Verwaltungsrecht

Asyl, Herkunftsland Afghanistan, Junger, gesunder Mann, Inländische Fluchtalternative (bejaht), Fortsetzung des Verfahrens, Deklaratorischer Einstellungsbeschluss

Aktenzeichen  M 2 S7 20.30874

Datum:
9.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51155
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 81
AsylG § 3
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über den Rechtsstreit war in der Sache zu entscheiden, da er nicht aufgrund einer Klagerücknahmefiktion gem. § 81 AsylG beendet wurde und das Verfahren aufgrund des Antrags des Klägers vom 3. März 2020, welcher als Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu verstehen ist, fortzusetzen war. Die gerichtliche Aufforderung an den Kläger seine augenblickliche Anschrift mitzuteilen und das Verfahren zu betreiben ist zwar zu Recht ergangen, da die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2019 dem Kläger unter seiner dem Gericht zuletzt bekannten und von ihm angegebenen Anschrift nicht zugestellt werden konnte. Jedoch Kann dem Kläger vorliegend die Zustellung nicht gemäß § 10 Abs. 2 AsylG zugerechnet werden, da keine ordnungsgemäße Belehrung nach § 10 Abs. 7 AsylG erfolgt ist. Die von der Beklagten vorgelegte Akte enthält zwar ein entsprechendes Belehrungsformular in deutscher Sprache und in Dari (Blatt 10 – 15 der Asylakte), jedoch sind die Formulare nicht unterschrieben, weder vom Sachbearbeiter noch vom Dolmetscher noch vom Kläger. Es ist daher davon auszugehen, dass keine – jedenfalls den Voraussetzungen des § 10 Abs. 7 AsylG genügende – Belehrung erfolgt ist und die Bekanntgabefiktion somit nicht zur Anwendung kommen kann. Der (deklaratorische) Beschluss vom 30. Dezember 2019, mit welchem das Verfahren eingestellt wurde, ist daher gegenstandslos.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Asylgesetz oder auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG. Auch die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung sowie das dreißigmonatige Einreise- und Aufenthaltsverbot sind nicht zu beanstanden.
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegen im Fall des Klägers nicht vor. Das Gericht konnte sich bereits nicht die Überzeugung bilden, dass dem Kläger in Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden droht. Jedenfalls ist aber das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative zu bejahen.
a) Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. BGBL Jahr 1953 II Seite 559, BGBL Jahr 1953 II 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
b) Zur Beurteilung, ob eine begründete Furcht vor Verfolgung anzunehmen ist, muss das Gericht eine Verfolgungsprognose unter zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts anstellen. Maßgeblich ist hierbei der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32). Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht aller Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32; VGH BW, U.v. 16.10.2017 – A 11 S 512/17 – juris Rn. 31 ff; BayVGH, U.v. 14.2.2017 – 21 B 16.31001 – juris Rn. 21).
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob der Betroffene bereits vor seiner Ausreise verfolgt worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 22). Bei einer Vorverfolgung gilt kein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab (vgl. OVG NW, B.v. 2.9.2020 – 13 A 4084/18.A – juris Rn. 8). Vorverfolgten kommt jedoch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU, der keine nationale Entsprechung hat, zugute (vgl. BVerwG, B.v. 15.8.2017 – 1 B 123.17 u. a. – juris Rn. 8; B.v. 11.7.2017 – 1 B 116.17 u. a. – juris Rn. 8).
Für die richterliche Überzeugungsbildung ist eine bewertende Gesamtschau des gesamten Vorbringens des Schutzsuchenden unter Berücksichtigung seiner individuellen Aussagekompetenz und seiner Glaubwürdigkeit erforderlich, die die Stimmigkeit des Vorbringens an sich, dessen Detailtiefe und Individualität, sowie dessen Übereinstimmung mit den relevanten und verfügbaren Erkenntnismitteln ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität des Vorbringens (vgl. OVG Bremen, U.v. 26.5.2020 – 1 LB 56/20 – juris Rn. 38; VGH BW, U.v. 24.1.2018 – A 11 S 1265/17 – juris Rn. 370).
c) Gemessen an den vorstehend geschilderten Anforderungen rechtfertigen die vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Gründe, die er im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 9. November 2020 ergänzt hat, nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der Kläger ist nicht vorverfolgt ausgereist und es droht ihm nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr von Verfolgung, wenn er in sein Heimatland zurückkehrt.
