Verwaltungsrecht

Anspruch ausländischer Studierender auf außerkapazitäre Zulassung

Aktenzeichen  M 3 E 16.422

Datum:
9.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHZV BayHZV § 2,  § 15 S. 2, S. 3
GG GG Art. 12 Abs. 1
RDGEG RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Studienbewerber, die weder die deutsche noch eine EU-Staatsangehörigkeit besitzen, haben keinen Anspruch auf Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen (stRspr, BayVGH BeckRS 2010,49573). (redaktioneller Leitsatz)
Besitzen sie eine deutsche Hochschulzugangsberechtigung (sog. Bildungsinländer), sind sie zwar durch verschiedene Normen Inländern bei der Studienplatzvergabe im Rahmen des gesetzlich geregelten Verteilungsverfahrens auf der Grundlage der festgelegten Zulassungszahlen gleichgestellt, sie können aber keinen Anspruch auf Zuteilung eines Studienplatzes außerhalb der Kapazität aus Art. 12 Abs. 1 GG geltend machen (stRspr, BayVGH BeckRS 2010, 49573) (redaktioneller Leitsatz)
Eine außergewöhnliche Härte für die vorrangige Zuteilung eines Studienplatzes liegt nur vor, wenn die sofortige Aufnahme des Studiums aus sozialen oder familiären Umständen zwingend erforderlich ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist schweizerische Staatsangehörige. Sie hat die Allgemeine Hochschulreife am Gymnasium … erworben.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, die Antragstellerin vorläufig zum Studium der Humanmedizin im 1. Semester beginnend mit dem Wintersemester 2015/2016, hilfsweise beschränkt auf den vorklinischen Ausbildungsabschnitt, an der L.-M.-Universität Mü. zuzulassen.
Zur Begründung wird vorgetragen, die Kapazität der LMU im Studiengang Humanmedizin sei nicht ausgeschöpft.
Die Zulassung werde außerhalb (hilfsweise auch innerhalb) der festgesetzten Zulassungszahl begehrt.
Die Antragstellerin erfülle außerdem die Voraussetzungen für die Zuteilung eines Studienplatzes aus Gründen außergewöhnlicher Härte und habe dies bei ihrer Bewerbung geltend gemacht. Ausweislich der ärztlichen Bescheinigung der Praxis Dr. med. G. B. sei die Antragstellerin aus familiären Gründen darauf angewiesen, das Studium in unmittelbarer Nähe zu ihrem Wohnort aufzunehmen. Die Mutter der Antragstellerin sei aufgrund einer kardiologischen Erkrankung auf die ständige Anwesenheit einer Bezugsperson im Haushalt angewiesen. Dies werde durch die Familie, mithin auch durch die Antragstellerin, sichergestellt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO), dass ihr ein Anspruch auf Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen zusteht. Studienbewerber, die weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch die eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen, können einen Anspruch auf Zulassung zum Studium nur innerhalb der festgesetzten Kapazität geltend machen. Auch der Besitz einer deutschen Hochschulzugangsberechtigung führt zu keiner anderen Beurteilung (st. Rspr. des BayVGH; vgl. z. B. zuletzt Beschluss vom 11.5.2010, Az. 7 CE 10.10133).
Zwar werden ausländische Staatsangehörige und Staatenlose, die eine deutsche Hochschulzugangsberechtigung besitzen (sog. Bildungsinländer), in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung, in Kraft getreten am 1. Mai 2010 (vgl. Bek. vom 20. Mai 2010, GVBl S. 270), sowie in Art. 1 Abs. 2 Satz 3 des Bayerischen Hochschulzulassungsgesetzes (BayHZG) vom 9. Mai 2007 (GVBl S. 320) und der entsprechenden Ausführungsbestimmung des § 2 Satz 2 Nr. 4 Hochschulzulassungsverordnung (HZV) vom 18. Juni 2007 (GVBl S. 401) jeweils „Deutschen gleichgestellt“. Die genannten Vorschriften beziehen sich jedoch nach ihrem Regelungszusammenhang allein auf die