Verwaltungsrecht

Anrechnung von Studienzeiten und Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen, Medizinstudium an slowakischer Universität, Selbstbindung der Verwaltung (abgelehnt)

Aktenzeichen  M 3 E 21.5489

Datum:
17.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11065
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
ÄApprO § 12 Abs. 1
Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 ÄApprO
ÄApprO § 22 Abs. 1
ÄApprO § 23 Abs. 2
Lissabon-Übereinkommen Art. V.1
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Anrechnung von vier Fachsemestern einschließlich des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung auf ein inländisches Studium der Humanmedizin.
Der Antragsteller studierte vom 4. September 2018 bis zum 2. Juli 2021 im englischsprachigen Studiengang Humanmedizin an der Slovak Medical University in Bratislava (im Folgenden: SMU).
Im Sommersemester 2021 wurde der Antragsteller an der L.-M.-Universität M. (im Folgenden: LMU) im Studiengang Humanmedizin im vierten Fachsemester immatrikuliert.
Mit Antrag vom 31. März 2021, bei der Regierung von Oberbayern – Landesprüfungsamt für Medizin, Pharmazie und Psychotherapie – (im Folgenden: ROB) eingegangen am 7. April 2021, beantragte der Antragsteller die Anrechnung von Studienzeiten und Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen auf das Studium der Humanmedizin in Deutschland. Vorgelegt wurden insbesondere vier Anerkennungsbescheide des Niedersächsischen Zweckverbands zur Approbationserteilung vom 4. September 2019, 12. August 2019, 7. April 2020 und 25. August 2020 sowie Transcripts of Records der SMU vom 24. Juli 2019 und vom 12. März 2021.
Auf Anforderung der ROB teilte der Antragsteller mit E-Mail vom 10. Mai 2021 mit, die SMU habe auf seine Nachfrage nach einer Benotung des Fachs „Medical psychology and communication“ mitgeteilt, es sei in Fächern, die mit „current evaluation“ ausgewiesen seien, nicht möglich, auf eine Benotung zu wechseln, da man Studienordnungen nicht ändern könne. Allerdings sei dem Antragsteller bekannt, dass bei einer Kommilitonin das Landesprüfungsamt D. den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung anerkannt habe trotz fehlender Note im Fach Medizinische Psychologie. Er legte das entsprechende Transcript of Records sowie den Anerkennungsbescheid der Kommilitonin vor.
Mit E-Mail vom 26. Juli 2021 teilte der Antragsteller der ROB mit, er sei am 14. Juli 2021 im Fachbereich Medizinische Psychologie/Soziologie der LMU geprüft worden und habe die Prüfung bestanden.
Mit Schriftsatz vom 22. September 2021 machte der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten geltend, der Sachverhalt sei nicht mit der Frage der Anrechnung an der slowakischen C.-Universität vergleichbar. Etwaige Absprachen zwischen den Prüfungsämtern dürften nicht zulasten des Antragstellers gelten. § 12 ÄApprO könne nicht entnommen werden, dass die Kurse benotet werden müssten. Der Verweis auf eine fehlende Note sei eine ermessensfehlerhafte Entscheidung. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die ROB einer rechtswidrigen Praxis des Landesprüfungsamts B. folgen wolle.
Auf Anfrage der ROB nahm die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (im Folgenden: ZAB) am 28. September 2021 Stellung und teilte mit, die Lehrveranstaltung „Medical psychology and communication“ der SMU im Umfang von 2 ECTS-Punkten werde mit einem unbenoteten Schein beendet. Innerhalb der Lehrveranstaltung sei ein Test vorgesehen, bei dem 70% der Fragen richtig zu beantworten seien. Darüber hinaus scheine der Teilbereich der medizinischen Soziologie nicht hinreichend abgedeckt zu sein. Eine Anrechnung des Faches Medizinische Psychologie/Medizinische Soziologie sei daher nicht zu empfehlen.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2021 teilte die ROB dem Antragsteller mit, die Voraussetzungen für eine Anrechnung des Leistungsnachweises der SMU für den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung lägen nicht vor. Die Prüfungsleistung „current evaluation (CE)“ sei nicht ausreichend, erforderlich sei eine benotete Prüfung „examination“ („E“). Nach Auffassung des Landesprüfungsamts müssten alle Fächer, die in Deutschland Prüfungsstoff des Ersten Abschnittes der Ärztlichen Prüfung sind, benotet sein. Zudem seien Inhalte des Faches Soziologie nicht umfasst.
Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2021, bei Gericht eingegangen am selben Tag, beantragt der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht München,
den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig vier Fachsemester einschließlich des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung auf ein inländisches Studium der Humanmedizin anzurechnen, hilfsweise den Antragsgegner zu verpflichten, über den Anrechnungsantrag des Antragstellers vorläufig unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts neu zu entscheiden.
Zur Begründung trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor, der Antragsgegner versage eine Anrechnung; eine förmliche Verbescheidung stehe noch aus. Die Praxis der ROB, das an der C.-Universität absolvierte Fach Psychologie nicht mehr auf ein inländisches Studium der Humanmedizin anzurechnen, sei hier nicht einschlägig. Für die Praxis der ROB, absolvierte, aber nicht benotete Kurse nicht anzurechnen, fehle eine Rechtsgrundlage. In der Vergangenheit habe die ROB bei identischer Kurswahl den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung auch im Hinblick auf den Kursus der Soziologie anerkannt. In der erstmaligen Abweichung von dieser Praxis liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Aus Art. 63 BayHSchG ergebe sich, dass die Anrechnung die Regel sei und nur bei wesentlichen Unterschieden bei den erworbenen Kompetenzen versagt werden dürfe. Die Anrechnung habe aus eigener Sachkunde durch das zuständige Landesprüfungsamt zu erfolgen. Für informelle Absprachen unter den Landesprüfungsämtern sei kein Raum. Die Sache sei eilbedürftig, da der Antragsteller erst dann Lehrveranstaltungen im klinischen Studienabschnitt besuchen könne, wenn der Erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung auf ein inländisches Medizinstudium angerechnet worden sei.
Mit Schriftsatz vom 9. November 2021 legt der Antragsgegner die Akten vor und kündigt weiteren Vortrag nach Eintreffen einer Stellungnahme der ZAB an.
Mit Schriftsatz vom 23. November 2021 rügt der Antragsteller, dass die ROB keine eigene Entscheidung treffe, sondern auf die ZAB verweise.
Mit Schriftsatz vom 24. November 2021 beantragt der Antragsgegner,
die Anträge abzulehnen.
Zur Begründung führt der Antragsgegner unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der ZAB vom 19. November 2021 aus, es fehle für eine Anrechnung im Prüfungsfach „Psychologie“ an der inhaltlichen Gleichwertigkeit und an der notwendigen Bewertung der Studienleistung. Die bislang praktizierte Kulanzregel habe nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen und binde daher nicht. Da eine notwendige Studienleistung nicht ausreichend nachgewiesen sei, könnten auch die Zeiten von vier Fachsemestern nicht angerechnet werden.
Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2021 führt der Antragsteller aus, bei vorläufiger Anerkennung könne der Antragsteller auf eigenes Risiko im klinischen Studienabschnitt weiterstudieren. Bei Ablehnung des Antrags verliere der Antragsteller hingegen mehrere Semester, da er zunächst den Kurs der Soziologie und der Psychologie wiederholen und sich sodann zum Physikum anmelden und dieses bestehen müsse. Für die Frage des Anordnungsanspruchs müsse das Lissabon-Übereinkommen herangezogen werden. Die Darlegungs- und Beweislast, dass ein wesentlicher Unterschied vorliege, treffe den Antragsgegner. § 12 ÄApprO sei im Sinne der Bestimmungen des Lissabon-Übereinkommens auszulegen. Das VG Freiburg (U.v. 2.3.2016 – 1 K 1511/14 – Rn. 76 ff.) gehe davon aus, dass das Lissabon-Übereinkommen subjektive Rechte verleihe. Nach Art. V.1 des Lissabon-Übereinkommens erkenne jede Vertragspartei Studienzeiten an, die im Rahmen eines Hochschulprogramms in einer anderen Vertragspartei abgeschlossen worden seien. Als Hochschulprogramm gelte ein Studienabschnitt, der von der zuständigen Behörde einer Vertragspartei als zu ihrem Hochschulsystem gehörend anerkannt sei und mit dessen Abschluss der Student eine Hochschulqualifikation erhalte. Als Studienzeit gelte jeder Bestandteil eines Hochschulprogramms, der beurteilt und für den ein Nachweis ausgestellt worden sei und der, obwohl er allein kein vollständiges Studienprogramm darstelle, einen erheblichen Erwerb von Kenntnissen