten Reststrafe verzichtete, erfolgte die Befristung der Ausweisungswirkungen schließlich zum 3. April 2014.
Am 29. Juni 2015 erhielt der Antragsteller ein bis 26. September 2015 befristetes Visum. Nach der Einreise wurde ihm am 3. Juli 2015 eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erteilt, welche bis 20. Mai 2016 befristet war. In der Folgezeit fanden mehrere Trennungen – teilweise begleitet von Polizeieinsätzen wegen Gewalttätigkeiten – statt. Seit dem 1. Oktober 2019 war der Antragsteller mit einzigem Wohnsitz in G. gemeldet. Da die Ehefrau dennoch wiederholt gegenüber der Ausländerbehörde erklärte, dass die eheliche Lebensgemeinschaft weiterhin aufrechterhalten bleibe, wurde die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers mehrfach, zuletzt am 14. November 2019 bis 19. April 2021 verlängert.
Mit Urteil des Amtsgerichts W* … vom 29. August 2018, rechtskräftig seit 19. August 2020, wurde der Antragsteller wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Verurteilung lag ein Vorfall zwischen dem Antragsteller und einer dritten Person in der Nacht vom 24. auf den 25. November 2017 zugrunde (Blatt …- …, … der Behördenakte).
Am 19. April 2021 beantragte der Antragsteller erneut die Verlängerung seines Aufenthaltstitels. Er legte eine auf den 3. Mai 2021 datierte schriftliche Erklärung der Eheleute vor, dass sie weiterhin einen gemeinsamen Hausstand führten und in ehelicher Gemeinschaft unter den beiden Adressen in G. und W. lebten. Per E-Mail vom 16. und 18. Juli 2021 teilte die Ehefrau jedoch mit, dass die eheliche Lebensgemeinschaft endgültig nicht mehr bestehe, wobei sie den Antragsteller erneut wegen ihr gegenüber verübten Gewalttätigkeiten beschuldigte. Das nunmehr zuständige Landratsamt W. hörte den Antragsteller deshalb zur beabsichtigten Ablehnung seines Verlängerungsantrags an, wobei es auch auf ein bestehendes Ausweisungsinteresse verwies. Hierzu nahm der Antragsteller mit Schreiben vom 10. August 2021 Stellung und verwies auf seine Erwerbstätigkeit sowie auf die Erfüllung seiner Steuerpflicht und seiner Bewährungsauflagen, weshalb er kein Verständnis für das Vorgehen des Landratsamtes habe. Nach einer Gehaltsabrechnung für den Monat Januar 2021 verdiente der Antragsteller 1.257,56 EUR netto.
2. Mit Bescheid vom 1. September 2021, dem Antragsteller am 3. September 2021 zugestellt, lehnte das Landratsamt W. den Antrag auf Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 1 des Bescheides), forderte den Antragsteller zur Ausreise bis spätestens 8. Oktober 2021 bzw. für den Fall des Eintritts der aufschiebenden Wirkung innerhalb eines Monats nach Rechtskraft des Bescheides auf (Ziffer 2), drohte die Abschiebung nach B* …-H* … bzw. in einen anderen Staat, in den der Antragsteller einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, an (Ziffer 3) und ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an, welches auf die Dauer von einem Jahr, beginnend mit der Ausreise, befristet wurde (Ziffer 4).
Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Die eheliche Lebensgemeinschaft sei bereits im Jahr 2019 endgültig getrennt worden. Auch die Voraussetzungen für eine Verlängerung nach § 28 Abs. 3 i.V.m. § 31 AufenthG lägen nicht vor. Die eheliche Lebensgemeinschaft müsse innerhalb des Dreijahreszeitraums nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ohne Unterbrechung bestanden haben. Die Zeiträume des Bestehens einer ehelichen Lebensgemeinschaft nach einer Trennungsphase würden nicht addiert, weshalb die Aufhebung derselben zum Erlöschen der von dem ausländischen Ehegatten bis dahin erworbenen Anwartschaft auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht führe, und zwar auch dann, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft später wieder begründet werde. § 85 AufenthG könne auf Unterbrechungen des Zusammenlebens nicht angewandt werden, weshalb im Falle einer Unterbrechung die Frist erneut beginne. Die eheliche Lebensgemeinschaft sei durch die Trennung im Dezember 2015 unterbrochen worden, die laut Aktenlage bis zum 24. März 2016 gedauert habe, nachdem erst zu diesem Zeitpunkt die Ehefrau erneut erklärt habe, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufgenommen zu haben. Eine erneute Unterbrechung habe dann spätestens mit der Mitteilung vom 17. Juli 2017 vorgelegen, da zu diesem Zeitpunkt die Ehefrau eröffnet habe, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nunmehr endgültig aufgehoben sei und sie auch nicht wisse, wo sich der Antragsteller derzeit überhaupt aufhalte. Übereinstimmendes werde durch entsprechende Anzeigen, den Scheidungsantrag und die Abmeldung zum 29. Dezember 2017 dokumentiert. Die Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft sei dann nach Aktenlage erst wieder kurzfristig erfolgt zu dem Zweck der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im April 2019 und habe nach der Meldebestätigung am 1. Oktober 2019 mit der dauerhaften Ummeldung des Antragstellers nach G. geendet. Da die Ausländerbehörde keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen treffen dürfe, solange die endgültige Trennung der Eheleute nicht feststehe, sei die Aufenthaltserlaubnis immer wieder von der seinerzeit örtlich zuständigen Ausländerbehörde verlängert worden. Eine besondere Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, welche ein Absehen vom Erfordernis der Dreijahresfrist eröffne, sei in der Person des Antragstellers nicht zu erkennen. Das Vorliegen eines Anspruchs auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aufgrund anderer, dem Zweck der Familienzusammenführung dienenden Vorschriften des Sechsten Abschnitts des zweiten Kapitels des Aufenthaltsgesetzes seien ebenso nicht ersichtlich.
Darüber hinaus stehe auch die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegen. § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sei im Kontext des § 31 AufenthG nicht anzuwenden, denn die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bezwecke nicht (mehr) die Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft. Im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG habe keine hypothetische Ausweisungsprüfung zu erfolgen, vielmehr stehe der Erteilung des Aufenthaltstitels bereits das Vorliegen eines der Tatbestände des § 54 AufenthG entgegen. Die Verurteilung durch das Amtsgericht Würzburg vom 19. August 2020 erfülle den Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG und begründe ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse. Dieses sei weder verbraucht, weil dem Antragsteller in Kenntnis dessen ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, noch stehe der Verzicht auf die Durchführung eines Ausweisungsverfahrens entgegen. Schließlich führe auch das längere Zurückliegen der Straffälligkeit zu keiner anderen Wertung. Maßgeblich sei allein, ob mit hinreichender Sicherheit feststehe, dass die das Ausweisungsinteresse begründende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht mehr bestehe. Hiervon könne nach dem bisherigen Lebenslauf des Antragstellers nicht ausgegangen werden. Selbst eine mögliche Bagatellisierung der erheblichen Straftat durch die Bezugnahme auf eine krisenhafte Ehesituation würde den Schluss nahelegen, dass beim Antragsteller nicht ausgeschlossen werden könne, in einer erneuten krisenhaften Situation abermals die Rechtsordnung zu missachten und erhebliche Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit zu begehen. Eine Tilgung des strafrechtlichen Vergehens gemäß § 46 BZRG sei noch nicht erfolgt. Des Weiteren liege auch kein atypischer Ausnahmefall vor. Der Antragsteller lebe erst seit etwas mehr als sechs Jahren wieder in Deutschland. Er habe sich zwar insoweit integriert, als er nahezu durchgängig gearbeitet habe und die deutsche Sprache gut spreche. Nichtsdestotrotz sei der Antragsteller immer wieder im Bundesgebiet erheblich straffällig geworden und verfüge auch noch über vielfältige und tragfähige Beziehungen in B* …-H* …, sodass ihn eine Rückkehr nicht übermäßig hart treffe. Der Antragsteller sei überwiegend in B* … aufgewachsen, dort zur Schule gegangen und habe dort einen Großteil seines Lebens verbracht. Er spreche die Landessprache und seine Eltern lebten noch dort. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck bestehe ebenfalls nicht.
Der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 19c Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 26 Abs. 2 der Beschäftigungsverordnung – BeschV – stehe ebenso das Ausweisungsinteresse entgegen.
Die gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen werde nach Würdigung des Einzelfalles als angemessen betrachtet. Im Rahmen der Fristsetzung zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren von Bedeutung, da der Antragsteller nicht ausgewiesen worden, sondern nur die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt worden sei. Bei Abwägung des Gewichtes der gefährdeten Rechtsgüter sowie der Wiederholungsgefahr und der Notwendigkeit der Abschiebungsmaßnahme mit den privaten Belangen des Antragstellers im Bundesgebiet werde ein Zeitraum von einem Jahr für erforderlich erachtet, um dem bestehenden Gefahrenpotenzial gerecht zu werden. Hierbei seien sowohl die Rückfallgefährdung, das Alter, das Tatverhalten bei der letzten Straftat sowie die familiären und persönlichen Lebensumstände des Antragstellers eingeflossen. Dem Antragsteller stehe es jederzeit gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1
AufenthG offen, zur Wahrung seiner schutzwürdigen Belange bzw., soweit es der Zweck des Einreiseverbotes nicht mehr erfordere, gegebenenfalls nach einer nachgewiesenen ausreichenden Beschäftigung sowie Straffreiheit im Heimatland einen Antrag auf Verkürzung oder Aufhebung der Sperrfrist zu stellen.
Auf die weiteren Gründe des Bescheides wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
3. Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller am 4. Oktober 2021 Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Az.: W 7 K 21.1276).
