Verwaltungsrecht

Asylrecht, Herkunftsland Irak, Mitwirkungspflicht im Aufhebungsverfahren, Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  M 4 K 21.31732

Datum:
15.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 5104
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84
VwGO § 44a
AsylG § 73b Abs. 4
AsylG § 73 Abs. 3a
AsylG § 75 Abs. 1 S. 2
VwVG § 6 Abs. 1
§ 13 VwVG.

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
I. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden angehört, § 84 Abs. 1 VwGO.
Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 AsylG.
1. Die Klage gegen die Verfügung in Nr. 1 des Bescheids der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Aufforderung des Beklagten, bis zum 9. August 2021 die sich aus der Begründung des Bescheids auf Seite 2 schriftlich zu beantworten und die Antworten bis zu diesem Datum an die Außenstelle des Bundesamts zu übermitteln. Die Verfügung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1.1. Die Klage ist zulässig.
§ 44a Satz 1 VwGO, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können, steht der Zulässigkeit der Anfechtungsklage vorliegend nicht entgegen, weil die angegriffene behördliche Verfahrenshandlung vollstreckt werden kann, § 44a Satz 2 Alt. 1 VwGO, §§ 73b Abs. 4, 73 Abs. 3a Satz 3 AsylG.
1.2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen von § 73 Abs. 3a Satz 1 i.V.m. § 73b Abs. 4 AsylG liegen vor.
Danach darf der Ausländer nach Aufforderung durch das Bundesamt persönlich zur Mitwirkung bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Widerrufs oder der Rücknahme der Zuerkennung des subsidiären Schutzes verpflichtet werden, soweit dies für die Prüfung erforderlich und dem Ausländer zumutbar ist.
Für die Prüfung der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen ist die Mitwirkung des Betroffenen dann erforderlich, wenn die Mitwirkung geeignet ist, die Prüfung der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen durchzuführen oder zumindest zu erleichtern und wenn kein einfacheres und besser geeignetes Mittel zur Prüfung der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen seitens des Bundesamts vorhanden ist. Zur Feststellung der Eignung der Mitwirkung des Betroffenen muss die Aufforderung ein Mindestmaß an Konkretisierung enthalten (vgl. VG Potsdam, U.v. 1.12.2020 – VG 12 K 588/19.A – BeckRS 2020, 37841 Rn. 41 f. unter Hinweis auf Funke-Kaiser, GK-AsylG, § 73 AsylG Rn. 86).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Die von der Beklagten geforderte Beantwortung von zehn detaillierten Fragen durch die Klägerin zu ihren persönlichen Umständen und die Vorlage konkretisierter Unterlagen ist erforderlich, um das Vorliegen der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen zu klären. Es steht auch kein einfacheres und besser geeignetes Mittel zur Verfügung. Es ist im Übrigen auch detailliert nachvollziehbar, welche Angaben der Klägerin überprüft bzw. konkretisiert werden sollen.
Damit ist die Klage gegen die Aufforderung zur Mitwirkung im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens unbegründet.
2. Auch die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung i.H.v. 500 € ist unbegründet, weil die Verfügung ebenfalls rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
2.1. Rechtsgrundlage für die Androhung eines Zwangsgelds als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung zur Erfüllung der Mitwirkungspflichten im Aufhebungsverfahren ist § 13 VwVG i.V.m. § 73 Abs. 3a Satz 3 AsylG i.V.m. § 73b Abs. 4 AsylG.
2.2. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 6 Abs. 1 VwVG liegen vor.
2.2.1. Durchgesetzt werden soll ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung gerichtet ist, nämlich die schriftliche Mitwirkung im Aufhebungsverfahren.
2.2.2. Der Verwaltungsakt ist zwar noch nicht unanfechtbar, und es wurde auch kein sofortiger Vollzug angeordnet. Allerdings ist dem Rechtsmittel gegen den (Grund-)Verwaltungsakt keine aufschiebende Wirkung i.S.v. § 6 Abs. 1 VwVG „beigelegt“. Dies ergibt sich aus einer teleologischen Reduktion von § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG (ebenso VG Darmstadt, B.v. 23.8.2019 – 4 L 1466/19.DA.A – BeckRS 2019, 23023 Rn. 2 f.).
Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG hat die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz nur in den Fällen des § 38 Abs. 1 sowie der §§ 73, 73b und 73c aufschiebende Wirkung. Diese Vorschrift ist teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass der Verweis auf § 73 AsylG („Widerruf und Rücknahme der Asylberechtigung und der Flüchtlingseigenschaft“) nicht die durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I, 2250) neu eingefügten Mitwirkungspflichten nach § 73 Abs. 3a AsylG umfasst. Dies ergibt sich insbesondere aus dem ebenfalls mit diesem Gesetz neu eingefügten § 75 Abs. 1 Satz 2 AsylG, wonach die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73 Abs. 3a Satz 3 AsylG) keine aufschiebende Wirkung haben. Dem damit zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers würde es substanziell entgegenstehen, wenn zwar nicht die Klage gegen die Zwangsmaßnahme, jedoch die Klage gegen die damit – in demselben Bescheid – verbundene Anordnung der Mitwirkungshandlung selbst aufschiebende Wirkung hätte.
Vorliegend entspricht es dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, das Verfahren zur Prüfung der Rücknahme-/Widerrufsvoraussetzungen effektiv auszugestalten und zu beschleunigen. Dies folgt neben der grundsätzlichen Einführung des § 73 Abs. 3a AsylG insbesondere aus § 73 Abs. 3a Satz 3 AsylG, wonach das Bundesamt den Ausländer mit Mitteln des Verwaltungszwangs zur Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anhalten soll. Nach dem ebenfalls durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2250) neu eingefügten § 75 Abs. 1 Satz 2 AsylG hat die Klage gegen diese Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73 Absatz 3a Satz 3) keine aufschiebende Wirkung. In den Gesetzesmaterialien hierzu heißt es (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat v. 7.11.2018, BT-Drucks. 19/5590, S. 6): „Da Zwangsmaßnahmen des Bundesamts im Rahmen der Widerrufsprüfung (z.B. die Anordnung des persönlichen Erscheinens) selbständig mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden können (§ 44a Satz 2 VwGO), besteht ein Risiko, dass entsprechende Klagen allein zur Verfahrensverzögerung erhoben werden. Um dieses Risiko zu minimieren, wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen entsprechende Zwangsmaßnahmen des Bundesamtes ausgeschlossen. Der einstweilige Rechtsschutz bleibt hiervon unberührt, so dass streitige Fragen im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens zügig geklärt werden können.“
Daneben würde auch das in § 73 Abs. 3a Satz 3 AsylG geregelte intendierte Ermessen ausgehöhlt, wenn das Bundesamt zunächst den sofortigen Vollzug der Mitwirkungsverpflichtung anordnen müsste, um Mittel des Verwaltungszwangs überhaupt erst anwenden zu können (vgl. § 6 Abs. 1 VwVG) (VG Darmstadt B.v. 23.8.2019 – 4 L 1466/19.DA.A – BeckRS 2019, 23023 Rn. 2, 3).
Damit liegt der Androhung eines Zwangsgelds als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung ein im Zeitpunkt der Androhung sofort vollziehbarer Verwaltungsakt zugrunde, der auf die Vornahme einer Handlung gerichtet ist.
2.3. Die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen ebenfalls vor, §§ 9 Abs. 1b), Abs. 2, 13 VwVG.
Das ausgewählte Zwangsmittel des Zwangsgelds steht in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck und ist so bestimmt, dass es den Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt. Das Zwangsmittel wurde schriftlich angedroht, und es wurde eine Frist zur Erfüllung der Verpflichtung bestimmt, innerhalb der dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann. Die Androhung wurde auch gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVG mit dem Verwaltungsakt verbunden, durch den die Handlung aufgegeben wird und bezieht sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel. Der Betrag des Zwangsgeldes ist in bestimmter Höhe angedroht. Die Androhung wurde auch zugestellt.
Damit begegnet auch die Androhung des Zwangsgelds in Nr. 2 des Bescheids keinen rechtlichen Bedenken.
II. Die Klägerin trägt als unterliegender Teil die Kosten des gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahrens, § 154 Abs. 1 VwGO.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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