Eine Verfolgung des Klägers im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan erscheint schon deshalb nicht beachtlich wahrscheinlich, weil der Kläger Afghanistan bereits 2015, d.h. vor fünf Jahren, verlassen hat. Nach diesem langen Zeitraum ist eine Gefährdung aber nicht mehr wahrscheinlich (vgl. BayVGH, U.v. 21.6.2013 – 13a B 12.30170 – juris Rn. 29 zu einem Zeitraum von drei bzw. fünf Jahren). Auch bestehen erhebliche Zweifel an dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geschilderten Sachverhalt. Zum einen hat der Kläger seine Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung erstmals Ende 2018, mithin also 2 Jahre nach seiner Einlassung im Rahmen der persönlichen Anhörung, erwähnt. Dem Gericht erscheint es nicht nachvollziehbar, dass man dies vergisst zu erwähnen wie vom Kläger als Erklärung angegeben. Zum anderen weichen die Schilderungen in der mündlichen Verhandlung und in dem Schreiben vom 8. September 2018 in wesentlichen Punkten voneinander ab. So schilderte der Kläger in der mündlichen Verhandlung einer seiner Freunde sei bereits im Jahr 2015 wieder nach Afghanistan zurückgekehrt und dort umgebracht worden, während er im Schreiben vom 8. September 2018 angibt zusammen mit einem seiner Freunde in die Türkei geflohen zu sein. Darüber hinaus fehlt es angesichts der vom Kläger geschilderten Vorfälle auch bei deren Wahrunterstellung an einer Verfolgung wegen eines der im Gesetz genannten Merkmale.
d) Letztlich kann dies aber offenbleiben, da der Kläger jedenfalls auf eine inländische Fluchtalternative nach § 3e Abs. 1 AsylG zu verweisen ist.
Danach werden die Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn dem Schutzsuchenden in einem Teil seines Herkunftslandes keine Verfolgung bzw. kein ernsthafter Schaden droht oder er Zugang zu Schutz hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Das setzt voraus, dass dort nicht andere, unzumutbare Nachteile drohen. Dabei sind auch nicht verfolgungsbedingte Gefahren zu berücksichtigen und zwar – im Unterschied zu Art. 16a GG – auch dann, wenn diese am Herkunftsort in gleicher Weise bestehen (vgl. BVerwG, U.v. 29. Mai 2008 – 10 C 11.07 – juris Rn. 31, 32, 16; Heilbronner, Ausländerrecht, Stand: Dezember 2016, Anm. zu § 3e AsylVfG Rn. 10 ff. und zu Art. 16a GG Rn. 216). Zumutbar ist eine Rückkehr daher insbesondere nur dann, wenn der Ort der inländischen Schutzalternative ein wirtschaftliches Existenzminimum ermöglicht. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein verfolgungssicherer Ort dem Ausländer das wirtschaftliche Existenzminimum grundsätzlich immer dann bietet, wenn er dort durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und der Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa, weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, etwa in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor ausgeübt werden. Nicht mehr gesichert ist wirtschaftliche Existenzminimum, wenn der Ausländer am Ort der inländischen Fluchtalternative bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts Anderes zu erwarten hat als ein „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (vgl. BVerwG, B.v. 17.5.2006 – 1 B 100/05 – juris Rn. 11; BVerwG, B.v. 21.5.2003 – 1 B 298/02 – juris Rn. 3; U.v. 1.2.2007 – 1 C 24/06 – juris Rn. 11; U.v. 31.3.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20).
Gemessen daran ist das Gericht davon überzeugt, dass sich der Kläger in Afghanistan für ihn zumutbar an einem Ort niederlassen kann, an dem ihm keine Verfolgung und kein ernsthafter Schaden droht und an dem er sein Existenzminimum sicherstellen kann. Damit drohen dem Kläger – auch auf der Grundlage der vorgetragenen Bedrohung – bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unmenschliche Behandlung oder andere unzumutbare Nachteile.