Zugleich beantragte der Antragsteller im vorliegenden Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 4. Oktober 2021 gegen den Bescheid des Landratsamtes W. vom 1. September 2021 anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse, zumindest aber sei der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen. Nach derzeitigem Sachstand lasse sich bei summarischer Prüfung nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ob (noch) ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestehe oder ob eine Abweichung von der Regelerteilungsvoraussetzung geboten sei. Entsprechend der Rechtslage vor dem 1. August 2015 sei keine hypothetische Ausweisungsprüfung in der Weise vorzunehmen, dass geklärt werde, ob eine Ausweisung rechtmäßig wäre. Es spiele demnach keine Rolle, ob ein Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG bestehe (m.V.a. BayVGH, B.v. 29.8.2016 – 10 AS 16.1602 – juris Rn. 21). Die Verwirklichung eines in § 54 AufenthG genannten Tatbestandes begründe allerdings nicht unmittelbar das Ausweisungsinteresse. Ein Ausweisungsinteresse bestehe nur dann, wenn von den Betroffenen eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe, der weitere Aufenthalt des Ausländers also eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle oder sonst erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Ein Ausweisungsinteresse sei nicht mehr erheblich, wenn ohne vernünftige Zweifel feststehe, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die mit dem Ausweisungsinteresse zusammenhänge, nicht mehr bestehe (m.V.a. BayVGH, B.v. 29.8.2016 – 10 AS 16.1602 – juris Rn. 22). Seit seiner letzten Verurteilung am 19. August 2021 sei der Antragsteller nicht mehr straffällig geworden. Er gehe seiner Arbeit nach, bezahle gerne seine Steuern und bemühe sich um ein geordnetes Leben. Er erfülle auch seine Bewährungsauflagen. Bei dieser Sachlage bestünden zumindest Zweifel, ob der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Die abschließende Klärung müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, weshalb das private Interesse des Antragstellers an seinem Verbleib im Bundesgebiet bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiege. Die Gefahr, dass der Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache erneut Straftaten im Bundesgebiet begehe, erscheine als relativ gering. Demgegenüber würde eine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet seine Chance, sich beruflich zu stabilisieren, erheblich verschlechtern. Da die Frist für den Antrag am 4. Oktober 2021 ende, werde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
4. Für den Antragsgegner beantragt das Landratsamt W.,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde auf den angefochtenen Bescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 sowie § 19c Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit § 26 Abs. 2 BeschV komme nicht in Betracht. § 18 AufenthG sei keine eigenständige Rechtsgrundlage zur Erteilung eines Aufenthaltstitels. Es fehle daher bereits an einem sachlichen Anwendungsbereich. Sollte die Antragsschrift dahingehend auszulegen sein, dass hier eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG in Verbindung mit § 18 AufenthG begehrt werde, seien die Voraussetzungen hierfür bisher nicht nachgewiesen, weshalb die Erteilung zwingend ausscheide. Gleichzeitig müssten auch die Interessen der öffentlichen Sicherheit bei der Erteilung berücksichtigt werden, was insbesondere durch die Prüfung entgegenstehender Sicherheitsaspekte im Rahmen des § 5 AufenthG abgebildet werde. Es liege ein aktuelles Ausweisungsinteresse vor, welches nach § 5 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG zwingend auch einer Erteilung entgegenstehe. Dass der Antragsteller seit der letzten Verurteilung am 19. August 2020 keine Straftaten mehr begangen habe, könne die gesetzliche Vermutung nicht erschüttern. Ebenso wenig komme die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 1
AufenthG in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt seien. Eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund dieser Vorschrift könne nach ständiger Rechtsprechung nur erteilt werden, wenn das zweckentsprechende Visum im Herkunftsstaat des Bewerbers eingeholt worden sei. Unabhängig davon stehe auch hier das Ausweisungsinteresse zwingend der Erteilung entgegen.
5. Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2021 ließ der Antragsteller ergänzend ausführen, er sei gelernter Eisenflechter (Eisenbinder) und als solcher seit dem 6. November 2020 bei Herrn K. N. in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis tätig. Zwar erfolge die Einstellung nach Punkt 3 des Arbeitsvertrags als „Helfer Bau“, jedoch sei die Bezeichnung der qualifizierten beruflichen Tätigkeit im Klammerzusatz „(Eisenflechter)“ genannt. Zur Glaubhaftmachung wurden ein b* …-h* … Diplom mit Apostille und deutscher Übersetzung, der erwähnte Arbeitsvertrag sowie ein Attest eines niedergelassenen Orthopäden über Rückenschmerzen (ICD-10 M54.4) vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am 4. Oktober 2021 erhobenen Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig.
a) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist statthaft. Da der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG Fiktionswirkung entfaltet, welche infolge der Ablehnung unter der Ziffer 1 des Bescheides vom 1. September 2021 erlischt, handelt es sich bei dieser um einen belastenden Verwaltungsakt (vgl. VGH BW, B.v. 11.5.2021 – 11 S 2891/20 – juris Rn. 10; Fleuß in Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, § 5 Rn. 137). Deshalb ist gemäß § 123 Abs. 5 VwGO das Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorrangig. Des Weiteren kommt der Klage gegen die Ablehnung gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu. Letzteres gilt auch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung einschließlich der Ausreisefristsetzung unter den Ziffern 2 und 3 (Art. 21a VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) sowie hinsichtlich der Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter der Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Nach den zuletzt genannten Vorschriften hat eine Klage gegen die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG keine aufschiebende Wirkung. Ein solches Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu erlassen und bei seinem Erlass gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Da also schon nach dem Gesetz die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots ohne gleichzeitige Befristung nicht möglich ist, stellen Anordnung und Befristung eine untrennbare Einheit dar, sodass die Frage der aufschiebenden Wirkung einer Klage auch nur einheitlich beurteilt werden kann (vgl. VGH BW, B.v. 13.11.2019 – 11 S 2996/19 – juris).
b) Eine Frist für die Stellung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist in Streitigkeiten nach dem Aufenthaltsgesetz nicht geregelt. Maßgeblich ist vielmehr unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses, dass der Antragsteller gegen die streitgegenständlichen Verwaltungsakte gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO fristgerecht Klage erhoben und damit den Eintritt der Bestandskraft vermieden hat. Denn der Bescheid vom 1. September 2021 wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 3. September 2021 zugestellt (Blatt 797 der Behördenakte). Die Klagefrist begann somit am 4. September 2021 zu laufen und endete, da der 3. Oktober 2021 ein Sonn- und Feiertag war, am Montag, den 4. Oktober 2021 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO). Die am 4. Oktober 2021 eingegangene Klage wurde somit fristgerecht erhoben.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs in der Hauptsache aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der angegriffenen Verwaltungsakte des Antragsgegners unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache – hier der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamtes W. vom 1. September 2021 – gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 152; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 89). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird und zudem ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit besteht. Ergibt dagegen eine vorläufige Überprüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, dass dieser offensichtlich zulässig und begründet ist, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind schließlich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Hoppe in Eyermann a.a.O. Rn. 90 ff.).
In Anwendung dieser Grundsätze wird die Klage nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben. Vor diesem Hintergrund überwiegt das – durch die gesetzliche Anordnung des Sofortvollzugs indizierte – besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verwaltungsakte das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
a) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug.
aa) Ein solcher Anspruch folgt zum einen nicht aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AufenthG, da die eheliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers und seiner Ehefrau mit deutscher Staatsangehörigkeit spätestens seit dem 1. Oktober 2019 endgültig nicht mehr besteht. Zu diesem Zeitpunkt meldete der Antragsteller seine Wohnung in G. an, während seine Ehefrau weiter in W. wohnhaft war. Dem waren seit November bzw. Dezember 2015 mehrere Trennungen und Versöhnungsversuche der Eheleute vorausgegangen, wobei die Ehefrau den Antragsteller wiederholt der sexuellen Nötigung und der häuslichen Gewalt beschuldigte. Zwar gaben die Eheleute in der Erklärung vom 3. Mai 2021 an, die eheliche Lebensgemeinschaft bestehe fort. Als gemeinsamen Lebensmittelpunkt gaben sie dabei beide Adressen an. Dennoch wurde die eheliche Lebensgemeinschaft nach der Überzeugung des Gerichtes nicht wiederaufgenommen. Vielmehr ist bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung davon auszugehen, dass es sich bei der Erklärung vom 3. Mai 2021 um eine bloße Schutzbehauptung handelte. Insbesondere hat die Ehefrau noch im Vorfeld der Abgabe dieser Erklärung am 29. April 2021 telefonisch gegenüber der Ausländerbehörde erklärt, nicht mit dem Antragsteller zusammenzuleben und Angst zu haben, dass er sie umbringe, wenn sie die Erklärung nicht unterschreibe (vgl. Aktenvermerk, Bl. … der Behördenakte). Am 26. Mai 2021 hat der Bevollmächtigte der Ehefrau im Scheidungsverfahren gegenüber der Ausländerbehörde erklärt, dass diese ihre Unterschrift zurückziehe und anfechte, weil sie zu deren Abgabe genötigt worden sei (Bl. … der Behördenakte). Erneut fragte der Bevollmächtigte der Ehefrau am 2. Juni 2021 bei dem Antragsgegner nach dem Sachstand, da seine Mandantin weiterhin durch den Antragsteller massiv bedroht und unter Druck gesetzt werde (Bl. … der Behördenakte). Zwar nahm die Ehefrau des Antragstellers in der Folgezeit den Scheidungsantrag zurück, weshalb der Haupttermin am 15. Juni 2021 aufgehoben wurde (Bl. … der Behördenakte). In zwei E-Mail-Nachrichten vom 16./18. Juli 2021 bestätigte sie aber gegenüber dem Sachbearbeiter des Antragsgegners die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft und schilderte detailreich den zeitlichen Ablauf sowie die Hintergründe der Trennung (Bl. …, … der Behördenakte). Angesichts dieses Geschehensablaufs überwiegen die Indizien, welche für eine endgültige Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft sprechen, eindeutig gegenüber den Indizien für eine lediglich vorübergehende Trennung. Zwar führen vorübergehende Streitigkeiten zwischen den Eheleuten mit der Folge eines vorübergehenden Getrenntlebens noch nicht zur Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft und demzufolge zum Verlust des eheabhängigen Aufenthaltsrechtes nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 27 Rn. 58, § 28 Rn. 6). Angesichts des sich über Jahre hinwegziehenden, immer wieder von heftigen Streitigkeiten und Gewalttätigkeiten geprägten Geschehens zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau können die angeblichen „Versöhnungen“ jedoch nur als fehlgeschlagene Versuche gewertet werden. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Ehefrau des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner ausgesprochen widersprüchlich erklärt hat. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie – wie sie vorträgt – durch den Antragsteller unter Druck gesetzt wird. Letztendlich ist aber ihr launenhaft bzw. widersprüchlich erscheinendes Verhalten eindeutig auf die Zerrüttung der persönlichen Beziehung zwischen den Eheleuten und damit auf das endgültige Scheitern der Ehe zurückzuführen.
bb) Dem Antragsteller steht auch kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht aus § 28 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn (Nr. 1) die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und der Ausländer bis dahin im Besitz (u.a.) einer Aufenthaltserlaubnis war. Nur eine auf Dauer angelegte Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft, nicht aber ein vorübergehendes Getrenntleben führt vor Ablauf der Dreijahresfrist zum Erlöschen der bis dahin erworbenen Anwartschaft des Ausländers auf ein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht (OVG Berlin-Bbg, B.v. 11.9.2007 – 3 S 87.07 – juris Rn. 4; OVG NW, B.v. 27.7.2006 – 18 A 1151/06 – juris; Dienelt in Bergmann/Dienelt a.a.O., § 31 AufenthG, Rn. 21 m.w.N.). Eine in diesem Sinne endgültige Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft liegt vor, wenn die Ehepartner nach außen erkennbar den gemeinsamen Lebensmittelpunkt dauerhaft aufgegeben haben. Dies setzt jedoch nicht zwingend voraus, dass die bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen einer Scheidung erfüllt sind (Dienelt in Bergmann/Dienelt, AufenthG, § 31 Rn. 21), sondern muss von der Ausländerbehörde bzw. dem Verwaltungsgericht eigenständig aufgrund des festgestellten Sachverhaltes beurteilt werden. Eine auf die dauerhafte Trennung folgende Versöhnung hat das erneute Anlaufen der Frist zur Folge, d.h. die Zeiträume des Bestehens einer ehelichen Lebensgemeinschaft nach einer Trennungsphase werden in diesem Falle nicht zusammengerechnet (OVG Berlin-Bgb, B.v. 11.9.2007 – 3 S 87.07 – juris Rn. 4; OVG NW, B.v. 27.7.2006 – 18 A 1151/06 – juris; Dienelt in Bergmann/Dienelt a.a.O., § 31 AufenthG, Rn. 21 m.w.N.; wohl auch BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 10 ZB 16.1850 – juris Rn. 17).
Nach der im vorliegenden Sofortverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erfüllt der Antragsteller die o.g. Anspruchsvoraussetzungen nicht, weil die eheliche Lebensgemeinschaft aufgrund der wiederholten, jeweils auf Dauer angelegten Trennungen der Eheleute nicht seit mindestens drei zusammenhängenden Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Bereits am 4. November 2015, mithin kurze Zeit nach der Wiedereinreise des Antragstellers in das Bundesgebiet im Sommer 2015, eskalierte die Situation zwischen den Eheleuten erstmalig derart, dass eine Nachbarin der Ehefrau die Polizei herbeirief. Erneut beschuldigte die Ehefrau den Antragsteller am 12. November 2015 im Rahmen eines Polizeieinsatzes beim Anwesen ihrer Eltern, sie geschlagen und gegen den rechten Oberschenkel getreten zu haben. Der nächste Polizeieinsatz in der Wohnung der Ehefrau fand am 3. März 2016 statt, wobei sich die Eheleute gegenseitig gewalttätiger Übergriffe beschuldigten. Erneut kam es am 12. März 2016 zu einem Polizeieinsatz, bei welchem die Ehefrau den Antragsteller der vorsätzlichen Körperverletzung sowie des Diebstahls beschuldigte. Am 14. März 2016 erklärte die Ehefrau telefonisch gegenüber der Sachbearbeiterin der damals zuständigen Ausländerbehörde der Stadt W., es bleibe bei der Trennung von ihrem Ehemann. Am 24. März 2016 sprachen die Eheleute allerdings gemeinsam bei der Ausländerbehörde vor und erklärten nach entsprechender Belehrung, dass die eheliche Lebensgemeinschaft weiterbestehe und der gemeinsame Lebensmittelpunkt die Wohnung der Ehefrau in W. sei. Am 4. April 2016 bezichtigte die Ehefrau den Antragsteller telefonisch gegenüber der Ausländerbehörde erneut schwerer Gewalttätigkeiten mit der Folge eines gebrochenen Nasenbeins sowie eines Blutergusses am Auge (vgl. Aktenvermerk, Bl. … der Behördenakte). Ein weiterer Vorfall mit angeblichen wechselseitigen Gewalttätigkeiten fand am 13. Mai 2016 in der Wohnung der Ehefrau statt (Bl. … der Behördenakte). Mit einer nicht datierten schriftlichen Erklärung im Zusammenhang mit dem Verlängerungsantrag vom 18. Mai 2016 erklärten die Eheleute wiederum, dass die eheliche Lebensgemeinschaft fortbestehe (Bl. … der Behördenakte), weshalb die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers erneut verlängert wurde. Nach weiteren Vorfällen mit angeblichen Gewalttätigkeiten des Antragstellers gegenüber seiner Ehefrau am 13. September 2016 (Bl. … der Behördenakte), 27. November 2016 (Bl. … der Behördenakte) und 18. März 2017 (Bl. … der Behördenakte) erklärten die Eheleute am 13. April 2017 erneut, die eheliche Lebensgemeinschaft unter der Adresse der Ehefrau fortzuführen (Bl. … der Behördenakte), weshalb die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers erneut verlängert wurde. Am 17. Juli 2017 teilte dann die Ehefrau des Antragstellers telefonisch gegenüber der damals zuständigen Ausländerbehörde mit, dass sie sich endgültig von dem Antragsteller getrennt habe, nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle und auch nicht wisse, wo er sich derzeit aufhalte. Er habe sie mehrfach tätlich angegriffen, sei jedoch nicht strafrechtlich belangt worden, weil sie aus Angst die Aussage verweigert habe. Eine halbe Stunde nach diesem Gespräch rief die Ehefrau erneut bei der Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde an und teilte mit, dass sie nach Beratung der Angelegenheit mit ihrem Bruder davon Abstand nehme, ausländerrechtliche Schritte gegen den Antragsteller zu fordern (vgl. Aktenvermerk, Bl. … der Behördenakte). Am 12. August 2017 fand erneut ein Polizeieinsatz aus Anlass von angeblichen wechselseitigen Gewalttätigkeiten der Eheleute statt (Bl. … der Behördenakte). Unter dem 18. April 2019 bestätigten die Eheleute anlässlich des Verlängerungsantrags des Antragstellers erneut das Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft unter der Adresse der Ehefrau (Bl. … der Behördenakte), weshalb dem Antragsteller erneut eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Am 14. Januar 2020 wurde bei der Polizeiinspektion W.-Land ein weiterer Vorfall häuslicher Gewalt zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau gemeldet, wobei die Beteiligten angaben, getrennt zu leben (Bl. … der Behördenakte). Angesichts dieses Geschehensablaufs trifft die Feststellung im Bescheid des Antragsgegners zu, dass der Antragsteller und seine Ehefrau sich im Zeitraum seit seiner Wiedereinreise im Sommer 2015 bis zum 1. Oktober 2019 mindestens zweimal, nämlich im Dezember 2015 sowie im Juli 2017 mit der Absicht der dauerhaften Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft getrennt haben. Schon wegen der vorausgegangenen Gewalttätigkeiten – mögen diese auch wechselseitig gewesen sein -, aber auch wegen der Verlautbarungen der Ehefrau, müssen die entsprechenden Trennungen als auf Dauer angelegt angesehen werden. Dass die Ehefrau des Antragstellers, wie sie selbst angibt, aus Angst keine strafrechtlichen Schritte eingeleitet und ein bereits angestoßenes Scheidungsverfahren wieder zurückgenommen hat, spricht vor diesem Hintergrund nicht gegen eine endgültige Trennung vor Ablauf des Dreijahreszeitraumes, weil der Wille der Ehefrau, sich endgültig von dem Antragsteller zu trennen, bereits vor dem Ablauf dieser Frist erkennbar vorhanden war. Von einem einvernehmlichen Zusammenleben der Eheleute konnte angesichts der aus den Akten hervorgehenden Umstände schon deutlich vor dem relevanten Zeitpunkt keine Rede mehr sein.
cc) Eine besondere Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, welche dazu führen würde, dass dem Antragsteller das Nichterfüllen der mindestens dreijährigen ehelichen Lebensgemeinschaft nicht entgegengehalten werden könnte, ist weder vorgetragen worden, noch anderweitig für das Gericht ersichtlich. Beachtlich sind insoweit nach Sinn und Zweck der Regelung sowie aufgrund systematischer Erwägungen nur Härten in Gestalt einer erheblichen Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung (BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11.08 – juris Rn. 24 ff.; BayVGH, B.v. 30.6.2021 – 19 ZB 20.1221 – juris Rn. 9). Anderweitige Beeinträchtigungen durch etwa eine Erkrankung oder die allgemeinen Lebensverhältnisse im Heimatland vermögen in der Regel keine besondere Härte im Sinne von § 31 Abs. 2 AufenthG zu begründen, weil sie nicht mit der Ehe und ihrer Auflösung in zumindest mittelbarem Zusammenhang stehen (BayVGH, B.v. 3.7.2014 – 10 CS 14.687 – juris Rn. 13; B.v. 30.6.2021 – 19 ZB 20.1221 – juris Rn. 9). Der Zweck dieser Vorschrift liegt darin zu vermeiden, dass der ausländische Ehegatte nur zum Zweck der Vermeidung der Rückkehrverpflichtung an der ehelichen Lebensgemeinschaft festhalten müsste, obwohl ihm dies nach den konkreten Umständen unzumutbar wäre. Solche Umstände liegen hier jedoch nicht vor, da nach dem aktenkundigen Sachverhalt die Gewalttätigkeiten zwischen den Eheleuten jedenfalls auch maßgeblich vom Antragsteller ausgehen, weshalb eine Unzumutbarkeit des Festhaltens an der ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG für ihn nicht gegeben ist. Vielmehr handelt es sich um einen Fall der Unmöglichkeit der Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft, weil jedenfalls seine Ehefrau unter den gegebenen Umständen nicht mehr gewillt ist, an dieser festzuhalten (vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt a.a.O., AufenthG, § 31 Rn. 50).
dd) Im Übrigen fehlt es auch, worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist, an der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Danach darf ein Ausländer, der einen Aufenthaltstitel begehrt, kein Ausweisungsinteresse erfüllen. Ein Ausweisungsinteresse in diesem Sinne ist ein in § 54 AufenthG definierter Tatbestand. Ob hingegen eine Ausweisung auch in Abwägung mit den privaten Bleibeinteressen gemäß § 55 AufenthG rechtmäßig wäre, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Diese Prüfung erfolgt vielmehr im Rahmen der Frage, ob eine Abweichung vom Regelfall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gerechtfertigt ist (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 29.8.2016 – 10 AS 16.1602 – juris Rn. 21; B.v. 31.8.2016 – 10 CS 16.649 – juris Rn. 7; B.v. 3.8.2021 – 10 ZB 21.937 – juris Rn. 11).
Aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung erfüllt der Antragsteller ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1a Buchst. b AufenthG, daneben aber auch ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Die vorgenannte Verurteilung ist auch verwertbar, da sie noch nicht nach § 46 BZRG getilgt oder tilgungsreif ist. Des Weiteren erfordert die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, dass das Ausweisungsinteresse noch hinreichend aktuell ist. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn ohne vernünftige Zweifel feststeht, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die mit dem Ausweisungsinteresse zusammenhängt, nicht mehr besteht (BayVGH, B.v. 29.8.2016 – 10 AS 16.1602 – juris Rn. 22; B.v. 3.8.2021 – 10 ZB 21.937 – juris Rn. 12). Im vorliegenden Falle besteht aufgrund der vorgenannten Verurteilung nach wie vor eine aktuelle und konkrete Wiederholungsgefahr. Dem steht nicht entgegen, dass die letzte strafrechtlich abgeurteilte Tat bereits vier Jahre (Tatbegehung im November 2017) zurückliegt, da das seinerzeit begangene vorsätzliche Körperverletzungsdelikt nach seiner Art und den Umständen seiner Begehung sich ohne weiteres in das Bild des Antragstellers einfügt, welches bereits durch sein Vorleben gezeichnet wird. Der Antragsteller ist seit 1998 wiederholt durch Straftaten aufgefallen, bei denen von ihm begangene oder angedrohte Gewalttätigkeiten im Spiel waren. Die geschilderten Vorfälle von gewalttätigen Übergriffen im häuslichen Bereich sprechen überdies – auch wenn es nicht zu strafrechtlicher Verfolgung gekommen ist – für die hohe Gewaltbereitschaft und für das beim Antragsteller vorhandene Aggressionspotenzial. Vor diesem Hintergrund kann ohne weiteres angenommen werden, dass der Antragsteller auch künftig mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Straftaten begehen wird, welche mit Gewaltanwendung einhergehen. Die Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil des Amtsgerichts Würzburg vom 29. August 2018 steht dieser Annahme nicht entgegen, weil sie sich mit dem Umstand erklären lässt, dass der Antragsteller seit der vorhergehenden Verurteilung aus dem Jahr 2000 nicht mehr strafrechtlich belangt wurde.
Ein atypischer Ausnahmefall, welcher ein Absehen von der Versagung des Aufenthaltstitels nach dem Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG gebieten würde, liegt nicht vor. Ein solcher Ausnahmefall ist nur dann zu bejahen, wenn ein atypischer Fall gegeben ist, der so weit vom Regelfall abweicht, dass die Versagung des Aufenthaltstitels mit der Systematik oder der grundlegenden Entscheidung des Gesetzgebers nicht mehr vereinbar wäre. Insbesondere liegt ein Ausnahmefall vor, wenn die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten ist (BayVGH, B.v. 31.8.2016 – 10 CS 16.649 – juris Rn. 7; B.v. 27.12.2016 – 10 CS 16.2289 – juris Rn. 7; B.v. 8.2.2017 – 10 ZB 16.1850 – juris Rn. 9). Eine solche Ausnahme ist hier insbesondere nicht aus Gründen des höherrangigen Rechts geboten. Der Antragsteller kann keine vertypten Bleibeinteressen gemäß § 55 AufenthG für sich in Anspruch nehmen. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist, wie festgestellt, dauerhaft beendet. Sein am … … 1998 geborener Sohn ist mittlerweile volljährig geworden. Ein intensiver Kontakt des Antragstellers zu seinem Sohn, welcher über gelegentliche Begegnungen hinausgeht, ist überdies weder vorgetragen noch aktenkundig. Derartige Kontakte können daher auch vom Herkunftsland des Antragstellers aus mithilfe eines Besuchsvisums oder einer Betretenserlaubnis aufrechterhalten werden.
Des Weiteren kann sich der Antragsteller nicht darauf berufen, ein sog. faktischer Inländer zu sein, dem die Rückkehr in das Herkunftsland aufgrund seiner Verwurzelung in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zumutbar wäre. Die Tatsache, dass sich ein Ausländer bereits eine gewisse Zeit in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat, rechtfertigt für sich genommen noch nicht die Annahme, dass der Schutzbereich des Art. 8 EMRK verletzt ist. Ein Eingriff in das von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Recht auf Privatleben ist dann zu bejahen, wenn der Ausländer aufgrund seiner gesamten Entwicklung faktisch zu einem Inländer geworden und ihm wegen der Besonderheiten des Falls ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit, zu dem er keinen Bezug mehr hat, nicht zuzumuten ist (st.Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2021 – 19 CE 21.2020 – juris Rn. 15 f.; SächsOVG, B.v. 23.3.2020 – 3 B 48/20 – juris Rn. 7; B.v. 6.9.2021 – 3 A 419/18 – juris Rn. 12, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Weder ist der Antragsteller, der als minderjähriger Bürgerkriegsflüchtling nach Deutschland gekommen ist, aber wegen mehrerer Ausweisungen aufgrund von Straftaten in der Vergangenheit bereits zweimal einen mehrjährigen Zeitraum in seinem Herkunftsland verbracht hat, aufgrund seiner gesamten Entwicklung faktisch zu einem Inländer geworden, noch liegen Besonderheiten vor, derentwegen ihm ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit nicht mehr zuzumuten wäre. Vielmehr hat der Antragsteller noch Verwandte im Herkunftsland und hat sich dort während seiner beiden mehrjährigen Aufenthalte auch zurechtgefunden. Er spricht die Landessprache, ist mit den kulturellen Unterschieden im Vergleich zu Deutschland schon aufgrund seiner Sozialisierung in einer bosnischen Herkunftsfamilie vertraut und wird aufgrund seiner Berufsausbildung in der Lage sein, sich dort eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen.
b) Des Weiteren hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Neuerteilung der Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck.
aa) Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit kommt nicht in Betracht. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch für den Antragsteller nicht aus § 19c Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Satz 1 BeschV. Zum einen verleihen die genannten Vorschriften keinen Rechtsanspruch, sondern eröffnen der Ausländerbehörde einen Ermessensspielraum (BayVGH, B.v. 15.9.2021 – 10 C 21.2212 – juris Rn. 16). Überdies richtet sich die Regelung des § 19c Abs. 1 AufenthG an Neuzuwanderer und ist deshalb grundsätzlich nicht auf Ausländer anwendbar, welche – wie der Antragsteller – bereits eine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck besitzen (Bergmann in Bergmann/Dienelt, AufenthG, § 19c Rn. 5). Des Weiteren erfüllt die Beschäftigung des Antragstellers als Eisenbinder bei einem Bauunternehmer jedenfalls nicht die gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 BeschV vorausgesetzte Beschäftigungsdauer von zwei Jahren für eine Erwerbstätigkeit ohne Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit. Unabhängig vom Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzungen fehlt es aber an den allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (kein Ausweisungsinteresse, s.o.) sowie nach § 5 Abs. 2
AufenthG (Visumserfordernis). Da es sich bei der begehrten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit um einen anderen Aufenthaltszweck im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG handelt, muss der Antragsteller grundsätzlich vom Herkunftsland aus ein entsprechendes Visum beantragen. Eine Ausnahme vom Visumserfordernis nach § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV liegt nicht vor. Denn die hierdurch ermöglichte Fortsetzung eines bestehenden Aufenthaltes, wenn zunächst ein Aufenthaltstitel zu einem anderen Zweck erteilt worden ist und nunmehr die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken erstrebt wird, setzt voraus, dass der Gesetzgeber einen Zweckwechsel ohne vorherige Ausreise nicht durch eine besondere Regelung ausgeschlossen hat. Ein solcher Ausschluss für den Wechsel des Aufenthaltszwecks ergibt sich hier aber gerade aus § 26 Abs. 2 Satz 2 BeschV. Denn diese Regelung, welche u.a. Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina durch eine Vorrangprüfung im Rahmen des Zustimmungsverfahrens der Bundesagentur für Arbeit privilegiert, setzt zwingend voraus, dass im Herkunftsstaat ein zweckentsprechendes nationales Visum beantragt wird (HessVGH, B.v. 28.10.2019 – 7 B 1729/19 – juris Rn. 16, 18 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 11.10.2021 – 3 B 275/21 – juris Rn. 27). Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass das „zweckentsprechende Visum“ im Herkunftsstaat des Bewerbers bei einer deutschen Auslandsvertretung beantragt werden muss (vgl. BR-Drs. 447/15, S. 11). Damit wird deutlich, dass es nicht ausreichend ist, dass der Antragsteller vor seiner letzten Ausreise ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung in B* …-H* … beantragt hat. Ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung ist kein „zweckentsprechendes“ Visum für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber solche Ausländer privilegieren wollte, deren ursprünglich bestehender Aufenthaltszweck während ihres Aufenthalts in Deutschland weggefallen ist (vgl. VG Schleswig, B.v. 19.4.2021 – 11 B 15/21 – juris Rn. 29; VG Stuttgart, B.v. 18.4.2019 – 16 K 1382/19 – juris Rn. 26; VG München, B.v. 10.7.2018 – M 25 S 18.1470 – juris Rn. 34). Eine teleologische Reduktion der Vorschrift kommt nicht in Betracht, da ihr Zweck nur erreicht werden kann, wenn sie auch diejenigen Ausländer erfasst, die legal in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und deren zunächst rechtmäßiger Aufenthalt – wie im Fall des Antragstellers – unrechtmäßig geworden ist (VG Stuttgart, B.v. 18.4.2019 – 16 K 1382/19 – juris Rn. 26).
bb) Der Antragsteller kann schließlich auch kein Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 5 AufenthG beanspruchen. Abgesehen davon, dass dem möglicherweise schon das Trennungsprinzip des Aufenthaltsrechts (§ 7 Abs. 1 Satz 2, § 8 AufenthG) entgegensteht (vgl. dazu VG Augsburg, U.v. 11.8.2021 – Au 6 K 20.2837 – juris Rn. 39 ff.), fehlt es an der besonderen Erteilungsvoraussetzung der tatsächlichen oder rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise. Insbesondere ist dem Antragsteller die Ausreise, wie bereits ausgeführt, auch mit Blick auf höherrangiges Recht – Art. 6 GG, Art. 8 EMRK – zumutbar.
c) Die Abschiebungsandrohung mit Ausreisefristsetzung unter den Ziffern 2 und 3 des streitgegenständlichen Bescheides ist ebenfalls voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Die Abschiebungsandrohung beruht auf § 59 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Infolge der sofort vollziehbaren Versagung des Aufenthaltstitels ist der Antragsteller gemäß §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig. Gegen die gesetzte Ausreisefrist bestehen im Hinblick auf § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG keine Bedenken, insbesondere hat der Antragsgegner zutreffend für den Fall der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eine Ersatzregelung getroffen. Danach ergibt sich eine Ausreisefrist von mehr als einem Monat – ausgehend von der Zustellung des Bescheides am 3. September 2021 – bzw. für den Fall der Anordnung der aufschiebenden Wirkung von einen Monat nach Bestandskraft des Bescheides. Die gesetzte Frist bewegt sich damit in beiden Fällen innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Rahmens von sieben bis 30 Tagen. Eine Überschreitung zugunsten des Antragstellers würde ohnehin nicht zu einer subjektiven Rechtsverletzung führen. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes oder inlandsbezogenen Vollstreckungshindernis liegen nicht vor (vgl. § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).
d) Schließlich ist auch das im Einklang mit § 11 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG angeordnete befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot für den Fall der Abschiebung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Die unter der Ziffer 4 des Bescheides vorgenommene Befristung auf ein Jahr ab dem Zeitpunkt der Abschiebung steht im Einklang mit § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG. Die dabei im Rahmen der Ermessensentscheidung des Antragsgegners angestellte Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere kann sich der Antragsteller, wie ausgeführt, nicht auf gewichtige Bleibeinteressen im Sinne des § 55 AufenthG berufen, da er von der Ehefrau endgültig getrennt lebt und sein Sohn bereits die Volljährigkeit erreicht hat. Dem somit geringfügigen allgemeinen Bleibeinteresse stehen in Anbetracht des vorliegenden Ausweisungsinteresses gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 AufenthG gewichtige öffentliche Interessen an dem Fernhalten des Antragstellers aus dem Bundesgebiet für die festgesetzte Frist von einem Jahr entgegen. Die gesetzte Frist ist damit auch angemessen.
e) Da somit die Erfolgsaussichten der Hauptsache gering sind, überwiegt das – durch die gesetzliche Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1 und 7 AufenthG, Art. 21a VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO indizierte – öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit gegenüber dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers, weshalb der Antrag abzulehnen ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m. Ziffer 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 18.7.2013).


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