Verwaltungsrecht

Antrag auf Zulassung einer Grundsatzberufung im Asylverfahren

Aktenzeichen  20 ZB 18.30568

Datum:
19.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7810
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 138 Nr. 3
AsylG § 78 Abs. 3, Abs. 5

 

Leitsatz

1. Die vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtete Frage iSd § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, ob es in Somalia generell eine inländische Fluchtalternative gibt, ist nicht entscheidungserheblich, wenn das Verwaltungsgericht die begehrte Feststellung der Flüchtlingseigenschaft mit der Begründung abgelehnt hat, dass der Vortrag des Klägers nicht glaubwürdig sei. (Rn. 3 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es liegt keine eine Verletzung des rechtlichen Gehörs begründende, überraschende Anforderung durch das Verwaltungsgericht vor, wenn es einen schlüssigen Vortrag des Asylbewerbers verlangt, da die Widerspruchsfreiheit und Anschaulichkeit des Vortrags eines Asylbewerbers nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Grundvoraussetzung für die Beurteilung seines Vortrags zu den fluchtauslösenden Gründen als glaubwürdig ist. (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 17.30199 2018-01-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist unbegründet, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO stellen im Asylprozess keinen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylG dar.
2. Die vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Fragen,
ob es in Somalia generell eine inländische Fluchtalternative gibt,
bzw.
ob bei fluchtauslösenden Problemen mit nichtstaatlichen Personen / Organisationen betroffener Personen auch auf die Möglichkeit des Schutzes durch den somalischen Staat namentlich dessen Sicherheitsbehörden verwiesen werden kann oder ob nicht auf eine derartige Möglichkeit des Schutzsuchenden beim somalischen Staat gänzlich zu verzichten ist und vielmehr die betroffene Person ausschließlich darauf verwiesen werden kann, Selbstschutz innerhalb der Familie zu suchen und insoweit entsprechende Feststellungen, ob dies der betreffenden Person überhaupt möglich ist, zu treffen sind,
sind nicht entscheidungserheblich.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Klärungsfähig ist eine Frage, wenn sie in der konkreten Rechtssache entscheidungserheblich ist (Happ, a.a.O., Rn. 37). Diese Voraussetzung fehlt hier hinsichtlich beider formulierter Fragen. Denn das Verwaltungsgericht hat die begehrte Feststellung der Flüchtlingseigenschaft mit der Begründung abgelehnt, dass der Vortrag des Klägers nicht glaubwürdig sei. Auf die Frage nach etwaigen Fluchtalternativen oder ein Ersuchen um Schutz gegenüber dem somalischen Staat kam es daher für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich nicht an. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus hat das Verwaltungsgericht wegen der mangelnden Gefahrendichte in Mogadischu abgelehnt, sodass es auch insoweit nicht auf die formulierten Fragen entscheidungserheblich ankommt.
3. Der Kläger macht daneben mit dem beklagten Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs den Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO geltend. Das Verwaltungsgericht habe ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag gestellt, mit denen der Kläger nicht habe rechnen müssen. Ihm sei nicht klar gewesen, dass das Gericht von einer erfundenen Geschichte ausgehe. Er sei zudem nicht darauf hingewiesen worden, dass seine Antworten nicht in sich stimmig seien. Daher sei die Entscheidung für den Kläger sehr überraschend gewesen. Dieser Vortrag vermag einen Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs nicht zu begründen.
Denn die Widerspruchsfreiheit und Anschaulichkeit des Vortrags eines Asylbewerbers ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Grundvoraussetzung für die Beurteilung seines Vortrags zu den fluchtauslösenden Gründen als glaubwürdig (vgl. nur BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – juris Rn. 11). Daher stellt es mitnichten eine überraschende Anforderung durch das Verwaltungsgericht dar, wenn es einen schlüssigen Vortrag des Klägers verlangt. Dies umso mehr als das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung den Kläger auf die Widersprüche zwischen seinen Angaben bei der Bundespolizei und beim Bundesamt hingewiesen hat und er diese Widersprüche in der mündlichen Verhandlung nicht aufklären konnte. Daneben stellt das Vorgehen des Verwaltungsgerichts auch mitnichten ein „Überraschungsurteil“ dar. Denn das Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Beteiligten seine Rechtsauffassung zu offenbaren und hier im konkreten Fall auf die Widersprüchlichkeit der Angaben (erneut) hinzuweisen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, § 108 Rn. 24 m.w.N.). Im Ergebnis liegt der geltend gemachte Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs daher nicht vor.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der vorliegenden Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


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