Für den Kläger ist es möglich, sich z.B. in Herat oder Mazare-Sharif niederzulassen, wo er aufgrund der Anonymität der Großstadt und unter Berücksichtigung des Zeitablaufs von seinem Cousin nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgefunden würde.
aa) Die Städte Herat und Mazare Sharif sind sicher und legal erreichbar (vgl. OVG Bremen, U.v. 26.5.2020 – 1 LB 56/20 – juris Rn. 59 ff.; VGH BW, U.v. 29.11.2019 – A 11 S 2376/19 – juris Rn. 104 ff.; OVG NRW, Urt. v. 18.06.2019 – 13 A 3920/18.A – juris Rn. 115; VG Ansbach, U.v. 22.6.2020 – AN 18 K 17.30767 – juris Rn. 30; EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2019, S. 130).
bb) Auch kann vom Kläger vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 a. E. AsylG).
Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass er bei einer Rückkehr in sein Heimatland in der Lage wäre, z.B. in Mazare-Sharif oder Herat einen Lebensunterhalt oberhalb des Existenzminimums insoweit zu verdienen, dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, sich dort aufzuhalten.
(1) Die Großstädte Herat und Masare Sharif sind im Hinblick auf die gegenwärtige Sicherheitslage auch nach wie vor allgemein als Fluchtalternative geeignet. Ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG droht den Betroffenen dort nicht (siehe hierzu auch noch unten bei der Prüfung des subsidiären Schutzes). So erreicht insbesondere die Sicherheitslage und die Situation der allgemeinen Gewalt in Afghanistan, namentlich auch in den hier als Fluchtalternative in Erwägung zu ziehenden Großstädten nicht das eine Verletzung von Art. 3 EMRK begründende Maß eines außergewöhnlichen Schädigungsrisikos (vgl. OVG Bremen, U.v. 26.5.2020 – 1 LB 56/20 – juris Rn. 55 ff.).
(2) Die für den Kläger bestehende schwierige wirtschaftliche Situation steht der Zumutbarkeit nicht entgegen (vgl. VG Ansbach, U.v. 22.6.2020 – AN 18 K 17.30767 – juris Rn. 32; VG München, U.v. 18.3.2020 – M 31 K 17.33141 – Rn. 31 ff.). Für die wirtschaftliche Situation von Rückkehrern nach Kabul oder in eine andere größere afghanische Stadt oder Provinz ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende volljährige, alleinstehende und arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen nicht von einer entsprechenden Gefahrenlage auszugehen ist; das gilt auch hinsichtlich der Sicherheitslage (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2020 – 13a ZB 18.32274 – juris Rn. 5 zu § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 AufenthG). Auf ein stützendes Netzwerk in Afghanistan – über das der Kläger überdies sogar verfügt – kommt es nicht an; ausreichend ist vielmehr, dass eine Verständigung in einer der Landessprachen möglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2020 – 13a ZB 19.31767 – juris Rn. 5). Aus diesem Grund ist auch trotz der Auswirkungen der aktuelle SARSCoV-2-Pandemie (Covid-19-Pandemie) davon auszugehen, dass der Kläger als erwachsener arbeitsfähiger Mann andernorts außerhalb seines Heimatorts sein Existenzminimum sicherstellen können wird (vgl. auch noch unten).
Außerdem besteht für den Kläger – insbesondere im Fall der freiwilligen Ausreise – die Möglichkeit, in nicht unerheblichem Umfang Rückkehr- und Starthilfen im Rahmen des REAG/GARP- und des ERRIN-Programms sowie weitere Unterstützungsleistungen für Rückkehrer in Anspruch zu nehmen, die ihm die Rückkehr erheblich vereinfachen und auch Startschwierigkeiten vermeiden helfen können (vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/erin; https://www.returningfromgermany.de/de/pr ogrammes/reaggarp; Informationsangebote des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im Internet, Stand: Februar 2020; s. a. VG München, U.v. 18.6.2020 – M 25 K 17.41700 – Rn. 27).
(3) Auch die allgemeinen Auswirkungen, die derzeit durch die aktuelle SARS-CoV-2- Pandemie (Covid-19-Pandemie) verursacht werden, hindern nicht die Bejahung der Voraussetzungen des internen Schutzes. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 1. Oktober 2020 (13a B 20.31004 – Rn. 43 ff.) unter Auswertung der vorhandenen aktuellen Erkenntnismittel ausgeführt hat, ist derzeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass Personen wie der Kläger infolge der Pandemie eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung erfahren wird (vgl. a. VG Freiburg U.v. 19.5.2020 – A 8 K 9604/17 – juris Rn. 40 ff.; VG München, U.v. 18.6.2020 – M 25 K 17.41700 – Rn. 22 ff.). Dieser Maßstab gilt insoweit auch für die Frage des internen Schutzes (vgl. VGH BW, U.v. 29.11.2019 – A 11 S 2376/19 – juris Rn. 23 ff.).
Damit steht dem Kläger interner Schutz nach § 3e AsylG zur Verfügung.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG, da ihm bei seiner Rückkehr nach Afghanistan weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht.
a) Es ist nicht zu erwarten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Verhängung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) drohen könnten. Der Kläger hat hierzu bereits keine Tatsachen vorgetragen bzw. glaubhaft gemacht. Zudem wäre der Kläger auch insofern auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG). Hierzu ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.
b) Auch führt die Lage in Afghanistan gesamtbetrachtend nicht dazu, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG anzunehmen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2018 -13a ZB 17.30687 – nicht veröffentlicht; B.v. 11.12.2017 – 13a ZB 17.31374 – juris; B.v. 8.11.2017 – 13a ZB 17.30615 – juris; B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167).
Die allgemeine Gefährdungslage in Afghanistan bzw. in den Provinzen Kabul, Balkh und Herat, wohin eine Abschiebung erfolgen würde, erreicht auch unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel keine Intensität, aufgrund derer bereits ohne das Vorliegen individueller gefahrerhöhender Umstände von der Erfüllung des Tatbestands des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auszugehen wäre. Das Bestehen individueller, gefahrerhöhender Umstände, die eine Gefährdung im o.g. Sinne dennoch begründen könnten, ergibt sich für den Kläger nicht in einem rechtlich relevanten Maß.
Das Gericht kann dabei offenlassen, ob die in (Teilen von) Afghanistan stattfindenden Auseinandersetzungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher Konflikt zu qualifizieren sind, weil nach Überzeugung des Gerichts im Rahmen eines etwaigen solchen Konflikts der Kläger jedenfalls keiner ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit ausgesetzt wäre (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG). Denn eine ernsthafte individuelle Bedrohung ist nicht schon dann anzunehmen, wenn der (etwaige) innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt. Notwendig ist, dass eine von einem (etwaigen) bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr individuell verdichtet (vgl. Nds.OVG, U.v. 24.9.2019 – 9 LB 136/19 – juris Rn. 80). Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. zum örtlichen Bezugspunkt der Gefahrenprognose BVerwG, B.v. 14.11.2012 – 10 B 22/12 – juris).
Die hiernach notwendige Individualisierung kann sich für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen, nach denen er spezifisch betroffen wäre, ergeben (vgl. OVG NW, U.v. 28.8.2019 – 9 A 4590/18.A – Rn. 133). Insoweit würde ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt genügen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4/09 – juris Rn. 33; VG Oldenburg, U.v. 21.5.2019 – 15 A 748/19 – juris Rn. 46). Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Kläger als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist (vgl. Nds.OVG, U.v. 24.9.2019 – 9 LB 136/19 – juris Rn. 80; OVG NW, U.v. 28.8.2019 – 9 A 4590/18.A – juris Rn. 133). Hiervon kann angesichts des geschilderten Sachverhalts nicht die Rede sein.
Fehlen – wie hier – derartige individuelle gefahrerhöhende Umstände, so kann eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr nur bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (vgl. Nds.OVG, U.v. 24.9.2019 – 9 LB 136/19 – juris Rn. 80). Für die Feststellung der hiernach erforderlichen Gefahrendichte können die Kriterien, die im Bereich des Flüchtlingsrechts für den Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung gelten, entsprechend herangezogen werden. Zur Ermittlung einer für die Annahme einer erheblichen Gefahr ausreichenden Gefahrendichte ist aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Herkunftsregion lebenden Zivilpersonen annäherungsweise zu ermitteln und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie die Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Bezug zu setzen; erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 Rn. 22 f.) ist die Annahme einer individuellen Gefährdung auch bei einer Gefahrendichte von 1:800 noch fernliegend (vgl. zusammenfassend BayVGH, B.v. 16.10.2019 – 5 ZB 19.33656 – juris Rn. 7).
