Verwaltungsrecht

Asylbewerber aus Jordanien, Antrag auf Zulassung der Berufung (abgelehnt), grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (verneint), Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (verneint), Fehlende Entscheidungsgründe (verneint)

Aktenzeichen  15 ZB 22.30278

Datum:
16.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6534
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3, Abs. 4 Satz 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO § 138 Nr. 3, Nr. 6
GG Art. 103 Abs. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 27 K 20.32106 2022-02-07 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger ist jordanischer Staatsangehöriger und wendet sich gegen den unter Anordnung des Sofortvollzugs erlassenen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14. Juli 2020, mit dem ihm gegenüber – nachdem ermittelt wurde, dass er mit seinen vorherigen Angaben über seine Staatsangehörigkeit getäuscht hatte – die mit Bescheid vom 31. Mai 2016 zuerkannte Flüchtlingseigenschaft zurückgenommen wurde, ihm der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt und ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen.
Am 22. Juli 2020 ließ der Kläger über seinen Bevollmächtigten Klage beim Verwaltungsgericht München erheben. Mit Beschluss vom 1. September 2021 lehnte das Verwaltungsgericht im Verfahren gem. § 80 Abs. 5 VwGO den Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage ab. Mit Urteil vom 7. Februar 2022 wurde seine Klage mit den Anträgen, den Bescheid vom 14. Juli 2020 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass bei ihm die Flüchtlingseigenschaft, der subsidiäre Schutzstatus sowie Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, abgewiesen. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Berufungszulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind nicht gemäß den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG substantiiert dargelegt worden.
1. Die Berufung ist nicht wegen (implizit) gerügter Verfahrensfehler (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 VwGO) zuzulassen.
Der Kläger trägt in der Antragsbegründung vor, das Verwaltungsgericht habe dem vorgebrachten Sachverhalt zu Unrecht die asylrechtliche Signifikanz abgesprochen. Er könne nur dasjenige kundtun, was bei ihm die Flucht ausgelöst habe. Er habe in Jordanien seine demokratischen Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen und konkret geschildert, was genau er diesbezüglich im Jahr 2011 getan habe; er habe wiederholt gegen den damaligen Ministerpräsidenten demonstriert und hierauf zahlreiche mündliche Nachrichten mit dem Inhalt erhalten, dass der jordanische Geheimdienst ihn suche und ihn inhaftieren werde, falls er nicht aufhöre, seine Meinung weiterhin offen kundzutun. Er habe weiter vorgetragen, dass er eine Seite auf facebook mit der Bezeichnung „Korruption in Jordanien“ eröffnet und dort Einlassungen gegen die Regierung Jordaniens im Zusammenhang mit Korruptionssachverhalten öffentlich zugänglich gemacht habe. Ferner habe er vorgebracht, dass Ende des Jahres 2014 seine facebook-Seite von einem Hacker geknackt und gelöscht worden sei und er hierauf stets und kontinuierlich gleichlautende Nachrichten von Dritten erhalten habe, dass er wegen seiner regierungskritischen Meinung bald inhaftiert werde. Der Kläger ist der Ansicht, das Verwaltungsgericht habe – maßgeblich weil es aus seiner Sicht unzulässig in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 7. Februar 2022 zur Begründung auf den vorherigen, im Verfahren gem. § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschluss vom 1. September 2021 Bezug genommen hat – diesen Vortrag verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt.
Mit diesem Vorbringen sind keine zulassungsrelevanten Verfahrensfehler gem. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 VwGO begründet worden.
a) Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe hinsichtlich der Ablehnung einer asylrelevanten Verfolgung sowie der Ablehnung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht auf „ein anderes Verfahren“ verweisen dürfen, „um seine hiesige Entscheidung zu begründen“, und er damit die Bezugnahme in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils auf den im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschluss vom 1. September 2021 als verfahrensfehlerhaft einstuft, handelt es sich nicht um den Fall einer nicht mit Gründen versehenen Entscheidung i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 Nr. 6 VwGO.
§ 138 Nr. 6 VwGO bezieht sich auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (BVerwG, U.v. 28.11.2002 – 2 C 25.01 – BVerwGE 117, 228 = juris Rn. 12). Nach § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO müssen im Urteil die Gründe schriftlich niedergelegt werden, die für die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblich waren. Nicht mit Gründen versehen im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung nur, wenn die Entscheidungsgründe ihre Funktion, die Beteiligten über die dem Urteil zugrundeliegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten und dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiellrechtlicher Hinsicht zu ermöglichen, nicht mehr erfüllen. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn dem Tenor überhaupt keine Gründe beigefügt sind, sondern auch dann, wenn die Entscheidungsgründe vollständig oder zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstands fehlen oder sich als derart sachlich inhaltslos, verworren oder unverständlich darstellen, dass sie unbrauchbar sind (BVerwG, B.v. 3.12.2008 – 4 BN 25.08 – ZfBR 2009, 274 = juris Rn. 9; B.v. 25.9.2013 – 1 B 8.13 – juris Rn. 16; B.v. 5.4.2017 – 8 C 16.16 – Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 304 = juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 26.2.2020 – 14 ZB 19.31771 – juris Rn. 5). Kein Begründungsmangel i.S. von § 138 Nr. 6 VwGO liegt vor, wenn die Gründe nicht überzeugend, nur oberflächlich, sachlich unvollständig oder sonst fehlerhaft sind (VGH BW, B.v. 1.9.2020 – A 12 S 1507/20 – juris Rn. 4).
Über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle (vgl. § 117 Abs. 5, § 130b VwGO, § 77 Abs. 2 AsylG) hinaus können Entscheidungsgründe ihrer Unterrichtungs- und Nachprüfungsfunktion auch durch Bezugnahmen auf andere Entscheidungen und sonstige Schriftstücke genügen, sofern die Beteiligten das in Bezug genommene Schriftstück kennen oder von ihm ohne Schwierigkeiten Kenntnis nehmen können und sofern sich aus einer Zusammenschau der Entscheidungsgründe und der in Bezug genommenen Ausführungen die für die richterliche Überzeugung maßgeblichen Erwägungen hinreichend klar entnehmen lassen (BVerwG, B.v. 3.1.2006 – 10 B 17.05 – juris Rn. 3; B.v. 3.12.2008 a.a.O. Rn. 9 ff.; B.v. 1.6.2016 – 3 B 67.15 – BayVBl 2016, 826 = juris Rn. 17; Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 138 Rn. 51; Neumann/Korbmacher in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 138 Rn. 229; Eichberger/Buchheister in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2021, § 138 Rn. 152). Für den Kläger ist mit der Bezugnahme auf den Beschluss vom 1. September 2021 nicht unklar geblieben, aus welchen Gründen seine Klage mit Urteil vom 7. Februar 2022 abgewiesen wurde. Dies wurde so auch nicht in der Antragsbegründung substantiiert vorgetragen bzw. dargelegt.
b) Soweit der Vortrag in der Antragsbegründung, das Verwaltungsgericht habe über den Verweis auf den Beschluss vom 1. September 20221 seinen Vortrag nicht bzw. nicht hinreichend in die Entscheidung einbezogen, implizit als Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs zu verstehen sein sollte, ist dieser Zulassungsgrund (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 Nr. 3 VwGO) nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (vgl. BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395 = juris Rn. 42). Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (vgl. BVerfG, B.v. 21.4.1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305 = juris Rn. 15). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können. Eine Verletzung des Grundsatzes liegt vor, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen bzw. bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 20.11.1995 – 4 C 10.95 – NVwZ 1996, 378 = juris Rn. 13 m.w.N.; B.v. 2.5.2017 – 5 B 75.15 D – juris Rn. 11) oder einen entsprechenden Vortrag dadurch vereitelt hat, dass es unter Verstoß gegen das Prozessrecht den Beteiligten die Möglichkeit zu weiterem Vortrag abgeschnitten hat, und dieser übergangene bzw. vereitelte Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich war (zum Ganzen – jeweils m.w.N. – vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2019 – 15 ZB 19.30148 – juris Rn. 3; B.v. 5.12.2019 – 15 ZB 19.34099 – juris Rn. 9; B.v. 18.6.2020 – 15 ZB 20.30954 – juris Rn. 21). Im Übrigen brauchen sich die Gerichte nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich und im Detail auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Etwas Anderes gilt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 2.5.2017 – 5 B 75.15 D – juris Rn. 11 m.w.N.; BayVGH, B.v. 27.9.2021 – 15 ZB 20.32485 – juris Rn. 58 m.w.N.).
Gemessen daran ist ein Gehörsverstoß nicht dargetan. Das Verwaltungsgericht hat im Beschluss vom 1. September 2021 (Verfahren gem. § 80 Abs. 5 VwGO) sowohl auf die Ausführungen des angefochtenen Bescheids gem. § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen und zudem einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch im Hinblick auf das als zu unsubstantiiert eingestufte klägerische Vorbringen im gerichtlichen Verfahren mit folgenden Argumenten verneint (vgl. VG München, B.v. 1.9.2021 – M 27 S 20.32107 – juris Rn. 28):
„(…) Denn der Antragsteller hat eine Verfolgung oder einen ihm in Jordanien drohenden ernsthaften Schaden bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt. So hat er ohne jede weitere Detailangabe vorgetragen, im Jahr 2011 an einer oder mehreren Demonstrationen gegen den König, später auch gegen den Ministerpräsidenten, in exponierter Position beteiligt gewesen zu sein. Anhaltspunkte dafür, dass sich dies jedoch tatsächlich so ereignet hat, bestehen nicht. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller tatsächlich täglich auf seinem Facebook Profil regierungskritisch seine Meinung kundgetan habe. Dieses Vorbringen stellt sich bisher als bloße Behauptung dar. Zwar bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Vater des Antragstellers möglicherweise tatsächlich Parlamentsabgeordneter in Jordanien gewesen sein könnte, weil das Bundesamt im Rahmen der Anhörung des Antragstellers das entsprechende Facebook Profil eines Abgeordneten eingesehen hat; gleichwohl bedeutet dies noch nicht, dass es sich bei diesem auch tatsächlich um den Vater des Antragstellers handelt. Unabhängig davon führt dies alles aber auch noch nicht zur Annahme eines beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsschicksals des Antragstellers in seinem Heimatland Jordanien.“
Diese Ausführungen zeigen, dass das Erstgericht im Zusammenhang mit der Entscheidung im Eilverfahren die Argumentation des Klägers zur Kenntnis genommen und diese bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Mit der Bezugnahme auf den Beschluss vom 1. September 2021 (s.o.) gilt dies auch für das vorliegend angegriffene Urteil vom 7. Februar 2022. Zudem geht das Verwaltungsgericht am Ende der Entscheidungsgründe (UA S. 7) ausdrücklich darauf ein, dass der Kläger trotz der Beanstandung fehlender Substantiierung im Beschluss vom 1. September 2021 „seinen Vortrag hinsichtlich einer Verfolgung aufgrund seiner angeblichen journalistischen Tätigkeit über facebook oder seiner Beteiligung an Demonstrationen nicht weiter substantiiert“ habe. Auch dies zeigt, dass sich das Verwaltungsgericht inhaltlich mit dem klägerischen Vorbringen auseinandergesetzt hat.
c) Eine ausdrückliche oder implizite Rüge sonstiger Verfahrensverstöße i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 VwGO ist der Antragsbegründung nicht zu entnehmen.
2. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht dargelegt worden.
Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und der Entscheidungserheblichkeit muss hinreichend substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zu entscheiden sein könnte (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2021 – 15 ZB 21.31689 – juris Rn. 4 m.w.N.). Eine Grundsatzrüge, die sich auf tatsächliche Verhältnisse stützt, erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf (SächsOVG, B.v. 15.9.2021 – 6 A 1078/19 A – juris Rn. 3 m.w.N.).
