Verwaltungsrecht

Asylbewerber aus dem Iran, Keine Vorverfolgung, Kein Nachfluchtgrund wegen Konversion zum christlichen Glauben mangels identitätsprägender Bedeutung

Aktenzeichen  AN 17 K 17.32049

Datum:
11.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44564
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 4
AsylG § 28 Abs. 1a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. 
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Den Klägern steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG noch auf die Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a GG noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG oder auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Auch im Übrigen stößt der angegriffene Bescheid auf keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Die Klägerin zu 1) hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, weil es an einer begründeten Furcht vor Verfolgung fehlt. Daher besteht auch kein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte im Sinne des Art. 16a GG. Zudem liegen weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus noch diejenigen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
a) Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3a Abs. 3 AsylG muss die Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1, Abs. 2 AsylG an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung vom Staat (§ 3c Nr. 1 AsylG), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG).
Maßstab für die Beurteilung der Furcht der Klägerin zu 1) vor Verfolgung als begründet im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist das Vorliegen einer tatsächlichen Gefahr („real risk“) der Verfolgung. Erforderlich ist also, dass der Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer angenommenen Rückkehr Verfolgung droht (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 33/18 – NVwZ 2020, 161 Rn. 15; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – NVwZ 2013, 936 Rn. 32; BVerwG, U.v. 22.11.2011 – 10 C 29/10 – NVwZ 2012, 1042 Rn. 23 ff.; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – NVwZ 2011, 51 Rn. 22). Die Bejahung einer solchen beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 33/18 – NVwZ 2020, 161 Rn. 15; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – NVwZ 2013, 936 Rn. 32).
Diesbezüglich gewährt Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Anerkennungs-RL) eine Beweiserleichterung: Für Vorverfolgte wird vermutet, dass ihre Furcht vor Verfolgung begründet ist. Die Vermutung ist widerleglich. Hierfür sind stichhaltige Gründe erforderlich, die dagegensprechen, dass dem Antragsteller eine erneute derartige Verfolgung droht (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 33/18 – NVwZ 2020, 161 Rn. 16).
Das Gericht muss in Asylstreitsachen die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals erlangen (BVerwG, B.v. 29.11.1996 – 9 B 293/96 – juris Rn. 2), wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat angemessen zu berücksichtigen und deshalb den glaubhaften Erklärungen des Asylsuchenden größere Bedeutung beizumessen ist als dies sonst in der Prozesspraxis bei Parteibekundungen der Fall ist (BVerwG, B.v. 29.11.1996 – 9 B 293/96 – juris Rn. 2 f.). Dem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung kommt gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris Rn. 16). Der Schutzsuchende hat sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris Rn. 35; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris). Er hat die Gründe für seine Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat bzw. Staat des gewöhnlichen Aufenthalts Verfolgung droht (BVerwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405/89 – juris). Vom dem Asylsuchenden kann verlangt werden, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, B.v. 19.3.1991 – 9 B 56/91 – juris). Erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vorbringen können dem entgegenstehen, es sei denn, diese können überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris, U.v. 23.2.1988 – 9 C 273/86 – juris). An der Glaubhaftmachung fehlt es auch, wenn der Schutzsuchende sein Vorbringen im Lauf des Verfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät ins das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris Rn. 35).
b) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist das Gericht zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) nicht davon überzeugt, dass der Klägerin zu 1) im Falle einer Rückkehr nach Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht.
In Betracht kommt nach dem klägerischen Vortrag zu 1) hauptsächlich eine Verfolgung aufgrund einer Konversion vom Islam zum Christentum sowie der Absicht missionarisch tätig zu sein gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG durch die im Iran auf eine Konversion zum Christentum stehende Haft- oder Todesstrafe sowie Sanktionen bis zur Todesstrafe für eine missionarische Tätigkeit unter Muslimen, § 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, 3 AsylG.
aa) Jedoch ist der Einzelrichter schon nicht vom Wahrheitsgehalt der Schilderung der Klägerin zu 1) zu den angeblich fluchtauslösenden Ereignissen im Iran überzeugt. Bereits die in der Anhörung vor dem Bundesamt vorgetragene erste Hinwendung zum Christentum aufgrund des Besuchs einer Freundin, die ihr einmal einen Film über Jesus Christus gezeigt und ein wenig über ihn geredet habe, wird derart blass, detailarm und knapp geschildert, dass sie als unglaubhaft einzuordnen ist. Weder hat die Klägerin zu 1) irgendwelche Details zu dem gezeigten Film angegeben, noch hat sie schlüssig den Kontext erläutert, wieso ihr ihre Freundin bei einem Besuch unvermittelt einen Film über Jesus Christus gezeigt haben sollte. Auch soweit die Klägerin zu 1) weiter angab, sie habe in Folge auf dem Portal „YouTube“ über Christus recherchiert, erschöpft sich dies in einem Einzeiler und lässt nicht nachvollziehbar erkennen, warum und in welchen konkreten Aspekten sich die Klägerin mit dem Christentum beschäftigt haben will. Widersprüchlich und damit unglaubhaft erscheint im Weiteren, dass die Klägerin zu 1) trotz dessen, dass ihr vermeintlich aggressiver Ehemann sie bei der Internetrecherche über Jesus erwischt und ihr und den gemeinsamen Kindern mit dem Tod gedroht habe, gerade deshalb („Weil er so aggressiv war, habe ich nicht aufgehört über Christus zu recherchieren“, S. 44 der Bundesamtsakte) angeblich weitere Recherchen betrieben hat. Schließlich festigen auch die häufig knappen, fast schlagwortartigen Angaben der Klägerin zu 1) vor dem Bundesamt, insbesondere, dass sie es mit Jesus habe probieren wollen, da sie von ihrem Gott keine Antwort erhalten habe und dann mit Jesus gesprochen haben will, worauf dieser geantwortet habe, dass seine Türen offen seien, wenn sie zu ihm kämen sowie dass der christliche Gott nett sei und einen nicht bestrafe, wenn man seine Haare zeige, den Eindruck einer konstruierten Vorverfolgungsgeschichte. Es mangelt an jeglichen Einzelheiten, die die Schilderung eines eigenen Erlebens typischerweise mit sich bringt. Darin fügt sich auch ein, dass die Freundin der Klägerin zu 1), die ihr im Iran zuerst das Video über Jesus gezeigt haben soll, dieser das Christentum zunächst durch das Erzählen von nicht näher benannten Geschichten und der Aussage, dass man nett sein und vergeben müsse, nähergebracht habe. Für eine Freundin, die die Klägerin zu 1) angeblich ins Christentum einführen wollte, wäre zu erwarten gewesen, dass diese nicht nur mit Allgemeinplätzen aufwartet, die auch rein säkular verstanden werden können. Doch selbst wenn man den so gewürdigten Vortrag der Klägerin zu 1) als wahr unterstellen würde, könnte sie damit nicht ansatzweise darlegen, dass der christliche Glaube für sie bereits im Iran zentrale Bedeutung für ihre religiöse Identität gehabt hat.
Von der behaupteten Konversion zum Christentum bereits im Iran abgesehen schildert die Klägerin auch keinen stimmigen Sachverhalt, der eine Vorverfolgung aus anderen Gründen als denen der Religion. Die Angabe, dass ihr Ehemann sie geschlagen und sie und ihre Kinder mit den Tod bedroht hätte, ist zum einen unglaubhaft, weil sie im Zusammenhang mit der ihrerseits unglaubhaften Darstellung zur Hinwendung zum Christentum steht und würde für sich genommen nicht hinreichend substantiiert sein, um eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1, Abs. 2 AsylG anzunehmen, noch dazu dann fraglich wäre, worin der Verfolgungsgrund liegt. Soweit die Klägerin zu 1) ihren Ehemann allgemein als aggressiv beschreibt, ist dies für sich genommen asylrechtlich irrelevant. Wenn die Klägerin zu 1) darüber hinaus anbringt, sie habe im Iran gläubig sein und ein Kopftuch tragen müssen, fehlt es an einer substantiierten Darlegung einer gegenläufigen religiösen oder atheistischen Überzeugung der Klägerin zu 1) sowie den im Verweigerungsfalle drohenden Verfolgungshandlungen.
Der Einzelrichter geht nach alldem davon aus, dass die Klägerin zu 1) den Iran mit ihren Kindern, den Klägern zu 2) und 3), unverfolgt verlassen hat.
bb) Die Klägerin zu 1) kann sich hinsichtlich der vorgetragenen Konversion zum Christentum auch nicht gemäß § 28 Abs. 1a AsylG auf einen beachtlichen Nachfluchtgrund berufen. Nach § 28 Abs. 1a AsylG kann die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.
Allgemein trifft den Ausländer in Fällen einer Konversion erst im Aufnahmestaat eine erhebliche Plausibilisierungslast insbesondere mit Blick auf den Anlass und den Verlauf des Konversionsprozesses, die Bedeutung der Religion für das Leben des Betroffenen und dessen Überlegungen für den Fall eines Bekanntwerdens des Glaubenswechsels im sozialen Umfeld und Herkunftsland des Betroffenen (Wittmann in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 9. Ed. 15.10.2021, § 3b AsylG Rn. 12). Für den Iran kommt es hinsichtlich der Verfolgungsgefahr aufgrund einer Konversion darauf an, ob im Falle einer Rückkehr einer konvertierten Person davon auszugehen ist, dass diese ihren neu aufgenommenen Glauben und die damit verbundene Abkehr vom Islam aktiv im Iran ausüben oder nur erzwungener Maßen, unter dem Druck drohender Verfolgung, auf eine Glaubensbetätigung verzichten wird (BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 24). Es gibt keine Erkenntnisse dahingehend, dass allein wegen einer bisherigen religiösen Betätigung im Ausland oder in Deutschland oder gar schon wegen eines bloß formalen Glaubenswechsels zum christlichen Glauben einem Übergetretenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran eine asylrechtlich relevante Verfolgung drohen könnte – selbst unter dem Recht der Scharia (BayVGH a.a.O. Rn. 25; s.a. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformation der Staatendokumentation Iran, Version 4, generiert am 2.7.2021, S. 55, zumindest für rückkehrende Konvertiten, die keine Aktivitäten mehr in Bezug auf das Christentum entfalten oder den Behörden vor Ausreise unbekannt waren). Da demnach die Verfolgung aufgrund einer Konversion im Iran nicht ausschließlich an die formale Kirchenzugehörigkeit anknüpft, ist bei der Beurteilung der Schwere einer drohenden Verletzung der Religionsfreiheit des Betroffenen zu prüfen, ob die Verfolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis für diesen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Nachdem bereits der unter dem Druck drohender Verfolgung erzwungene Verzicht auf eine Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG erreichen kann, ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund drohender religiöser Verfolgung in diesem Fall maßgeblich, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BayVGH a.a.O. Rn. 26; BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – NVwZ 2015, 1678 Rn. 11 m.w.N.; nachfolgend BVerfG, B.v. 3.4.2020 – 2 BvR 1838/15 – NVwZ 2020, 950 Rn. 26 ff.).
Diese Voraussetzungen sind in der Person der Klägerin zu 1) jedoch nicht erfüllt. Der Einzelrichter konnte nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Klägerin aus ernsthafter, fester Überzeugung im Bundesgebiet zum christlichen Glauben übergetreten ist und dieser eine besondere, identitätsprägende und unverzichtbare Bedeutung für sie hat.
Eine ernsthafte Hinwendung der Klägerin zu 1) zum christlichen Glauben lässt sich insbesondere nicht aus dem formalen Akt der Taufe am 5. Juni 2016 in der Freien evangelischen Gemeinde … entnehmen. Diese bestätigt zwar für das Verwaltungsgericht bindend die Wirksamkeit einer nach kirchenrechtlichen Vorschriften vollzogenen Taufe und damit die Mitgliedschaft des Asylbewerbers in der Kirchengemeinschaft. Davon zu trennen ist jedoch – weil es eben keine eigene Angelegenheit der Kirchen oder Religionsgemeinschaften im Sinne des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV darstellt – ob und gegebenenfalls welche Aspekte der Glaubensüberzeugung oder Glaubensbetätigung in einer die Furcht vor Verfolgung begründenden Intensität für die religiöse Identität des Asylbewerbers prägend sind oder nicht (BVerfG, B.v. 3.4.2020 – 2 BvR 1838/15 – NVwZ 2020, 950 Rn. 29 f.; BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 9 ff.). Gleiches gilt im Ergebnis auch für die vorgelegten Bescheinigungen der Freien Evangelischen Gemeinde … vom 2. Februar 2020 und der Freien Evangelischen Gemeinde … vom 7. September 2021, soweit diese eine regelmäßige Teilnahme an den Gottesdiensten und Veranstaltungen der Gemeinde nachweisen sollen (NdsOVG, B.v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – juris Rn. 6). Zudem liegt hinsichtlich der Bescheinigung vom 2. Februar 2020 nahe, dass es sich um eine reine Gefälligkeitsbescheinigung handelt, da einerseits die Freie evangelische Gemeinde … in ihrem Schreiben vom 2. Februar 2020 eine regelmäßige Gottesdienstteilnahme der Klägerin zu 1) behauptet, andererseits die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angab, nur die evangelische Gemeinde in … zu besuchen. Deren Bescheinigung vom 7. September 2021 wiederum ist zu abstrakt gehalten – „nimmt an Veranstaltungen teil und unterhält Beziehungen zu anderen iranischen Christen“; übernimmt „einige Aufgaben“ im Bereich Service – um eine Verwurzelung der Klägerin in ihrer Gemeinde zu belegen und damit ein Indiz für die Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts zu liefern.
Die Klägerin konnte davon abgesehen nicht hinreichend darlegen, dass der christliche Glaube für sie eine identitätsprägende Bedeutung hat und in der täglichen Lebensführung verankert ist und Wirkung entfaltet. Hierfür erscheinen die Aussagen der Klägerin zu 1) zu ihrer Hinwendung zum Christentum im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt einerseits zu oberflächlich, etwa, wenn sie angibt, sich darüber zu freuen, allen sagen zu können, dass sie an Jesus glaube oder auf die Frage, ob sie nach ihrem Engagement in der Freien evangelischen Gemeinde nun mehr über die Ziele oder Inhalte des Christentums wisse, antwortet, dass das Wichtigste sei, nett auch zu den Feinden zu sein. Dazu gesellt sich das einstudiert wirkende Wiedergeben von religiös angehauchten Sinnsprüchen wie auf Seite 45 der Bundesamtsakte dokumentiert. Im Übrigen wirkt es wenig plausibel und konstruiert, wenn die Klägerin zu 1) – ihre Angaben einmal als zutreffend unterstellt – nach der nur rudimentären Internet-Recherche im Iran über das Christentum negative Erlebnisse auf der sich wenig später anschließenden Flucht wie die Erkrankung ihres Kindes und deren Überwindung mit Jesus in Verbindung bringt. Dass ihr nach der Ankunft in Deutschland und dem Selbstmord des Sohnes des Bruders ein Pfarrer zur Beruhigung die Hand auf den Kopf gelegt und gebetet habe, woraufhin es ihr besser gegangen sei, schildert mehr dessen offenbar beruhigende Wirkung, als die Verwurzelung der Klägerin im christlichen Glauben. All dies passt sich in die Angabe der Klägerin zu 1) vor dem Bundesamt ein, dass sie, wenn ihr Mann nicht so aggressiv wäre und sie machen könne, was sie wolle, im Iran geblieben wäre (Seite 46 Bundesamtsakte, in einer Ergänzung spricht sie sodann unvermittelt vom Wunsch zu missionieren).