Studienplatzvergabe im Rahmen der gesetzlich geregelten zentralen und örtlichen Verteilungsverfahren auf der Grundlage der satzungsrechtlich festgelegten Zulassungszahlen. Sie begründen daher nur einen Anspruch darauf, an diesen behördlichen Verfahren nach den für Deutsche geltenden Bestimmungen beteiligt zu werden (vgl. § 2 Satz 3 HZV). Die geforderte Gleichstellung umfasst dagegen nicht das auf Art. 12 Abs. 1 GG gestützte derivative Recht auf Teilhabe an den staatlichen Ausbildungsressourcen, das vom Träger dieses Grundrechts außerhalb der regulären Vergabeverfahren gerichtlich geltend gemacht werden kann (BayVGH, Beschluss vom 11.5.2010, Az. 7 CE 10.10133). Die Antragstellerin kann daher auch nicht das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG für sich in Anspruch nehmen, da sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht besitzt.
Aber auch Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalls sind bei der Antragstellerin nicht erkennbar.
Gemäß § 15 Satz 2 BayHZV liegt eine außergewöhnliche Härte vor, wenn in der eigenen Person liegende besondere soziale oder familiäre Gründe die sofortige Aufnahme des Studiums oder einen sofortigen Studienortwechsel zwingend erfordern. Die Rangfolge wird durch den Grad der außergewöhnlichen Härte bestimmt (§ 15 Satz 3 BayHZV). Die Zulassung aus Härtegründen hat rechtlich die Bedeutung einer Befreiung von den generellen Auswahlmaßstäben. Sie ist nur dann gerechtfertigt, wenn Umstände vorliegen, die die Anwendung dieser Maßstäbe unzumutbar erscheinen lassen. Eine besondere soziale Ausnahmesituation kann im Einzelfall zur Anerkennung als Härtefall führen, wenn bei einer besonders kritischen Würdigung der nachgewiesenen besonderen sozialen und familiären Umstände die sofortige Aufnahme des Studiums zwingend erforderlich ist. Bei der Beurteilung derartiger Fälle muss wegen des Ausnahmecharakters dieser Vorschrift ein besonders strenger Maßstab angelegt werden (Bahr/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., § 21 Vergabeverordnung Rn. 1).
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. Dezember 2011, Az. 6z L 1223/11 ) kommt entsprechend der Verwaltungspraxis, die in den Informationen und in den Maßgaben zum „Sonderantrag D“ zum Ausdruck kommt, eine positive Entscheidung in Betracht, wenn ein Fall der von der Stiftung für Hochschulzulassung unter dem in hochschulstart.de unter Härtefallantrag – Sonderantrag D – dargestellten Fallgruppen vorliegt. Dabei handelt es sich insbesondere um gesundheitliche Gründe (Fallgruppe 1). Dafür, dass bei der Antragstellerin besonders schwerwiegende gesundheitliche Gründe vorliegen, sind keine Anhaltspunkte gegeben. Die Antragstellerin hat auch insoweit keine entsprechenden ärztlichen Atteste vorgelegt.
Auch von den sonstigen Fallgruppen kommt im Fall der Antragstellerin keine in Betracht.
Den Härtefallerfordernissen genügt die von der Antragstellerin geschilderte Situation nicht. Selbst nach dem von ihr vorgelegten ärztlichen Attest der Praxis Dr. G. B. ist es lediglich „medizinisch sinnvoll“, dass die Mutter der Antragstellerin im Haushalt eine Bezugsperson hat, falls es zu kardiologischen Komplikationen kommen sollte.
Nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin wird die Anwesenheit der Bezugsperson von der Familie sichergestellt. Dass die Anwesenheit der Antragstellerin zwingend erforderlich wäre, ergibt sich aus diesem Vortrag nicht.
Der Antrag war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 45 Abs. 1 Satz 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. Ziffer 18.1, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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