Verwaltungsrecht

Antrag auf Nachprüfung der ersten juristischen Staatsprüfung

Aktenzeichen  W 2 K 19.1702

Datum:
3.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14402
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
JAPO § 14, § 30, § 31
VwGO § 84 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden hierzu mit Schreiben vom 18. März 2020 gehört.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landesjustizprüfungsamtes vom 25. Juni 2018 und die Bewertungen der Aufgaben 1 bis 6 der Klägerin aus dem Prüfungstermin 2018/1 der Ersten Juristischen Staatsprüfung sind rechtmäßig und verletzen (schon deswegen) die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf eine Neubewertung dieser Aufgaben (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur gerichtlichen Kontrolle von Prüfungsentscheidungen bei berufsbezogenen Prüfungen – wie der Ersten Juristischen Staatsprüfung – muss diese für einen wirkungsvollen Schutz der Berufsfreiheit zweckgerichtet, geeignet und angemessen sein (vgl. insbesondere BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 u. 213/83 – BVerfGE 84, 34). Zweck der Prüfung ist es, denjenigen Bewerbern Zugang zum angestrebten Beruf zu verwehren, die fachlichen Mindestanforderungen nicht genügen. Der Zweck der Prüfung ist nicht nur für den Umfang der Qualifikationsnachweise, sondern auch für deren Bewertung maßgebend. Daraus folgt, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht als falsch beurteilt werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfragen nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch bewertet werden. Eine gerichtliche Korrektur kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn sich ein Beurteilungsfehler auf die Notengebung ausgewirkt hat.
Bei prüfungsspezifischen Wertungen verbleibt der Prüfungsbehörde ein Entscheidungsspielraum, dessen gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob der Prüfer von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat. Im Bereich fachwissenschaftlicher Prüfungsleistungen findet der Bewertungsspielraum eine weitere Grenze dort, wo ein Prüfer bei einer offenen Rechtsfrage eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung als falsch bewertet hat (BVerwG, U.v. 9.12.1992, BVerwGE 91, 262 ff.). Dabei stellt das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 5. März 2018 – 6 B 71.17 – juris, klar, dass die Wertungen der Prüfer, die sich auf Ausführungen des Prüfungsteilnehmers beziehen, die am Maßstab fachwissenschaftlichen Meinungsstandes zu beurteilen sind, uneingeschränkt der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegen. Dagegen sind nach dieser Entscheidung Wertungen von Prüfern, dass die konkrete Aufgabenstellung die Behandlung bestimmter fachlicher Fragen verlangt, rein prüfungsspezifischer Natur und können von den Gerichten nur hinsichtlich der Einhaltung des Bewertungsspielraums überprüft werden.
Dabei ist das Ausmaß der gerichtlichen Prüfung trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes im Verwaltungsprozessrecht auf konkrete substantiierte Einwendungen des Klägers beschränkt (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 853/855 S. 402 ff.). Die Behauptung, eine als falsch bewertete Lösung sei in Wirklichkeit fachlich vertretbar, muss hinreichend substantiiert sein.
An diesen Grundsätzen zur gerichtlichen Überprüfung von berufseröffnenden Prüfungen ändert auch die von der Klägerseite angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2019 – 6 C 8718 – nichts. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Urteil den gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum einer Expertenkommission (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien) weitestgehend verneint. Allerdings führte das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten der Expertenkommission als Sachverständigenkommission auch aus, dass die Verwaltungsgerichte daher „grundsätzlich berechtigt und verpflichtet seien, die von besonderer Sachkunde getragenen Erkenntnisse (…) ohne weitere Sachaufklärung zugrunde zu legen“ (Rn. 50). Einfaches Gegenvorbringen des Klägers reiche für die Erschütterung der sachverständigen Aussagen nach dem Senat ebenso wenig aus wie per se „die Vorlage eines Privatgutachtens, das sich kritisch mit Feststellungen und Wertungen“ des befassten Gremiums auseinandersetzt (Rn. 51). Nach dieser Entscheidung gelten die Regeln des Sachverständigenbeweises nur dann nicht, wenn begründeter Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gremiumsmitglieder besteht, deren Erkenntnisse auf einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt beruhen, erkennbar inhaltliche Widersprüche aufweisen oder nicht nachvollziehbar sind (vgl. Liesching, „Jugendschutz versus Kunstfreiheit – Mutzenbachers Ablösung durch Sonny Black“, NJW 2020, 735). Da die Erste Juristische Staatsprüfung anders als die Überprüfung von jugendgefährdenden Medien durch die Bundesprüfstelle eine Berufszulassungsprüfung darstellt und damit unterschiedlichen Grundsätzen zur Überprüfung von Bewertungsspielräumen unterliegt, begründet diese neue Entscheidung keine Abkehr von den oben dargestellten Grundsätzen zur gerichtlichen Kontrolle von Prüfungsentscheidungen bei berufsbezogenen Prüfungen.
Ebenso lässt sich aus der von der Klägerseite angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 2018 – 6 B 71/17 (juris) keine vollständige Überprüfbarkeit des Beurteilungsspielraums ableiten. Im ersten Leitsatz stellt diese Entscheidung klar, dass Prüfungsentscheidungen nur dann der vollen verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegen, „die am Maßstab fachwissenschaftlichen Meinungsstandes zu beurteilen sind“. So erstreckt sich der Bewertungsspielraum nicht auf fachliche Wertungen des Prüfers, d.h. auf dessen Entscheidungen über die fachliche Richtigkeit konkreter Ausführungen des Prüfungsteilnehmers. Hierbei handelt es sich um Stellungnahmen zu Fachfragen, die einer fachwissenschaftlichen Wertung zugänglich sind. Eine vertretbare Auffassung darf demnach nicht als falsch bewertet werden. Dies betrifft – wie oben dargestellt – aber gerade nicht den Bereich der prüfungsspezifischen Wertungen.
