Verwaltungsrecht

Aserbaidschanischer Staatsangehöriger klagt erfolglos

Aktenzeichen  B 9 K 17.33521

Datum:
27.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41853
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 108 Abs. 1
AsylG § 3, § 4

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte und der Bevollmächtigte des Klägers an der mündlichen Verhandlung am 27. August 2019 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Bevollmächtigte des Klägers teilte mit Telefax vom 23. August 2019 mit, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.
II.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der angegriffene Bescheid vom 17. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, noch ist ihm der subsidiäre Schutzstatus zuzusprechen. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Als rechtmäßig erweisen sich auch die weiteren Entscheidungen im angefochtenen Bescheid.
In der Sache selbst schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist zur Sache sowie zur Klage Folgendes auszuführen:
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (§ 3c Abs. 1 Nr. 2 AsylG) oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Abs. 1 Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt Folgendes:
Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft muss sich das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss, ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (EU-Qualifikations-RL) ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von einer solchen Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Dies privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Damit wird für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür begründet, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-)Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.
Es obliegt dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. dazu VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.
Der Kläger hat vor dem Bundesamt lediglich eine fragmentarische Rahmengeschichte geschildert, die nicht den Eindruck erweckt, als dass es sich hierbei um tatsächliche Erlebnisse handeln würde. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf die erkennende Einzelrichterin beim Vortrag seines Verfolgungsschicksals nicht den Eindruck gemacht, dass seine knappen Schilderungen erlebnisbasiert gewesen sind. Der Vortrag war an maßgeblichen Stellen äußerst vage. Zudem waren die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung gegenüber seinen Äußerungen beim Bundesamt einerseits lückenhaft und andererseits erheblich gesteigert. Er hat sich dadurch auch in seiner Person unglaubwürdig gemacht.
a) Allgemein ist festzustellen, dass es dem Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht gelungen ist, einen schlüssigen, zusammenhängenden und nachvollziehbaren Sachvortrag abzuliefern. An den entscheidenden Punkten musste das Gericht mehrmals nachfragen. Die Antworten kamen – außerhalb des vom Kläger offensichtlich auswendig Einstudierten – nur äußerst zögerlich und regelmäßig nur auf (teils wiederholte) Nachfrage des Gerichts. Vor allem die Ausführungen des Klägers über die angebliche Tätigkeit im Verein für Menschenrechte waren derart schablonenhaft und oberflächlich, dass den Darstellungen insgesamt nicht geglaubt wird.
b) Gegen das Vorliegen eines staatlichen Verfolgungsinteresses hinsichtlich des Klägers zum Zeitpunkt seiner Ausreise spricht bereits entscheidend, dass ihm die Ausreise über den Flughafen Baku mit seinem eigenen Pass und einem auf ihn ausgestellten Visum möglich war, obwohl in Aserbaidschan gegen ihn angeblich ein Strafverfahren lief und ein Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gestellt wurde. Nach den Angaben des Klägers gab es bei der Ausreise keinerlei Probleme.
Aserbaidschanische Staatsangehörige sind bei der Ausreise strengen Kontrollen unterworfen. Wenn sie nach Ansicht der Grenzpolizei nicht über das erforderliche Visum zur Einreise in den Zielstaat verfügen, wird die Ausreise verweigert. Dies kann auch gelten, wenn die Person in einen laufenden Rechtsstreit – etwa als Zeuge – verwickelt oder zur Fahndung ausgeschrieben ist. (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Aserbaidschan vom 22.2.2019, S. 19). Es ist demzufolge höchst unwahrscheinlich, dass der Kläger, sollte gegen ihn tatsächlich ein Ermittlungsverfahren eröffnet bzw. ein Antrag auf Haftbefehl gestellt worden sein, problemlos ausreisen konnte.
c) Die unkomplizierte Ausreise ist zudem als Indiz dafür zu werten, dass es sich bei den vom Kläger im behördlichen Verfahren vorgelegten Dokumenten (Antrag auf Erlass eines Haftbefehls vom 27.12.2016, Vorladung vom 16.12.2016 und Vorladung vom 19.12.2016) um Fälschungen handelt. Diese Vermutung wird gestützt durch die mit gerichtlichem Schreiben vom 23. August 2019 noch ins Verfahren eingeführte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27. September 2018. Danach besteht die Fallnummer in einem aserbaidschanischen Strafverfahren aus neun Ziffern, die immer gleich aufgebaut sind. Die ersten beiden Ziffern stehen für das Jahr, in dem das Verfahren anhängig gemacht wurde. Im vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass das Strafverfahren im Jahr 2017 eröffnet wurde. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den Angaben des Klägers beim Bundesamt. Dort erklärte er, das betreffende Strafverfahren sei zum Zeitpunkt seiner Ausreise – im Dezember 2016 – bereits gelaufen. Auch der vorgelegte Antrag auf Erlass eines Haftbefehls vom 27. Dezember 2016 geht inhaltlich davon aus, dass bereits ein Strafverfahren eingeleitet wurde – was mit der angegebenen Fallnummer wiederum nicht in Einklang zu bringen ist.