oder Fähigkeiten mit sich bringe. Als völkerrechtliches Vertragswerk basiere das Lissabon-Übereinkommen auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Hoheitsakten. Dementsprechend müsse die Anerkennungsbehörde, wolle sie die Anerkennung versagen, nachweisen, dass wesentliche Unterschiede vorlägen. Maßgeblich sei daher vorliegend, wie die zuständige Stelle des slowakischen Staats die Studienleistung einstufe. In der Slowakei erfüllten die vom Antragsteller erbrachten Leistungen die Voraussetzungen, um nach Absolvierung im klinischen Studienabschnitt weiter zu studieren. Die ZAB verweise auf E-Mails an den seinerzeit zuständigen Zweckverband in einem mittlerweile erledigten Verfahren des Antragstellers, ohne diese vorzulegen. Weiter ziehe sie sich auf formale Punkte zurück, ohne zur eigentlichen Frage der Vergleichbarkeit vertieft Stellung zu nehmen. Noch im Jahr 2020 habe es stattgebende Anrechnungsentscheidungen des Antragsgegners gegeben. Es sei willkürlich, wenn der Antragsgegner teilweise der ZAB folge, teilweise nicht. Es könne nicht darauf ankommen, ob eine Studienleistung mit einem „exam“ abgeschlossen werde, da die Approbationsordnung eine Benotung von Studienleistungen nicht zu einem Anrechnungserfordernis mache. Es gehe nicht um absolute Gleichheit, sondern um die Frage eines wesentlichen Unterschieds, den der Antragsgegner nicht nachgewiesen habe.
Mit Bescheid vom 13. Dezember 2021 lehnte die ROB den Antrag auf Anerkennung von Studienleistungen und Anrechnung von Studienzeiten vom 31. März 2021 ab. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Lehrveranstaltung „Medical psychology and communication“ werde mit einem unbenoteten Schein beendet; innerhalb der Lehrveranstaltung sei ein Test vorgesehen, bei dem 70% der Fragen richtig zu beantworten seien. Lehrveranstaltungen, die mit einer Prüfungsleistung beendet würden, seien hingegen mit „S – skúska“ (Prüfung) gekennzeichnet; diese Prüfungsleistungen seien immer benotet. Darüber hinaus sei der Teilbereich der medizinischen Soziologie nicht hinreichend abgedeckt.
Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, erhob der Antragsteller hiergegen Klage (M 3 K 22.83). Unter Bezugnahme auf Schreiben des Niedersächsischen Zweckverbands zur Approbationserteilung vom 6. Januar 2022 wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass eine bestandskräftige Entscheidung zum Streitgegenstand nicht vorliege.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO hat im Haupt- und Hilfsantrag keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung ergeht, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs, sowie eines Anordnungsgrundes, d.h. der Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) gemacht wurde. Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache sachlich und zeitlich vorweg, ist dem Antrag nur dann stattzugeben, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9/12 – juris Rn. 22).
a) Der Hauptantrag des Antragstellers ist unbegründet, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Der Antragsteller hat voraussichtlich keinen Anspruch auf Anrechnung von vier Fachsemestern einschließlich des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung auf ein inländisches Studium der Humanmedizin.
Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 der Approbationsordnung für Ärzte (im Folgenden: ÄApprO) vom 27. Juni 2002 (BGBl. I S. 2405) – FNA 2122-1-8 – zuletzt geändert durch Verordnung vom 22.9.2021 (BGBl. I S. 4335), in der hier maßgeblichen Fassung der Verordnung vom 16. März 2020 (BGBl. I S. 497), rechnet die nach Landesrecht zuständige Stelle – hier die Regierung von Oberbayern nach § 2 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die zuständigen Behörden zum Vollzug des Rechts der Heilberufe (HeilBZustV) vom 17. Dezember 1996 (GVBl. S. 549, BayRS 2122-5-G), zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. Juni 2021 (GVBl. S. 472) – auf die in der ÄApprO vorgesehene Ausbildung, soweit Gleichwertigkeit gegeben ist, ganz oder teilweise Zeiten eines im Ausland betriebenen Medizinstudiums an. Unter den gleichen Voraussetzungen werden nach § 12 Abs. 2 Satz 1 ÄApprO Studien- und Prüfungsleistungen anerkannt, die im Rahmen eines Studiums nach § 12 Abs. 1 ÄApprO abgelegt worden sind.