Auch dem Argument der Klägerseite, dass allein die Vielzahl der vorgebrachten Einwendungen gegen eine Benotung, die zwar einzeln betrachtet keine Bewertungsfehler betreffen, insgesamt aber allein aufgrund ihrer großen Anzahl einen Bewertungsfehler darstellen würden, kann nicht gefolgt werden. Die Annahme dieser These würde nämlich dazu führen, dass die Klägerseite allein durch eine Aufzählung unzähliger Rügen ohne Rücksicht auf deren Qualität oder Durchschlagkraft einer Klage gegen eine Prüfungsentscheidung zum Erfolg verhelfen würde. Das ist ersichtlich abwegig.
Der Vorwurf der Klägerin, dass die Korrektoren ihrer besonderen Prüfungspflicht bei einer Bewertung mit der Note „mangelhaft“ nicht nachgekommen seien, da insbesondere die Zweitkorrektoren sich der Erstkorrektur mit der Bemerkung „einverstanden“ angeschlossen hätten, ist nicht nachvollziehbar. Zumindest im Nachprüfungsverfahren haben alle Korrektoren ihr Benotung ausführlich begründet. Es kann nicht beanstandet werden, wenn bei gleichlautender Rechtsauffassung ein Zweitkorrektor sich inhaltlich der Erstkorrektur anschließt, weil er ansonsten überflüssige Wiederholungen schreiben müsste.
Gemessen an den oben dargestellten Vorgaben zu der gerichtlichen Kontrolle von berufseröffnenden Prüfungen kann bei den angegriffenen sechs Klausuren kein Beurteilungs- bzw. Bewertungsfehler festgestellt werden.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1.1. Aufgabe 1
Die Beurteilung der Prüfungsleistung der Klägerin bei der Aufgabe Nr. 1, einer Aufgabe aus dem bürgerlichen Recht (Mietrecht), ist rechtsfehlerfrei erfolgt.
1.1.1 Soweit die Klägerin darlegt, dass
– sie die Kündigung des Mietvertrags durch V sehr präzise geprüft habe,
– die möglichen Kündigungsgründe erkannt und korrekt geprüft worden seien,
– sie anhand des Gesetzeszweck, nämlich des wichtiger werdenden Mieterschutzes, eine vertretbare Subsumtion vorgenommen habe,
– sie das Wesen der Untervermietung erkannt und daraus abgeleitet habe, dass die Überlassung der gesamten Wohnung nicht hiervon erfasst sei und einen Kündigungsgrund darstellen könne,
– es sicherlich verzeihlich sei, dass sie nicht erkannt habe, dass ein weiteres unerlaubtes Überlassen der Wohnung nach erfolgter Abmahnung notwendig sei, weil sie das offenbar vorausgesetzt habe,
– die umfassende Ausschöpfung des Sachverhalts erfreulich sei,
– Herausgabeansprüche des Vermieters gegen unrechtmäßig untervermietenden Mieter eine schwierige Materie sei, die nirgends geregelt sei und verschiedene Rechtsbereiche berühre,
– prozessuale Spezialitäten erst im Zweiten Juristischen Staatsexamen von Bedeutung seien, sodass diese gelungene Bearbeitung besonders positiv zu bewerten sei,
– die Klägerin richtig erkannt habe, dass eine spezielle Herausgabenorm nicht bestehe und viele mögliche einschlägige Rechtsinstitute mit Problembewusstsein erörtert habe,
– und es verzeihlich sei, wenn ohne Kommentar nicht jede mögliche Anspruchsgrundlage gefunden worden sei,
macht die Klägerin keine Bewertungsfehler geltend. Sie vollzieht durch diese Rügen entweder eine eigene Beurteilung ihrer Leistung, eine Einordnung des Schwierigkeitsgrades der Prüfungsfrage, eine Gewichtung der Fragen und der Mängel und eine Würdigung der Qualität der Darstellung. Diese Gesichtspunkte gehören nach der oben dargestellten Rechtsprechung zum prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum, der einer gerichtlichen Kontrolle entzogen ist.
1.1.2 Des Weiteren führt die Klägerin an, dass sie richtig zwischen schuld- und sachenrechtlicher Rechtslage getrennt, sowie mietvertragliche und sachen- oder besitzrechtliche Aspekte separat betrachtet habe. Diese Rüge geht ins Leere, da die Korrektoren an keiner Stelle in ihren Korrekturanmerkungen monierten, dass die schuld- und sachenrechtliche Rechtslage oder mietvertragliche und besitzrechtliche Aspekte nicht getrennt betrachtet worden seien.
1.1.3  Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie – entgegen der Korrektur – erkannt habe, dass § 543 BGB i.V.m. § 569 BGB einen eigenständigen Kündigungsgrund darstelle, ihre Formulierung nur nicht geglückt sei und sie die Kündigungsgründe gut abgegrenzt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Zu Recht kritisierten die Korrektoren, dass es an einer Differenzierung zwischen einem Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB und § 543 Abs. 1 i.V.m. § 569 Abs. 2 BGB mangelt. Dies begründet sich damit, dass die Klägerin in ihrer Lösung auf den Seiten 2 und 3 ausführt, dass ein Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 2 BGB wegen unbefugter Überlassung der Mietsache an einen Dritten vorliegen könnte, ohne ein Ergebnis zu dieser Frage zu finden. Sie schreibt auf Seite 6, dass § 569 Abs. 2 Satz 1 BGB „nähere Anhaltspunkte dafür biete, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB vorliege“. Daher ist die Einordnung der Korrektoren, dass die Klägerin § 543 Abs. 1 i.V.m. § 569 Abs. 2 BGB nicht als eigenständigen Kündigungsgrund erkannt habe, nachvollziehbar.
