Verwaltungsrecht

Asyl, Mali: Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt – Integration in Deutschland spielt für Abschiebungsverbot keine Rolle

Aktenzeichen  15 ZB 18.31937

Datum:
10.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20024
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1 Die vorgetragenen Umstände, dass der Kläger in Deutschland sehr gut integriert sei, hier eine Schulausbildung durchlaufen habe und nunmehr eine Berufsausbildung beginnen könne, spielen für die Frage, ob in der Person eines betroffenen Ausländers ein Abschiebungsverbot iSv § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 3 EMRK erfüllt sein könnte, von vornherein keine Rolle. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der vom Kläger gezogene Schluss, dass er aufgrund seines Aufenthalts und seiner Anpassung in Deutschland seine Persönlichkeit geändert habe, er deshalb in Mali auffallen werde und folglich gefährdet sei, wäre am Maßstab des Darlegungsgebots (§ 78 Abs. 4 S. 4 AsylG) näher begründungsbedürftig. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 29 K 17.41409 2018-06-20 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

I.
Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15. Mai 2017. mit dem sein Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurde, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Mali oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen. Mit Urteil vom 20. Juni 2018 wies das Verwaltungsgericht München die vom Kläger am 22. Mai 2017 erhobene Klage – mit der er beantragte hatte, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 15. Mai 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutz zuzuerkennen sowie festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen – ab.
Mit seinem auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Hierzu bringt er vor, die Erwägungen des Verwaltungsgerichts, dass er in Mali Schutz genießen könne und im Süden des Landes sein Lebensunterhalt sichergestellt sei, entsprächen zwar der bisherigen Rechtsprechung, die bei der Rückführung von alleinstehenden arbeitsfähigen Männern im Süden Malis in aller Regel keine Gefährdungslage sehe. Im vorliegenden Fall seien jedoch die folgenden Umstände zu berücksichtigen, auf die im Urteil nicht eingegangen worden sei: Er – der Kläger – habe inzwischen in Deutschland eine Schulausbildung durchlaufen, die ihn befähige, noch in diesem Sommer mit einer Berufsausbildung zu beginnen. Er habe sogar einen Ausbildungsplatz. Seine schulischen Leistungen seien gut und er werde sich im Bundesgebiet sehr gut integrieren können. Er habe sich mithin an die hiesigen Verhältnisse sehr gut anpassen können. Dadurch habe sich seine Persönlichkeit geändert und er werde daher – selbst als junger, alleinstehender und arbeitsfähiger Mann – in Mali auffallen; er sei dadurch gefährdet. Auch dürfte er in Mali wenig erreichen, da er keine Verwandten mehr habe und mithin niemanden, der ihn unterstützen oder auffangen könnte. Zu bedenken sei auch, dass er bereits vor sechs Jahren Mali verlassen habe und er mit den dortigen Verhältnissen nicht vertraut sei. Es handle sich daher um einen sehr außergewöhnlichen Fall, bei dem zu überprüfen sei, ob in seiner Person nicht doch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V. mit Art. 3 EMRK erfüllt seien. Es stehe fest, dass die derzeitigen humanitären Bedingungen in Mali außergewöhnlich schlecht seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag hat keinen Erfolg.
Mit der Formulierung der von ihm als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehenen Frage
„ob die derzeitige Entscheidungslage für junge und alleinstehende arbeitswillige Männer auch für diejenigen Personen gilt, die schon als Jugendliche in das Bundesgebiet gekommen sind und die sich dort sehr gut integrieren konnten“,
und seinen weiteren Ausführungen hierzu in der Begründung seines Zulassungsantrags ist der Kläger den Anforderungen an eine hinreichend substantiierte Geltendmachung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) am Maßstab von § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht gerecht geworden.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gem. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 24.4.2018 – 8 ZB 18.30874 – juris Rn. 4; B.v. 6. Juni 2018 – 15 ZB 18.31230).
Vorliegend fehlt es an einer substantiierten Darlegung des Klägers, weshalb die gestellte Frage im vorliegenden Fall entscheidungserheblich (klärungsfähig) sein soll. Die vorgetragenen Umstände, dass der Kläger in Deutschland sehr gut integriert sei, hier eine Schulausbildung durchlaufen habe und nunmehr eine Berufsausbildung beginnen könne, spielen als solche für die Frage, ob in der Person eines betroffenen Ausländers ein Abschiebungsverbot i.S. von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V. mit Art. 3 EMRK erfüllt sein könnte, von vornherein keine Rolle. Der vom Kläger hieraus gezogene weitere Schluss, dass er aufgrund seines Aufenthalts und seiner Anpassung in Deutschland seine Persönlichkeit geändert habe, er deshalb in Mali auffallen werde und folglich gefährdet sei, wäre am Maßstab des Darlegungsgebots (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) näher begründungsbedürftig. Zudem würde dieser – wie der Kläger selbst vorträgt – „außergewöhnliche Einzelfall“ eine ganz spezielle, individuelle Frage hinsichtlich der Rechtsanwendung von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V. mit Art. 3 EMRK betreffen. Es geht damit auch aus Sicht des Klägers gerade nicht um eine allgemeine Frage, deren Beantwortung über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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