Verwaltungsrecht

Asylbewerberin aus Jordanien, Antrag auf Zulassung der Berufung (abgelehnt), grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (verneint)

Aktenzeichen  15 ZB 22.30083

Datum:
19.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1966
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 27 K 19.33048 2021-11-18 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.          
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

I.
Die Klägerin – eine jordanische Staatsangehörige – wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für … vom 6. August 2019, mit dem ihr Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, ihr die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurden, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Jordanien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde.
Mit Urteil vom 18. November 2021 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, soweit ihre Klage gegen den o.g. Bescheid zurückgenommen wurde, und wies die Klage hinsichtlich des anhängig gebliebenen Teils – nämlich auf teilweise Aufhebung des Bescheids vom 6. August 2019 und auf die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass Abschiebungsverbote hinsichtlich Jordanien bestehen – ab. In den Entscheidungsgründen führt das Verwaltungsgericht aus, die von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs auf Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots aus humanitären Gründen gem. § 60 Abs. 5 AufenthG vorgetragenen Belange seien ohne flüchtlings- bzw. asylrechtliche Relevanz. Insofern werde gem. § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des angegriffenen Bescheids Bezug genommen. Dort wird auf Seiten 6 und 7 zur Begründung des Nichtvorliegens der Voraussetzungen gem. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V. mit Art. 3 EMRK u.a. ausgeführt, die Klägerin habe gegenüber dem Bundesamt selbst angegeben, nach der Trennung von ihrem Ehemann noch ein halbes Jahr bei ihrer Schwester in Jordanien gelebt zu haben. Dort habe sie trotz fehlender Ausbildung Arbeit gehabt und habe Geld verdienen können. Sie habe es sich sogar leisten können, nach Europa zu fliegen. Damit habe sie gezeigt, dass sie in Jordanien noch Verwandte habe, die sie unterstützten, und dass sie in der Lage sei, durch Arbeit für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass ihr dies bei einer Rückkehr nach Jordanien nicht wieder gelingen könne. Sie habe ebenfalls Kontakt zum Rest ihrer Familie, die in Deutschland lebe und die sie, zumindest in der Anfangszeit, finanziell unterstützen könne. Ergänzend führte das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 18. November 2021 zur weiteren Untermauerung aus, dass von den allgemein schlechten Lebensbedingungen in einem Herkunftsland insbesondere alleinstehende Frauen betroffen seien, es sei aber grundsätzlich davon auszugeben, dass für Rückkehrer in Jordanien die Möglichkeit bestehe, ökonomisch eigenständig allein zu leben und auch ohne Hilfe Dritter zu überleben. Nur in besonders gelagerten Einzelfällen komme deshalb wegen der allgemeinen schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Lage für ehemals syrische Flüchtlinge mit jordanischer Staatsangehörigkeit in Jordanien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK in Betracht. Ein solcher besonders gelagerter Einzelfall liege bei der Klägerin jedoch nicht vor, insbesondere deshalb nicht, weil in Jordanien sowohl noch eine Schwester der Klägerin als auch ihr Sohn lebten und sie daher bei einer Rückkehr dorthin auf familiäre Unterstützung zurückgreifen könne. Nach ihrem eigenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung habe sie zu dieser Schwester auch Kontakt, nach dem Vortrag gegenüber dem Bundesamt habe sie sich zudem vor ihrer Ausreise 2018 einige Monate bei dieser Schwester auch aufgehalten.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor bzw. ist nicht gemäß den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG substantiiert dargelegt worden.
Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und der Entscheidungserheblichkeit muss hinreichend substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zu entscheiden sein könnte (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2021 – 15 ZB 21.31689 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Die von der Klägerin mit Blick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V. mit Art. 3 EMRK erhobene Frage,
„ob eine alleinstehende, geschiedene Frau im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG nicht nach Jordanien abgeschoben werden darf“,
entzieht sich einer generellen, fallübergreifenden Klärung, weil sie nicht losgelöst von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls beantwortet werden kann. Ihre Beantwortung hängt von einer Vielzahl von Faktoren und Einzelumständen ab, wie etwa der Erwerbsfähigkeit oder den familiären Bindungen und finanziellen Verhältnissen der Betroffenen. Sie kann daher nicht verallgemeinernd, sondern nur nach jeweiliger Würdigung der Verhältnisse im Einzelfall beurteilt werden (vgl. BVerwG, B.v. 2.9.2010 – 9 B 12.10 – juris Rn. 9 ff.; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 38; BayVGH, B.v. 3.4.2019 – 15 ZB 19.31245 – juris Rn. 6; B.v. 5.4.2019 – 8 ZB 18.33333 – juris Rn. 8 ff.; B.v. 27.11.2019 – 9 ZB 19.33982 – juris Rn. 4; B.v. 3.12.2020 – 15 ZB 20.32306 – juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 8.2.2019 – 13 A 1776/18.A – juris Rn. 25 f. m.w.N.).
Soweit in der Antragsbegründung speziell auf die Situation der Klägerin abgestellt wird und die Richtigkeit der Subsumtion des Verwaltungsgerichts infrage gestellt wird, hat dies mit grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im o.g. Sinn nichts zu tun. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stellen im Asylrecht nach Maßgabe von § 78 Abs. 3 AsylG keinen Berufungszulassungsgrund dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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