1.1.4  Auch die Einlassungen der Klägerin zu Teil 1 Frage 2, dass sie hinsichtlich der Zahlung der 1.000 EUR praktisch alle ernstlich in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen gesehen und geprüft habe, und auf die Prüfung des § 816 BGB mangels erkennbarer Einschlägigkeit habe verzichten können, weil eine Verfügung in diesem Sinne bei einem rein schuldrechtlichen Geschäft kaum jemals vorliegen könne, können keinen Bewertungsfehler begründen. Zutreffend führten die Korrektoren übereinstimmend in ihren Stellungnahmen im Nachprüfungsverfahren aus, dass Ausführungen zu § 816 BGB erwartet werden konnten, da der Bereicherungsanspruch einen Schwerpunkt der erwarteten Prüfungsleistung darstellt. Im Übrigen sind Wertungen der Prüfer, dass die konkrete Aufgabenstellung die Behandlung bestimmter fachlicher Fragen verlangt, rein prüfungsspezifischer Natur und kann von den Gerichten nur hinsichtlich der Einhaltung des Bewertungsspielraums überprüft werden (BVerwG, U.v. 5.3.2018 – 6 B 71.17 – juris). Anhaltspunkte für eine Überschreitung des Bewertungsspielraums sind nicht erkennbar. Daneben können die Prüfer berücksichtigen, dass die Ausführungen zu § 823 BGB unbrauchbar sind und die übrigen Anspruchsgrundlagen lückenhaft und oberflächlich geprüft wurden.
1.1.5  Auch soweit die Klägerin anführt, dass sie in Teil 2 der Prüfung gezeigt habe, dass sie das Rechtsinstitut der einstweiligen Verfügung kenne, mit Arrest umgehen könne, die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen vertretbar erörtert habe und die Zweiteilung der Begründetheitsprüfung in Verfügungsanspruch sowie Verfügungsgrund verstanden und korrekt angewendet habe, stellt keinen Beurteilungsfehler dar. Die Korrektoren haben die Ausführungen der Klägerin zum einstweiligen Rechtsschutz zu Recht kritisiert, da diese nicht auf die rechtlichen Probleme des Falls eingehen. Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund werden nicht auseinandergehalten, die Anspruchsgrundlagen werden nicht erörtert. Im Übrigen setzt die Klägerin auch hier eine eigene Bewertung ihrer Leistung an die Stelle der Bewertungen der Korrektoren.
1.2. Aufgabe 2
Die Beurteilung der Prüfungsleistung der Klägerin bei der Aufgabe Nr. 2, einer Aufgabe aus dem bürgerlichen Recht und dem Handelsrecht, ist rechtsfehlerfrei erfolgt.
1.2.1 Soweit die Klägerin anführt, dass sie
– vertiefte prozessuale Kenntnisse hinsichtlich der Voraussetzungen und der Wirkungen eines Versäumnisurteils gezeigt habe,
– nicht nur auf die BGB-Vorschriften, sondern auch auf die kaufmännischen Besonderheiten, insbesondere aus dem HGB, eingegangen sei und hierbei solide Kenntnisse gezeigt habe,
– auf Seite 8 die Nacherfüllungsfähigkeit erörtert habe und sei zu einem vertretbaren und nachvollziehbaren Ergebnis gekommen sei,
– die Möglichkeit der Aufrechnung zutreffend thematisiert und erkannt habe, dass es hier bereits an der Gleichartigkeit fehlt, und
– auf Seite 12 erfreuliche prozessuale Kenntnisse gezeigt habe,
macht die Klägerin keine Bewertungsfehler geltend, sondern spricht reine Fragen der Gewichtung von Mängeln an oder stellt ihre eigene Bewertung dar (vgl. oben).
1.2.2 Die Klägerin führt zudem an, dass – entgegen der Meinung der Korrektoren – die Prüfung der Zulässigkeit des Versäumnisurteils jedenfalls nicht völlig falsch sei, da in einem Gutachten der gesamte Sachverhalt umfassend rechtlich geprüft werden soll. Aus dem Bearbeitungsvermerk sei nicht zu entnehmen, dass eine Zulässigkeitsprüfung nicht vorgenommen werden soll. Zudem sei die Prüfung der Zulässigkeit des Versäumnisurteils für die Kostenentscheidung relevant. Daher dürfe dieser Punkt – im Gegensatz zu den Einlassungen der Korrektoren – nicht negativ in die Bewertung einfließen.
Auch dies kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, da damit kein Beurteilungsfehler aufgezeigt wird. Die Ausführungen zu den Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils waren tatsächlich verfehlt. Auf den Seiten 1 bis 3 prüft die Klägerin unter der Überschrift „1. Statthaftigkeit des Einspruchs“ unter anderem welche Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils vorliegen müssen. Ferner erfolgen abstrakte Ausführungen dazu, dass durch das Gericht ein schriftliches Vorverfahren nach § 276 ZPO veranlasst oder ein früher erster Termin nach § 275 ZPO bestimmt werden kann. Diese Fragen haben für die Zulässigkeit eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil nach § 338 ZPO keine Bedeutung. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Versäumnisurteils gehören nicht zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs, vgl. §§ 338, 341 ZPO. Durch die ausführliche Darstellung werden sowohl ein mangelhaftes Verständnis der Systematik als auch Probleme mit der Schwerpunktsetzung deutlich. Die Klägerin deutet in ihren Ausführungen in keinem Punkt an, dass sie diese ausführliche Prüfung im Hinblick auf die Kostentragung vorgenommen hat. Außerdem wäre es aus Gründen der Chancengleichheit nicht gerechtfertigt, diese überflüssigen Ausführungen positiv zu bewerten, da die anderen Bearbeiter der Klausur, die – systematisch korrekt – auf die inhaltliche Prüfung der Voraussetzungen der §§ 331 bis 337 ZPO ganz verzichteten, ansonsten benachteiligt würden, obwohl sie einen zutreffenderen Prüfungsansatz gewählt hatten.
