Verwaltungsrecht

Anordnungen zur Hundehaltung, Fälligstellung eines Zwangsgelds, Androhung eines weiteren Zwangsgelds

Aktenzeichen  M 22 K 20.5335

Datum:
2.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 16088
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 31
VwZVG Art. 36 Abs. 6 S. 2
VwZVG Art. 38

 

Leitsatz

Tenor

I. Soweit die Beteiligten die Streitsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 3/5 und die Beklagte 2/5.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höher leistet.

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren entscheiden (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Soweit die Streitsache (hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 21. September 2020) übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Im Übrigen bleibt die Klage ohne Erfolg.
Der Kläger verfolgt insoweit im Wege der zulässigen objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) ein Feststellungsbegehren (dazu unter 1.) sowie ein Anfechtungsbegehren (dazu unter 2.).
1. Die auf Feststellung, dass das Zwangsgeld i.H.v. 800,- Euro nicht fällig geworden ist, gerichtete Klage ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
1.1. Statthaft ist die Feststellungsklage nach § 43 VwGO.
Art. 31 Abs. 3 Satz 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) definiert die Androhung eines Zwangsgelds als aufschiebend bedingten Leistungsbescheid i.S.d. Art. 23 Abs. 1 VwZVG, weil bereits mit der Androhung für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung bzw. Nichterfüllung der Handlungspflicht eine Geldleistung gefordert wird. Erfüllt der Pflichtige die ihm auferlegte Pflicht nicht bzw. nicht rechtzeitig, so wird die Zwangsgeldforderung fällig (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG). Die Voraussetzungen für die Vollstreckung des Leistungsbescheids liegen dann vor (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG).
Die Fälligstellung ist kein Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), sondern lediglich eine behördliche Mitteilung über den Eintritt der Bedingung im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung. Da mithin der Kläger seine Rechte nicht im Wege einer vorrangigen Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) geltend machen kann, ist die gemäß § 43 Abs. 2 VwGO grundsätzlich subsidiäre Feststellungsklage statthaft. Die Frage, ob das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist, stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar, an dessen Klärung der Kläger ein berechtigtes Interesse hat.
Nach Art. 38 Abs. 3 VwZVG sind förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung nur insoweit zulässig, als geltend gemacht werden kann, dass diese Maßnahmen eine selbständige Rechtsverletzung darstellen. Einwendungen, die die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts betreffen, so auch der vom Kläger erhobene Einwand gegen den ausnahmslos verfügten Maulkorbzwang und die Höhe des im Grundverwaltungsakt angedrohten Zwangsgelds (i.H.v. 800,- Euro), können daher insoweit nicht geltend gemacht werden. Als selbstständige Rechtsverletzung im Sinne des Art. 38 Abs. 3 VwZVG kommen nur Umstände im Zusammenhang mit dem Bedingungseintritt nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG in Betracht.
1.2. Die Feststellungsklage ist in diesem Umfang jedoch unbegründet. Das im Bescheid vom 25. Juli 2019 angedrohte Zwangsgeld ist fällig geworden.
a) Die Fälligkeit des Zwangsgelds setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind, insbesondere bedarf es eines wirksamen und vollstreckbaren Grundverwaltungsakts. Dies ist vorliegend der Fall.
