Verwaltungsrecht

Asylrecht (Sierra Leone), Aufklärungsrüge

Aktenzeichen  9 ZB 22.30148

Datum:
9.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3166
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 3
VwGO § 86 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 4 K 21.30750 2021-12-22 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
III. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist Staatsangehöriger Sierra Leones und wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylfolgeantrags als unzulässig. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage mit Urteil vom 22. Dezember 2021 abgewiesen. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt er sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2019 – 9 ZB 18.31719 – juris Rn. 2 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen, dem keine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage entnommen werden kann, nicht gerecht. Der Kläger wendet sich vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Damit wird kein in § 78 Abs. 3 AsylG genannter Zulassungsgrund geltend gemacht (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2018 – 9 ZB 18.32733 – juris Rn. 14).
Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann allenfalls der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt sein, allerdings nur dann, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, insbesondere wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 9 B 11.17 – juris; BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 21 ZB 18.30867 – Rn. 4). Dass ein solcher Mangel hier vorliegt, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
2. Auch der behauptete Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und damit ein Verfahrensmangel gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor
Der Kläger macht geltend, das Gericht sei gehalten gewesen, „selbständig Sachverhalts- und Beweiserhebungen“ vorzunehmen. Es habe dies unterlassen und ihn dadurch in seinen Rechten verletzt.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings nicht schon dann verletzt, wenn der Richter zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung in Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist. Auch die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfG, B.v. 15.2.2017 – 2 BvR 395/16 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist vielmehr die substanziierte Darlegung erforderlich, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Ausgangsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Ausgangsgerichts zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (vgl. BVerwG, U.v. 31.5.2017 – 6 C 42.16 – BVerwGE 159, 64 = juris Rn. 31; U.v. 26.4.2018 – 5 C 4.17 – juris Rn. 25). Bei anwaltlich vertretenen Beteiligten ist zudem aufzuzeigen, dass entsprechende Beweisanträge erstinstanzlich gestellt wurden oder warum sich dem Ausgangsgericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.1997 – 9 B 312.97 -juris Rn. 8; B.v. 22.1.1999 – 6 B 128.98 – juris Rn. 11).
Dies zugrunde gelegt, hat der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertreten war und keinen Beweisantrag gestellt hat, mit seiner Kritik an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht keinen Gehörsverstoß dargetan. Er zeigt nicht schlüssig auf, dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zur weiteren Aufklärung hätte sehen müssen.
3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung bereits zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte (§ 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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