Die ÄApprO setzt nicht nur Mindeststudienzeiten fest, die nach § 12 Abs. 1 ÄApprO durch Anrechnung verkürzt werden können, sondern normiert auch im Einzelnen, wie sich die Ausbildung gliedert und welche Pflichtlehrveranstaltungen und Praktika abzuleisten sind. Die Anrechnung früherer Studienzeiten setzt daher voraus, dass erbrachte Studien- und Prüfungsleistungen für das Medizinstudium anerkannt werden (OVG NW, U.v. 28.9.1989 – 22 A 2383/88 – juris Rn. 12).
Voraussetzung für die Anrechnung von vier vorklinischen Semestern einschließlich des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung ist daher die Anerkennung von Studienund Prüfungsleistungen nach Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO und nach § 2 Abs. 2 Satz 5 ÄApprO sowie der Nachweise nach §§ 5, 6 ÄApprO.
Vorliegend wurden dem Antragsteller durch den Niedersächsischen Zweckverband zur Approbationserteilung drei vorklinische Semester angerechnet sowie das Praktikum der Physiologie, der Kursus der makroskopischen Anatomie, der Kursus der mikroskopischen Anatomie, das Seminar Physiologie, das Seminar Anatomie (vgl. Bescheid vom 25. August 2020), das Praktikum der Biologie für Mediziner, das Praktikum der Biochemie/Molekularbiologie, das Seminar der Biochemie/Molekularbiologie (vgl. Bescheid vom 7. April 2020), das Praktikum der Physik für Mediziner, das Praktikum der Chemie für Mediziner und das Praktikum der medizinischen Terminologie (Bescheid vom 4. September 2019) sowie die Ausbildung in Erster Hilfe und der dreimonatige Krankenpflegedienst anerkannt (Bescheid vom 12. August 2019).
aa) Ein Anspruch des Antragstellers auf Anrechnung von vier Fachsemestern einschließlich des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung im Hinblick auf die an der SMU erbrachten Studien- und Prüfungsleistungen scheitert voraussichtlich an mangelnder Gleichwertigkeit.
Maßgeblich für Gleichwertigkeit sind dabei sowohl Ausbildungsgegenstände als auch die Wirksamkeit ihrer Vermittlung. Für letzteres ist die Dauer der Vermittlung ein wichtiges, wenn auch nicht das einzige Indiz. Bedeutung kann auch die Art und Weise der Vermittlung der Ausbildungsgegenstände und die Art der Leistungskontrolle haben (vgl. BVerwG, U.v. 18.2.1993 – 3 C 64/90 – juris Rn. 33 zur Approbationserteilung aufgrund eines Medizinstudiums im Ausland).
Nach Anlage 1 Nr. I. 6, 10 zu § 2 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO sind ein Kursus der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie sowie ein Seminar der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie bei Meldung zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nachzuweisen. Der schriftliche Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung betrifft nach § 22 Abs. 1 ÄApprO auch die Grundlagen der Medizinischen Psychologie und der Medizinischen Soziologie (Stoffgebiet IV.). Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO ist das Stoffgebiet IV. (zusammen mit dem Stoffgebiet III.) Gegenstand des zweiten von zwei Prüfungstagen der schriftlichen Prüfung. Die Prüfungsdauer an diesem Prüfungstag beträgt insgesamt vier Stunden (§ 23 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO), die Anzahl der auf dieses Stoffgebiet entfallenden Fragen ergibt sich aus § 23 Abs. 2 Satz 1 ÄApprO i.V.m. Anlage 9 Nr. IV, der Prüfungsstoff des Stoffgebiets IV. aus § 23 Abs. 2 Satz 2 ÄApprO i.V.m. Anlage 10 Nr. IV.
Die vom Antragsteller erbrachte Studien- und Prüfungsleistung im Fach „Medical Psychology and Communication“ an der SMU ist voraussichtlich nicht gleichwertig.
