Verwaltungsrecht

Aufenthaltserlaubnis, Bewilligung, Ermessen, Landratsamt, Reiseausweis

Aktenzeichen  Au 1 K 20.124

Datum:
11.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22617
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthV § 5 Abs. 1
VwGO § 67 Abs. 2 S. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 3, Abs. 4 S. 4, § 154 Abs. 1, § 167
GKG § 52 Abs. 2
ZPO § 708

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Gegenstand der Klage ist die begehrte Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer.
2. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer, noch steht ihm ein Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrags unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer liegen beim Kläger nicht vor.
a) Nach § 5 Abs. 1 AufenthV kann einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden. Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Voraussetzung, dass der Kläger einen Pass nicht auf zumutbare Weise erlangen kann.
aa) Die Unzumutbarkeit der Erlangung eines Reisepasses ergibt sich zunächst nicht pauschal aus der Stellung des Klägers als subsidiär Schutzberechtigter (BayVGH, B.v. 17.10.2018 – 19 ZB 15.428 – juris Rn. 4). Welche konkreten Anforderungen an das Vorliegen der Unzumutbarkeit zu stellen sind, beurteilt sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Passes regelmäßig verbundenen Eingriff in die Personalhoheit eines anderen Staates grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde den Ausländer zunächst auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Passes durch seinen Heimatstaat verweist und die Erteilung eines Reiseausweises erst dann in Betracht zieht, wenn diese Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind (BayVGH, B.v. 17.10.2018 – 19 ZB 15.428 – juris Rn. 5; OVG NRW, B.v. 17.5.2016 – 18 A 951/15 – juris Rn. 3). In diesem Zusammenhang ist es einem subsidiär Schutzberechtigten auch unter Berücksichtigung von Art. 25 der Richtlinie 2011/95/EU und der intendierten Angleichung des subsidiären Schutzstatus an die Flüchtlingseigenschaft nicht von vornherein und per se unzumutbar, bei den nationalen Behörden zwecks Erlangung eines nationalen Passes vorzusprechen. Im Unterschied zu anerkannten Flüchtlingen stellt Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU für subsidiär Schutzberechtigte ausdrücklich darauf ab, dass die Ausstellung von Reisedokumenten nur dann zu erfolgen hat, wenn diese Personen keinen nationalen Pass erhalten können. Die Frage, ob die Vorsprache bei der Heimatvertretung einem Ausländer zugemutet werden darf, lässt sich dabei nicht allgemeingültig, sondern nur nach Maßgabe der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilen. Im Grundsatz können aber nachweislich erfolglose Bemühungen zur Erlangung eines Nationalpasses gefordert werden (BayVGH, B.v. 17.10.2018 – 19 ZB 15.428 – juris Rn. 9). Ebenfalls zu berücksichtigen ist hierbei aber, ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalls etwa wegen einer Gefährdung von Verwandten in Eritrea und einer möglicherweise zu leistenden Aufbausteuer die Vorsprache bei einer Auslandsvertretung zum Zwecke der Passbeschaffung unzumutbar ist.
bb) Dies zugrunde gelegt, kann beim Kläger derzeit nicht angenommen werden, dass er nicht auf zumutbare Weise einen Pass erlangen kann. Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger – wie er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt hat – keinerlei Bemühungen oder Erkundigungen vorgenommen hat, um einen eritreischen Nationalpass zu erlangen. Er ist schlicht vollständig untätig geblieben. Weder ist er bei der für ihn zuständigen Auslandsvertretung in Berlin gewesen, noch hat er sich schriftlich dorthin gewandt. Verwandte oder einen Vertrauensanwalt im Heimatland hat er ebenfalls nicht beauftragt. So teilte er dem Gericht vielmehr mit, er habe noch keinerlei Schritte unternommen, um in den Besitz eines Passes zu gelangen. Hiervon ausgehend kann im Einzelfall des Klägers nicht angenommen werden, dass er einen eritreischen Pass nicht in zumutbarer Weise erlangen kann. Welche konkreten Bemühungen der Kläger hätte erfolglos unternehmen müssen, um von einer Unzumutbarkeit ausgehen zu können, kann vorliegend offenbleiben. Sein vollständiges Untätigbleiben genügt jedenfalls nicht. Denkbar wäre jedenfalls gewesen, dass der Kläger sich schriftlich an die eritreische Auslandsvertretung in Deutschland wendet oder sogar dort persönlich vorspricht. Ebenfalls in Betracht käme die Beauftragung von Verwandten oder zumindest der Versuch der Kontaktierung eines von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Asmara als zuverlässig bekannten Rechtsanwalts (siehe hierzu Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Asmara, Rechtsanwälte in Eritrea – Rk 521.01 – Stand: Februar 2010). Denn nach den aktuellen Erkenntnissen des Auswärtigen Amts können Personenstandsurkunden in Eritrea auch durch bevollmächtigte Personen (Verwandte, Bekannte, Rechtsanwälte) beschafft werden (Auswärtiges Amt, Amtshilfeersuchen in verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom 21.02.2020). Hinzu kommt, dass nach Einschätzung des Auswärtigen Amts Familienangehörige eines eritreischen Staatsangehörigen, die für ihn Personenstandsurkunden oder andere Unterlagen beschaffen, allein aufgrund dieser Tatsache nicht mit Repressalien zu rechnen haben und die Beauftragung eines Vertrauensanwalts in Eritrea zur Beschaffung von Dokumenten möglich und erfolgversprechend ist.
3. Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Kläger hat als unterlegener Teil die Verfahrenskosten zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.


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