Verwaltungsrecht

Anspruch eines früheren Mitglieds des bayerischen Landtags auf Zahlung einer, Altersentschädigung wegen Gesundheitsschäden, Geltendmachung eines Anspruchs wegen Schwerbehinderung

Aktenzeichen  5 ZB 19.1201

Datum:
1.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3151
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayAbgG Art. 15

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 3 K 15.1966 2019-04-17 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt als ehemaliger Abgeordneter des bayerischen Landtags die Gewährung einer Altersentschädigung ab einem früheren als dem bislang bewilligten Zeitpunkt.
Mit Ablauf des 31. Juli 2013 wurde der Kläger wegen einer Schwerbehinderung im Sinn des § 2 Abs. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) gemäß § 64 Nr. 2 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) in den Ruhestand versetzt. Diesen Umstand teilte er mit Schreiben vom 20. Juli 2013 dem Landtagsamt mit und beantragte die Zahlung einer Altersentschädigung ab 1. Juli 2013, u.a. unter Berufung auf Bestimmungen des SGB IX und des Bayerischen Beamtengesetzes.
Mit Bescheid des Landtagsamtes vom 16. Januar 2015 wurde der Antrag des Klägers auf Zahlung einer Altersentschädigung nach Art. 15 Abs. 2 des Bayerischen Abgeordnetengesetzes (BayAbgG) wegen Gesundheitsschäden, die nach dem Ausscheiden aus dem Bayerischen Landtag erlitten wurden, abgelehnt. Dagegen erhob der Kläger über seinen Bevollmächtigten am 20. Februar 2015 Klage (Az. RN 3 K 15.276).
Das Landtagsamt setzte mit weiterem Bescheid vom 12. Oktober 2015 vorläufig eine monatliche Altersentschädigung für den Kläger nach dem Bayerischen Abgeordnetengesetz ab 1. Dezember 2015 in Höhe von 2.853 Euro fest. Wegen seiner neunjährigen Mitgliedschaft im Bayerischen Landtag habe dieser gemäß Art. 12 f. BayAbgG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) ab Vollendung des Alters von 64 Jahren und 5 Monaten Anspruch auf Zahlung einer Altersentschädigung.
Am 13. November 2015 reichte der Kläger beim Verwaltungsgericht ein Schreiben mit dem Betreff „Schreiben des Landtagsamtes vom 12. Oktober 2015/Widerspruch gegen Festsetzungsbescheid“ ein, aufgrund dessen dort ein weiteres Klageverfahren angelegt wurde (Az. RN 3 K 15.1966). In der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2019 wurden die Verfahren RN 3 K 15.276 und RN 3 K 15.1966 unter dem letzteren Aktenzeichnen zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Der Kläger beantragte, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2015 und Abänderung des Bescheids vom 12. Oktober 2015 zu verpflichten, ihm auch für die Zeit vom 1. August 2013 bis 30. November 2015 Altersentschädigung dem Grunde nach zu gewähren. Das Verwaltungsgericht Regensburg wies die Klage mit Urteil vom 17. April 2019 ab.
Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
Der Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht ist zur Bewertung gelangt, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Altersentschädigung für die Zeit vom 1. August 2013 bis 30. November 2015 weder aufgrund von Art. 15 Abs. 2 BayAbgG (Ziffer I. der Entscheidungsgründe), noch nach Art. 12 f. BayAbgG a.F. (Ziffer II.) zustehe. Der Kläger hat dies nicht in Zweifel gezogen. Er wendet sich allein gegen die verwaltungsgerichtliche Bewertung, wonach ein solcher Anspruch auch nicht im Wege einer analogen Anwendung von Art. 64 Nr. 2 BayBG zu begründen sei (Ziffer III.).
Der Kläger rügt im Wesentlichen, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine analoge Anwendung von Art. 64 Nr. 2 BayBG deshalb abgelehnt, weil es hinsichtlich eines Altersentschädigungsanspruchs wegen Schwerbehinderung eines (früheren) Abgeordneten eine planwidrige Regelungslücke im Bayerischen Abgeordnetengesetz verneint habe. Dadurch bleibe der Wertungswiderspruch bestehen, der darin liege, dass ein bayerischer Abgeordneter wegen Schwerbehinderung keine Altersentschädigung erhalten solle, wohingegen das Beamten- und das Rentenrecht vergleichbare Ansprüche vorsähen. Es könne insoweit von einer Lücke gesprochen werden, die der Gesetzgeber bewusst dem Analogieschluss habe überlassen wollen. Gleichermaßen sei die lediglich auf Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes verweisende Regelung des Art. 19 BayAbgG ergänzungsbedürftig. Die negative Entscheidung des Gesetzgebers erweise sich schon wegen der inhaltlichen Schwerpunkte des SGB IX als verfehlt, wonach das Ziel der Teilhabe mit beruflichen und sozialen Leistungen wirkungsvoller wirtschaftlich auf Dauer erreicht werden solle. Diese Zielsetzung müsse auch für Mandatsträger gelten. Hieraus folge, dass das in Art. 64 Nr. 2 BayBG normierte Vorliegen einer Schwerbehinderung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX und die Vollendung zumindest des 60. Lebensjahres als alternative Tatbestandsvoraussetzungen zu den in Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 12 f. BayAbgG a.F. normierten Voraussetzungen hineinzulesen seien.
Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt (UA S. 22 f.), dass zum einen der Gesetzgeber die Regelungen in Art. 12, 15 und 19 BayAbgG nach Inkrafttreten des Art. 64 Nr. 2 BayBG unverändert gelassen habe und in Art. 19 BayAbgG ergänzend auf Normen des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG), nicht dagegen auf solche des Bayerischen Beamtengesetzes verwiesen werde. Zum anderen lägen dem Bayerischen Abgeordnetengesetz und dem Beamtenrecht unterschiedliche Regelungskonzepte zugrunde. So sei das Abgeordnetenverhältnis von vornherein lediglich auf eine bestimmte Zeit und mithin auf Beendigung ausgerichtet; das Beamtenverhältnis sei demgegenüber von Kontinuität geprägt. Zudem bedeute ein festgestellter Grad der Behinderung für sich genommen noch keine fehlende Fähigkeit zur Ausübung des Landtagsmandats, der früheren oder einer anderen zumutbaren Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayAbgG.
Dieser Argumentation ist zu folgen. Der Gesetzgeber hat den Anspruch eines (ehemaligen) Abgeordneten auf Gewährung einer Altersentschädigung in den Art. 12 bis 15 BayAbgG (wie bereits in Art. 12 bis 15 BayAbgG a.F.) durch die Festlegung der Anspruchsvoraussetzungen und der Entschädigungshöhe detailliert geregelt. So setzt die Altersentschädigung wegen erlittener Gesundheitsschäden nach Art. 15 BayAbgG – d.h. unabhängig davon, ob die Voraussetzungen nach Art. 12 BayAbgG erfüllt sind – voraus, dass die Gesundheitsschäden die Arbeitskraft des betreffenden (ausgeschiedenen) Mitglieds des Bayerischen Landtags dauernd und so wesentlich beeinträchtigen, dass es sein Mandat und bei seinem Ausscheiden aus dem Bayerischen Landtag die bei seiner Wahl zum Bayerischen Landtag ausgeübte oder eine andere zumutbare Erwerbstätigkeit nicht ausüben kann (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayAbgG). Zur Anwendung beamtenrechtlicher Vorschriften heißt es in Art. 19 BayAbgG, dass für die Versorgung die Vorschriften des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes sinngemäß anzuwenden sind, soweit das Bayerische Abgeordnetengesetz nichts anderes bestimmt. Schon das umfassende Regelungskonzept in Art. 12 bis 15 BayAbgG spricht gegen die Annahme einer Regelungslücke und die Zulässigkeit einer analogen Anwendung oder Berücksichtigung einer Wertung einer beamtenrechtlichen Regelung wie Art. 64 Nr. 2 BayBG.
Auch deutet nichts darauf hin, dass von einem (mutmaßlichen) Willen des Gesetzgebers ausgegangen werden könnte, dass wegen der Schwerbehinderteneigenschaft eines (früheren) Abgeordneten eine Altersentschädigung auch dann zu gewähren wäre, wenn die Voraussetzungen des Art. 15 BayAbgG (in der aktuellen und in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung) nicht vorliegen. Dadurch würden die Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 15 BayAbgG unterlaufen, die auf das Kriterium der Erwerbsfähigkeit abstellen; die Schwerbehinderteneigenschaft hat mit der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 SGB IX) einen anderen Bezugspunkt.
Aufgrund dieses eindeutigen Befundes bedarf es vorliegend keiner Klärung, inwieweit an eine erweiternde Auslegung abgeordnetenrechtlicher Entschädigungsregelungen erhöhte Anforderungen zu stellen wären (vgl. insoweit zu besoldungsrechtlichen Regelungen BVerwG, U.v. 27.3.2014 – 2 C 2/13 – NVwZ-RR 2014, 689 Rn. 18 und 23).
Unabhängig davon ist die Behauptung des Klägers, es würden Wertungswidersprüche mit beamten- und versorgungsrechtlichen Vorschriften auftreten, wenn aufgrund einer Schwerbehinderung keine abgeordnetenrechtliche Altersentschädigung gewährt würde, nicht nachvollziehbar. Mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil zu jeweils unterschiedlichen Regelungskonzepten setzt sich der Kläger nicht wie gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geboten auseinander. Im Übrigen hat auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof (vgl. E.v. 6.5.2005 – Vf. 21-IX-05 – VerfGHE 58, 113; E.v. 15.12.1982 – Vf. 22-VII-80 – VerfGHE 35, 148) einen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Entscheidung über das Entschädigungssystem für Abgeordnete des Bayerischen Landtags bejaht und ausgeführt, dass bei der Regelung der Altersentschädigung berücksichtigt werden könne, dass die Tätigkeit eines Abgeordneten wegen der Abhängigkeit von der jeweiligen Wahlentscheidung des Bürgers weit weniger auf Kontinuität angelegt sei als die meisten anderen Berufstätigkeiten (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit unterschiedlicher Versorgungsregelungen wegen grundlegender statusrechtlicher Unterschiede zwischen Abgeordneten und Beamten auch BVerfG, B.v. 30.9.1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256).
b) Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Antragsbegründung vom 8. Juli 2019 formuliert insoweit die Frage, ob die vom Kläger angenommene planwidrige Regelungslücke im Bayerischen Abgeordnetengesetz im Wege richterlicher Rechtsfortbildung durch eine Analogie zu beamtenrechtlichen Vorschriften geschlossen werden könnte. Diese Frage stellt sich bereits nicht. Wie vorstehend näher ausgeführt ergibt sich aus den Darlegungen des Klägers nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die von ihm behauptete Regelungslücke vorliegen würde. Es kommt daher nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob im Übrigen die Voraussetzungen für einen Analogieschluss zu beamtenrechtlichen Vorschriften vorlägen und ggf. ein Anspruch auf Gewährung einer Altersentschädigung begründet wäre.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG (wie Vorinstanz).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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