Verwaltungsrecht

Asyl – Abschiebung in den Irak auch nach Unabhängigkeitsreferendum grundsätzlich möglich, PTBS-Rechtsprechung des BVerwG findet auch auf minderjährige Asylbewerber Anwendung

Aktenzeichen  20 ZB 17.30364

Datum:
13.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7831
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1, § 138 Nr. 3
AsylG § 3e, § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Hat das Verwaltungsgericht nicht über eine von den Klägern aufgeworfene Grundsatzfrage entschieden, sondern maßgeblich auf die individuellen Umstände der Kläger abgestellt, können die Kläger insoweit nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Frage bedarf nicht der grundsätzlichen Klärung, wenn sich die Antwort bereits aus dem Gesetz ergibt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Anforderungen an die Substantiierung einer PTBS-Erkrankung als Grundlage der Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind in der Rechtsprechung geklärt (BVerwG BeckRS 2008, 30091). Es ist von den Klägern kein Grund dargelegt worden, weshalb diese Erwägungen bei minderjährigen Asylbewerbern keine Anwendung finden sollten. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 16.31621 2017-02-10 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wird abgelehnt, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen bzw. schon nicht entsprechend den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt sind.
1. Die Kläger machen zunächst die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) geltend. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten (Klärungsfähigkeit) und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Klärungsbedürftigkeit; vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Diese Voraussetzungen liegen bezüglich der von den Klägern aufgeworfenen Fragen nicht vor.
a) Die Kläger werfen als grundsätzlich klärungsbedürftig zunächst die Frage auf:
„Kann einer irakischen Staatsangehörigen, kurdischer Volkszugehörigkeit, die seit über 10 Jahren ausschließlich im irakischen Kerngebiet (um Mosul) gelebt hat, eine innerirakische Migration in die autonome Region Kurdistan-Irak zugemutet werden und ihr hieraus der subsidiäre Schutzstatus versagt werden?“
Diese Frage ist jedoch nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung, dass den Klägern kein Anspruch auf den subsidiären Schutzstatus zustehe, unter Würdigung des individuellen Vortrags der Klägerin zu 1) und einer einschlägigen Erkenntnisquelle (Bericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Irak, Stand Dezember 2016) darauf gestützt, dass ihnen aufgrund ihrer individuellen Umstände eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in der kurdisch verwalteten Provinz Dohuk (Kurdische Autonomieregion) im Nordirak zur Verfügung stehe (UA S. 9). Dabei hat das Verwaltungsgericht maßgeblich darauf abgestellt, dass die Klägerin zu 1) selbst angegeben hatte, aus der Provinz Dohuk zu stammen, wo auch ihre Mutter lebe, und zur Geburt jedes ihrer Kinder dorthin gefahren zu sein. Das Verwaltungsgericht hat somit nicht über die von den Klägern aufgeworfene Grundsatzfrage entschieden, sondern auf die individuellen Umstände der Kläger abgestellt. Dass die Kläger die Zumutbarkeit der Fluchtalternative anders beurteilen als das Verwaltungsgericht, bedeutet letztlich, dass sie ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung geltend machen. Diese sind jedoch im Asylprozess kein Zulassungsgrund (§ 78 Abs. 3 AsylG).
b) Des Weiteren stellen die Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage:
„Stellt es einen Grundrechtsverstoß dar, wenn sich im Rahmen einer gerichtlichen Entscheidung das Verwaltungsgericht ausschließlich mit individuellen innerstaatlichen Fluchtalternativen der klagenden Partei (hier die Klägerin zu 1) und ihren Kindern) befasst, ohne sich mit den individuellen innerstaatlichen Fluchtalternativen übrige[r] enger Familienmitglieder der klagenden Partei (hier des Ehemanns und des Familienvaters) in einem parallel beim selben Gericht laufenden Verfahren zu befassen, sodass im Ergebnis zwei verschiedene innerstaatliche Fluchtalternativen vom Verwaltungsgericht benannt werden (hier in Bezug auf den Kläger [gemeint wohl: die Kläger] Dohuk im autonomen Gebiet Kurdistans und in Bezug auf den Familienvater Teflek [gemeint wohl: Telkef] im kurdisch kontrollierten Gebiet) mit der Folge, dass die Familie getrennt wird bzw. getrennt werden soll?“
Diese Frage bedarf jedoch nicht der grundsätzlichen Klärung, da sich die Antwort bereits aus dem Gesetz ergibt. Gegenstand eines Asylverfahrens ist grundsätzlich die individuelle Schutzberechtigung eines Antragstellers, die sich nach dem durch § 30 Abs. 2 AsylG vorgegebenen Prüfprogramm u.a. auf die internationale Schutzberechtigung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erstreckt, welche wiederum die Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG sowie den subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG umfasst. Das Vorliegen einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative als Ausschlussgrund nach § 3e AsylG, der gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG auch im Rahmen des subsidiären Schutzes anzuwenden ist, bildet somit ein Element dieses Prüfprogramms. Dabei sind, wie ausgeführt (siehe oben a)), unter anderem die persönlichen Umstände der Kläger gemäß Art. 4 QRL zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes (§ 77 Abs. 1 AsylG) zu berücksichtigen. Da es sich somit um eine einzelfallbezogene Prüfung handelt, kann diese – wie die Entscheidung über die individuelle Schutzberechtigung an sich – im Ergebnis auch innerhalb eines Familienverbandes für jede betroffene Person unterschiedlich ausfallen. Dadurch werden auch keine Grundrechte der Kläger verletzt. Ob es diesen im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK zumutbar ist, ohne ihren Ehemann bzw. Vater in das Herkunftsland bzw. einen bestimmten Teil desselben zurückzukehren oder ob es diesem zumutbar ist, getrennt von den Klägern dorthin zurückzukehren, wäre ggf. im Rahmen der tatsächlichen Aufenthaltsbeendigung von der Ausländerbehörde zu prüfen.
