Verwaltungsrecht

Aufenthaltserlaubnis, Asylantrag, Ausreise, Prozesskostenhilfe, Bewilligung, Bescheid, Aufenthaltstitel, Lebensunterhalt, Beschwerde, Erfolgsaussicht, Kindesmutter, Visum, Asylfolgeantrag, Pakistan, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Bewilligung Prozesskostenhilfe, Antrag auf Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  Au 1 K 19.1166

Datum:
2.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43381
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger, ein abgelehnter Asylbewerber pakistanischer Staatsangehörigkeit, begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Er reiste am 10. August 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, welcher mit Bescheid des … am 15. August 2016 abgelehnt wurde. Eine hiergegen gerichtete Klage (Au 3 K 16.31716) wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 3. November 2017 abgewiesen. Einen Asylfolgeantrag lehnte das … mit Bescheid vom 6. Februar 2018 ab. Die hiergegen gerichtete Klage (Au 3 K 18. 30356) wurde am 13. April 2018 zurückgenommen.
Am 16. April 2018 erkannte der Kläger die Vaterschaft für seinen am 24. Juli 2018 geborenen Sohn an. Die Kindesmutter, welche zusammen mit dem Kind in … (…) lebt und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, stimmte der Vaterschaftsanerkennung zu. Der Kläger und die Kindesmutter sind gemeinsam sorgeberechtigt.
Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2018 beantragte die Bevollmächtigte des Klägers beim Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, hilfsweise einer Duldung. Am selben Tag beantragte die Klägerbevollmächtigte die Umverteilung des Klägers nach, nach deren Ablehnung Klage (Au 1 K 20.903) erhoben wurde.
Mit Bescheid vom 5. Juli 2019 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 1) und verpflichtete den Kläger, die Kosten für das Verfahren zu tragen (Ziffer 2). Die Titelerteilungssperre stehe einer Vielzahl von Aufenthaltstiteln entgegen. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG stelle zwar grundsätzlich einen gebundenen Anspruch dar, könne vorliegend jedoch nicht erteilt werden, da ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse bestehe. Durch die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen sei § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG erfüllt. Darüber hinaus könne von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG nur im Ermessenswege abgesehen werden, sodass kein strikter Rechtsanspruch gegeben sei. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sei bereits tatbestandlich nicht erfüllt, da die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich sei. Zudem stünden auch hier das Ausweisungsinteresse und das fehlende Visum entgegen. Die Vater-Sohn-Beziehung sei noch in einer Findungsphase, sodass eine kurzfristige Trennung zur Durchführung eines Visumverfahrens nicht dazu führen würde, dass die Bindung nicht mehr hergestellt werden könne. Auch Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK begründeten keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Es bestehe die Möglichkeit der Vorabzustimmung für das ausstehende Visumverfahren.
Hiergegen ließ der Kläger am 7. August 2019 Klage erheben. Der Kläger könne seine Familie aufgrund der weiten Entfernung und der fehlenden finanziellen Möglichkeiten derzeit nur begrenzt, in der Regel einmal wöchentlich, besuchen. Die Kindesmutter sei physisch und psychisch aufgrund der erneuten Schwangerschaft auf die Anwesenheit des Klägers angewiesen. Der Kläger habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, da eine Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich sei. Seine familiären Bindungen im Bundesgebiet seien nach Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK zu schützen, da weder die schwangere Kindesmutter noch das gemeinsame Kind die Bundesrepublik zumutbar verlassen könnten. Der Wegfall des Ausreisehindernisses sei nicht zu erwarten, da die Personensorge über das gemeinsame Kind auf Dauer angelegt sei. Die Voraussetzungen des § 5 AufenthG seien überwiegend erfüllt, lediglich der erforderliche Lebensunterhalt könne noch nicht vollumfänglich nachgewiesen werden. Von dieser Voraussetzung wie auch einem Visumverfahren sei gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 AufenthG im Hinblick auf die familiären Bindungen des Klägers abzusehen.
Der Kläger beantragte zuletzt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 5. Juli 2019 zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Für dieses Verfahren begehrt der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landratsamt … bezog sich zur Begründung zunächst auf den angefochtenen Bescheid. Ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG könne weiter nicht erteilt werden, da der Kläger seinen Lebensunterhalt nicht sichern könne, ein Ausweisungsinteresse bestehe und das erforderliche Visumverfahren nicht durchgeführt worden sei. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger mehrere Monate untergetaucht gewesen sei und an der Passbeschaffung erst dann mitgewirkt habe, als er geglaubt habe, damit einen Aufenthaltstitel erlangen zu können. Eine kurzfristige Trennung des Klägers von seinem Kind sei zumutbar. Eine ausreichende Verwurzelung bzw. ein rechtmäßiges Privatleben im Bundesgebiet sei für den Kläger nicht ersichtlich. Es bestünde zudem die Möglichkeit, das Visumverfahren zu beschleunigen, indem die bereits angebotene Möglichkeit der Vorabzustimmung in Anspruch genommen würde.
Mit Beschluss vom 20. September 2019 lehnte das Gericht einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Eine hiergegen eingelegte Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. Oktober 2019 (10 C 19.2043) zurück.
Der Kläger wurde am 24. Oktober 2019 Vater eines weiteren Sohns, für welchen er am 24. Juli 2019 bereits eine Sorgerechtserklärung abgegeben hat.
Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2020 beantragte der Bevollmächtigte erneut die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung. Aufgrund besonderer Umstände sei es dem Kläger nicht zuzumuten, das Visumverfahren durchzuführen. Der Kläger müsse seine Lebensgefährtin und Kindesmutter bei der Betreuung der Kinder unterstützen, da diese an psychischen Problemen leide. Die Kindesmutter gehe davon aus, dass bei einer Ausreise des Klägers ihre Familie zerstört werde. Sie habe daher subjektive Verlustängste entwickelt. Zudem würde die Covid 19-Pandemie einer Ausreise entgegenstehen. Es sei nicht absehbar, wann und wie der Kläger nach Pakistan reisen könne bzw. ob eine Rückreise überhaupt möglich sei. Zudem würde die Reise mit diversen gesundheitlichen Risiken einhergehen, welche auch bei einer späteren Rückreise nicht auszuschließen seien.
Am 27. August 2020 änderte der Beklagte die Wohnsitzauflage des Klägers mit Zustimmung der aufnehmenden Ausländerbehörde insoweit, dass dieser nunmehr seinen Wohnsitz in der Stadt … und somit in unmittelbarer Nähe zur Kindesmutter zu nehmen hat. Das Verfahren Au 1 K 20.903 wurde daraufhin am 9. Oktober 2020 eingestellt.
Mit Schriftsatz vom 22. September 2020 wurde durch den Beklagten mitgeteilt, dass in Absprache mit der nunmehr zuständigen Ausländerbehörde das Verfahren weiterhin nach Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG durch den Beklagten fortgeführt werde.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vom Beklagten vorgelegten Behördenakte – auch im Verfahren Au 1 K 20.903 – Bezug genommen.
II.
Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe konnte nicht entsprochen werden.
1. Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 – 1 BvR 1998/02 – NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt. Denn die Rechtsverfolgung darf nicht in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert werden und unbemittelten Personen soll ein weitgehend gleicher Zugang zum Gericht ermöglicht werden wie Personen, denen ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, B.v. 4.5.2015 – 1 BvR 2096/13; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 166 Rn. 26).
2. Gemessen daran konnte dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entsprochen werden, da die durch den Kläger erhobene Klage auch nach dem neuerlichem Vortrag des Klägers aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Nach derzeitigem Sachstand ist davon auszugehen, dass sich die angegriffene Entscheidung als rechtmäßig erweisen wird und kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Kläger besteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Hierzu wird zunächst auf die Gründe des Beschlusses des Gerichts vom 20. September 2019 (Rn. 18 ff.) verwiesen. Auch der neuerliche Vortrag ist nicht geeignet, eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit zu begründen:
a) Soweit sich der Kläger auf eine rechtliche Unmöglichkeit aufgrund der Schutzwir kungen von Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK beruft, wurde diese nach wie vor nicht substantiiert nachgewiesen. Auch die ergänzende Stellungnahme des Jugendamts der Stadt … vom 15. Oktober 2019 spricht von einer „Beendigung des Aufenthalts“ und eben nicht, wie durch die Entscheidungen des Gerichts und des BayVGH (B.v. 21.10.2019 – 10 C 19.2043 – Rn. 9) zu Grunde gelegt, von einer vorübergehenden Trennung des Vaters von seinen Kindern. Die Stellungnahmen der … vom 22. Mai 2020 sowie der behandelnden Diplom-Psychologin vom 10. Februar 2020, 13. Mai 2020 und 22. Juni 2020 wurden allesamt vor der Änderung der Wohnsitzauflage abgegeben und spiegeln daher nicht die derzeitige Situation der Familie wieder. Sie wurden unter dem Eindruck von getrennten Wohnsitzen und nur vorübergehenden Besuchsaufenthalten in … abgegeben. Im Übrigen bleibt es Sache des Klägers, seine vorübergehende Abwesenheit vom Bundesgebiet unter Zuhilfenahme der angebotenen Vorabzustimmung des Beklagten, einer entsprechenden Terminvereinbarung sowie der gesundheitlichen Lage der Kindesmutter entsprechend zu planen. Der Kläger hat es durch die Gestaltung seiner Ausreise selbst in der Hand, die für die Durchführung des Visumverfahrens erforderliche Dauer seiner Abwesenheit möglichst kurz zu halten und möglichst familienverträglich zu gestalten.
b) Die durch den Bevollmächtigten im Übrigen angesprochenen Gefahren aufgrund der Covid 19-Pandemie wurden bislang nicht substantiiert dargelegt. Sie sind auch nicht sonst ersichtlich. Die Visastellen der diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik sind seit dem 7. September 2020 wieder zur Ausgabe nationaler Visa geöffnet (Deutsche Vertretungen in Pakistan, https://pakistan.diplo.de/pkde/-/2329452, abgerufen am 2. November 2020) und arbeiten wie üblich nach Terminvereinbarung. Der Flugverkehr zwischen Deutschland und Pakistan findet statt, abgesehen von der Installationspflicht einer Covid 19-App bestehen keine Einreiserestriktionen in Pakistan (Auswärtiges Amt, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistannode/pakistansicherheit/204974, abgerufen am 2. November 2020). Da es sich beim Familiennachzug um eine zwingend notwendige Einreise handelt, ist trotz bestehender Einreiserestriktionen der Bundesrepublik auch eine Rückreise des Klägers aus Pakistan generell möglich (Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/faqs/DE/themen/bevoelkerungsschutz /co ronavirus/reisebeschraenkungengrenzkontrollen/welchebesonderheitengelten -fuerdieeinreisevonfamilienangehoerigenausdrittstaaten.html, abgerufen am 2. November 2020). Die nötige Quarantäne von 10 Tagen kann auf 5 Tage verkürzt werden, wenn ein negatives Testergebnis vorliegt (Auswärtiges Amt, https://www.auswaertigesamt.de/de/quarantaeneeinreise/2371468, abgerufen am 2. November 2020). Nach alledem ist dem Kläger auch in Ansehung der Covid 19-Pandemie ein Visumverfahren in Pakistan zumutbar.


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