1.3 Aufgabe 3
Auch die Bewertung der Prüfungsleistung der Klägerin bei der Klausur Nr. 3, einer Aufgabe aus dem bürgerlichen Recht (v.a. Vertragsrecht), ist rechtsfehlerfrei erfolgt.
1.3.1 Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie
– nach einem holprigen Start gut in Klausur gefunden habe,
– die Frage der Genehmigung sehr ausführlich aber im Ergebnis korrekt gelöst habe,
– die Abnahme als teilweise Leistung des Schuldners erkannt habe,
– Rücktritt und Verjährung gesehen und gelöst habe,
– die sachrechtlichen Fragen korrekt von den schuldrechtlichen getrennt und gelöst habe und
– in Teil 2 korrekt die Leihe als Vertragstyp mit Rechtsbindungswille gesehen habe,
macht die Klägerin keine Bewertungsfehler geltend. Sie vollzieht durch die Aufzählung der Punkte, die ihr in der Klausurlösung – ihrer Meinung nach gelungen – seien, eine eigene Bewertung ihrer Leistung. Dies entzieht sich nach der oben dargestellten Rechtsprechung zum prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der gerichtlichen Kontrollmöglichkeit, da es ausschließlich eine Frage der Gewichtung von gelungen zu weniger gelungenen Teilen der Klausurlösung gehört.
1.3.2  Soweit die Klägerin anführt, dass sie entgegen der Korrektur eine Anspruchsgrundlage auf Seite 1 Zeile 4 genannt und auch durchgeprüft habe, ist zu konstatieren, dass die Klägerin an dieser Stelle zwar § 346 BGB genannt hat, aber nicht als Anspruchsgrundlage des in den Zeilen 1 und 2 genannten Anspruchs auf Herausgabe des Buches, sondern als Norm für das Rücktrittsrecht. § 346 BGB normiert aber nicht das Rücktrittrecht, sondern die Folgen des Rücktritts. Dass die Korrektoren diese Ungenauigkeit kritisierten, kann nicht beanstandet werden. Im Übrigen wurde von den Korrekturen anerkannt, dass die Rücktrittsvoraussetzungen im Wesentlichen richtig geprüft wurden. Es erfolgte aber eine falsche Schwerpunktsetzung, wenn anhand abwegiger Gründe die Entbehrlichkeit der Fristsetzung erörtert wird, während der naheliegende Grund (ernsthafte Erfüllungsverweigerung) mit kaum nachvollziehbarer Begründung verneint wird. Dies kann negativ in die Bewertung einfließen.
1.3.3 Zudem macht die Klägerin geltend, dass die Annahme der Zweckerreichung angesichts des Sachverhalts vertretbar sei. Sie habe konsequent mit diesem Ergebnis weitergearbeitet und ein Ergebnis gefunden. Auch dies kann keinen Bewertungsfehler begründen, da die Erstkorrektorin die Vertretbarkeit der Zweckerreichung eigens auf Seite 14 (Mitte) schon bei der Erstkorrektur angemerkt und folglich auch positiv bei der Benotung berücksichtigt hat. Darauf hat die Erstkorrektorin in der Stellungnahme im Überdenkungsverfahren nochmals ausdrücklich hingewiesen. Der Zweitkorrektor hat sich dieser Beurteilung angeschlossen.
1.3.4 Des Weiteren macht die Klägerin geltend, dass ihr „Lehrbuchwissen“ nicht vorgeworfen werden könne, da sie den Fallbezug immer wieder hergestellt habe. Diese Rüge dringt nicht durch, da die Klägerin an mehreren Stellen in ihrer Ausarbeitung ausführlich allgemeine Erörterungen schreibt, die für die Falllösung nicht relevant sind (so z.B. auf Seite 1 Zeilen 8 und 9, Seite 2 Zeilen 3 bis 6 und 7 bis 13, die Ausführungen zum Anwartschaftsrecht auf Seite 10). Ebenso überflüssig sind die Ausführungen auf Seite 2 in den letzten fünf Zeilen, da darin ausschließlich der Sachverhalt nacherzählt wird und keine Subsumtion stattfindet. Daher ist die Kritik der Korrektoren berechtigt.
1.4 Aufgabe 4
Auch die Bewertung der Prüfungsleistung der Klägerin bei der Klausur Nr. 4, einer Aufgabe aus dem Strafrecht, ist rechtsfehlerfrei erfolgt.
1.4.1 Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Korrektoren die Behandlung des subjektiven Tatbestandes auf Seite 1 nicht beanstanden dürften, kann ihr nicht gefolgt werden. Es widerspricht allen Aufbauregeln, den „Vorsatz“ vor dem objektiven Tatbestand zu prüfen und stellt damit einen Mangel der Arbeit dar.
1.4.2 Des Weiteren dürfe es nach Ansicht der Klägerin nicht derart negativ bewertet werden, dass sie nicht erkannt habe, dass schon das Angebot einer Bestechungsleistung eine vollendete Bestechung bedeute, da dies gehobenes Spezialwissen darstelle. Dies kann keinen Bewertungsfehler darstellen, da zum einen die Gewichtung von Fehlern zum prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum gehört und zum anderen kein eklatanter Wertungsverstoß erkennbar ist, da sich schon aus dem Wortlaut des § 334 StGB ergibt sich, dass der Tatbestand mit dem Angebot vollendet ist. Dazu ist kein Spezialwissen erforderlich.
1.4.3 Die Klägerseite führt weiterhin an, dass ihr die Abgrenzung vom „Raub“ zur „räuberischen Erpressung“ entgegen der Kritik der Korrektoren gelungen sei. Sie habe nur den Streitstand nicht schematische dargestellt, aber alle maßgeblichen Theorien genannt. Auch der Bundesgerichtshof stelle insoweit auf das äußere Erscheinungsbild der Handlung ab, so dass ihre Lösung vertretbar sei. Sie habe den Ansatz nachvollziehbar begründet.
Die Korrektur der Prüfer kann in diesem Zusammenhang nicht gerichtlich beanstandet werden, denn die Abgrenzung „Raub“ zur „räuberischen Erpressung“ ist tatsächlich nicht richtig dargelegt worden. Diesbezüglich wird in der Klageerwiderung Folgendes ausgeführt:
„Eine Strafbarkeit wegen Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter eine fremde bewegliche Sache wegnimmt. Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams. Grundsätzlich bedeutet dies, dass der Täter die tatsächliche Sachherrschaft ohne das Einverständnis des Gewahrsamsinhabers an sich zieht, also in den Herrschaftsbereich des anderen eingreift. Eine Schwierigkeit kann sich in der Abgrenzung zur räuberischen Erpressung gemäß §§ 255, 253 StGB ergeben; dort formuliert das Gesetz, dass die Nötigung zu einer ‚Handlung, Duldung oder Unterlassung‘ führen und dadurch dem Vermögen des genötigten oder eines anderen ein Nachteil zugefügt werden muss. Bei der ‚Duldung‘ kann damit auch die Duldung einer Wegnahme gemeint sein, sodass der Raub insofern einen Spezialfall der (räuberischen) Erpressung darstellen würde. Ob im konkreten Fall Raub oder Erpressung vorliegt, richtet sich dann danach, ob eine ‚Wegnahme‘ oder eine ‚Weggabe‘ vorliegt.
Die Rechtsprechung stellt insoweit auf das äußere Erscheinungsbild des Geschehens ab: bei einem äußeren ‚Nehmen‘ liegt eine Wegnahme vor, im Fall eines äußeren ‚Gebens‘ nicht. Der Polizist gibt hier den Film an Valentin heraus. Nach dieser Ansicht ist die Anwendung des § 249 StGB vorliegend ausgeschlossen.
Die Gegenansicht begreift die §§ 253, 255 StGB als ihrer Struktur nach mit dem Betrug verwandte Selbstschädigungsdelikte. Deshalb soll es für die Abgrenzung darauf ankommen, wie sich das Geschehen aus Sicht des Opfers darstellt. Dabei soll auf die innere Willensrichtung des Opfers abgestellt werden. Danach liegt eine Wegnahme vor, wenn das Opfer den Gewahrsamsbereich wegen seiner Zwangslage für unausweichlich hält und seine Mitwirkung als für den Gewahrsamswechsel nicht erforderlich ansieht. Es kommt darauf an, ob der Gewahrsamsbereich am Film unabhängig von einer eigenen Handlung des Opfers ohnehin eingetreten wäre. Dies ist nach dem Sachverhalt zu verneinen: die Radarkamera ist in dem Überwachungsfahrzeug fest eingebaut und der Zugang zum Film ist Valentin nicht bekannt, sodass diese für sich keine Möglichkeit sieht, selbst auf den Film zuzugreifen. Valentin hat daher gerade keinen direkten, ungehinderten Zugriff auf den Film, sondern nötigt den Polizisten entscheidende eigene Handlungsschritte ab. Auch nach dieser Auffassung liegt daher keine Wegnahme vor.“
Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an.
Die Klägerin vermengt in ihrer Klausurlösung die Ansätze der Meinung des Bundesgerichtshofs und der Literatur, indem sie auf Seite 5 Folgendes ausführt: „Es sieht nach dem äußeren Erscheinungsbild eher nach einer Wegnahme aus, da er im Gegensatz zur Weggabe nicht freiwillig den Gewahrsam aufgibt.“
Soweit die Klägerin zudem vorträgt, dass sie noch tiefer in die Diskussion eingestiegen sei, denn auch bei Zerstörung könne eine Aneignung angenommen werden und da dazu auf einen Aufsatz von Wallau, JA 2000, 248 (255) und auf die Kommentierung in Fischer, Strafgesetzbuch, 66. Auflage 2019, § 242 Rn. 36 verweist, kann dem nicht gefolgt werden, Daher wurde zu Recht bemängelt, dass die Klägerin nicht erkannt habe, dass die Zueignungsabsicht an der fehlenden Aneignungskomponente scheitert. Denn auch nach den zitierten Literaturmeinungen fehlt es an einer Aneignung im Falle der lediglich beabsichtigten Sachbeschädigung oder Sachentziehung. Wer fremde Sachen wegnimmt, um sie ohne vorherigen Eigengebrauch zu zerstören oder weg zu verwerfen, verfährt zwar mit der Sache wie es nur ein Eigentümer darf, sodass eine Enteignung vorliegt, er eignet sich die Sache dann jedoch nicht an. Valentin nahm den Film nur an sich, um ihn später zu vernichten, ohne ihn vorher für eigene Zwecke zu gebrauchen.
In der Arbeit der Klägerin deutet nichts darauf hin, dass sie diese Problematik erkannt habe. Sie geht nirgends auf die Aneignungskomponente ein, sondern führt lediglich aus, wieso eine Enteignung gewollt war. Es war falsch, eine Wegnahme zu bejahen, denn eine solche liegt weder nach der Meinung der Literatur noch nach der Meinung des Bundesgerichtshofs vor. Somit kann die Kritik der Korrekturen nicht beanstandet werden.
1.4.4 Soweit die Klägerin angeführt, dass sie – entgegen der Kritik der Korrektoren – die Fremdheit der erlangten Sache in Kürze abgehandelt habe, ist festzustellen, dass sie die Fremdheit zu ungenau definiert hat, denn eine Sache darf auch nicht herrenlos sein.
Insoweit liegt kein Beurteilungsfehler vor
1.4.5 Des Weiteren führt die Klägerin das Argument an, dass ihr die Versuchsprüfung, also insbesondere die Verlagerung des objektiven Tatbestandes in den subjektiven Tatbestand, gelungen sei. Dieser Kritikpunkt kann nicht nachvollzogen werden, weil der Aufbau der Versuchsprüfung nirgends beanstandet wurde und so bereits positiv in die Bewertung der Arbeit einfloss.
1.4.6 Auch soweit die Klägerin ausführt, dass sie die Möglichkeit des Rücktritts erkannt habe und es nur an einer Unterscheidung zwischen Einzel- und Gesamtakt – mithin einer ganz speziellen Konstellation – mangele, kann dies keinen Bewertungsfehler begründen, da die Ausarbeitung der Klägerin mangelhaft und lückenhaft ist. Bei der Prüfung des Rücktritts fehlt sowohl eine Erörterung der Einzelakttheorie und der Gesamtbetrachtungslehre als auch Ausführungen zu der zentralen Frage, ob ein Rücktritt vom versuchten Tötungsdelikt bei Erreichung des außertatbestandlichen Ziels (hier: die Beendigung der Verfolgung) möglich ist. Die Kritik der Korrektoren war also berechtigt.
1.4.7 Zudem führt die Klägerin an, dass das Auslassen untergeordneter Delikte nicht so gravierend sein dürfe, und verweist insoweit auf die Zeitnot in Strafrechtsklausuren. Auch dieses Vorbringen kann die Klage nicht erfolgreich machen, da es durchaus negativ bewertet werden darf, wenn einzelne Prüfungen von Fragen fehlen, die für die Verwirklichung des Tatbestandes erheblich sind oder sich sonst in diesem Zusammenhang stellen. So hat die Klägerin zum Beispiel weder geprüft, ob bei § 113 StGB die Verkehrsüberwachung als Aktivität im Vorfeld konkreter Vollstreckungstätigkeit anzusehen ist, wie bei § 114 StGB das Verhältnis zu § 113 StGB ist, ob bei § 305a StGB das Zivilfahrzeug als Tatobjekt in Frage kommt noch die Frage, ob eine teilweise Zerstörung schon bei Verlust der Scheibe vorliegt. Diese Auslassungen dürfen negativ in die Bewertung einfließen.
1.4.8 Bezüglich des zweiten Teils der Klausur, bei dem es sich um prozessrechtliche Fragestellungen handelt, führt die Klägerin an, dass sie die Revisionsgründe erkannt und die gesetzliche Systematik verstanden habe. Es sei zu konstatieren, dass die Annahme eines Verwertungsverbots vertretbar sei, und es sich um eine Materie handele, die noch nicht in Literatur oder Rechtsprechung abschließend geklärt sei.
Auch hier ist kein Bewertungsfehler ersichtlich. Nach ihren Stellungnahmen im Nachprüfungsverfahren haben die Korrektoren positiv berücksichtigt, dass die fehlende Belehrung und § 257c StPO von der Klägerin gesehen wurden. Die eigentliche und umstrittene Frage, ob das Urteil bei einem derartigen Belehrungsmangel auch dann auf diesem Verfahrensfehler im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO beruht, wenn von der Verständigung – wie im Klausurfall – nicht abgewichen wurde, hat die Klägerin nicht erörtert. Die Korrektoren würdigten, dass die Annahme eines Verwertungsverbotes im Ergebnis vertretbar ist, aber dass dieses Ergebnis nicht begründet wurde, konnte negativ in die Bewertung einfließen. Die Frage der Gewichtung dieses Mangels gehört zu den prüfungsspezifischen Wertungen, die vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbar sind.
1.5 Aufgabe 5
Auch die Bewertung der Prüfungsleistung der Klägerin bei der Klausur Nr. 5, einer Aufgabe aus dem öffentlichen Recht, ist rechtsfehlerfrei erfolgt.
1.5.1 Der Vortrag der Klägerin, sie habe
– fast alle Schwerpunkte erkannt, schnell gelöst, dabei den Streitgegenstand erörtert und die einschlägigen Theorien dargelegt,
– den Antrag zutreffend ausgelegt und richtige zwischen § 80 Abs. 5 und § 123 VwGO getrennt,
– die Sachentscheidungsvoraussetzungen zutreffend geprüft,
– die Alternativen des § 80 VwGO richtig dargelegt und erörtert,
– auf den Seiten 7 und 8 das Verhältnis zwischen gerichtlichem Eilrechtsschutz und vorgängigem Antrag auf Suspendierung durch die Behörde schön herausgearbeitet,
– richtig zwischen Vollzugs- und Suspensivinteresse abgewogen,
– anhand der Sicherheitsaspekte eine vollständige Abwägung zwischen notwendig und angemessen vorgenommen und dabei den Sachverhalt gut ausgeschöpft,
– den Begriff des „Störers“ zutreffend definiert und als korrekten Adressat ausgewählt und
– hinsichtlich Art. 54 Abs. 4 BayBO die Frage der Verfassungsmäßigkeit aufgeworfen und nachvollziehbar gelöst,
macht sie keine Bewertungsfehler geltend. Sie vollzieht durch die Aufzählung der Punkte, die ihr in der Klausurlösung – ihrer Meinung nach – gelungen seien, eine eigene Bewertung ihrer Leistung. Dies entzieht sich nach der oben dargestellten Rechtsprechung zum prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der gerichtlichen Kontrollmöglichkeit, da es ausschließlich eine Frage der Gewichtung von gelungen zu weniger gelungenen Teilen der Klausurlösung betrifft. Im Übrigen zeigen die Ausführungen der Klägerin eine falsche Schwerpunktsetzung, da die Zulässigkeit viel zu breit geprüft wurde. In der Arbeit ist keine systematische, präzise an den anwendbaren Normen orientierte, sauber die einzelnen Tatbestandsmerkmale bearbeitende Auseinandersetzung mit den rechtlichen Problemen des Falls erfolgt. Die von der Klägerin genannten positive Umstände sind bei der Erstbewertung bereits erkannt und berücksichtigt worden.
1.5.2 Soweit die Klägerin anführt, sie habe eine korrekte Fristberechnung mit den einschlägigen Normen vorgenommen, ist dies unzutreffend, denn die Fristberechnung ist gerade nicht gelungen. Sie hat für Fristbeginn und Fristende keine genauen Rechtsgrundlagen genannt und die Drei-Tages-Fiktion falsch berechnet. Auf den tatsächlichen Zugang des Bescheids erst am 3. Februar 2016 geht Klägerin nicht ein. Wie sie auf ein Fristende am 2. März 2016 kommt, bleibt unklar. Es zeigt, dass die Klägerin keine saubere Rechtsanwendung und Subsumtion vorgenommen hat.
1.5.3 Des Weiteren argumentiert die Klägerin, dass ihr teilweises Abstellen auf die Regelungen des Landestraf- und Verordnungsgesetz vertretbar gewesen sei, zumal sie daneben die Vorschriften der Bayerischen Bauordnung geprüft habe und auch in der Praxis nicht komplett zwischen Spezialgesetz und allgemeines Sicherheitsrecht getrennt werde. Auch dies kann keinen Bewertungsfehler begründen, da Ausführungen zum Landestraf- und Verordnungsgesetz ausweislich der Anmerkungen bei der Erstbewertung positiv berücksichtigt wurden, aber bezüglich der Auswahl des Störers wurden die Normen des Landestraf- und Verordnungsgesetz jedoch gerade nicht in ausreichender Form herangezogen.
1.5.4 Entgegen der Rüge der Klägerin, dass die prozessualen Probleme bei Frage 2 eher Inhalt der Zweiten Juristischen Staatsprüfung seien und so ihre prozessualen Schwächen durchaus verzeihlich seien, gehören nach § 18 Abs. 2 Nr. 7 lit. d JAPO die „Arten und Voraussetzungen der Rechtsbehelfe“ zum Prüfungsstoff des Ersten Juristischen Staatsexamen im Verwaltungsprozessrecht. Der Unterschied zwischen Urteil und Beschluss muss bekannt sein. Detailwissen im Sinne § 58 Abs. 2 Nr. 1 JAPO, das für die Zweite Juristische Staatsprüfung verlangt wird, war nicht erforderlich. Die Lösung war alleine anhand des Gesetzestextes möglich.
1.6 Aufgabe 6
Auch die Bewertung der Prüfungsleistung der Klägerin bei der Klausur Nr. 6, der zweiten Aufgabe aus dem öffentlichen Recht, ist rechtsfehlerfrei erfolgt.
1.6.1 Soweit die Klägerin anführt, sie habe
– korrekt zwischen § 80 Abs. 5 und § 123 VwGO getrennt und sich für die richtige Form des Eilrechtsschutzes entschieden,
– das Problem der Vorwegnahme der Hauptsache erkannt und richtig eingeordnet,
– einen richtigen Obersatz bei der Begründetheitsprüfung gewählt,
– auf den Seiten 5 und 6 das Rechtsschutzbedürfnis erwähnt und näher ausgeführt,
– die Bedeutung einer möglicherweise verfristeten und damit unzulässigen Hauptsacheklage erkannt,
– solide europarechtliche Kenntnisse gezeigt und sich insoweit aus der Masse der anderen Arbeiten herausgehoben,
– die Möglichkeit einer indirekten Diskriminierung erkannt, ansprechend diskutiert und gezeigt, dass insoweit auch ordentliche Kenntnisse hinsichtlich des Systems und der Dogmatik der Grundfreiheiten nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bestehen,
– die gesamte unionsrechtliche Grundrechtsthematik ansprechend geprüft,
– sich immer wieder um eine argumentative Begründung der Lösung bemüht, den Sachverhalt gut ausgewertet und eine differenzierte Lösung unter Zugrundelegung der Tatsachen angeboten und
– die Problematik der „Notenverschiebung“ erkannt und korrekt gelöst
macht sie keine Bewertungsfehler geltend, sondern vollzieht durch die Aufzählung der Punkte, die ihr in der Klausurlösung – ihrer Meinung nach – gelungen seien, eine eigene Bewertung ihrer Leistung. Dies entzieht sich nach der oben dargestellten Rechtsprechung zum prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der gerichtlichen Kontrollmöglichkeit, da es ausschließlich eine Frage der Gewichtung von gelungen zu weniger gelungenen Teilen der Klausurlösung betrifft.
Im Übrigen ist übereinstimmend mit den Korrektoren zu konstatieren, dass im Gegenteil die Bearbeitung in wesentlichen Teilen unvollständig ist. Neben etliche Defizite werden die zwei materiellen Kernprobleme des Falls nicht bzw. nicht mit der in der durch die Aufgabenstellung geforderten Tiefe behandelt.
Dazu im Einzelnen:
1.6.2 Soweit die Klägerin anführt, sie habe entgegen der Meinung der Korrektoren die Sachentscheidungsvoraussetzungen ordentlich geprüft, insoweit keine Scheinprobleme aufgeworfen und sich auf das Wesentliche konzentriert, kann dem nicht gefolgt werden.
Übereinstimmend mit den Korrektoren stellt das Gericht fest, dass die Klägerin gerade nicht die Sachentscheidungsvoraussetzungen ordentlich und umfassend geprüft hat, denn sie zeigte Defizite bei der Prüfung des Verwaltungsrechtsweges und bei der Bestimmung der einschlägigen Antragsart. Auch die recht knappe Prüfung der Antragsbefugnis durfte bemängelt werden.
1.6.3 Soweit die Klägerin rügt, dass bei ihrer Ausarbeitung zu Unrecht die Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses kritisiert wurde, ist festzustellen, dass die Korrektoren diesen Punkt nicht bemängelten. Vielmehr ist die Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses zugunsten der Klägerin positiv in die Gesamtbewertung eingeflossen. Allerdings schlägt dieser Aspekt nicht in der Weise durch, dass eine Note im Bereich ausreichend gerechtfertigt würde. Ebenso positiv wurde die Bestimmung der einschlägigen Antragsart berücksichtigt.
1.6.4 Die Klägerin trägt zudem vor, dass die Korrektoren zu Unrecht bemängelt hätten, dass sie keinen Anspruch auf Zulassung zum Studium geprüft habe. Auch wenn sie die Rechtswidrigkeit des Bescheids und nicht einen Anspruch auf Zulassung geprüft habe, habe sie doch alle wichtigen Aspekte des Anspruchs angeführt und es handele sich insoweit nur um eine unzutreffende Benennung, während das inhaltliche Prüfprogramm korrekt abgehandelt worden sei.
Diese Rüge ist zurückzuweisen, da die Korrektoren zu Recht bemängelten, dass keine Anspruchsgrundlage für die Zulassung As. zum Studium geprüft worden sei. Es fehlt schon die Nennung einer einschlägigen Anspruchsgrundlage für das Begehren des As. Auch auf die weiteren Voraussetzungen eines Zulassungsanspruchs nach den Bayerischen Hochschulzulassungsgesetz (BayHZG) wird nicht eingegangen. Daher ist es unzutreffend, dass das inhaltliche Prüfprogramm korrekt abgehandelt wurde. Die Untersuchung der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides sagt nämlich nichts darüber aus, ob ein Anspruch besteht, weil der Anspruch auch aus Gründen scheitern kann, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer etwaigen Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheids stehen. Die Prüfung der Anspruchsthematik ist daher nicht überzeugend. Soweit die Klägerin auf Art. 5 Abs. 4a BayHZG als maßgeblichen Ablehnungsgrund für den Zulassungsanspruch eingegangen ist, wurde dieser Aspekt zu ihren Gunsten berücksichtigt.
1.6.5 Soweit die Klägerin rügt, dass ihre europarechtlichen Kenntnisse zu Unrecht bemängelt wurden, ist festzustellen, dass die Kritik der Prüfer berechtigt ist.
Die Klägerin hat keine solide europarechtlichen Kenntnisse. Sie hat fälschlicherweise die Anwendbarkeit des Art. 45 AEUV bejaht, obwohl ein Student kein Arbeitnehmer ist. Stattdessen hätte sie den Anspruch von Studierenden auf Zulassung zum Studium nach Art. 18 AEUV näher thematisiert müssen. Dabei wurde positiv von den Korrektoren gewürdigt, dass die Klägerin die Aspekte der mittelbaren Diskriminierung erkannt und geprüft hat, ebenso wie der Prüfungsaufbau von Art. 45 AEUV. Aber die Prüfung der Rechtfertigung von Art. 5 Abs. 4a BayHZG mit Blick auf die Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit fiel viel zu knapp aus. Ebenso wird nicht dargelegt, weshalb die Frage der Zuständigkeit der Europäischen Union im Kontext des Art. 45 AEUV überhaupt relevant ist. Soweit grundsätzlich der Aufbau der Prüfung der Grundfreiheiten in Ordnung war, ist dies von den Korrektoren bereits zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt worden.
1.6.6 Soweit die Klägerin moniert, dass die Korrektoren zu Unrecht ihre Prüfung der Grundrechte bemängelten, kann dies keinen Bewertungsfehler begründen.
Die Korrektoren haben zu Recht festgestellt, dass die gesamte grundrechtliche Thematik gerade nicht ansprechend gelöst wurde. So fehlt die Prüfung eines Verstoßes von Art. 5 Abs. 4a BayHZG gegen das Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG, sowie gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Prüfung des Teilhaberecht aus Art. 12 GG fällt zu oberflächlich aus und dringt nicht zu den eigentlichen Problemen vor. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG wird nicht genannt. Auch Art. 100 Abs. 1 GG wurde nicht erwähnt. Das Bemühen um eine argumentative Begründung der Lösung gehört zu den Mindeststandards einer juristischen Fallbearbeitung. Es ist bei dieser Klausurlösung nur sehr begrenzt vorhanden. Der Sachverhalt wurde gerade nicht gut ausgewertet, denn die im Sachverhalt angelegten deutlichen Hinweise sind nicht vollständig aufgegriffen worden. Auch von einer differenzierten Lösung kann angesichts der Kürze der Ausführungen zu den Grundrechten nicht gesprochen werden. Dass Aufbau und Ergebnissen von Teilprüfungen vorhanden und vertretbar waren, wurde bei der Korrektur registriert und im Votum positiv berücksichtigt
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit dieser Kostenentscheidung auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben