Verwaltungsrecht

Asylverfahren – Kostenentscheidung nach billigem Ermessen

Aktenzeichen  M 4 K 15.31283

Datum:
9.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 75, § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

Trotz des Vorliegens eines Falles von § 75 VwGO ergeht die Kostenentscheidung nicht nach § 161 Abs. 3 VwGO, sondern nach billigem Ermessen gem. § 161 Abs. 2 VwGO, da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung hatte – nämlich Mangel an Kapazität – und der Klägerseite dieser Grund bekannt war – nämlich dass das Verfahren, wenn auch langsam, weiter betrieben wurde und es nur eine Frage der Zeit war, bis der Bescheid ergehen würde.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

Die Klagepartei hat mit Schreiben vom 29. Dezember 2016 die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Gegenpartei hatte mit Schreiben vom 25. Februar 2016 und der Ergänzung vom 24. März 2016 (vorab) einer etwaigen Erledigungserklärung generell zugestimmt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – einzustellen.
Die Kostenentscheidung ist nicht nach der speziellen Regelung des § 161 Abs. 3 VwGO zu treffen, sondern nach § 161 Abs. 2 VwGO. Nach § 161 Abs. 3 VwGO fallen in den Fällen des § 75 VwGO die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Zwar liegt ein Fall des § 75 VwGO vor, da der Kläger im Juli 2014 einen Asylfolgeantrag gestellt hat und der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Dezember 2016 ist (Klageerhebung 7. Oktober 2015). Damit war die (Drei-Monats-)Frist des § 75 Satz 2 VwGO eingehalten und die Klage unabhängig davon zulässig, ob ein zureichender Grund dafür vorlag, dass die Behörde noch nicht entschieden hat (vgl. Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 27. Lfg. Oktober 2014, § 75 Rn. 7).
Doch die weitere Voraussetzung, dass der Kläger mit der Bescheidung seines Antrags vor Klageerhebung rechnen durfte, ist nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist diese Voraussetzung nämlich dann nicht zu bejahen, wenn die Beklagte einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung hatte und der Klägerseite dieser Grund bekannt war oder bekannt sein musste (BVerwG, U. v. 23.7.1991 – 3 C 56.90 – NVwZ 1991, 1180, 1181 – juris Rn. 9). So verhält es sich hier. Das Gericht geht davon aus, dass die Belastung oder richtigerweise Überlastung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge seit Sommer 2014 und auch in den letzten Monaten vor Klageerhebung allgemein und auch der Klägerseite bekannt ist. Folge ist, dass die Behandlung der vorliegenden Anträge nur schleppend vorangeht. Durfte der Kläger sonach mit einer Entscheidung über den Asylantrag vor Klageerhebung nicht rechnen, verbleibt es bei der Anwendung des § 161 Abs. 2 VwGO (vgl. VG Stuttgart, B. v. 22.5.2003 – 2 K 412/03 – juris Rn. 7 f.). Danach ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. Der Umstand allein, dass die Beklagte dem Antrag stattgegeben und sich insoweit in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, rechtfertigt hier nicht, ihr die Kosten des Verfahrens vollständig aufzuerlegen. Da – wie dargestellt – das Bundesamt das Verfahren des Klägers nicht liegengelassen, sondern mangels ausreichender Kapazitäten „nur“ nicht mit der wünschenswerten Beschleunigung betrieben hat, war es letztlich nur eine Frage der Zeit, bis der (Anerkennungs-)Bescheid ergehen würde.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


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