Verwaltungsrecht

Anspruch eines Sportschützen auf eine waffenrechtliche Erlaubnis zum Erwerb und Besitz eines Schalldämpfers

Aktenzeichen  24 ZB 19.1181

Datum:
22.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20673
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 8 Nr. 1, § 14
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 5

 

Leitsatz

Für den Erwerb und Besitz eines Schalldämpfers für Langwaffen ist ein besonderes Bedürfnis glaubhaft zu machen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 17.2495 2019-04-10 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000, … € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis zum Erwerb und Besitz je eines Schalldämpfers für seine zwei von ihm als Sportschütze genutzten Langwaffen.
Mit Bescheid vom 3. Mai 2017 lehnte das Landratsamt den Antrag des Klägers vom 14. Januar 2016 auf Erteilung einer entsprechenden waffenrechtlichen Erlaubnis ab. Der Kläger habe seinem Antrag keine Bedürfnisbescheinigung für den Erwerb und den Besitz zweier Schalldämpfer seines Schießsportverbandes nach § 14 Abs. 2 WaffG beigefügt, die jedoch nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 8 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 WaffG zwingend erforderlich sei. Ein Rückgriff auf § 8 WaffG als zentrale Auffangnorm zur Bedürfnisprüfung komme wegen des Vorrangs des § 14 WaffG nicht in Betracht.
Die insoweit erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. April 2019 ab. Der Kläger habe ein auf einen Schalldämpfer bezogenes Bedürfnis nach § 8 WaffG nicht glaubhaft gemacht. Dem klägerischen Vortrag lasse sich auch unter Berücksichtigung des vorgelegten Attestes ein besonders anzuerkennendes persönliches Interesse im Sinne dieser Vorschrift nicht entnehmen. Selbst wenn man den Gehörschutz als persönliches Interesse anerkennen wollte, sei ein waffenrechtliches Bedürfnis nicht nachgewiesen worden. Das Interesse des Klägers, nachteilige Folgen einer Selbstgefährdung auszuschließen, müsse in Abwägung zum öffentlichen Sicherheitsinteresse zurücktreten, weil es sich vorliegend um eine reine Sport- bzw. Freizeitbetätigung handele und der Kläger zudem ohne weiteres – anders als ein Jäger – auf leisere, kleinkalibrige Schusswaffen zurückgreifen könne.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er macht geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, da es zu einer Ungleichbehandlung zwischen Jägern und Sportschützen komme; die gesundheitlichen Aspekte seien identisch und ein sachlicher Differenzierungsgrund im Sinne des Art. 3 Abs. s1 GG nicht gegeben. Von grundsätzlicher Bedeutung sei ferner, inwieweit § 8 Nr. 1 WaffG gesundheitliche Aspekte umfasse. Zudem bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da das Gericht von falschen, sachfremden Voraussetzungen ausgegangen sei, soweit es ausführt, ein Schalldämpfer ermögliche eine „lautlose Schussabgabe“ und soweit es in den Entscheidungsgründen heißt, es gehe nicht „um eine Waffe als Mittel der Verteidigung vor einem rechtswidrigen Angriff“. Schließlich liege ein Verfahrensmangel vor, da eine inhaltliche Auseinandersetzung und eine Beweiswürdigung des vom Kläger vorgelegten Attests durch das Erstgericht fehle, Beweisanträge nicht weiterverfolgt worden seien und das erstinstanzliche Gericht den Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des § 8 Nr. 1 WaffG weiter hätte aufklären müssen.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 5 VwGO liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Insoweit erfüllt das Vorbringen des Klägers bereits nicht die Darlegungsvoraussetzungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich und obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer daher eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsbedürftig) ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72).
Soweit es der Kläger für grundsätzlich bedeutsam hält, inwieweit die „Auffangklausel“ des § 8 Nr. 1 WaffG auch gesundheitliche Aspekte umfasst, war diese Frage für das Erstgericht bereits nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht ist unabhängig und selbstständig tragend zu dem Ergebnis gekommen, dass auch bei Anerkennung des Gehörsschutzes als persönliches Interesse im Sinne von § 8 WaffG ein waffenrechtliches Bedürfnis nicht nachgewiesen worden ist, weil dieses Interesse den Belangen der öffentlichen Sicherheit nicht vorgeht. Lediglich ergänzend wurde ausgeführt, dass der Umstand, dass ein Schießen mit Schießsport-Langwaffen ohne Schalldämpfer das Gehör des Klägers schädigen könne, kein besonders anzuerkennendes persönliches Interesse im Sinne von § 8 Nr. 1 WaffG sei (UA S. 9).