Überdies erwähnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung – auch auf mehrfache Nachfrage des Gerichts bezüglich seines politischen Engagements in Aserbaidschan – nichts davon, dass er mehrfach in sozialen Netzwerken die Regierung kritisiert habe. Genau das wird ihm aber im vorgelegten Antrag auf Erlass eines Haftbefehls unter anderem vorgeworfen. Zuletzt erscheint es abwegig, dass der Vater des Klägers – wie dieser in der mündlichen Verhandlung berichtete – trotz einer Vorladung nicht bei der Polizei erschienen ist. Hätte es tatsächlich eine Vorladung gegeben, so hätte eine Nichtbeachtung durch den Vater des Klägers sicherlich Konsequenzen gehabt, von denen der Kläger, der nach wie vor Kontakt zu seiner Familie hat, auch erfahren hätte.
c) Dem Vortrag des Klägers, in Aserbaidschan verfolgt zu sein, kann auch deshalb nicht geglaubt werden, da er auf Nachfrage des Gerichts nicht erläutern konnte, was ihm in seinem Herkunftsland konkret vorgeworfen wird. Er erklärte nur pauschal, gegen den Staat gesprochen zu haben und verwies auf die im Verfahren vorgelegten Dokumente. Beim Bundesamt erklärte der Kläger, er habe das Regime in Interviews kritisiert und deshalb laufe ein Verfahren gegen ihn. In der mündlichen Verhandlung erwähnte er von diesen Interviews hingegen zunächst nichts. Erst als ihm vom Gericht seine Angaben aus der Anhörung diesbezüglich konkret vorgehalten wurden, gab er an, auch sechs bis sieben Interviews gegeben zu haben. In diesem Punkt handelt es sich jedoch nicht um ein unwesentliches Detail. Hätte der Kläger tatsächlich solche Interviews gegeben, wäre zu erwarten, dass ihm dies auch heute noch – ohne einen konkreten Vorhalt – präsent wäre, vor allem, wenn deshalb ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet und er deshalb ausgereist wäre.
d) Ferner steigerte der Kläger seine Darstellungen in der mündlichen Verhandlung auch erheblich.
So gab er erstmals in der mündlichen Verhandlung an, dass die Polizisten aus der Stadt nach seiner Ausreise noch zwei Mal im März/April und Juli/August 2017 persönlich bei seinen Eltern gewesen seien und nach ihm gefragt hätten. Auch der Dorfpolizist frage seine Eltern bis zum heutigen Tage noch fast jedes Mal, wenn er sie sehe, wo sich der Kläger aufhalte.
Außerdem teilte der Kläger – ebenfalls erstmalig in der mündlichen Verhandlung – mit, fast jedes Jahr an Demonstrationen teilgenommen zu haben. Das letzte Mal vor der Ausreise habe er im August oder September 2016 in Baku demonstriert. Es sei um die Freilassung politischer Gefangener gegangen.
Nach der Rechtsprechung liegt ein stimmiger Sachverhalt jedoch gerade dann nicht vor, wenn der Schutzsuchende sein Vorbringen im Lauf des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VG Würzburg, U. v. 7.5.2018 – W 1 K 17.30198 – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 28.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; Hessischer VGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris). Nachvollziehbare Gründe, warum der Kläger die Teilnahme an Demonstrationen beim Bundesamt oder im anschließenden gerichtlichen Verfahren nicht erwähnt hat, sind nicht ersichtlich. Vielmehr handelt es sich hierbei wohl um asyltaktisches Vorbringen, nachdem der Kläger im Verwaltungsverfahren nicht erfolgreich war und er mit dem erweiterten Vortrag offensichtlich die Intensität seiner Verfolgung und sein politisches Engagement im Heimatland in besonderer Weise herausstellen möchte.
Es stellt im Übrigen keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, dass der Sachvortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung als unglaubhaft bewertet wird, ohne dass er durch das Gericht in der Verhandlung darauf hingewiesen oder ihm die angeführten Widersprüche vorgehalten worden wären. Der Anspruch auf rechtliches Gehör begründet auch in der Ausprägung durch § 86 Abs. 3 VwGO keine generelle Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen. Das folgt schon daraus, dass in aller Regel die Beweiswürdigung, das daraus folgende Beweisergebnis und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen der abschließenden Urteilsfindung des Gerichts vorbehalten bleiben und sich deshalb einer Voraberörterung mit den Beteiligten entziehen. Das gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der nach § 15, § 25 Abs. 1 Satz 1 AsylG selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist. Das Gericht ist damit im Grundsatz nicht gehalten, den Asylbewerber vorab auf mögliche Ungereimtheiten und Widersprüche in seinem Vorbringen hinzuweisen (vgl. BayVGH, B.v. 20.10.2016 – 21 ZB 16.30493 – unter Verweis auf BVerwG, B.v. 10.5.2002 – 1 B 392.01 – NVwZ 2002, 1381; B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 – juris).
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die Gefahr eines ernsthaften Schadens kann nicht nur vom Staat drohen (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes aus, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keiner Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt ist, weil er dort Zugang zu Schutz vor einem solchen ernsthaften Schaden i.S.d. § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
Über das geschilderte angebliche Verfolgungsschicksal hinausgehende Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes wurden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich.
3. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht gegeben ist. Gleiches gilt für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG – Anhaltspunkte hierfür wurden ebenfalls nicht vorgetragen.
4. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatbestimmung (Aserbaidschan) im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, weder als Flüchtling anzuerkennen, noch steht ihm ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes oder auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
5. Die Entscheidung des Bundesamts, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 bis 3 AsylG auf 30 Monate zu befristen, gibt im Rahmen der dem Gericht möglichen Überprüfung (vgl. § 114 VwGO) keinen Anlass zur Beanstandung (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 11 ZB 16.30463 – juris).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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