c) Außerdem halten die Kläger folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
„Ist eine Abschiebung einer irakischen Staatsangehörigen, kurdischer Volkszugehörigkeit, die ausschließlich im irakischen Staatsgebiet (Kerngebiet) gelebt hat, in die autonome Region Kurdistan völkerrechtlich überhaupt zulässig bzw. grundsätzlich möglich?“
Insoweit haben die Kläger jedoch die Klärungsbedürftigkeit der Frage schon nicht dargelegt, weil sie sich mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes und der von diesem zitierten Erkenntnisquelle nicht substantiiert auseinander gesetzt haben. Die nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG erforderliche Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) verlangt, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutert, weshalb die Frage klärungsbedürftig ist und schließlich darlegt, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). „Darlegen“ bedeutet schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis. „Etwas darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, Beschluss v. 2.10.1961 – 8 B 78.61 – BVerfGE 13, 90/91; Beschluss v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – NJW 1993, 2825). Der Orientierungspunkt dieser Erfordernisse ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, mit der sich die Begründung des Zulassungsantrags substantiiert auseinandersetzen muss (BVerfG, Beschluss v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 – NVwZ 2006, 683). Daran fehlt es im Vortrag der Kläger. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil (UA S. 9) unter Verweis auf den seinerzeit aktuellen Lagebericht (Bericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Irak, Stand Dezember 2016) ausgeführt, dass die Fluchtalternative für die Kläger auch erreichbar sei, weil regelmäßig Linienflüge von Europa aus nach Bagdad, Erbil und Sulaymaniya gingen. Zwar wurden diese Linienflüge infolge des kurdischen Unabhängigkeitsreferendums vom 25. September 2017 suspendiert, weil die irakische Zentralregierung am 29. September 2017 den Luftraum der Region Kurdistan-Irak für internationale Flüge gesperrt hat. Es ist derzeit auch noch nicht absehbar, ob die Sperre nach ihrem formalen Ablauf mit Ende des Monats Februar 2018 in naher Zukunft aufgehoben wird (vgl. zum Ganzen den aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand Dezember 2017, S. 24). Trotz dieser Umstände, die der Senat bei seiner Entscheidung über den Zulassungsantrag zu berücksichtigen hat (§ 77 Abs. 1 AsylG), bleibt aber festzuhalten, dass Abschiebungen nach Kurdistan-Irak grundsätzlich möglich sind und in der Vergangenheit auch stattgefunden haben (Lagebericht a.a.O., S. 23). Vor diesem Hintergrund legen die Kläger nicht dar, weshalb trotz der Herkunft der Klägerin zu 1) aus der Provinz Dohuk in der Kurdischen Autonomieregion eine Abschiebung dorthin nicht grundsätzlich möglich sein solle. Nicht entscheidungserheblich sind dagegen die Überlegungen der Kläger zur Frage, ob die Kurdische Autonomieregion im Nordirak einen Staat im Sinne des Völkerrechts darstellt. Darauf kommt es auch nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum vom 25. September 2017 nicht an. Selbst wenn nämlich von einem eigenständigen Staat im kurdischen Autonomiegebiet auszugehen wäre, ist nicht nachvollziehbar, weshalb ein solcher Staat die auf seinem Gebiet geborene Klägerin zu 1) und ihre minderjährigen Kinder nicht aufnehmen sollte und ihr daher das Gebiet der Fluchtalternative faktisch nicht zugänglich sein sollte.
d) Schließlich werfen die Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig noch folgende Fragen auf:
„Sind die zur Substantiierung einer behandlungsbedürftigen PTBS (posttraumatisches Belastungssyndrom) von der Rechtsprechung aufgestellten strengen Maßstäbe, insbesondere die von dem Bayerischen Verwaltungsgericht in dem hier angefochtenen Urteil übernommenen strengen Maßstäbe (Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. September 2007 – 10 C 8.07 – NJW 2008,330 [es folgt ein wörtliches Zitat aus der genannten Entscheidung] auch auf minderjährige Kinder, hier 15 Jahre alt, anwendbar? Gilt bei minderjährigen Kindern nicht eine einfache Darlegungs- und Beweislast durch Vorlage einer fachärztlichen Bescheinigung durch einen Kinder- und Jugendpsychiater?“
Auch insoweit haben die Kläger jedoch die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt. Die Anforderungen an die Substantiierung einer PTBS-Erkrankung als Grundlage der Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind in der Rechtsprechung infolge der von den Klägern zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes geklärt (BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8.07 – NJW 2008, 330, juris). Sie ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhaltes mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (BVerwG a.a.O.). Der Zweck dieser Rechtsprechung ist es, angesichts der Unschärfe des Krankheitsbildes PTBS und seiner vielfältigen Symptome gewisse Mindestanforderungen an die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der im Asylprozess vorzulegenden ärztlichen Bescheinigungen zu stellen. Es ist von den Klägern kein Grund dargelegt worden, weshalb diese Erwägungen bei minderjährigen Asylbewerbern keine Anwendung finden sollten. Insbesondere vermag der Umstand, dass eine entsprechende Exploration als Voraussetzung einer gesicherten Diagnose bei Kindern schwieriger vorzunehmen sein wird, keine Abweichung von den Substantiierungsanforderungen zu rechtfertigen. Unerfüllbare Anforderungen werden den Klägern damit nicht aufgebürdet, denn es darf von einem Facharzt für Kinderpsychiatrie erwartet werden, dass er über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, zumal diese einen zentralen Inhalt der Facharztausbildung darstellen (vgl. § 1 Abs. 2, §§ 3, 4, 16 Abs. 1 und § 17 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten v. 18.12.1998 – KJPsychTh-APrV, BGBl. I S. 3761).
In diesem Zusammenhang kann auch das – nach Ablauf der Begründungsfrist gemäß § 78 Abs. 4 Sätze 1, 4 AsylG vorgelegte – Schreiben einer Amtsärztin des Staatlichen Gesundheitsamtes beim Landratsamt Aschaffenburg an die Regierung von Unterfranken vom 5. Dezember 2016 zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen, denn es handelt sich lediglich um eine amtsärztliche Stellungnahme zur Frage der weiteren Zumutbarkeit der Unterbringung der Klägerin zu 2) in einer Gemeinschaftsunterkunft. Für das Bestehen eines zielstaatsbezogenen gesundheitsbedingten Abschiebungsverbotes kann daraus nichts abgeleitet werden, abgesehen davon, dass einschlägige neue Beweismittel in einem Folgeverfahren (§ 71 AsylG) zu würdigen wären.
2. Des Weiteren rügen die Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) insbesondere hinsichtlich der Klägerin zu 2). Der damit geltend gemachte Zulassungsgrund eines absoluten Verfahrensfehlers im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO liegt jedoch nicht vor. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, entscheidungserhebliche Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen. Dieser prozessualen Pflicht ist das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise nachgekommen, denn es hat sich in seinem Urteil mit den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen der Gemeinschaftspraxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie vom 17. und 28. Oktober 2016 ausdrücklich befasst und ausgeführt, weshalb es diese in Anwendung der – vom Gericht auch ausdrücklich genannten – Kriterien der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. oben 1.d)) für eine Substantiierung einer PTBS-Erkrankung als nicht ausreichend erachtet (UA S. 13/14). Dass die Kläger diese Einschätzung nicht teilen, bedeutet letztlich, dass sie ernstliche Zweifel an der Sachverhaltswürdigung und damit an der Richtigkeit der Entscheidung geltend machen, die jedoch im Asylprozess keinen Zulassungsgrund darstellen (vgl. oben 1.a)). Eine Versagung des rechtlichen Gehörs im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 AsylG kann ferner auch in der Verletzung von Verfahrensvorschriften liegen, die der Wahrung des rechtlichen Gehörs dienen. Hierzu gehören allerdings regelmäßig nicht Verstöße gegen die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder gegen das Gebot der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann bei solchen Mängeln im Einzelfall allenfalls bei gravierenden Verstößen verletzt sein (BVerfG, B.v. 8.4.2004 – 2 BvR 743/03 – NJW-RR 2004, 1150), oder wenn es sich um gewichtige Verstöße gegen Beweiswürdigungsgrundsätze handelt, weil etwa die Würdigung willkürlich erscheint oder gegen die Denkgesetze verstößt (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710.94 – NVwZ-RR 1996, 359). Für derartige Mängel ist hier nichts ersichtlich. Dass das Verwaltungsgericht zur Frage einer PTBS-Erkrankung der Klägerin zu 2) kein Sachverständigengutachten eingeholt hat, war gerade die rechtlich gebotene Konsequenz aus seiner tatrichterlichen Einschätzung, dass die o.g. Substantiierungsanforderungen nicht eingehalten sind (BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8.07 – NJW 2008, 330, juris). Im Übrigen haben die Kläger ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 10. Februar 2017 auch keinen Beweisantrag gestellt und es somit versäumt, sich vor Gericht selbst das nötige Gehör zu verschaffen (BVerwG, B.v. 4.7.1983 – 9 B 10275.83 – Buchholz 340 § 3 VwZG Nr. 9, S. 4; B.v. 13.1.2000 – 9 B 2.00 – Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 53, S. 13 f.).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


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