Verwaltungsrecht

Asyl, Kuba: Unbegründete Asylrechtsklage

Aktenzeichen  AN 17 K 20.30253

Datum:
9.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14316
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 28 Abs. 1, Abs. 1a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO § 113 Abs. 1
GG Art. 16a

 

Leitsatz

1. Die der Klägerin widerfahrenen Disziplinierungsmaßnahmen seitens ihres vorgesetzten Dekans oder sonstiger Vorgesetzter und Arbeitskollegen haben kein asylrelevantes Maß erreicht. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für die Klägerin, die gut ausgebildet ist und in Kuba auch Familienangehörige hat, zu welchen sie Kontakt pflegt, im Falle ihrer Rückkehr nach Kuba eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, da ihre Existenz aus gesichert ist. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 6. März 2020 ist im Umfange des Klagebegehrens rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Ihr steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG (Hauptantrag) noch auf Zuerkennung des subsidiären Flüchtlingsstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Hilfsanträge) zu.
1. Vorliegend ist kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben. Wegen der Identität der Schutzgüter wäre im selben Umfang auch ein Anspruch auf Asyl aus Art. 16a GG unbegründet, wobei sich die Antragstellung in der mündlichen Verhandlung auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beschränkte.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i.S.d. Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Ergänzend hierzu bestimmt § 3a AsylG die Verfolgungshandlungen, § 3b AsylG die Verfolgungsgründe, § 3c AsylG die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, § 3d AsylG die Akteure, die Schutz bieten können und § 3e AsylG den internen Schutz. § 3a Abs. 3 AsylG regelt ausdrücklich, dass zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. den in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen muss.
Ausschlussgründe, wonach ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, sind in § 3 Abs. 2 und 3 AsylG geregelt.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des AufenthG.
Unter Würdigung dieser Voraussetzungen steht bei Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Kuba mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG unterfallende Gefährdungen drohen.
Die Klägerin konnte nicht glaubhaft darlegen, dass sie unmittelbar vor ihrer Ausreise Maßnahmen staatlicher Stellen in Anknüpfung an in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründen mit der erforderlichen Eingriffsintensität ausgesetzt war und dass sie Opfer diskriminierend angewandter Maßnahmen des kubanischen Staates oder von Organisationen, die der staatlichen Kontrolle unterliegen, gewesen ist. Das ergibt sich für das Gericht schon aus dem Vortrag der Klägerin selbst, die in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt bekundet hat, zunächst Kuba mit der Intention verlassen zu haben, dorthin wieder zurückzukehren und dazu in der mündlichen Verhandlung ergänzte, bis zu ihrer Ausreise auch seitens ihres Arbeitgebers weder gekündigt worden noch in eine Arbeitsstelle außerhalb der Fakultätsverwaltung im Hinblick auf unzuverlässig eingestuftes Verhalten im Zusammenhang mit der Indoktrination kubanischer Studenten umgesetzt worden zu sein.
Überdies ist das Gericht davon überzeugt, dass die der Klägerin widerfahrenen Disziplinierungsmaßnahmen seitens ihres vorgesetzten Dekans oder sonstiger Vorgesetzter und Arbeitskollegen kein asylrelevantes Maß erreicht haben. Soweit demnach im Sinne eines herabgesetzten Beweismaßstabes (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.1977, Buchholz 402.24, § 28 AuslG Nr. 11; U.v. 16.4., 1.10. und 12.11.1985, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nrn. 32, 37 und 41) zu Gunsten der Klägerin als wahr angenommen werden kann, dass sie sich nicht sonderlich für Parteiveranstaltungen der kommunistischen Partei Kubas interessiert hat und im Zusammenhang mit der Abstimmung der kubanischen Bevölkerung über die neue kubanische Verfassung den ihr gesetzten Auftrag, die Studenten ihrer Fakultät zu einem positiven Abstimmungsverhalten anzuhalten, aus Sicht ihrer Vorgesetzten nur unzureichend erfüllt hat, sind die daran anknüpfenden, von der Klägerin geschilderten Gespräche mit dem Dekan der Fakultät etwas, das jeder kubanische Staatsbürger in der Situation der Klägerin aufgrund des allgemein vorherrschenden Systems ebenso hinzunehmen hätte. Arbeitsrechtliche Konsequenzen im Zusammenhang mit einer politischen Einstellung des Asylantragstellenden sind dabei aber nur ausnahmsweise geeignet, flüchtlingsrechtliche Qualität zu erreichen, nämlich, wenn diese Maßnahmen die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Herkunftsstaates auf Grund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (VG Augsburg B.v. 25.4.2001 – Au 2 S 01.30186, BeckRS 2001, 29463). Das ist bei der Klägerin nach Überzeugung des Gerichts nicht in der erforderlichen Intensität erreicht.
Eine exilpolitische Betätigung in der Bundesrepublik hat die Klägerin nicht dargelegt.
Auch allein die Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland hat keine politische Verfolgung unverfolgt und legal aus Kuba ausgereister kubanischer Staatsangehöriger im Falle ihrer Rückkehr dorthin zur Folge (BVerwG, B.v. 7.12.1999 – 9 B 474.99; BayVGH, U.v. 29.7.2002 – 7 B 01.31054; B.v. 6.10.2003 – 7 ZB 03.31113; B.v. 5.6.2008 – 15 ZB 07.30102; VG Augsburg, U.v. 5.7.2011 – Au 7 K 10.30473; VG Ansbach, U.v. 24.9.2015 – AN 3 K 14.30542; alle juris).
Diese Einschätzung wird im Wesentlichen durch die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen bestätigt.
In der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe „Kuba: Rückkehr, 16. Februar 2009“ (im Folgenden „Schweizerische Flüchtlingshilfe“) wird z.B. ausgeführt, dass Personen, die im Ausland einen Asylantrag stellen, von der kubanischen Regierung als Regimekritiker eingestuft werden können und in diesem Fall bei ihrer Rückkehr nach Kuba von willkürlichen stattlichen Repressalien bedroht sind (z.B. Entzug der Lebensmittelmarken, Beschlagnahme von Privatbesitz, erschwerter Zugang zum Arbeitsmarkt).
Die Asylantragstellung allein kann dann zu Problemen beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Sozialleistungen führen, wenn die kubanischen Behörden von der Asylantragstellung erfahren (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom März 2017 Ziffer 21 (im Folgenden „Länderinformationsblatt“); Schweizerische Flüchtlingshilfe Ziffer 2).
Jedoch ist bei der Klägerin nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie von solchen Repressalien im Falle ihrer Rückkehr betroffen sein wird. Denn den Quellen lässt sich nicht entnehmen, unter welchen Voraussetzungen die kubanischen Behörden zu derartigen Repressalien greifen. Die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung reicht für die Annahme einer Rückkehrgefährdung nicht aus.
Die demnach nicht vorverfolgt aus Kuba ausgereiste Klägerin hat nach Auffassung des Gerichts im Falle einer Rückkehr nach Kuba nicht mit einer im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigenden Rückkehrgefährdung zu rechnen.
Insbesondere liegen keine Nachfluchtgründe im Sinne des § 28 Abs. 1 u. 1a AsylG vor. Im Gegensatz zu Vorfluchtgründen, die durch den Ausländer im Asylverfahren lediglich glaubhaft zu machen sind, bedürfen Nachfluchtgründe, die auf Ereignissen innerhalb des Gastlandes beruhen, des vollen Nachweises (VG Regensburg, U.v. 28.07.2017 – RO 2 K 16.32418 – BeckRS 2017, 140156). Dazu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung indes nur Spekulationen geäußert und keine Anhaltspunkte unter Beweis gestellt, dass sie seitens der kubanischen Behörden tatsächlich wie eine Staatsfeindin behandelt wird. Denn insbesondere der Vortrag, mehrere Kommilitonen ihrer Tochter, die an derselben Universität studiere, an der sie gearbeitet habe, hätten schlecht über sie gegenüber ihrer Tochter gesprochen, genügt nicht, einen derartigen Schluss zu ziehen. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass Gerede unter Studenten auf einen willkürlichen, staatlichen Akt zurückzuführen ist, um die Klägerin dauerhaft zu diskreditieren. Zum anderen ist nicht erklärbar, warum der kubanische Staat die engste Verwandtschaft einer Person, die er als Staatsfeindin behandelt und bei der den kubanischen Behörden oppositionelles Verhalten gerade auch im weiteren Verwandtenkreis bekannt ist, unbesehen weiter studieren lässt. Die in § 28 AsylG geforderte Verknüpfung zwischen den die Furcht vor Verfolgung begründeten Ereignissen, die nach der Ausreise eingetreten sind und einer Betätigung, die im Ausland aufgrund einer schon im Herkunftsland bestehenden gefestigten politischen Einstellung fortgesetzt wird, erkennt das Gericht im Fall der Klägerin unter Zugrundelegung ihres Vortrags nicht.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). In diesem Rahmen sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend anzuwenden.
Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in ihr Heimatland ein ernsthafter Schaden in diesem Sinne droht.
3. Auch nationale Abschiebungsverbote sind nicht gegeben.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Mangels Erkennbarkeit diesbezüglicher Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.
Ebenso wenig besteht im Falle der Klägerin ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für die Klägerin, die gut ausgebildet ist und in Kuba auch Familienangehörige hat, zu welchen sie Kontakt pflegt, im Falle ihrer Rückkehr nach Kuba eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, da ihre Existenz aus vorgenannten Gründen gesichert ist.
4. Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreisesaufforderung unter Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG liegen vor.
5. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das ihr im Rahmen des § 11 Abs. 1 und 3 AufenthG eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, bestehen nicht und wurden von der Klägerin nicht vorgetragen.
Die Klage war demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.


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