Verwaltungsrecht

Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung

Aktenzeichen  59 XIV 32/16 (B)

Datum:
7.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 118882
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
FamFG § 416

 

Leitsatz

1 Haft zur Sicherung der Abschiebung kann nach § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AufenthG angeordnet werden, wenn der Betroffene nach Ablauf der Ausreisefrist seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist und er auf seine Anzeigepflicht sowie die Folgen ihrer Nichtbeachtung zuvor schriftlich hingewiesen worden ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Haftanordnung steht nicht entgegen, dass der Haftantrag vor der Anhörung nicht schriftlich in die Muttersprache des Betroffenen übersetzt und ihm zugeleitet wurde. Es genügt die Eröffnung des Haftantrags zu Beginn der Anhörung, wenn dieser – wie hier – einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt betrifft, zu dem der Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne Weiteres auskunftsfähig ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Gegen d. Betroffene(n) wird Sicherungshaft angeordnet.
2. Der Vollzug der angeordneten Haft beginnt am 07.10.2016 und endet spätestens mit Ablauf des 11.10.2016.
3. Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird angeordnet.

Gründe

I.
Der Betroffene ist kosovarischer Staatsangehörige(r). Er reiste erstmals am 09.12.2014 in das Bundesgebiet ein und stellte am 05.02.2015 einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 08.04.2016 wurde der Antrag durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt, eine Ausreisefrist von einer Woche ab Bekanntgabe der Entscheidung gesetzt und dem Betroffenen für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung nach Kosovo angedroht. Der Bescheid wurde am 18.04.2016 zugestellt, seit 26.04.2016 ist der Bescheid bestandskräftig und die Abschiebungsandrohung vollziehbar.
Bereits am 02.03.2016 wurde der Betroffene schriftlich in seiner Muttersprache über die Anzeigepflicht nach § 50 Abs. 4 AufenthG belehrt.
Der Betroffene hielt sich seit 08.05.2016 nicht mehr in der zugewiesenen Unterkunft, E. Weg 2 in Bamberg, auf. Er wurde am 15.05.2016 von Amts wegen als nach Unbekannt verzogen abgemeldet.
Am 18.05.2016 stellte der Betroffene in den Niederlanden Asylantrag. Deutschland hat sich zur Wiederaufnahme als im Rahmen des Dublin-Verfahrens zuständiger Staat bereit erklärt. Der Betroffene wurde am 07.10.2016 von den Niederlanden an den Flughafen Nürnberg zurücküberstellt und aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Nürnberg vom 06.10.2016 (Anordnung der Sicherungshaft bis spätestens zum Ablauf des 07.10.2016 im Wege der einstweiligen Anordnung) festgenommen.
Am 07.10.2016 beantragte die Antragstellerin, gegen d. Betroffene(n) Sicherungshaft bis 11.10.2016 anzuordnen.
Das Gericht hat d. Betroffene(n) nach mündlicher Übersetzung des Antrags vor Erlass dieses Beschlusses am 07.10.2016 persönlich angehört.
II.
Das Amtsgericht Nürnberg ist sachlich zuständig (§ 23 a Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 Nummer 6 GVG, § 106 Absatz 2 Satz 1 AufenthG, § 415, § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5, Satz 3 FamFG).
Das Amtsgericht Nürnberg ist örtlich zuständig (§ 106 Absatz 2 Satz 1 AufenthG, § 416 FamFG).
III.
Die Sicherungshaft war anzuordnen, da der Antrag zulässig und begründet ist.
1. Der Antrag ist zulässig.
Die Antragstellerin ist zuständig.
Sie ist sachlich zuständig (§ 71 Absatz 1 Satz 1 AufenthG, Artikel 1 Nummer 1 des Gesetzes über die Zuständigkeiten zur Ausführung des Ausländergesetzes und ausländerrechtlicher Bestimmungen in anderen Gesetzen vom 24. August 1990, §§ 1 ff. ZustVAuslR). Sie ist auch örtlich zuständig (Artikel 1 Nummer 2 des Gesetzes über die Zuständigkeiten zur Ausführung des Ausländergesetzes und ausländerrechtlicher Bestimmungen in anderen Gesetzen vom 24. August 1990, § 5 ZustVAuslR).
Der Antrag enthält die gemäß § 106 Absatz 2 Satz 1 AufenthG, § 417 Absatz 2 Satz 2 FamFG erforderliche Begründung, insbesondere zur erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung.
2. Der Antrag ist begründet.
Der Betroffene ist aufgrund der vollziehbaren Abschiebungsandrohung zur Ausreise verpflichtet.
Der Betroffene hat nach Ablauf der Ausreisefrist seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Auf seine Pflicht, einen Aufenthaltswechsel anzuzeigen, war er zuvor schriftlich hingewiesen worden.
Die Haft zur Sicherung der Abschiebung konnte nach § 62 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 AufenthG angeordnet werden. Der Betroffene hat nach Ablauf der Ausreisefrist seinen Aufenthaltsort gewechselt, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Auf seine Pflicht, einen Aufenthaltswechsel anzuzeigen, war er zuvor schriftlich hingewiesen worden.
Die sofortige Wirksamkeit der Anordnung konnte angeordnet werden (§ 106 Absatz 2 Satz 1 AufenthG, § 422 Absatz 2 Satz 1 FamFG). Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist davon auszugehen, dass d. Betroffene sich der Abschiebung entziehen wird, wenn er/sie bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses auf freiem Fuß bleibt.
Tatsachen, die ein ausnahmsweises Absehen von der Haftverhängung gestatten würden, sind nicht vorgetragen bzw. wurden nicht glaubhaft gemacht (§ 62 Absatz 3 Satz 3 AufenthG).
Die Sicherungshaft ist auch nicht deswegen unzulässig, weil von vornherein feststünde, dass aus Gründen, die d. Betroffene nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Absatz 3 Satz 4 AufenthG).
Die beantragte Dauer der Haft ist angemessen. Die Dauer der Haft wird von der Antragstellerin glaubhaft mit den für die Organisation und Durchführung der Abschiebung notwendigen Erfordernissen begründet. Am 11.10.2016 findet die nächste Sammelrückführung in den Kosovo statt, für diese ist der Betroffene bereits angemeldet.
Bei der Bestimmung der Dauer der Sicherungshaft ist auf die voraussichtliche Dauer des Rückübernahmeverfahrens abzustellen. Sollte dieses Verfahren bereits vor Ablauf der Frist abgeschlossen sein, so ist die Antragstellerin gehalten, den Betroffenen unverzüglich abzuschieben.
Ein staatsanwaltschaftliches Einvernehmen ist nicht erforderlich, da keine Ermittlungsverfahren bekannt sind, die ein Einvernehmen gem. § 72 Abs. 4 AufenthG erfordern würden.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.
3. Die Entscheidung konnte ergehen, ohne dass der Antrag vor der Anhörung schriftlich in die Muttersprache d. Betroffenen übersetzt und ihm/ihr zugeleitet wurde. Es genügt die Eröffnung des Haftantrags zu Beginn der Anhörung, wenn dieser – wie im vorliegenden Fall – einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt betrifft, zu dem d. Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne Weiteres auskunftsfähig ist (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.03.2010, Aktenzeichen: V ZB 222/09).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben