Verwaltungsrecht

Antrag auf Zulassung einer Berufung- Asylverfahren

Aktenzeichen  9 ZB 19.34121

Datum:
10.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32506
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, im Rahmen des Antrags zur Berufungszulassung, erfordert die ausformulierte und substantiierte Darstellung der Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit sowie die Darlegung aus welchen Gründen der  aufgeworfenen Frage Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. (Rn. 1 – 5) (Rn. 2 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz erfordert, dass zwischen den in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichten und dem Gericht dessen Entscheidung überprüft werden soll, ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 14 K 18.30495 2019-09-30 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist Staatsangehöriger Sierra Leones und begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 30. September 2019 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 19.30489 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
Der Kläger sieht eine grundsätzlich bedeutsame Frage in der Wohnungssituation und der behaupteten fehlenden Unterstützung von Rückkehrern nach Sierra Leone. Abgesehen davon, dass das Zulassungsvorbringen insoweit bereits keine konkrete Frage formuliert, setzt es sich auch nicht mit den vom Verwaltungsgericht eingeführten Erkenntnismitteln auseinander. Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2019 – 9 ZB 19.32518 – juris Rn. 3). Dem genügt die bloße Wiedergabe von Informationen aus einem Länderinformationsblatt des Jahres 2014 und einem Bericht von amnesty international, die die Schwierigkeiten der Existenzsicherung in Sierra Leone aufzeigen, wie sie auch vom Verwaltungsgericht – teilweise in neuerer Fassung – zugrundegelegt wurden, nicht. Insgesamt wendet sich der Kläger vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht, womit jedoch kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund angesprochen wird.
2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) wird nicht hinreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).
Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 2 B 52.14 – juris Rn. 5 ff.). Im Zulassungsantrag muss daher ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2014 – 10 B 50.14 – juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 9.5.2019 – 9 ZB 19.31505 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Unabhängig davon, ob es sich beim Europäischen Gerichtshof um ein Divergenzgericht i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG handelt, zeigt das Zulassungsvorbringen keinen abstrakten Rechtssatz des Verwaltungsgerichts auf, mit dem es von einem ebensolchen Rechtssatz eines Divergenzgerichts abweicht. Der Kläger wirft dem Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen die obergerichtliche Rechtsprechung vor, weil das Verwaltungsgericht seine Homosexualität als unglaubhaft eingestuft habe. Eine Divergenzrüge kann allerdings nicht auf eine fehlerhafte Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes im Einzelfall gestützt werden (vgl. BVerwG, B.v. 12.3.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 16). Der Kläger macht hier vielmehr ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend, was keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 78 Abs. 3 AsylG darstellt. Im Übrigen fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit, weil das Verwaltungsgericht zudem auf unerklärliche Widersprüche in der Schilderung des Verfolgungsgeschehens durch den Kläger abgestellt und unter Bewertung der aktuellen Auskunftslage auch bei unterstellter Homosexualität des Klägers eine politisch motivierte Verfolgung des Klägers verneint hat.
3. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).
Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die allgemein schlechte Wirtschaftslage und der harten Existenzbedingungen darauf abgestellt, dass der Kläger in der Lage sei als junger, gesunder und erwerbsfähiger Mann, der früher als Schneider gearbeitet habe, sich ein zumutbares Existenzminimum zu erarbeiten. Das Zulassungsvorbringen zeigt insoweit keine Anhaltspunkte auf, dass die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze missachtet. Vielmehr wendet sich der Kläger mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte Feststellungen treffen müssen, „ob der Kläger im Falle einer Rückkehr mit Unterstützung einer Familie bzw. Freunden rechnen kann bzw. darf“, im Gewand einer Gehörsrüge gegen die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht, womit jedoch kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund angesprochen wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 9 ZB 19.32442 – juris Rn. 10). Das Zulassungsvorbringen zeigt nicht auf, dass sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung insoweit eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.
Das Verwaltungsgericht traf hinsichtlich etwaiger Widersprüche auch keine Hinweis- oder Nachfragepflicht. Das Recht auf rechtliches Gehör begründet nämlich keine Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder seine (mögliche) Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt. Es ist selbstverständlich und bedarf grundsätzlich nicht eines besonderen Hinweises, dass es – soweit entscheidungserheblich – im Asylverfahren stets auch um die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und die Glaubhaftigkeit seines Vortrags geht (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2019 – 9 ZB 19.33518 – juris Rn. 4 m.w.N.)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben