Verwaltungsrecht

Aufenthaltserlaubnis, Asylantrag, Abschiebung, Ausreise, Einreise, Aufenthaltstitel, Bescheid, Asylbewerber, Berufung, Familiennachzug, Visum, Migration, Heimatland, Zulassung, Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, Bundesrepublik Deutschland, Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  Au 9 S 21.2500

Datum:
21.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45949
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger und begehrt Eilrechtsschutz im Zusammenhang mit der Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der Antragsteller reiste am 17. September 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 6. November 2019 einen Asylantrag, welcher mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 30. März 2020 abgelehnt wurde. Die dagegen erhobene Klage wurde mit Urteil vom 13. April 2021 abgewiesen (Au 4 K 20.30592). Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. Juni 2021 ab (24 ZB 21.30699).
Am 2. August 2021 setzte die Ausländerbehörde dem Antragsteller eine Frist zur freiwilligen Ausreise bis zum 13. September 2021, der der Antragsteller nicht nachkam. Aufgrund der fehlenden Reisedokumente war der Antragsteller vom 1. Juli 2021 bis zum 31. August 2021 im Besitz einer Duldung. Mit Schreiben vom 8. September 2021 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erteilung einer Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG zum Zwecke der Eheschließung. Am 29. September 2021 wurde der Ausländerbehörde eine Kopie des für den Antragsteller am 31. August 2021 ausgestellten Reisepasses vorgelegt.
Am 2. Oktober 2021 heiratete der Antragsteller eine deutsche Staatsangehörige. Am 7. Oktober 2021 wurde der Ausländerbehörde der durch das Generalkonsulat der Türkei ausgestellte Reisepass des Antragstellers vorgelegt. Am 7. Oktober 2021 wurde dem Antragsteller (erneut) eine Grenzübertrittbescheinigung mit einer Frist zur freiwilligen Ausreise bis zum 4. November 2021 ausgestellt.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2021 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2021 lehnte der Antragsgegner die Anträge des Antragstellers auf Erteilung einer Duldung (Ziffer 1) sowie einer Aufenthaltserlaubnis (Ziffer 2) ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG lägen nicht vor. Eine Abschiebung bzw. eine freiwillige Ausreise des Antragstellers sei rechtlich und tatsächlich möglich. Der Antragsteller sei im Besitz eines gültigen türkischen Reisepasses, sodass ihm die Ausreise jederzeit tatsächlich möglich sei. Eine rechtliche Unmöglichkeit liege ebenfalls nicht vor. Es könne insbesondere auch keine Verfahrensduldung aufgrund des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt werden, da dieser keine Aussicht auf Erfolg habe. Es sei dem Antragsteller zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens im Hinblick auf die schlechten Titelerteilungsvoraussetzungen im Heimatland abzuwarten. Zudem könne er im Rahmen der Nachholung des Visumverfahrens zeitnah zu seiner Ehefrau zurückkehren. Der Antragsteller sei aufgrund des negativen Abschlusses seines Asylverfahrens zur Ausreise verpflichtet. Aufgrund der Titelerteilungssperre könne ihm ohne die Nachholung des Visumverfahrens kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Als türkischer Staatsangehöriger benötige der Antragsteller nach § 4 Abs. 1 AufenthG für den rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland einen Aufenthaltstitel. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels für abgelehnte Asylbewerber richte sich nach § 10 Abs. 3 AufenthG. Danach könne einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden sei, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 fänden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 sei ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erfülle. Ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel zum Familiennachzug könne bei einer illegalen Einreise nicht entstehen. Neben den speziellen Voraussetzungen der §§ 28 bis 36 AufenthG müssten auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG vorliegen, damit ein strikter Rechtsanspruch bestehe. Es fehle hier an der allgemeinen Voraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Die Aufenthaltserlaubnis könne auch nicht abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nach § 39 Nr. 5 AufenthV ohne vorherige Ausreise erteilt werden. Der Antragsteller habe entgegen der ausländerrechtlichen Verpflichtungen zur Erfüllung der Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) die zumutbaren Anstrengungen primär nur zum Zwecke der Eheschließung unternommen. Er sei auch zum Zeitpunkt der Eheschließung im Besitz einer Grenzübertrittbescheinigung gewesen. Diesbezüglich habe er auch aufgrund fehlender Duldungsvoraussetzungen nach § 60a AufenthG keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben, wie dies § 39 Nr. 5 AufenthV voraussetze. Ein Absehen vom Erfordernis der Durchführung des vorgeschriebenen Visumverfahrens, komme deshalb auch nicht in Betracht, weil hier kein Anspruch auf Erteilung der erstrebten Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG vorliege.
Mit Schriftsatz vom 16. November 2021 erhob der Antragsteller Klage gegen den vorbezeichneten Bescheid (Au 9 K 21.2355) mit dem Antrag, den Bescheid vom 28. Oktober 2021 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Über die Klage ist noch nicht entschieden worden.
Am 8. Dezember 2021 hat der Antragsteller beantragt,
1. Die aufschiebende Wirkung der mit Schriftsatz vom 16. November 2021 gegen den Bescheid des Landratsamtes * vom 28. Oktober 2021 eingelegten Klage wird angeordnet.
2. Hilfsweise: Der Antragsgegner wird angewiesen, Ab schiebemaßnahmen einzustellen bzw. zumindest bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu unterlassen.
Zur Begründung wird ausgeführt, dem Antragsteller stehe ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen zu. Im Falle eines strikten Rechtsanspruchs sei die Nachholung eines Visumverfahrens nicht erforderlich. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG sei die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe. Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben, da die deutsche Ehefrau des Antragstellers ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe. Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis stehe auch die Regelung des § 10 Abs. 3 AufenthG nicht entgegen, da nach § 10 Abs. 3 Satz 3 die Sätze 1 und 2 im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung fänden. Der Antragsteller erfülle auch die erforderlichen Deutschkenntnisse im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Darüber hinaus stehe dem Antragsteller auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 39 Nr. 1 AufenthV zu.