Die in der Antragsbegründung gestellten Fragen,
„ob der Kläger als Oppositioneller, der sich in der Vergangenheit öffentlich gegen das jordanische Regime wandte, bei einer Rückführung nach Jordanien mit einer Verfolgung zu rechnen hat“,
sowie
„ob dem Kläger in Jordanien, nachdem er dort keine verwandtschaftlichen oder sonstigen sozialen Kontakte hat, die er dort de facto zwecks Hilfe aufsuchen kann, eine Verelendung droht, welche ihm zumindest ein Abschiebungsverbot gewährt“,
sind gerade nicht allgemeiner und damit grundsätzlicher Natur, weil ihr Beantwortung von der Würdigung der Verhältnisse des konkreten Einzelfalls resp. des Individualschicksals des Klägers abhängt. Soweit in der Antragsbegründung speziell auf die Situation des Klägers abgestellt wird und die Richtigkeit der Subsumtion des Verwaltungsgerichts infrage gestellt wird, hat dies mit grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im o.g. Sinn nichts zu tun. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stellen im Asylrecht nach Maßgabe von § 78 Abs. 3 AsylG keinen Berufungszulassungsgrund dar. Speziell zur ersten Frage geht es auf Basis des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts nicht entscheidungserheblich um die allgemeine Frage, ob Oppositionelle, die sich in der Vergangenheit öffentlich gegen das jordanische Regime gewendet haben, mit einer Verfolgung in Jordanien zu rechnen haben. Vielmehr greift der Kläger in der Sache die konkrete Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts an, wonach sein diesbezüglicher Vortrag als zu unsubstantiiert gewertet wurde. Mit seiner Einwendung wendet er sich in der Sache mithin im Gewand einer Grundsatzrüge ausschließlich gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, was aber keinen im Asylverfahren vorgesehenen Zulassungsgrund darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2018 – 15 ZB 18.31025 – juris Rn. 9; B.v. 22.2.2022 – 15 ZB 22.30197 – juris Rn. 5). Dasselbe gilt auch hinsichtlich der zweiten Frage. Diesbezüglich kommt hinzu, dass das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 1. September 2021 – und damit auch über die Bezugnahme in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils vom 7. Februar 2022 hierauf – entscheidungstragend darauf abgestellt hat, dass der Kläger auch in seiner individuellen Situation nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Jordanien in eine existenzielle Notlage geraten werde, weil er über eine gute Schulbildung sowie über Erfahrungen auf dem heimischen Arbeitsmarkt verfüge. Dem hat die Antragsbegründung nichts Substantielles entgegengesetzt. Soweit der Kläger, wie er in der Antragsbegründung vorträgt, in Jordanien keine Hilfe über Verwandtschaft oder soziale Kontakte zu erwarten haben sollte, ist dies damit schon nicht mehr von entscheidungstragender Bedeutung. Unabhängig hiervon wird in der Antragsbegründung die Existenz möglicher verwandtschaftlicher und sozialer Kontakte nicht bestritten, sondern lediglich ausgeführt, die diesbezüglichen Personen könnten zur Versorgungsunterstützung nicht aktiviert werden, weil diese sonst aufgrund des Kontakts zu ihm ebenfalls gefährdet würden (zur mangelnden Relevanz dieses Arguments vgl. die Ausführungen zur ersten Frage). Mit dem – ohne jede Quellenbelegung untermauerten und auch im Übrigen nicht näher konkretisierten – Vortrag, in Jordanien habe die Coronapandemie und der russisch-ukrainische Krieg schwerwiegende Auswirkungen auf die Versorgung, auf den Tagelöhnermarkt und die (explodierenden) Preise für Grundnahrungsmittel, vermag der Kläger zudem nicht substantiiert darzulegen, dass dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit praktisch jedermann (unabhängig von seiner Arbeitsfähigkeit und seinem Ausbildungsstand) in eine – Ansprüche gem. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V. mit Art. 3 EMKR und / oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenhG begründende – existenzielle Notlage geriete.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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