Verwaltungsrecht

Anordnungen zur Hundehaltung

Aktenzeichen  10 ZB 17.802

Datum:
4.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2239
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LStVG Art. 18 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Für die Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO muss ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt werden.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage gegen sicherheitsrechtliche Anordnungen zur Hundehaltung weiter.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11).
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Feststellung, dass von dem Hund der Klägerin eine konkrete Gefahr für die in Art. 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 LStVG genannten Rechtsgüter ausgehe, auf den Zwischenfall vom 11. Juni 2016 abgestellt, bei dem der Hund ein neunjähriges Kind durch Bisse erheblich verletzt hatte. Auch wenn man den nunmehr in der Klagebegründung dargelegten Geschehensablauf zugrunde lege, wonach das Kind mit seinem Fahrrad sehr knapp an dem Hund vorbeigefahren sei, dieser sich instinktiv in das Vorderrad verbissen und dann das Kind das Rad aus dem Maul gerissen habe, worauf der Hund zugebissen habe, schließe das die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht aus. Denn auch wenn der Schaden durch ein vermeintliches Fehlverhalten oder eine vermeintliche Fehlreaktion einer anderen Person entstanden sei, gehe die Gefahr ausschließlich von dem Hund aus. Von einem Passanten könne kein hundegerechtes Verhalten erwartet werden, vielmehr stehe der Hundehalter in der Pflicht, wenn er den Hund in der Öffentlichkeit ausführe. Das Herausziehen eines Fahrrads aus dem Maul eines Hundes, der sich in den Reifen eines Fahrrads verbissen habe, stelle nach Ansicht des Verwaltungsgerichts eine nachvollziehbare und übliche Reaktion dar. Auch das Ermessen sei fehlerfrei ausgeübt worden. Die Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; dies könne angeordnet werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr unabdingbar sei, weil beispielsweise eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der Hund auch angeleint zubeißen oder sich von der Leine losreißen werde. So liege der Fall hier. Der Hund sei bei dem Vorfall angeleint gewesen, und habe trotzdem zubeißen können, womit deutlich werde, dass der Leinenzwang allein nicht ausreiche, um die von ihm ausgehenden Gefahren abzuwehren. Dem Bewegungsbedürfnis des Hundes sei durch die Nr. 1.3 des Bescheids ausreichend Rechnung getragen. Die Beklagte habe auch ermessensfehlerfrei angeordnet, dass der Hund außerhalb der Halterwohnung bzw. des befriedeten Besitztums nur von einer dazu befähigten erwachsenen Person geführt werden darf. Denn die verfügte Anleinpflicht mache nur dann Sinn, wenn der Hundeführer nach seinen physischen und psychischen Verhältnissen in der Lage sei, über die Leine auf den Hund ausreichend einzuwirken.
Die Klägerin bringt hierzu vor, das Verwaltungsgericht habe sich mit den wesentlichen Gesichtspunkten der Sachverhaltsschilderung in der Klagebegründung überhaupt nicht auseinandergesetzt, nämlich mit der „unglücklichsten Verkettung unwahrscheinlichster Umstände“, der völligen Unauffälligkeit des Hundes vor dem Zwischenfall und der nachfolgend erfolgten Testung durch eine Hundeschule und der „fachlichen Beschulung“ des Hundes. In dem „gegenständlichen Biss“ habe sich die „allgemeine Tiergefahr“ realisiert. Daher genügten die pauschale Beißkorbpflicht außerhalb des Halteranwesens und die Führungseinschränkung auf Erwachsene nicht dem pflichtgemäßen Auswahlermessen.
Damit werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert in Frage gestellt. Die Klägerin beschönigt den auslösenden Vorfall, bei dem ihr Hund ein Kind zweimal gebissen und erheblich verletzt hat, als „unglücklichste Verkettung unwahrscheinlichster Umstände“. Das Verwaltungsgericht ist ohnehin zugunsten der Klägerin von dem in der Klageschrift vorgetragenen Geschehensablauf ausgegangen, nachdem im Verwaltungsverfahren der Ehemann der Klägerin – der den Hund bei dem Vorfall ausgeführt hatte – in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Mutter des geschädigten Kindes noch angegeben hatte, der Hund sei auf das Kind „zugelaufen“. Folgt man dem Vortrag der Klägerin, hat der Hund in einer Schreckreaktion auf ein auf einem Kinderfahrrad vorbeifahrendes Kind sich in das Fahrrad verbissen, dann aber nicht losgelassen, sondern noch zweimal das Kind selbst gebissen. Warum die Wiederholung einer solchen Situation derart unwahrscheinlich sein sollte, dass hieraus keine weitere Gefahr für die zu schützenden Rechtsgüter abgeleitet werden könnte, geht aus der Begründung des Zulassungsantrags nicht hervor. Ebenso sind keine „Ausnahmeumstände“ nachvollziehbar vorgetragen, die die Anordnung des Maulkorbzwangs als unverhältnismäßig erscheinen lassen würden; der Hund war bei der Beißattacke angeleint, ohne dass er dadurch von dem Übergriff abgehalten werden konnte. Schließlich ist vor diesem Hintergrund auch nicht ersichtlich, warum die Verpflichtung, den Hund nur von einer erwachsenen Person ausführen zu lassen, ermessensfehlerhaft sein sollte; die Klägerin bringt insoweit gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts – außer der bloßen Behauptung einer „unwahrscheinlichsten Vorgeschichte“ – nichts Substanzielles vor.
Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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