Eine solche Gefahrendichte kann für Kunduz nicht festgestellt werden; für dort besteht eine Opferwahrscheinlichkeit für das Jahr 2019 von rund 0,044% (vgl. hierzu ausführlich VG Köln, U.v. 17.2.2020 – 14 K 1834/17 – juris Rn. 45 ff.; VG Bayreuth, U.v. 26.6.2020 – B 8 K 17.32211 – juris Rn. 60 f.). Die dieser Rechtsprechung, der sich das entscheidende Gericht anschließt, zugrundeliegende Auskunftslage hat sich seither nicht grundlegend verändert.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
a) Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht.
Die allgemeine (Versorgungs-)Lage in Afghanistan stellt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (vgl. jüngst VGH BW Urt. v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17; siehe auch BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem humanitären Gründe „zwingend“ sind. Eine solche Situation ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben; besondere Umstände, die hier eine andere Beurteilung gebieten würden, sind nicht gegeben.
aa) Auch wenn die humanitäre Lage in Afghanistan insgesamt nach wie vor äußerst angespannt ist und die Lebensumstände nach europäischen Standards vielfach als schwer erträglich erscheinen, ist nach gegenwärtiger Erkenntnislage mit der überwiegenden Rechtsprechung davon auszugehen, dass am Zielort einer Abschiebung in Afghanistan (Kabul) keine derart prekäre humanitäre Situation und insbesondere keine derart unzureichende allgemeine Versorgungslage besteht, dass eine Rückführung in Anwendung von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK generell ausgeschlossen wäre. Es liegen keine Erkenntnisse vor, die hinreichend verlässlich den Schluss zuließen, dass jeder alleinstehende, arbeitsfähige männliche Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte; die hohen Anforderungen aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind daher weiterhin nicht erfüllt. Zudem liegen Erkenntnisse dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer in Afghanistan in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger oder Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, trotz hoher Rückkehrzahlen nicht vor (BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004 – Rn. 32 ff.; BayVGH, U.v. 6.7.2020 – 13a B 18.32817 – juris Rn. 63).
bb) Es bestehen auch keine gefahrerhöhenden individuellen Umstände (vgl. zu dieser Anforderung BayVGH, U.v. 6.7.2020 – 13a B 18.32817 – juris Rn. 68; VGH BW, U.v. 24.1.2018 – A 11 S 1265/17 – juris Rn. 149; VGH BW, U.v. 17.7.2019 – A 9 S 1566/18 – juris Rn. 47; VG Oldenburg, U.v. 21.5.2019 – 15 A 748/19 – juris Rn. 53), die im Fall des Klägers zu einer anderen Bewertung führen könnten.
Soweit es die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan angeht, gilt, dass in der Person des Klägers keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände gegeben sind.
Soweit es die humanitäre bzw. wirtschaftliche Lage in Afghanistan betrifft, wäre der alleinstehende Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage, für sich als Einzelperson das Existenzminimum zu bestreiten. Denn der 22-jährige Kläger spricht eine der afghanischen Landessprachen und wird somit in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten etwa in Kabul oder einer anderen afghanischen Großstadt ein hinreichendes – wenn auch kleines – Einkommen zu erzielen (vgl. BayVGH, U.v. 6.7.2020 – 13a B 18.32817 – juris Rn. 70 f.)
Außerdem besteht für den Kläger – insbesondere im Fall der freiwilligen Ausreise – die Möglichkeit, in nicht unerheblichem Umfang Rückkehr- und Starthilfen im Rahmen des REAG/GARP- und des ERRIN-Programms sowie weitere Unterstützungsleistungen für Rückkehrer in Anspruch zu nehmen, die ihm die Rückkehr erheblich vereinfachen und auch Startschwierigkeiten vermeiden helfen können (vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/erin; https://www.returningfromgermany.de/de/pr ogrammes/reaggarp; Informationsangebote des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im Internet, Stand: Februar 2020; s. a. VG München, U.v. 18.6.2020 – M 25 K 17.41700 – Rn. 27).
cc) Auch die allgemeinen Gefahren, die derzeit durch die aktuelle SARS-CoV-2- Pandemie (Covid-19-Pandemie) verursacht werden, erfüllen nicht die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m Art. 3 EMRK. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 1. Oktober 2020 (13a B 20.31004 – juris Rn. 43 ff.) unter Auswertung der vorhandenen aktuellen Erkenntnismittel ausgeführt hat, ist derzeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass Personen wie der Kläger infolge der Pandemie eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung erfahren wird (vgl. a. VG Freiburg U.v. 19.5.2020 – A 8 K 9604/17 – juris Rn. 40 ff.; VG München, U.v. 18.6.2020 – M 25 K 17.41700 – Rn. 22 ff.).
b) Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
aa) Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Konkret ist die Gefahr, wenn sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Aus den Tatbestandsmerkmalen der „Konkretheit“ der Gefahr für „diesen“ Ausländer ergibt sich zudem das zusätzliche Erfordernis einer auf den Einzelfall bezogenen, individuell bestimmten und erheblichen, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretenden Gefahrensituation. Diese Gefahrensituation muss landesweit drohen. Unerheblich ist allerdings, ob die Gefahr vom Staat ausgeht oder ihm zumindest zuzurechnen ist (OVG NW, U.v. 28.8.2019 – 9 A 4590/18.A – juris Rn. 224).
bb) Die allgemeine humanitäre oder die Sicherheitslage in Afghanistan begründet kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Der Annahme eines Abschiebungsverbotes wegen allgemeiner Gefahren steht schon die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG entgegen (vgl. VG Aachen, U.v. 1.10.2019 – 4 K 597/19.A – juris Rn. 123; VG Augsburg, U.v. 22.10.2018 – Au 5 K 18.31266 – juris Rn. 69). Zwar dürfen die Gerichte ausnahmsweise und im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die kein Abschiebestopp besteht, Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zusprechen, wenn dies zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke wegen einer im Zielstaat bestehenden extremen Gefahrenlage erforderlich ist (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004 – juris Rn. 54; BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 60). Jedoch kann eine solche Gefahr wegen der weiten Auslegung von § 60 Abs. 5 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts von vorherein nicht angenommen werden, wenn bereits – wie hier – die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG wegen allgemeiner Gefahren zu verneinen sind (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004 – juris Rn. 58; BayVGH, U.v. 6.7.2020 – 13a B 18.32817 – juris Rn. 37; NdsOVG, U.v. 24.9.2019 – 9 LB 136/19 – juris Rn. 264; VGH BW, U.v. 17.7.2019 – A 9 S 1566/18 – juris Rn. 50). Für eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG besteht daher kein Bedarf mehr.
cc) Individuelle Anhaltspunkte in der Person des Klägers, die zu einer konkreten Gefahr führen und einer Abschiebung entgegenstehen könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
(1) Sie besteht, wie ausgeführt, namentlich nicht wegen der vom Kläger geltend gemachten Gefährdung durch die Angreifer des geschilderten Überfalls (siehe oben), jedenfalls muss sich der Kläger insoweit auf eine inländische Fluchtalternative verweisen lassen.
(2) Eine erhebliche konkretindividuelle Gefahr besteht für den Kläger auch nicht aus gesundheitlichen Gründen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger nicht gesund ist.
Auch das (landesweite) Risiko des Klägers, sich mit Sars-CoV-2 zu infizieren, rechtfertigt nicht, von einer erhebliche konkretindividuelle Gefahr auszugehen. Schon das Infektionsrisiko ist – setzt man die Zahl der (offiziell) Infizierten Personen (rund 42.000) zur Gesamtbevölkerung ins Verhältnis (rund 27 Mio.) – gering (vgl. zu den Infektionszahlen die Angaben des John Hopkins Coronavirus Resource Center, abrufbar unter: https://coronavirus.jhu.edu/map.html). Jedenfalls ist aber das Risiko, im Falle der Infektion eine erhebliche Erkrankung zu erleiden, für den Kläger äußerst gering. Er ist jung und gesund. Ihn trifft kein besonderes Risiko, bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 schwer zu erkranken oder gar zu versterben. Bei jungen und gesunden Menschen geht eine derartige Infektion zumeist nur mit leichten Symptomen einher, die von selbst ausheilen. Rund 80% der Erkrankungen verlaufen milde bis moderat (vgl. Steckbrief des RKI, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief. html). Es ist daher nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger sich infiziert oder gar schwerwiegend oder lebensbedrohlich erkranken würde (vgl. auch VG München, U.v. 27.5.2020 – M 25 K 17.41720 – Rn. 43)
4. Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG bestehen schließlich ebenfalls keine Bedenken. Gleiches gilt für die Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG. Die Ermessensausübung der Beklagten lässt insoweit keine der beschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Fehler erkennen (§ 114 VwGO).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen; das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.


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