Der auf ein Handeln gerichtete Grundverwaltungsakt – der Bescheid vom 25. Juli 2019 – ist vollstreckbar gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG, weil in Nr. 3 des Bescheids seine sofortige Vollziehung angeordnet ist. Die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Bescheids ist – anders als seine Wirksamkeit – jedenfalls im Fall seiner Bestandskraft keine Voraussetzung für seine Vollstreckung (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2002 – 20 ZB 02.1265 – juris Rn. 12) und daher im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen nicht relevant. Sollte das Zwangsgeld – wie der Kläger meint – der Höhe nach unangemessen sein, so handelt es sich insoweit jedenfalls nicht um einen besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler, der eine Nichtigkeit und Unwirksamkeit im Sinne von Art. 44 Abs. 1 i.V.m. 43 Abs. 3 BayVwVfG zur Folge hätte. Sonstige Nichtigkeitsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
b) Ferner ist es zwischen den Verfahrensbeteiligten unstrittig, dass der Rüde des Klägers am … Juni 2019 auf der … zumindest kurzzeitig keinen Maulkorb getragen hat. Ob es zu einem Beißvorfall tatsächlich gekommen ist – wofür vorliegend Einiges spricht – kann dabei dahingestellt bleiben.
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten stellt selbst die kurzzeitige Abnahme des Maulkorbs außerhalb des befriedeten Grundstücks des Klägers einen Verstoß gegen die sicherheitsrechtliche Anordnung (Maulkorbzwang) in Nr. 1.3 des bestandskräftigen Bescheids der Beklagten vom 25. Juli 2019 dar. Dieses Ergebnis ändert sich selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens des Klägers nicht, dass die kurzzeitige Abnahme des Maulkorbs lediglich bezweckt habe, dem an einem heißen Sommertag an Durst leidenden Rüden das Trinken aus dem See zu gestatten bzw. ermöglichen. Denn insbesondere bei gut angepassten Maulkörben in der Form eines „Gitterkorbes“ sind Hecheln und Trinken ohne große Einschränkungen möglich (vgl. https://www.vet-dogs.de/so-findest-du-den-richtigen-maulkorb-fuer-deinen-hund/; https://www.gespuernase.de/der-richtige-maulkorb/). Schließlich galt der Maulkorbzwang im Zeitpunkt des Verstoßes am … Juni 2020 bereits seit einem knappen Jahr, sodass der Kläger bis dahin genug Zeit hatte, einen passenden Maulkorb für den Rüden zu besorgen und die Abnahme zu vermeiden. Selbst wenn aber die Abnahme des Maulkorbs aus Tierschutzgründen erforderlich gewesen sein sollte, hätte der Kläger dafür Sorge tragen müssen, seinen Hund dabei von Dritten abzuschirmen. Vor dem Hintergrund, dass das Fehlverhalten des Klägers insofern nicht unverschuldet war und es infolge des Verstoßes gegen die sicherheitsrechtliche Anordnung zudem zu einem Personenschaden kam, bestand für die Beklagte kein Anlass dafür, in Ausübung ihres durch Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG eingeräumten und nach § 114 VwGO gerichtlich überprüfbaren Anwendungsermessens trotz der Fälligkeit des Zwangsgelds von dieser Beitreibung abzusehen.
Die Feststellungsklage war deshalb abzuweisen.
2. Die auf Aufhebung der erneuten Zwangsgeldandrohung im „Änderungsbescheid“ vom 13. Januar 2021 gerichtete Klage ist ebenfalls zulässig, jedoch unbegründet.
2.1. Statthaft ist vorliegend die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, da die Zwangsgeldandrohung gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG einen Leistungsbescheid im Sinne des Art. 23 Abs. 1 VwZVG darstellt. Hiergegen sind gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VwZVG dieselben förmlichen Rechtsbehelfe gegeben, die gegen den Grundverwaltungsakt zulässig sind.
2.2. Die Anfechtungsklage ist allerdings unbegründet. Die Zwangsgeldandrohung im „Änderungsbescheid“ vom 13. Januar 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Es bestehen keine Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zwangsgeldandrohung. Insbesondere hat die Beklagte vorliegend als zuständige Sicherheitsbehörde gehandelt (Art. 6 Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG, Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) BayVwVfG). Sie hat ermessenfehlerfrei von vorheriger Anhörung nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG abgesehen. Die angefochtene Zwangsgeldandrohung ist schriftlich ergangen (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) und wurde förmlich zugestellt (Art. 36 Abs. 7 i.V.m. Art. 3 VwZVG, § 180 Satz 1 Zivilprozessordnung – ZPO). Schließlich genügt auch die Begründung der Höhe der Zwangsgeldandrohung den Anforderungen des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG.
b) Die Androhung eines Zwangsgelds i.H.v. 1.600 Euro ist auch materiell rechtmäßig, da die allgemeinen (Art. 18 ff. VwZVG) und besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen und keine Anhaltspunkte für Vollstreckungshindernisse vorgetragen oder sonst ersichtlich sind.
Aus dem Bescheid vom 25. Juli 2019 (Grundverwaltungsakt) kann vollstreckt werden, weil seine sofortige Vollziehbarkeit angeordnet war und zudem der Kläger den Bescheid hat bestandskräftig werden lassen (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 und 3 VwZVG).
Wird die Pflicht zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann die Vollstreckungsbehörde den Pflichtigen durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten (Art. 31 Abs. 1 VwZVG). Zwangsmittel können so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Eine erneute Zwangsgeldandrohung ist erst dann zulässig, wenn die vergangene Androhung erfolglos geblieben ist (Art. 36 Abs. 5 Satz 2 VwZVG). Das ist hier der Fall, da der Kläger – wie bereits ausgeführt – am 12. Juni 2020 gegen die Anordnung des Maulkorbzwangs verstoßen hat.
Das Zwangsgeld ist in bestimmter Höhe anzudrohen (Art. 36 Abs. 5 VwZVG). Die Höhe des Zwangsgelds ist nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes innerhalb des gesetzlich festgelegten Rahmens (von 15,- bis EUR 50.000,- Euro) von der Vollstreckungsbehörde festzusetzen (Art. 29 Abs. 3 i.V.m. Art. 31 Abs. 2 VwZVG). Neben dem wirtschaftlichen Interesse sind die Umstände des Einzelfalls wie Verschuldensgründe, Ausmaß des Ungehorsams, Dauer und Intensität der Pflichtverletzung und öffentliches Interesse an der Durchsetzung der Anordnung von Bedeutung (vgl. Kugele/Kugele/Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand Juni 2015, VwZVG 20.31 Anm. 3).
Vorliegend bestehen gegen die Höhe des Zwangsgelds von nunmehr 1.600,- Euro keine rechtlichen Bedenken. Die der Bemessung zugrunde liegenden Erwägungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Sie stützt die Entscheidung im Wesentlichen auf das öffentliche Interesse an einer wirksamen Gefahrenabwehr und die notwendige Beugewirkung. Eine Verdopplung des ersten Zwangsgelds erscheint vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das erste Zwangsgeld den Kläger nicht zur Einhaltung der Anordnung hat anhalten können, zwar nicht zwingend, aber durchaus vertretbar, um die Öffentlichkeit vor Gefahren, die von dem Rüden des Klägers ausgehen, wirksam zu schützen.
Die Festsetzung des erneuten Zwangsgelds ist daher rechtlich nicht zu beanstanden. Die Anfechtungsklage war abzuweisen.
3. Über die Kosten des Verfahrens ist im Hinblick auf den für erledigt erklärten Teil des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, demjenigen Verfahrensbeteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre oder der durch eigenen Willensentschluss die Erledigung der Streitsache veranlasst hat bzw. sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat (BVerwG, B.v. 2.2.2006 – 1 C 4/05 – juris Rn. 2; B.v. 17.8.2011 – 1 C 19.10 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 21.8.2019 – 1 N 17.304 – juris Rn. 2; vgl. auch Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 161 Rn. 18 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen entspricht es hier billigem Ermessen, die Tragung der Verfahrenskosten der Beklagten aufzuerlegen. Die gegen den Bescheid vom 21. September 2020 erhobene Anfechtungsklage wäre nach summarischer Prüfung erfolgreich gewesen, da die darin verfügte Zwangsgeldandrohung nicht den Begründungserfordernissen nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG (insbesondere bei Ermessensentscheidungen nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG) genügt. Unabhängig davon spricht für dieses Ergebnis auch der Umstand, dass die Beklagte mit dem „Änderungsbescheid“ vom 13. Januar 2021 die Erledigung selbst herbeigeführt und sich damit freiwillig in die Rolle der unterlegenen Partei begeben hat.
Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO.


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