Verwaltungsrecht

Anordnung zur Fällung der Bäume auf Waldgrundstück rechtmäßig

Aktenzeichen  M 22 S 20.2145

Datum:
22.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20528
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf Euro 2.500,– festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt Eilrechtsschutz gegen einen sicherheitsrechtlichen Bescheid des Antragsgegners, mit dem dieser die Fällung von Bäumen auf dem Waldgrundstück des Antragstellers angeordnet hat.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. 3029, Gemarkung … Im Norden grenzt das Grundstück, das in diesem Bereich mit einem Altbestand an Fichten und vereinzelt auch Eschen bestockt ist, mit seinem Bestandsrand an zwei schmale mit einem Carport und einem Transformator-Haus bebaute Flächen sowie eine öffentliche Straße (T* …straße) an. Im Nordosten des Waldgrundstücks befindet sich auf den Flurnummern 3028 und 3028/1 Wohnbebauung der Familien … (sen.) und … (jun.).
Am … Februar 2020 fiel ein Baum aus dem Waldbestand des Antragstellers auf das Haus der Familie … (sen.), das dabei beschädigt wurde. Dem soll nach dem Vortrag des Antragsgegners ein Baumwurf am … Dezember 2019 auf das Grundstück der Familie … (jun.) vorausgegangen sein. Nähere Einzelheiten hierzu sind nicht bekannt.
Am 6. April 2020 wurde dem Antragsgegner von der für das Forstrevier … zuständigen Revierförsterin am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Weilheim in Oberbayern, Frau S* …, nach einer Besichtigung der Flurfläche 3029 schriftlich mitgeteilt, dass der einst geschlossene Fichtenbestand entlang der Grundstücksgrenze 3028 in Auflösung sei. Der verbliebene Waldrand aus vereinzelten Fichten stehe nun frei, der Wind aus Westen habe volle Angriffsfläche. Immer wieder seien einzelne Fichten umgefallen oder umgebogen worden. Für den verbleibenden Bestand bestehe ein deutlich erhöhtes Sturmwurfrisiko. Aus forstwirtschaftlicher Sicht könne davon ausgegangen werden, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit weitere Bäume umfallen werden.
Der Antragsgegner verpflichtete den Antragsteller daraufhin mit Bescheid vom 7. April 2020 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung dazu, den aus einzelnen Fichten bestehenden Waldrand auf dem Grundstück 3029 abzuholzen, damit keine weitere Gefahr für Leib und Leben sowie Sachgüter mehr hiervon ausgehen könne (Ziffer 1). Für den Fall, dass die Verpflichtung nicht bis 24. April 2020 erfüllt werde, wurde die Verhängung eines Zwangsgeldes in Höhe von 300 Euro angedroht (Ziffer 3). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass der entsprechende Fichtenbestand in Auflösung sei und umgehend gehandelt werden müsse, da am … Februar 2020 bereits ein Baum aus dem Waldbestand des Antragstellers auf das Grundstück der Familie … gefallen sei. Mehrere Gespräche zwischen dem Amt für Landwirtschaft und Forsten und dem Antragsteller sowie ein Gespräch mit dem Ordnungsamt seien bislang ergebnislos verlaufen.
Am … April 2020 faxte der Antragsteller dem Antragsgegner eine Auftragsbestätigung eines Forstbetriebes, der zufolge die am 14. April 2020 beauftragte Baumfällung auf dem Flurstück Nr. 3029 aufgrund der aktuellen Lage der Sturmholzaufbereitung erst ab ca. 1. Juli 2020 durchgeführt werden könne. Zudem wies der Antragsteller den Antragsgegner telefonisch darauf hin, dass er den abzuholzenden Bereich als unzureichend definiert erachte (vgl. Seite 2 des Bescheides vom 5.5.2020).