Soweit der Bevollmächtigte des Klägers im Rahmen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ausführt, es komme zu einer Ungleichbehandlung zwischen Jägern und Sportschützen, hat er bereits keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, die einer grundsätzlichen Klärung zugänglich ist. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass das Erstgericht sich in seinen Entscheidungsgründen im Wesentlichen auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 28.11.2018 (BVerwG, U.v. 28.11.2018 – 6 C 4.18 – juris) stützt, in welchem ausgeführt wird, dass Jäger nach § 8 WaffG keinen Anspruch darauf haben, dass ihnen der Erwerb eines Schalldämpfers für ihre Jagdwaffen gestattet wird. Die dortigen Ausführungen übernimmt das Verwaltungsgericht für den Kläger als Sportschützen entsprechend. Eine Ungleichbehandlung zwischen Jägern und Sportschützen durch das Erstgericht liegt insofern bereits nicht vor. Eine Differenzierung zwischen Jägern und Sportschützen nimmt das Verwaltungsgericht nur bei der ergänzenden Prüfung der Erforderlichkeit der Schalldämpfer nach § 8 Nr. 2 WaffG vor, ohne dass hierauf das Urteil beruht.
2. Der vom Kläger genannte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 124a Abs. 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind und dadurch Anlass besteht, an der (Ergebnis-)Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zu zweifeln. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 15 m.w.N.).
Soweit der Kläger beanstandet, dass Erstgericht sei insoweit von falschen Voraussetzungen ausgegangen, als ausgeführt werde, ein Schalldämpfer ermögliche eine lautlose Schussabgabe, geht dieser Einwand fehl. Das Erstgericht führt in den Entscheidungsgründen aus, dass „ein Schalldämpfer eine lautlose Schussabgabe ermöglicht oder jedenfalls die Lautstärke des Mündungsknalls beim Abfeuern der Waffe erheblich vermindert“ (UA Seite 9) und macht sich insoweit die Gründe des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 28.11.2018 (Az. 6 C 4/18 – juris Rn. 25) zu eigen. Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts sind nicht zu beanstanden und entsprechen den Ausführungen des Klägers, der sowohl in seiner Zulassungsbegründung wie auch in seinem Antrag auf Erteilung der versagten Genehmigung dargelegt hat, dass es beim Einsatz eines Schalldämpfers zu einer Reduzierung des Mündungsknalls um ca. 20 bis 35 dB kommt.
Auch der klägerische Einwand, dass Erstgericht habe insoweit sachfremde Ausführungen angestellt, als ausführt werde, dass es nicht „um eine Waffe als Mittel der Verteidigung vor einem rechtswidrigen Angriff geht“, verfängt nicht. Das Gericht ging nicht davon aus, dass der Kläger eine Waffe zur Verteidigung vor einem rechtswidrigen Angriff braucht, sondern hat lediglich im Rahmen der Begründung, warum vorliegend die Belange der öffentlichen Sicherheit die privaten Interessen des Klägers überwiegen, ausgeführt, dass der Kläger sich hier vor einer gesundheitlichen Gefahr schützen wolle, die er selbst durch seine Freizeitbetätigung als Sportschütze hervorrufe und es eben nicht um den Schutz durch eine Waffe als Mittel der Verteidigung vor einem rechtswidrigen Angriff gehe. Dieser Argumentation ist nichts entgegenzuhalten; auch sie entspricht im Übrigen den Ausführungen in dem vom Erstgericht mehrfach zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 27).
3. Auch ein Verfahrensmangel gem. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor.
Soweit der Kläger sinngemäß das Vorliegen von Verfahrensfehlern im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO geltend macht, ist er bereits seiner Darlegungspflicht nicht nachgekommen. Der Rechtsmittelführer muss substantiiert darlegen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltene Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (st. Rspr. z.B. BayVGH, B.v. 19.2.2020 – 10 ZB 20.40 – juris Rn. 20, B.v. 11.5.2020 – 24 ZB 18.2297). Daran fehlt es hier. Der Kläger beschränkt sich insoweit auf eine – nicht näher substantiierte – Forderung, den hinreichend konkret dargelegten Einwänden des Berufungsführers nachzugehen und den vorgetragenen Sachverhalt weiter aufzuklären. Das Erstgericht hat sich im Übrigen inhaltlich mit dem Attest vom 4. Januar 2016 auseinandergesetzt (UA S. 9). Soweit es dieses anders als vom Kläger gewünscht gewürdigt hat, liegt hierin kein Verfahrensfehler, zumal das Urteil die gesundheitlichen Folgen des Mündungsknalls für den Kläger als für den Rechtsstreit – wie oben ausgeführt – nicht entscheidungserheblich wertete.
Soweit die Zulassungsbegründung darauf abhebt, dass Erstgericht habe die gebotene Beweiserhebung zu Unrecht unterlassen, ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 10. April 2019 anwaltlich vertreten war, aber keine Beweisanträge gestellt hat (Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 138 Rn. 19). Vor diesem Hintergrund ist ihm damit die Rüge eines Verfahrensmangels der fehlenden Sachverhaltsaufklärung verwehrt, nachdem sich eine Beweiserhebung dem Erstgericht insoweit auch nicht aufdrängen musste.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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