(1) Hinsichtlich der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob § 12 Abs. 1, 2 Satz 1 ÄApprO voraussetzt, dass der vom Antragsteller absolvierte Kurs auch benotet wurde, ist zu berücksichtigen, dass Gleichwertigkeit in Bezug auf die vermittelten Ausbildungsgegenstände und die Wirksamkeit ihrer Vermittlung zwar nicht unbedingt gleiche Prüfungsformen und Bewertungssysteme voraussetzt. Vorliegend ist allerdings Gegenstand des Antrags nicht allein die Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistung in Bezug auf Lehrveranstaltungen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO i.V.m. Anlage 1 Nr. I., 6, 10., sondern die Anrechnung von vier Semestern und damit zugleich die Anerkennung des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung. Gleichwertigkeit muss daher nicht nur in Bezug auf die Lehrveranstaltungen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO i.V.m. Anlage 1 Nr. I. 6 und 10. bestehen, sondern auch in Bezug auf den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (§ 23 Abs. 2 Satz 2 ÄApprO i.V.m. Anlage 10).
Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die ROB für eine Anrechnung von vier Semestern einschließlich des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung die nach dem „Course Information Sheet“ der SMU für das Fach „Medical Psychology and Communication“ (Bl. 21 d.A.) vorgesehenen Lehrveranstaltungen und Prüfungsformen als nicht ausreichend ansieht.
Nach dem „Course Information Sheet“ der SMU wird die Lehrveranstaltung „Medical Psychology and Communication“ nicht mit einer Prüfung abgeschlossen; vielmehr ist eine laufende Bewertung vorgesehen. Während der Lehrveranstaltung wird ein Test abgelegt, bei dem 70% der Aufgaben richtig gelöst werden müssen. Als Gesamtaufwand für die Studierenden sind 22 Stunden (bei 28 Stunden Lehrveranstaltungen) veranschlagt.
Demgegenüber ist bei einem inländischen Medizinstudium allein der Aufwand für die Erlangung der Bescheinigung nach § 2 Abs. 7 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 ÄApprO i.V.m. Anlage 1 Nr. I. 6, 10 deutlich höher. So sind beispielsweise nach Anlage 2 der Prüfungs- und Studienordnung für den Studiengang Medizin an der L.-M.-Universität M. vom 24. November 2009, zuletzt geändert durch Satzung vom 20. September 2017, allein für die Lehrveranstaltungen (ohne eigene Vorbereitung) 65 Stunden vorgesehen (Vorlesung Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie 20 Stunden, Kursus Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie 30 Stunden, Seminar Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie 15 Stunden). In der Studien- und Prüfungsordnung für das Studium der Medizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) in den Studiengängen Medizin und Medizin Erlangen-Nürnberg/Bayreuth – StuPOMed vom 9. Oktober 2019 sind nur für die Lehrveranstaltungen 70 Stunden veranschlagt (Anlage 1: Kursus der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie 14 Stunden, Seminar Medizinische Psychologie/Soziologie 28 Stunden; Anlage 2: Grundlagen der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie 28 Stunden).
Der Antragsteller hat damit eine deutlich geringere Anzahl von Lehrveranstaltungsstunden im Bereich Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie absolviert; nachdem in der Regel der Umfang der eigenen Vorbereitung des Studierenden mit dem Umfang der Lehrveranstaltungen korrespondieren dürfte, ist auch diesbezüglich von einem erheblichen Unterschied auszugehen. Damit liegt der Aufwand für das erfolgreiche Absolvieren des Fachs „Medical Psychology and Communication“ an der SMU wesentlich unter dem Aufwand, der bei einem Medizinstudium im Inland allein für die Erlangung der Bescheinigung nach § 2 Abs. 7 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 ÄApprO i.V.m. Anlage 1 I. Nr. 6, Nr. 10 anfällt. Zwar ist die Anzahl der Lehrveranstaltungsstunden lediglich ein Indiz für den Umfang und die Tiefe des vermittelten Wissens (BVerwG, U.v. 18.2.1993 – 3 C 64/90 – juris Rn. 33); vorliegend gibt jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass hier der Rückschluss vom Umfang der Lehrveranstaltungen auf den Umfang der vermittelten Kompetenzen unzutreffend sein könnte. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, warum das Studium dieses Fachs an der SMU trotz des wesentlich geringeren Stundenumfangs dennoch gleichwertige Kompetenzen vermitteln sollte. Der erhebliche Unterschied gegenüber der Dauer der Lehrveranstaltungen und der eigenen Vorbereitungszeit des inländischen Studiums lässt nicht mehr die Vermutung zu, dass an der SMU auch in der kürzeren Zeit in gleichwertiger Weise Lehrinhalte vermittelt werden.
Hinzu kommt, dass bei einem im Inland betriebenen Medizinstudium nach der ÄApprO für die Studierenden neben dem Aufwand für die Erlangung der Bescheinigungen nach § 2 Abs. 7 ÄApprO auch der zusätzliche Aufwand für die Vorbereitung und Ablegung des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung nach §§ 23, 24 ÄApprO tritt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass mit dem zusätzlichen Lernaufwand zur Vorbereitung auf Prüfungen auch eine Vertiefung der Kenntnisse verbunden ist. Diesbezüglich ergeben sich weder aus dem Vortrag des Antragstellers noch aus den Behördenakten Anhaltspunkte, dass im Fach „Medical Psychology and Communication“ an der SMU eine vergleichbare Prüfung der Kenntnisse vorgesehen ist. Nach dem Transcript of Records ist für das Fach an der SMU eine laufende Bewertung („continuous evaluation“) und gerade nicht eine benotete Prüfung („examination [grading scale]“) vorgesehen. Dass es sich diesbezüglich nicht um austauschbare Begrifflichkeiten, sondern um materielle Unterschiede, auch was den Aufwand für die Studierenden anbelangt, handelt, zeigt insbesondere auch die vom Antragsteller mit E-Mail vom 10. Mai 2021 der ROB mitgeteilte Reaktion der SMU, wonach bei einem Fach, das mit „laufende Bewertung“ ausgewiesen sei, nicht auf Benotung umgeändert werden könne, man könne Studienregelungen nicht ändern (Bl. 166 f. d.A.).
Der Antragsteller hat nichts dazu vorgetragen, aus welchen Gründen der an der SMU abgelegte Test in Verbindung mit der laufenden Bewertung dennoch der Prüfungsleistung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO gleichwertig sein sollte; auch anderweitig ist nichts dafür ersichtlich, dass der abgelegte Test, was Umfang und Schwierigkeit anbelangt, eine gleichwertige Prüfungsleistung darstellt.
(2) Weiter ist nicht dargetan, dass Gegenstand der vom Antragsteller erbrachten Studien- und Prüfungsleistungen auch der Bereich der Medizinischen Soziologie war; weder aus dem Transcript of Records (Bl. 22 ff. d.A.) oder dem „Course Information Sheet“ (Bl. 21 d.A.) noch aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben sich diesbezüglich Anhaltspunkte. Dass die in Anlage 10 Nr. IV. diesbezüglich als Prüfungsstoff für den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung genannten Bereiche Gegenstand eines anders benannten, bereits absolvierten Fachs an der SMU gewesen wären, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
(3) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus Art. V.1 des Übereinkommens über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region (Anlage zum Gesetz zu dem Übereinkommen vom 11. April 1997 über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region vom 16. Mai 2007, BGBl II 712, 713 – im Folgenden: Lissabon-Übereinkommen). Denn wie oben dargelegt sind vorliegend wesentliche Unterschiede (Art. V.1 Satz 2 Halbsatz 2 Lissabon-Übereinkommen) gegeben.
(4) Ein Anspruch auf Anrechnung und Anerkennung ergibt sich voraussichtlich auch nicht aus der Selbstbindung der Verwaltung.
Für eine Selbstbindung der Verwaltung ist Raum bei Ermessensentscheidungen oder im Rahmen einer Beurteilungsermächtigung (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 103 ff., 215 ff.).
§ 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ÄApprO sehen für die Entscheidung über Anrechnung und Anerkennung kein Ermessen der zuständigen Stelle vor. Während das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zu § 12 Abs. 1 ÄApprO dem Landesprüfungsamt bei der Entscheidung über die Gleichwertigkeit einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum einräumte (BVerwG, U.v. 21.11.1980 – 7 C 4/80 – juris Rn. 21; U.v. 11.7.1985 – 7 C 88/84 – juris Rn. 18), ging das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18. Februar 1993 zur Approbationserteilung aufgrund eines Medizinstudiums im Ausland von einem gerichtlich voll nachprüfbaren Gesetzesbegriff aus und warf in Bezug auf § 12 Abs. 1 ÄApprO die Frage auf, ob der oben zitierten Rechtsprechung im Hinblick auf die spätere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81, 213/83 – juris, zu den Grenzen des Bewertungsspielraums bei Prüfungsentscheidungen) noch zu folgen wäre (3 C 64/90 – juris Rn. 41). Vor diesem Hintergrund erscheint bereits zweifelhaft, ob und inwieweit der ROB überhaupt ein Beurteilungsspielraum bei der Prüfung der Gleichwertigkeit zukommt.
Ein Anspruch aus der Selbstbindung der Verwaltung besteht vorliegend aber jedenfalls deshalb nicht, weil Selbstbindung nur im Rahmen einer rechtmäßigen Verwaltungspraxis eintritt. Wie oben ausgeführt, bestehen wesentliche Unterschiede der vom Antragsteller absolvierten Studien- und Prüfungsleistungen gegenüber einem inländischen Medizinstudium. Vor diesem Hintergrund dürfte jedenfalls eine Anrechnung und Anerkennung von vier Semestern einschließlich des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung nicht mehr innerhalb der Grenzen eines etwaigen Beurteilungsspielraums liegen. Wie aus Bl. 69 ff. der Akten ersichtlich, zweifelt die ROB selbst die Rechtmäßigkeit ihrer früheren Entscheidungspraxis an. Einer Änderung der Entscheidungspraxis unter diesem Gesichtspunkt steht auch der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung nicht entgegen. Ein Anspruch auf Fehlerwiederholung besteht nicht (BVerfG, B.v. 17.1.1979 – 1 BvL 25/77 – BVerfGE 50, 142/166; BVerwG, U.v. 18.2.1993 – 3 C 64/90 – juris Rn. 40).
bb) Ein Anspruch des Antragstellers auf Anrechnung von vier Fachsemestern einschließlich des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung besteht voraussichtlich auch nicht bei Berücksichtigung seines Vortrags, an der LMU im Sommersemester 2021 die Prüfung im Fachbereich Medizinische Psychologie/Medizinische Soziologie erfolgreich abgelegt zu haben (E-Mail des Antragstellers vom 26. Juli 2021, Bl. 50 d.A.).
Dabei kann die Frage dahin stehen, ob und inwieweit eine entsprechende Anwendung von § 12 Abs. 1 ÄApprO unter Berücksichtigung der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 21. November 1980 (7 C 4/80 – juris Rn. 12) in Betracht kommt, wenn ein Großteil der Studien- und Prüfungsleistungen im Ausland, ein geringfügiger Teil in einem Medizinstudium im Inland erbracht wurde; denn jedenfalls liegt hier keine Gleichwertigkeit vor.
Bei erfolgreicher Teilnahme an den diesbezüglichen Lehrveranstaltungen an der LMU erhält der Antragsteller Bescheinigungen nach § 2 Abs. 7 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 ÄApprO i.V.m. Anlage 1 Nr. I. 6, 10. Eine Anrechnung von vier Fachsemestern einschließlich des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung setzt jedoch Gleichwertigkeit nicht nur in Bezug auf die Lehrveranstaltungen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO i.V.m. Anlage 1 Nr. I. 6 und 10., sondern auch in Bezug auf die Prüfungsleistung des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (§ 23 Abs. 2 Satz 2 ÄApprO i.V.m. Anlage 10) voraus. Diesbezüglich führt die erfolgreiche Teilnahme an den diesbezüglichen Lehrveranstaltungen an der LMU zur Erlangung der Bescheinigung zu keiner anderen Beurteilung als unmittelbar nach Beendigung des Studiums an der SMU.
b) Der auf eine (vorläufige) Neuverbescheidung gerichtete Hilfsantrag ist jedenfalls unbegründet. Ein Anordnungsgrund ist lediglich in Bezug auf die Teilnahme an Lehrveranstaltungen des klinischen Abschnitts geltend und glaubhaft gemacht; ein Anspruch auf Anrechnung von vier vorklinischen Fachsemestern einschließlich des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung ist jedoch nicht glaubhaft gemacht (s. oben). Im Hinblick auf eine etwaige anderweitige vorläufige Neuverbescheidung ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.1.1, 1.5 Satz 1, Nr. 36.4 des Streitwertkatalogs.


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