Auch im Rahmen der informatorischen Befragung der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung setzte sich die eben beschriebene Tendenz zur nur oberflächlichen Beantwortung der Fragen mit Glaubensbezug fort. So gab diese auf die Frage des Inhalts der Predigt beim letzten Gottesdienstbesuch an, dass es um den Aufbau einer Beziehung zu Gott gegangen sei und dass man hierzu beten und mit seinen Wünschen zu Gott gehen und mit ihm sprechen müsse. Derart abstrakte Angaben, die so auf eine Vielzahl von christlichen Predigten und Gottesdiensten und im Übrigen auch auf den Islam zutreffen dürften, sind nicht geeignet, eine Identitätsprägung der Klägerin durch den christlichen Glauben zu tragen. Ähnliches zeigt sich bei der Beschreibung des Inhalts einer gemeindlichen Schulung, an der die Klägerin zu 1) teilgenommen hat und die sogar in ihrer Muttersprache abgehalten wurde. Hierzu schilderte sie, dass über die Liebe Gottes gesprochen worden sei. Man müsse Gott ähnlich werden und das tun, was in der Heiligen Schrift stehe. Anderen Menschen gegenüber sei man verpflichtet und solle auch denen vergeben, die Böses getan hätten. Unter dem Eindruck dessen sowie der Angaben beim Bundesamt vermag auch die Antwort der Klägerin zu 1) auf die Frage des Einzelrichters, warum sie in Deutschland zum Christentum übergetreten sei, keine identitätsprägende und unverzichtbare Bedeutung des Glaubens zu beschreiben, weil sie zum einen floskelhaft ausfällt („Glauben in meinem Herzen gefunden“) und zum anderen in einer knapp gehaltenen Aneinanderreihung kurzer Sätze größtenteils allgemeine (Lehr) Aussagen zum christlichen Glauben ohne tiefergehenden persönlichen Bezug wiedergibt („Der christliche Gott ist der lebende Gott und ist immer bei mir“, „Es ist der Gott, der wegen uns sein eigenes Kind geopfert hat, um uns Leben zu schenken“). Den nach Abzug dessen verbleibenden Angaben, dass der christliche Gott ihr zuhöre und sie nicht bestrafe sowie sie als Frau achte, fehlt sodann das für eine Identitätsprägung nötige Gewicht.
Ein anderes Ergebnis vermag auch die Antwort der Klägerin zu 1) auf die Frage ihres Prozessbevollmächtigten nach nochmaliger Erklärung der Gründe für den Religionswechsel und einer Erläuterung des Entscheidungsprozesses nicht zu rechtfertigen. Diese besteht nämlich hauptsächlich in einer durchaus lebendigen und detailreichen Schilderung der Gründe, warum sie den Islam ablehnt, insbesondere wegen der bestehenden Einschränkungen für sie als Frau wegen der Kleidungsvorschriften und der Machtverhältnisse in der Ehe zugunsten der Männer. Daraufhin von ihrem Rechtsanwalt befragt, wieso sie überhaupt einen Glauben benötige und warum sie sich für das Christentum entschieden habe, fiel die Klägerin zu 1) wiederum auf die Wiedergabe von allgemein gehaltenen Bekenntnissen in kurzen Sätzen zurück, die nur einen entfernten Bezug gerade zum christlichen Glauben erkennen lassen („Ich habe das Bedürfnis in mir, an einen Gott zu glauben“, „Die Welt kann nicht so wie sie ist von selbst zustande gekommen sein“, „Daher muss ich irgendjemanden anbeten“ et cetera). Auf die weitere Frage ihres Bevollmächtigten, wie sie den Glauben im Privatleben ausübe, vermochte die Klägerin zu 1) konkret nur zu nennen, dass sie die Bibel lese, um zu erfahren, was geschehen sei. Zudem spende sie auf der Straße an arme Leute. Auch dieser Vortrag bleibt weit hinter der Schwelle der vollen Überzeugung des Einzelrichters vom christlichen Glauben als zentralem Element für die religiöse Identität der Klägerin zu 1) zurück.
Nach alldem hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck gewonnen, dass eine verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für die Klägerin zu 1) nach ihrem Glaubensverständnis ein zentrales Element ihrer religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für sie unverzichtbar ist. Insofern ist der Einzelrichter auch davon überzeugt, dass die Klägerin zu 1) bei einer Rückkehr in den Iran nicht aus fester innerer Überzeugung das Bedürfnis hätte, sich dort anderen gegenüber als Christ zu bezeichnen, christliche Veranstaltungen zu besuchen oder gar zu missionieren.
Allein durch die Asylantragstellung und die behauptete Konversion zum Christentum hat die Klägerin zu 1) bei einer Rückkehr in den Iran keine Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten. Den iranischen Behörden ist bekannt, dass Asylbewerber aus dem Iran überwiegend aus anderen als politischen Gründen versuchen, in Deutschland einen dauernden Aufenthalt zu erreichen, hierzu Asylverfahren betreiben und häufig eine Konversion zum Christentum behaupten (BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 25; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand Dezember 2020), vom 5.2.2021, S. 25; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Iran, Version 3, 2.7.2021, S. 55).
Bei der Rückkehr in den Iran kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen, insbesondere zu Kontakten während dieser Zeit. Bislang ist kein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren oder im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden (Auswärtiges Amt a.a.O.; BFA a.a.O, S. 88 f.).
cc) Soweit die Klägerin zu 1) zusätzlich zu der Konversion zum Christentum als weiteren Nachfluchttatbestand gemäß § 28 Abs. 1a AsylG vorträgt, dass ihr noch im Iran lebender Ehemann über ihre Schwester unterdessen habe mitteilen lassen, dass er sie im Falle des Auffindens umbringen werde, genügt dies mangels Angabe auch nur irgendwelcher Details zum Zeitpunkt und genauen Inhalt der Drohung nicht den Anforderungen an die Schilderung eines in sich stimmigen Sachverhalts, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass der Klägerin zu 1) in ihrem Heimatstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG droht (BVerwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405/89 – juris). Von dem Asylsuchenden kann insofern verlangt werden, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, B.v. 19.3.1991 – 9 B 56/91 – juris).
Hinsichtlich der vorgelegten übersetzten Kopien zu einer Vorladung der Klägerin zu 1) durch ein iranisches Gericht aufgrund des Verlassens des Landes mitsamt ihren Kindern ist schon im Ausgangspunkt fraglich, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG vorliegt. Wenn nämlich die Klägerin zu 1) nach dem oben Ausgeführten unverfolgt mit ihren Kindern aus dem Iran ausreist und sie damit auch ihrem leiblichen Vater vorenthält, erscheint eine gerichtliche Vorladung nicht per se als unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 oder gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG als polizeiliche bzw. justizielle Maßnahme, die in diskriminierender Weise angewendet wird (vgl. auch das deutsche Strafrecht mit § 235 StGB [Entziehung Minderjähriger]). Davon abgesehen sind die vorgelegten Dokumente inhaltlich widersprüchlich und damit unglaubhaft. Die vorgelegte Anzeige des Vaters der Klägerin zu 1) datiert vom 19. November 2016, die Vorladung bezüglich desselben Sachverhaltes aber vom 22. Oktober 2016. Es ist nicht plausibel, dass die Klägerin zu 1) vorgeladen worden ist, bevor eine Anzeige gegen sie gestellt wurde.
dd) Somit ist mangels begründeter Furcht vor Verfolgung weder ein Anspruch der Klägerin zu 1) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG noch auf die Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a GG gegeben.
c) Der Klägerin zu 1) steht unter diesen Umständen auch kein Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG zu. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Hierfür ist angesichts des nicht glaubhaften Asylvorbringens nichts ersichtlich.
d) Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist, was insbesondere bei einem drohenden Verstoß gegen Art. 3 EMRK der Fall ist. Hinsichtlich der Rückkehrperspektive wäre insofern von einer gemeinsamen Rückkehr der Kläger als Kernfamilie – Mutter mit ihren zwei minderjährigen Kindern – auszugehen (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – NVwZ 2020, 158 Ls. 2, 3, Rn. 15 ff.). Was die humanitären und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Iran anbelangt, die nur ausnahmsweise ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG rechtfertigen könnten (ausführlich hierzu etwa VG Ansbach, U.v. 13.7.2021 – AN 17 K 21.30074 – juris Rn. 48 m.w.N.), ist ausweislich der vorliegenden Erkenntnismittel zwar von einer angespannten wirtschaftlichen Situation insbesondere in Folge der Sanktionen der USA und des Währungsverfalls auszugehen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Iran, Version 3, 2.7.2021, S. 80 f.). Gleichwohl gewährleistet der Iran auch für Rückkehrer eine Grundversorgung, zu der neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen wie Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Spezielle Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind allerdings nicht bekannt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand Dezember 2020), vom 5.2.2021, S. 24). Die medizinische Versorgung ist auf ausreichendem Niveau gewährleistet (BFA a.a.O., S. 84 ff.). Darüber hinaus ist für die Kläger bei einer Rückkehr mit einer Unterstützung durch die im Iran verbliebenen Familienmitglieder der Klägerin zu 1), jedenfalls durch deren Schwestern, zu rechnen und ist diese mit einem Bachelor-Abschluss im Fach Management und einer anschließenden Tätigkeit als Einkäuferin einer großen Kette hinreichend qualifiziert, um eine die Existenz der Kläger sichernde Tätigkeit ausüben zu können. Damit ist die Schwelle einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung der Klägerin zu 1) und ihrer beiden Kinder im Falle einer Rückkehr in den Iran nicht überschritten.
Da die Klägerin zu 1) keine Erkrankungen vorgetragen hat und die aktuellen Zahlen der Johns-Hopkins-Universität vom 10. November 2021 ein Abflauen des Infektionsgeschehens bezüglich des Coronavirus SARS-CoV-2 zeigen, spricht auch nichts für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
e) Auch die in Ziffer 5 des Bescheides vom 9. Februar 2017 enthaltene Ausreiseaufforderung mit-samt Abschiebungsandrohung in den Iran begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG liegen vor. Insbesondere ist die Verbindung der ablehnenden Asylentscheidung mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung europarechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden (EuGH, U.v. 19.6.2018 – Gnandi, C-181/16 – NVwZ 2018, 1625). Allerdings muss nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Lichte der RL 2008/115/EG (Rückführungs-RL) und der Asylverfahrensrichtlinie (heute RL 2013/32/EU) sowie des Grundsatzes der Nichtzurückweisung und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) durch das nationale Recht gewährleistet sein, „dass alle Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung ausgesetzt werden, dass der Antragsteller während dieses Zeitraums in den Genuss der Rechte aus der RL 2003/9/EG [heute: RL 2013/33/EU] des Rates vom 27.1.2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten kommen kann und dass er sich auf jede nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetretene Änderung der Umstände berufen kann, die im Hinblick auf die RL 2008/115/EG und insbesondere ihren Art. 5 erheblichen Einfluss auf die Beurteilung seiner Situation haben kann; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts“ (EuGH, U.v. 19.6.2018 – Gnandi, C-181/16 – NVwZ 2018, 1625 Rn. 67). Dem ist das Bundesamt durch die § 38 Abs. 1 Satz 2 AsylG entsprechende Bedingung, dass im Falle einer Klageerhebung die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet, nachgekommen. Die im Übrigen durch den EuGH formulierten Bedingungen sind erfüllt (s. VG Ansbach, U.v. 18.8.2020 – AN 17 K 20.30137 – juris Rn. 51 ff.).
f) Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Die Befristung steht im Ermessen der Behörde, vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG und wird vom Gericht in zeitlicher Hinsicht nur auf – hier nicht vorliegende -Ermessensfehler hin überprüft (§ 114 Satz 1 VwGO).
Die nicht dem heutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der einen behördlichen Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbots fordert, entsprechende Formulierung der Ziffer 6 im Bescheid vom 9. Februar 2017 („gesetzliches Einreise- und Aufenthaltsverbot“) ist insoweit unschädlich. Die nunmehr geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer ist regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu sehen (BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72; s.a. BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21/17 – NVwZ 2019, 483 Rn. 25).
2. Auch die Klägerin zu 2) hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, weil es an einer begründeten Furcht vor Verfolgung fehlt. Daher besteht auch kein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte im Sinne des Art. 16a GG. Zudem liegen weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG noch diejenigen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor, und ist der angegriffene Bescheid auch sonst rechtmäßig.
Soweit die Klägerin zu 2) den Flüchtlingsstatus bzw. die Anerkennung als Asylberechtigte sowie die Gewährung des subsidiären Schutzstatus aus denselben Gründen wie ihre Mutter, die Klägerin zu 1), begehrt, bleibt sie wie diese ohne Erfolg (s.o. unter 1.). Ihr eigener Vortrag in der mündlichen Verhandlung, dass sie zwar nicht getauft, jedoch früher mit ihrer Mutter und ihrem Bruder zu Gottesdiensten der Freien evangelischen Gemeinde Erlangen gegangen sei, dies aktuell aber wegen des Besuchs der Abschlussklasse in der Schule nicht mehr tun könne, vermag auch für sich genommen keine drohende Verfolgung aufgrund einer Hinwendung zum Christentum als Nachfluchtgrund zu tragen. Es ist schon im Ansatz nicht plausibel, wieso am Wochenende trotz bestehender Schulpflicht nicht wenigstens ein gelegentlicher Besuch von Gottesdiensten möglich sein soll, wenn hierfür ein dringendes, identitätsprägendes Bedürfnis besteht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin zu 2) in irgendeiner Weise vertieft mit dem Christentum befasst hätte.
Wenn der Klägerbevollmächtigte erstmals in der mündlichen Verhandlung das Schlagwort einer drohenden Zwangsverheiratung der Klägerin zu 2) bei einer Rückkehr in den Iran erwähnt, mangelt es an jedweder Substantiierung, die geeignet wäre einen Asylanspruch zu tragen. Der Einzelrichter stellt nicht in Abrede, dass im Iran Zwangsverheiratungen von minderjährigen Mädchen vorgenommen werden, wenn auch vornehmlich in ländlichen Gebieten, worunter die Großstadt … als letzter Aufenthaltsort der Kläger gerade nicht fällt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand Dezember 2020), vom 5.2.2021, S.17). Jedoch ist im schlagwortartigen Ansprechen grundsätzlich im Herkunftsland praktizierter Verfolgungshandlungen ohne konkreten Bezug zur Klägerin zu 2) keine Schilderung eines unter Angabe genauer Einzelheiten in sich stimmigen Sachverhalts zu sehen, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass der Klägerin zu 2) in ihrem Heimatstaat Verfolgung droht (BVerwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405/89 – juris).
Hinsichtlich der nicht gegebenen Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes der gesunden Klägerin zu 2) nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG und der Rechtmäßigkeit der Ziffern 5 und 6 des Bescheides vom 9. Februar 2017 wird nach oben verwiesen (1. d)-f)).
3. Schließlich hat auch der Kläger zu 3) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, weil es an einer begründeten Furcht vor Verfolgung fehlt. Daher besteht auch kein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne des Art. 16a GG. Zudem liegen weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG noch diejenigen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor; hinsichtlich letzterem wurden keine Erkrankungen vorgetragen. Auch im Übrigen ist der angegriffene Bescheid rechtmäßig. Insofern wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben