Verwaltungsrecht

Asyl, Georgien: Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs

Aktenzeichen  15 ZB 18.33135

Datum:
19.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 35674
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 4
VwGO § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Ein Aufklärungsmangel als solcher begründet grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß, noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 VwGO (OVG NRW BeckRS 2018, 25910). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs allenfalls dann verletzt sein, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, vor allem wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 17.33709 2018-10-23 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

I.
Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 12. Dezember 2017, mit denen ihre Anträge auf Asylanerkennung abgelehnt, die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurde, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Georgien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde. Mit Urteil vom 23. Oktober 2018 wies das Verwaltungsgericht Bayreuth die von den Klägern erhobene Klage mit den Anträgen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Dezember 2017 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft und (hilfsweise) den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie (weiter hilfsweise) festzustellen, dass bei ihnen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, ab.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung machen die Kläger unter Vorlage der Kopie eines in kyrillischer Schrift verfassten Schreibens geltend, ihnen gegenüber sei das Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden. Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes, dem das Verwaltungsgericht unterliege, habe in erster Instanz weiterer Aufklärungsbedarf bestanden. Das Verwaltungsgericht habe im Anschluss an die mündliche Verhandlung eine Entscheidung weder treffen können noch dürfen. Bei dem mit dem Zulassungsantrag vorgelegten Schriftstück handele es sich um eine vom Kläger zu 1. angekündigte Ladung zur Befragung bei der Polizei der Stadt Magas, Russland.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensfehlers gem. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG wegen Versagung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor bzw. ist nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Der durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können. Ein Verfahrensfehler in Form der Versagung rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen bzw. bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.1995 – 4 C 10.95 – NVwZ 1996, 378 = juris Rn. 13 m.w.N.) oder einen entsprechenden Vortrag dadurch vereitelt hat, dass es unter Verstoß gegen das Prozessrecht den Beteiligten die Möglichkeit zu weiterem Vortrag abgeschnitten hat und dieser übergangene bzw. vereitelte Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich war (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 15 ZB 17.30494 – juris Rn. 24 m.w.N.; B.v. 5.9.2018 – 15 ZB 18.32208 – juris Rn. 4; B.v. 8.10.2018 – 15 ZB 17.30545 – noch unveröffentlicht.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht einschlägig bzw. nicht mit der Antragsbegründung substantiiert vorgetragen worden.
Schon allgemein zeigt der schlichte Einwand eines Klägers, das Verwaltungsgericht habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt, keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im vorgenannten Sinn auf. Ein Aufklärungsmangel als solcher begründet grundsätzlich ‒ so auch hier ‒ weder einen Gehörsverstoß, noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 VwGO (vgl. jeweils m.w.N.: OVG NRW, B.v. 18.10.2018 – 4 A 746/18.A – juris Rn. 18; NdsOVG, B.v. 20.9.2018 – 10 LA 284/18 – juris Rn. 29). Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) allenfalls dann verletzt sein, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, vor allem wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2018 – 8 ZB 18.311172 – juris Rn. 15 m.w.N.). Dass ein solcher Mangel vorliegt, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
Zudem wäre selbst wenn eine Fallgestaltung vorläge, in der eine ggf. gebotene, aber unterbliebene Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör darstellen könnte, den im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Klägern der Erfolg des Zulassungsantrags auch deshalb versagt, weil es ihnen im gerichtlichen Verfahren erster Instanz offen stand, einen förmlichen Beweisantrag zu stellen, um sich selbst vor Gericht das rechtliche Gehör zu verschaffen (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2018 – 8 ZB 17.30339 – juris Rn. 10; SächsOVG, B.v. 7.2.2018 – 4 A 142/18.A – juris Rn. 6 m.w.N.). Laut Niederschrift über die mündliche Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 18. Oktober 2018 wurde ein Beweisantrag aber nicht gestellt. Einen substantiierten Sachvortrag dahingehend, dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung auch ohne einen Beweisantrag Anlass zur weiteren Aufklärung hätte sehen müssen, ist der Zulassungsbegründung nicht zu entnehmen (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2018 a.a.O.). Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht ebenso bzw. alternativ entscheidungstragend davon ausgegangen, dass für die Kläger eine interne Schutzalternative gem. § 3e Abs. 1 AsylG besteht (Seiten 7 f. sowie 8 f. des Urteils). Bei einer sog. kumulativen Mehrfachbegründung muss aber hinsichtlich jedes Begründungsstranges ein Zulassungsgrund dargelegt sein und vorliegen, um dem Antrag auf Zulassung der Berufung zum Erfolg zu verhelfen (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2017 – 20 ZB 17.31538 – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 18.12.2017 – 15 ZB 17.31757 – juris Rn. 7). Gegen die vom Erstgericht angenommene inländische Fluchtalternative haben die Kläger aber weder einen Zulassungsgrund geltend gemacht noch substantiiert vorgetragen. Sollten die Kläger in dem vorgelegten Schriftstück ein neues Beweismittel sehen, stellt der vorliegend gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung nicht das Forum für einen Folgeantrag gem. § 71 AsylG i.V. mit § 51 VwVfG dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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