Dem Antragsgegner wurde die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Eine Äußerung erfolgte bislang nicht.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der mit dem Hauptantrag gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 29. Oktober 2021 ist unzulässig. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist vorliegend nicht statthaft.
Es besteht hier kein Vorrang eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Die Klage gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat zwar nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung. Einstweiliger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO kann jedoch nur begehrt werden, soweit dem Antragsteller mit der Ablehnung eine Rechtsposition entzogen wird. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da der am 13. Oktober 2021 gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst hat (vgl. BayVGH, B.v. 22.7.2014 – 10 CS 14.1534, 10 CS 14.1535 – juris Rn. 4).
2. Der mit dem Hilfsantrag gestellte Antrag nach § 123 VwGO ist zwar zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Antrag ist unbegründet, da dem Antragsteller kein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zusteht.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
a) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG. Umstände, wonach die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich sein könnte (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG), liegen nicht vor.
Insbesondere besteht kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, weil eine Abschiebung im Hinblick auf die erfolgte Eheschließung aus rechtlichen Gründen unmöglich wäre. Der Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 8 EMRK steht vorliegend einer Abschiebung des Antragstellers nicht entgegen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es jedoch grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (BVerfG, B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 2625/10 – juris Rn. 13f. m.w.N.). Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die vorherige Durchführung eines Visumverfahrens wichtigen öffentlichen Interessen dient. In Fällen wie dem vorliegenden soll die vorherige Durchführung des Visumverfahrens gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern (BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 10 CS 12.2679 – juris Rn. 35).
Im Fall des Antragstellers sind keine Umstände erkennbar, die eine (vorübergehende) Ausreise zur Durchführung des Visumverfahrens aus familiären Gründen unzumutbar erscheinen lassen. Es liegt vielmehr in seinem Verantwortungsbereich, die Ausreisemodalitäten möglichst familienverträglich zu gestalten. Eine zumindest vorübergehende Trennung der Eheleute ist sowohl dem Antragsteller selbst als auch seiner Ehefrau zumutbar. Der Antragsteller befindet sich hier in keiner anderen Situation als andere Familienangehörige, die ordnungsgemäß das Visumverfahren vom Ausland aus durchführen. Auch hat es der Antragsteller in der Hand, durch Absprache mit den zuständigen Behörden den Ausreisezeitpunkt und die Ausreisemodalitäten so zu gestalten, dass eventuell eintretende familiäre Belastungen so gering wie möglich gehalten werden können. Darüber hinaus fand die Hochzeit zu einem Zeitpunkt statt, zu dem das Asylverfahren des Antragstellers abgeschlossen war und damit beiden Eheleuten bewusst sein musste, dass der Antragsteller als bestandskräftig abgelehnter Asylbewerber die Bundesrepublik Deutschland (zumindest vorübergehend) zu verlassen hat. Insgesamt liegen damit keine Umstände vor, die die Annahme einer unzumutbar langen Trennung der Eheleute rechtfertigen könnten, sodass sie sich auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 8 EMRK auf die Durchführung des Visumverfahrens verweisen lassen müssen.
b) Auch die Voraussetzungen für den Erlass einer Sicherungsanordnung hinsichtlich des von dem Antragsteller beantragten Aufenthaltstitels liegen nicht vor, da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht gegeben sind.
(1) Der Antragsteller hat ohne vorherige Durchführung des Visumverfahrens keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Hiernach ist dem Ehegatten eines Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zur Ehefrau des Antragstellers steht im vorliegenden Fall bereits die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 AufenthG entgegen.
Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt wurde, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden. Durch die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 AufenthG soll im Interesse einer effektiven Steuerung und Begrenzung der Einwanderung die missbräuchliche Stellung von Asylanträgen sanktioniert und der Anreiz für die Schaffung von Bleiberechten nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens reduziert werden. Die Titelerteilungssperre greift zwar nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG nicht, wenn ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht. Dabei muss es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber um einen strikten Rechtsanspruch handeln, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Das bedeutet, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat. Hierfür genügt weder eine Soll- noch eine Ermessensvorschrift, selbst wenn im Einzelfall ein atypischer Fall vorliegt oder das Ermessen „auf Null“ reduziert ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 – juris Rn. 27; BVerwG, U.v. 10.12.2014 – 1 C 15/14 – juris Rn. 15). Ein solcher Rechtsanspruch besteht im vorliegenden Fall nicht.
Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis steht zumindest die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG entgegen, nachdem der Antragsteller nicht mit dem erforderlichen Visum zum Daueraufenthalt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann vom Visumerfordernis dann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Dies steht jedoch im Ermessen der Behörde, was einen strikten Rechtsanspruch in o.g. Sinne ausschließt.
(2) Der Antragsteller ist auch nicht nach § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV berechtigt, die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einzuholen. Nach § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV ist ein Visumverfahren dann entbehrlich, wenn die Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und der Ausländer aufgrund einer Eheschließung, der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, da bei dem Antragsteller die Abschiebung nicht nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist. Der Antragsteller ist nicht im Besitz einer Duldung und ist seit der Ablehnung seines Antrags auf Zulassung der Berufung durch das Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. Juni 2021 (24 ZB 21.30699) vollziehbar ausreisepflichtig.
(3) Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für den Erlass einer Sicherungsanordnung hinsichtlich einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht vor.
Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Dies ist hier nicht der Fall. Insbesondere ergibt sich, wie oben festgestellt, eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK.
2. Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Festsetzung des Streitwerts basiert auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 8.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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