Unter dem 21. April 2020 setzte der Antragsgegner daraufhin die Vollziehung des Bescheides vom 7. April 2020 vorläufig aus, um genauer abzuklären, welche Bereiche konkret gefällt werden müssten und welche Firma die Maßnahmen baldigst ausführen könne.
Am 28. April 2020 nahm der Antragsgegner auf dem Grundstück des Antragstellers eine Ortsbegehung mit einem Mitarbeiter des Maschinenrings vor, der dem hierzu gefertigten Aktenvermerk zufolge die Notwendigkeit von Fällungen als eindeutig gegeben angesehen habe, die Durchführung der Arbeiten allerdings angesichts des Ausmaßes ablehnen habe müssen. Herr … (sen.), der bei dieser Gelegenheit angetroffen worden sei, habe erläutert, dass der Baum, der im Februar 2020 auf sein Haus gefallen sei, bereits recht weit weg von der Grundstücksgrenze im Wald gestanden habe.
Am 30. April 2020 fand eine weitere Ortsbegehung statt, an der Herr F* … (Mitarbeiter des Ordnungsamts des Antragsgegners), einige der nördlich und nordöstlich des Walstücks situierten Anwohner sowie Frau S* … vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten teilnahmen. Laut Aktenvermerk hat Frau S* … die Höhe des kritischen Baumbestandes mit Höhen von teils mehr als 30 Metern ermittelt. Herr F* … habe dann die kritischen Bäume (Anmerkung: hierbei handelt es sich laut Stellungnahme des Sachverständigen B* … vom 3.6.2020 um ca. 40 hoch aufgewachsene, bis über 30 m Höhe erreichende Fichten sowie ca. 15 bis 20 in diesen Fichtenbestand eingestreute Eschen), die eine unmittelbare Gefahr für die anliegenden Anwohner darstellen können, mittels eines Sprays markiert. Die Markierungsarbeiten hätten relativ großflächig ausfallen müssen, weil die hinter den eindeutig kritischen Bäumen stehenden Bäume nach deren Entfernung wiederum vor Wind und Sturm ungeschützt wären und damit zu einer neuerlichen Gefahr würden. Frau S* … habe dem Antragsteller, der sich uneinsichtig gezeigt habe, erläutert, dass der betreffende Waldbereich dem aus der Hauptwindrichtung West/Süd-West kommenden Wind durch den borkenkäferbedingten Wegfall des oberliegenden Waldstücks nahezu ungeschützt ausgesetzt sei, weshalb es bereits zu den zwei Schadensfällen vom … Dezember 2019 und … Februar 2020 gekommen sei. Unter den markierten Bäumen befänden sich zudem Eschen, bei denen fortgeschrittenes Eschensterben vorliege und die Sturzgefahr daher noch größer sei. Herr … (jun.) habe als … der Gemeindewerke … ferner dargelegt, welche Teile des Ortes von einem Stromausfall betroffen wären, sollte das unmittelbar am nördlichen Waldrand gelegene Transformator-Haus durch Baumsturz beschädigt werden.
Der Antragsgegner erließ darauf den folgenden, auf den 5. Mai 2020 datierenden Bescheid, der dem Antragsteller am 8. Mai 2020 zugestellt wurde:
„Der zuletzt mit Bescheid vom 21.04.2020 ausgesetzte Bescheid vom 07.04.2020 wird hiermit unter folgenden Auflagen wieder in Kraft gesetzt:
1. Sie werden hiermit verpflichtet die vom Markt … markierten Bäume auf Ihrem Grundstück mit der Flurnummer 3029 (Gemarkung …*) abzuholzen, damit von diesen keine weitere Gefahr für Leib und Leben sowie Sachgüter mehr ausgehen kann.
2. Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 dieses Bescheids wird hiermit angeordnet.
3. Falls Sie die Verpflichtung in Nr. 1 nicht bis Montag, 08.06.2020 erfüllt haben, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 € zur Zahlung fällig.
4. Sie haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
5. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr in Höhe von 50,00 € festgesetzt. Die Auslagen betragen 3,45 €.“
Zur Begründung wird ausgeführt, die markierten Bäume seien aufgrund der bereits im Bescheid vom 7. April 2020 erläuterten hohen Windlast aufgrund des fehlenden Schutzwaldes besonders sturzgefährdet und aufgrund ihrer Höhe auch in der Lage in eines der umliegend bebauten Grundstücke zu fallen. Eine Nachfrage bei einem Forstbetrieb habe ergeben, dass eine Erledigung der Arbeiten innerhalb von zwei bis drei Wochen möglich sei. Da die Schutzgüter Eigentum und Gesundheit gefährdet seien, sehe man sich veranlasst, die unter der Nr. 1 des Bescheids gemachten Auflagen zu erlassen. Die auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG fußende Anordnung sei auch verhältnismäßig, da der Antragsteller durch die geforderte Maßnahme in weniger hohem Maße beeinträchtigt sei, als dass dadurch die Sicherheit des Eigentums und der Gesundheit der umliegenden Anlieger gewährleistet sei. Mildere Mittel, die weniger in Rechte des Antragstellers eingreifen würden, seien nicht ersichtlich oder zielführend. Dem Antragsteller entstünden keine unzumutbaren Nachteile. Die Verantwortung als Waldbesitzer gebiete zudem die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit. Es bestehe ein öffentliches Interesse daran, die Gefahr umstürzender Bäume rasch zu beenden, um Rechtsgüter zu schützen und auch um mögliche Bezugsfälle für andere Waldbesitzer zu vermeiden. Würde die sofortige Vollziehung nicht angeordnet, bestünde die Gefahr, dass der Antragsteller der Anordnung bis zum Abschluss eines Klageverfahrens nicht Folge leisten müsste und die Gefährdung der erwähnten Schutzgüter solange fortbestehe. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes habe eine realistische Beugewirkung. Der Vollzug innerhalb der gesetzten Frist könne dem Pflichtigen zugemutet werden.
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller („in der Fassung des ausgesetzten Bescheides vom 21.04.2020“) am … Mai 2020 durch seinen Bevollmächtigten Anfechtungsklage erheben. Zudem beantragte er auch,
„im Wege der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung aufgrund der Klage in Ziffer 1 gemäß der Ziffer 2, 3 und 5 des Bescheides vom 05.05.2020 in der Fassung des Bescheides vom 07.04.2020 anzuordnen und in der Ziffer 5 des Bescheids vom 07.04.2020 anzuordnen.“
Zur Begründung wird vorgetragen, die Fichten am Waldrand stünden bereits seit 60 Jahren. In dieser Zeit hätten sich bis auf den 27. Februar 2020, an dem der Wirbelsturm Sabine in ganz Bayern Bäume umgeworfen habe, keine Vorfälle ereignet, wonach die Bäume aufgrund von Witterungseinflüssen umgestürzt seien. Die Fichten hätten bisher eine entsprechende Standfestigkeit aufgewiesen und würden dies weiter tun. Auf zwei weiter südlich gelegene Grundstücke des Antragstellerbevollmächtigten sei in den letzten 32 Jahren, in denen dieser Eigentümer der Flächen sei, noch nie ein Baum des Antragstellers gefallen, obwohl die Bäume dort völlig frei und deutlich höher gelegen an der Hangkante stünden. Der Antragsteller habe den Vorfall vom … Februar 2020 zudem zum Anlass genommen, weitere fünf Bäume abzuschneiden, nachdem der Nachbar zuvor erklärt habe, dass er davon ausgehe, dass dann keine Gefahr mehr für Leib und Leben und Sachgüter bestehe. Vom Wald des Antragstellers gehe daher keine Gefahr aus. Die Revierförsterin habe die Besprühung der Bäume selbst abgelehnt. Herr F* … habe diese nach Angaben der Revierförsterin besprüht. Sie habe augenscheinlich keine Verantwortung für ihre Angaben übernehmen wollen. Die vom Antragsgegner behauptete Gefahr für Leib und Leben sei nur vorgeschoben, weil den Nachbarn die Verschattung, die vom Wald ausgehe, störe. Von einer nachhaltigen und ernstlichen Gefahr zur Rechtfertigung des sofortigen Vollzugs könne schon gar keine Rede sein. Eine solche werde nur behauptet, nicht aber substantiiert nach Zeit, Ort und Umfang dargestellt. Die Dringlichkeit sei auch dadurch widerlegt, dass der Antragsgegner den ursprünglichen Bescheid selbst vorläufig wieder außer Vollzug gesetzt habe.
Mit Schreiben vom 24. September 2018 beantragte der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Es bestehe aktuell eine konkrete Gefahr für die Bebauung der umliegenden Grundstücke sowie für Leben und Gesundheit der dort lebenden Anwohner und für Passanten und Verkehrsteilnehmer der umliegenden Straßenbebauung. Die Stromversorgung könne teilweise ausfallen. Der streitgegenständliche Baumbestand sei ursprünglich durch den südwestlich gelegenen Bestand geschützt gewesen. Dieser Bestand habe aber wegen Borkenkäferbefalls entfernt werden müssen. Seither sei der streitgegenständliche hoch aufragende Fichten- und Eschenbestand ungeschützt den auftreffenden Sturmwinden ausgesetzt. Die aktuelle Umsturzgefahr habe sich bei den Fichten bereits in zwei Fällen realisiert. Die Eschen seien zudem am Eschensterben erkrankt. Erkrankte Bäume verlören rasch abgestorbene, stärkere Äste. Es könne zudem zur Destabilisierung der Bäume durch Stammfußnekrosen kommen. Herr F* … habe die Bäume, die nach Feststellung von Frau … unmittelbar umsturzgefährdet seien, markiert. Es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse, die Gefahr umstürzender Bäume im Lebens- und Bewegungsbereich der Nachbarschaft und der Straßenverkehrsteilnehmer zu schützen. Der Antragsteller werde nicht unzumutbar belastet. Die Sicherheitsbehörde habe pflichtgemäß am Tag nach Erhalt des Schreibens der Mitarbeiterin der Forstbehörde reagiert. Mit Blick auf das Bestimmtheitserfordernis habe die Sicherheitsbehörde dann einen neuen Bescheid mit konkreter Tenorierung erlassen. Kosten für den ursprünglichen Bescheid würden nicht berechnet.
Am 27. Mai 2020 wies die Kammer den Antragsgegner darauf hin, dass die vorgelegten Unterlagen die Gefahrenprognose derzeit nicht hinreichend belastbar belegen dürften, auch wenn diese der Sache nach zutreffen sollte. Eine ausführliche fachliche Stellungnahme bzw. die Einholung eines Fachgutachten wurden angeregt.
Am 8. Juni 2020 legte der Antragsgegner eine gutachterliche Stellungnahme des öffentlich bestellten und vereidigten Baumsachverständigen B* … vom 3. Juni 2020 vor. Der Sachverständige kommt darin nach stellvertretender baumstatischer Untersuchung von vier Fichten östlich des Waldweges, der das Waldstück in nordsüdlicher Richtung durchzieht, sowie von vier Eschen westlich des Weges, zu dem Ergebnis, dass alle vier untersuchten Fichten einen Grundsicherheitsfaktor deutlich unter 1 aufweisen würden, mit der Folge, dass die Stämme der Bäume bei Sturmböen jederzeit abbrechen könnten. Waldbäume, insbesondere die ausnahmslos sehr flach wurzelnden Fichten, seien generell nur in Beständen sicher, da die Bäume als Verband eine geringere Schwingungsbreite und eine geringere Windangriffsfäche hätten. Auch würden sich die dicht stehenden Bäume im Laufe ihres Lebens an die Windverhältnisse anpassen. Im Bestand fehle der Belastungsreiz starke Wurzelsysteme auszubilden. Freigestellte Fichten am Rande von Windwurfflächen, wie vorliegend gegeben, seien daher erhöht windwurfgefährdet. Abgesehen davon seien die Fichten angesichts ihrer hoch ansetzenden Baumkronen sehr schwingungswillig, was wiederum die Grundsicherheit noch einmal deutlich herabsetze, da sich der Baum bei Sturmböen locker rüttle. Auch hinsichtlich der untersuchten Eschen bestehe eine konkret erhöhte Versagensgefahr. Eine der Eschen werde nur noch durch ihren Nachbarbaum gehalten, alle untersuchten Eschen würden zudem oberirdische Rindenschäden mit Hallimaschbefall zeigen. Solche Schäden seien für jeden Baumkontrolleur ein Alarmsignal. Der Pilz zerstöre die Wurzeln und das Stammgewebe und beeinträchtige die Verkehrssicherheit. Solche Bäume würden in aller Regel kurz nach dem Erkennen der Schadsymptome entnommen. Im Ergebnis seien sowohl die untersuchten Fichten als auch die untersuchten Eschen als erhöht versagensgefährdet einzustufen. Es sei damit zu rechnen, dass diese Bäume bereits bei Sommergewittern abbrechen oder entwurzelt werden und umstürzen. Alle untersuchten Bäume sollten eigentlich entfernt werden, da sie bei Stürmen auf die östlich angrenzende Wohnbebauung stürzen könnten. Der restliche Bestand sei ebenfalls gefährdet, denn auch hier würden sehr schwingungswillige Fichten und Eschen stocken, die im Fall der letztgenannten Art sicherlich ebenfalls Stammschäden aufweisen oder unterirdisch vom Hallimasch befallen sein könnten.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers trug daraufhin mit Schriftsätzen vom …, … und … Juni 2020 vor, der Antragsteller widersetze sich der Verwertung der gutachterlichen Stellungnahme und bestreite diese wie auch das übrige Parteivorbringen. Im Fall der kippenden Esche sei etwa gar nicht gesagt, dass sie nicht auch weiter von der anderen Esche gehalten werde, zudem würden die Bäume aufgrund ihrer Position allenfalls auf das Grundstück des Antragstellers fallen. Dem Antragsteller entstünde bei Ablehnung des Antrags ein nicht wiedergutzumachender Schaden, der in keiner Weise vertretbar sei, da eine Gefahr für Leib, Leben und Sachen, die einen nicht reversiblen Sofortvollzug rechtfertige, nicht gegeben sei. Bei dem letzten Wirbelsturm im Oberland in der Nacht auf den 14. Juni 2020 sei kein Baum des Antragstellers umgestürzt. Eine einstweilige Anordnung bezüglich der Kosten des Bescheides vom 7. April 2020 werde nicht mehr gefordert.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag des Antragstellers ist bei verständiger Würdigung seines Begehrens gemäß §§ 88, 122 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als kombinierter Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO und § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig. Der Antragsteller wendet sich zuletzt nach seinem Vorbringen sowohl gegen die für sofort vollziehbar erklärte Ordnungsverfügung in Ziffer 1 des Bescheides vom 5. Mai 2020 (der den inhaltlich nicht hinreichend bestimmten Bescheid vom 7. April 2020 ersetzte und diesen mit der Wirkung des § 43 Abs. 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG – konkludent aufhob), als auch gegen die Androhung von Zwangsgeld in Ziffer 3 des Bescheids, gegen die Rechtsmittel von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 2 Satz Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG -), sowie gegen die Gebührenfestsetzung in Ziffer 5, die § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO unterfällt.
2. Der so verstandene Antrag bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen, im Fall des Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft hierfür eine eigene originäre Entscheidung aufgrund einer summarischen Würdigung der zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Erkenntnislage unter Abwägung der Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfes und dem Interesse der Behörde an der geltend gemachten sofortigen Vollziehbarkeit, wobei besonderes Gewicht den voraussichtlichen Erfolgsaussichten in der Hauptsache zukommt. Ergibt die summarische Überprüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Überprüfung als rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
2.1. Die in Ziffer 2 angeordnete sofortige Vollziehung der Fällungsanordnung aus Ziffer 1 des Bescheides vom 5. Mai 2020 ist nicht zu beanstanden.
Sie genügt in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO und lässt erkennen, dass sich der Antragsgegner des besonderen Ausnahmecharakters des sofortigen Vollzugs bewusst ist. Der Antragsgegner hat mit Bezug zum vorliegenden Einzelfall ausgeführt, dass ein besonderes öffentliches Interesse daran bestehe, dass die gegenüber dem Antragsteller angeordnete Verpflichtung sofort greift, um die Gefahr umstürzender Bäume und die damit einhergehende Gefährdung der Schutzgüter Eigentum und Gesundheit auch im Fall der Klageerhebung rasch zu beenden und – im Rahmen generalpräventiver Erwägungen – auch die Entstehung von Bezugnahmen zu verhindern.
Der Sofortvollzug ist auch materiell gerechtfertigt. Nach der im gerichtlichen Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist festzustellen, dass der erhobene Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren aller Voraussucht nach erfolglos bleiben wird, da die streitgegenständliche Verfügung sich als rechtmäßig erweisen dürfte (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).
Der Antragsgegner hat die Fällungsanordnung gegenüber dem Antragsteller zutreffend auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützt. Danach können die Gemeinden als Sicherheitsbehörden nach Art. 6 LStVG zur Erfüllung ihrer Aufgaben Anordnungen für den Einzelfall treffen, um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen.
Der Tatbestand des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG erfordert dabei das Vorliegen einer konkreten Gefahr, also einer Sachlage, bei der die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in überschaubarer Zukunft der abzuwehrende Schaden eintritt. Dabei sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der zu erwartende Schaden und je ranghöher das bedrohte Rechtsgut ist.
Eine konkrete Gefahr für die von Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG geschützten Rechtsgüter liegt hier vor. Aufgrund der Gegebenheiten vor Ort sind im Falle des Versagens eines der betreffenden Bäume aufgrund der von diesen bereits erlangten Höhe und Massivität ohne Zweifel nicht nur von Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG nicht erfasste (private) Sachschäden zu erwarten, vielmehr wäre auch Leben und Gesundheit von während eines solchen Geschehnisses auf den Grundstücken befindlichen Personen sowie der Verkehrsteilnehmer auf der nördlich des Waldstücks verlaufenden Straßenverkehrsfläche gefährdet. Daneben besteht auch die Gefahr, dass das im Eigentum des Antragsgegners stehende, öffentlichen Interessen dienende Travohäuschen durch einen Baumwurf beschädigt wird.
Anlass der sicherheitsrechtlichen Anordnung war dabei für den Antragsgegner auch nicht die von Waldbeständen auch bei ordnungsgemäßer forstlicher Nutzung ausgehende abstrakte waldtypische Gefahr, die hinzunehmen wäre, sondern eine konkret erhöhte Versagungsgefahr des betreffenden Baumbestandes, die sich bereits bei Sommergewittern realisieren kann und sich in mindestens einem Fall, den Angaben des Antragsgegners zufolge sogar in zwei Fällen, auch bereits in einer Störung durch einen Baumwurf realisiert hat.
Die diesbezügliche Einschätzung der Revierförsterin, auf deren Angaben die vom Ordnungsamtsmitarbeiter vollzogene Markierung der Bäume fußte und deren vor Ort angestellten Erwägungen anhand der vorgelegten, knappen Unterlagen zunächst nicht hinreichend belastbar nachvollzogen werden konnten, wurde durch die gutachterliche Stellungnahme des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Baumpflege, Baumstatik und Wertermittlung B* … vom 3. Juni 2020 bestätigt. Letzterem zufolge sind alle von ihm untersuchten Bäume des Antragstellers angesichts der Art des Bestandes (ausnahmslos flachwurzelnde Fichten und vorgeschädigte Eschen), der Baumhöhe (Höhen über 30m), der Bestandsstruktur (in Auflösung befindlicher Bestand hinter einer Bestandslichtung von geschätzt einem Hektar) als erhöht bzw. stark versagensgefährdet einzustufen. Mit einem Bruch oder Wurf der Bäume bereits bei Sommergewittern sei zu rechnen. Alle untersuchten Bäume sollten entfernt werden, da sie bei Stürmen auf die östlich angrenzenden Grundstücke stürzen könnten. Der restliche Bestand sei ebenfalls gefährdet. Auch hier würden sehr schwingungswillige Fichten und Eschen stocken, die im letztgenannten Fall sicherlich auch entsprechend vorgeschädigt seien.
Diese zuvor bereits vom Antragsgegner auf der Grundlage einer Sichtung des gesamten streitgegenständlichen Baumbestandes und der Einschätzung der Revierförsterin getroffene Prognoseentscheidung ist nicht zu beanstanden. Anlass, an der fachlichen Expertise der Revierförsterin bzw. des Baumsachverständigen zu zweifeln, sieht das Gericht nicht. Die Einholung eines weiteren Gutachtens, zumal im Eilverfahren, war daher nicht veranlasst und wäre im Übrigen nach Auffassung des Gerichts auch im Rahmen des Hauptsacheverfahrens zum Zwecke der Sachverhaltsaufklärung nicht (mehr) veranlasst. Nach den mit Blick auf den vorgelegten Lageplan plausiblen Angaben des Antragsgegners wurde auch nur der umsturzgefährdete Bestand an Fichten und Eschen als abholzungspflichtig markiert, der aufgrund seiner Höhe in die benachbarten Grundstücke fallen könnte. Soweit der Antragsteller demgegenüber – unsubstantiiert – vorträgt, die bereits in Schräglage befindliche Esche würde, wenn überhaupt, allenfalls auf das Grundstück des Antragstellers fallen, ist dies auch angesichts zweier widersprechender fachlicher Einschätzungen nicht nachvollziehbar: Der Baumsachverständige B* … hat in seinem Gutachten explizit ausgeführt alle von ihm untersuchten Bäume, mithin auch die vom Antragsteller in Bezug genommene Esche, könnten auf Anliegergrundstücke fallen.
Soweit der Antragsteller vorträgt, seine Bäume hätten auch das jüngste Unwetter unbeschadet überstanden, ist dieser Vortrag ebenfalls nicht geeignet, die Gefahrenprognose zu wiederlegen. Abgesehen davon verlangt der Begriff der konkreten Gefahr auch nicht, dass eine Schädigung mit Sicherheit zu erwarten ist. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts liegt vielmehr zwischen der Sicherheit und der nahezu, aber nicht völlig auszuschließenden Möglichkeit. Dabei gilt, dass je größer die Schädigung ist, desto geringer die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit sind, und dass umgekehrt die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit wachsen, wenn die Bedeutung der drohenden Schädigung gering ist.
Auch das Vorbringen des Antragstellerbevollmächtigten, dass es weiter südlich, auf Höhe des Grundstücks T* …str. …, noch zu keinem einzigen Baumwurf aus dem Grundstück des Antragstellers gekommen sei, vermag angesichts dessen, dass dort andere topographische Gegebenheiten und Bestandsstrukturen vorherrschen, keine dem Antragsteller günstigere Gefahrenprognose zu rechtfertigen.
Der Antragsteller ist auch richtiger Adressat der Anordnung. Er ist Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück sowie die auf diesem befindlichen, verfahrensgegenständlichen Bäume und damit als Zustandsstörer heranzuziehen, Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG. Die Verursachung einer Gefahr durch Naturvorgänge lässt die Verantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt nicht entfallen. Denn die Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit knüpfen an die aus der tatsächlichen und rechtlichen Sachherrschaft hergeleitete Rechtspflicht an, dafür zu sorgen, dass von dem Grundstück keine Störungen oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen (Lindner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 01.02.2020, Art. 9, Rn. 34).
Der Antragsgegner hat sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Die Anordnung ist auch verhältnismäßig. Ein zur Abwehr der von den Bäumen ausgehenden Gefahr ebenso effizientes, milderes Mittel als die Fällung der Bäume ist nicht ersichtlich. Dass der Antragsteller, der für den Baumbestand auf seinem Grundstück verkehrssicherungspflichtig ist und bei Untätigkeit trotz bekannter Versagensgefahr ggf. auch schadensersatzpflichtig wäre, durch die Abholzverpflichtung unangemessen belastet wird, kann gleichfalls nicht angenommen werden. Der Antragsteller ist nicht daran gehindert die abzuholzenden Bäume zu verwerten und die Fläche wiederaufzuforsten. Auch wenn die etwa 60 Jahre alten Fichten die forstliche Umtriebszeit noch nicht erreicht haben, steht nach Auskunft des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gleichwohl zu erwarten, dass der Verwertungserlös die Fällungskosten übersteigen, jedenfalls aber ausgleichen wird.
Die auf Art. 7 Abs. 2 LStVG gestützte streitgegenständliche Fällungsanordnung (Ziffer 1 des Bescheides) erweist sich nach alledem bei summarischer Überprüfung als rechtmäßig.
Da der Antragsteller kein schutzwürdiges, privates Interesse daran haben kann, von der Vollziehung eines aller Voraussicht nach rechtmäßigen Verwaltungsakt verschont zu bleiben und ferner die begründete Besorgnis besteht, die von dem Waldstück ausgehenden Gefahren könnten sich schon vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Rahmen eines Sommergewitters realisieren und hohe Rechtsgüter verletzen, überwiegt trotz der Tatsache, dass die getroffene Anordnung im Fall des Vollzugs nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, zur Überzeugung des Gerichts auch das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
2.2. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Androhung von Zwangsmitteln in der Ziffer 3 des Bescheides vom 5. Mai 2020 anzuordnen, hat gleichfalls keinen Erfolg.
Die Androhung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung der getroffenen Maßnahme ist rechtmäßig erfolgt, Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 30, Art. 31 und Art. 36 VwZVG. Die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung bewegt sich am untersten Bereich dessen was realistischerweise noch eine Beugewirkung zu entfalten vermag, und ist daher nicht zu beanstanden, Art. 31 Abs. 2 VwZVG.
Zu dem Umstand, dass über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bis zum Ablauf der bei Bescheidserlass angemessen langen Erfüllungsfrist noch nicht entschieden war, ist darauf hinzuweisen, dass dem Antragsteller im Rahmen des Anwendungsermessens nochmals eine angemessene Frist für die Befolgung der Beseitigungsanordnung einzuräumen ist, bevor das angedrohte Zwangsmittel angewendet wird (vgl. BayVGH, U.v. 16.11.2010 – 1 B 10.1068 unter Verweis auf BayVGH, B.v. 20.12.2002 – 1 ZE 01.2820 – beide in juris).
Auch die Gebührenfestsetzung ist offensichtlich rechtmäßig.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO.
4. Der Streitwert ist gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m § 52 Abs. 2 GKG in der im Tenor benannten Höhe festzusetzen. Der vorliegend im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzverfahren zu halbierende Auffangwert ist heranzuziehen, da der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für eine anderweitige Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers daran, von der angegriffenen Ordnungsverfügung verschont zu bleiben, bietet*


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