Verwaltungsrecht

Aufenthaltserlaubnis, Duldung, Verhältnismäßigkeit

Aktenzeichen  10 CS 21.1124

Datum:
13.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24874
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 4 S. 3
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 25 S 21.1261 2021-03-24 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin, eine kasachische Staatsangehörige, verfolgt mit ihrer Beschwerde ihren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26. Juni 2019, mit dem ihr Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und ihr unter Bestimmung einer Ausreisefrist die Abschiebung angedroht wurde, und gegen den ihre Klage (M 25 K 21.816) noch beim Verwaltungsgericht anhängig ist, weiter.
Die zulässige Beschwerde bleibt erfolglos. Die von der Antragstellerin zur Begründung ihrer Beschwerde dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO seine Prüfung zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Beschlusses vom 24. März 2021.
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei unzulässig, weil die Antragstellerin zum Zeitpunkt ihres Antrags auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis am 11. Juli 2018 bereits ausreisepflichtig gewesen sei, denn ihre letzte Aufenthaltserlaubnis sei bereits abgelaufen gewesen. Soweit der Antrag gemäß § 88 VwGO als Antrag auf einstweilige Aussetzung der Abschiebung nach § 123 VwGO ausgelegt werden könne, sei er zulässig, aber nicht begründet. Ein zu sichernder Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei aber ebenso wenig glaubhaft gemacht wie ein Anspruch auf eine Duldung nach § 60a AufenthG. Die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG lägen nicht vor, da sie kein Personensorgerecht ausübe; sie habe zu ihren Kindern seit 2017 keinen persönlichen Kontakt mehr. Die vorgetragene Verlobung begründe als bloße Absicht, eine Ehe einzugehen, keine Ansprüche auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Auch ein Anspruch auf eine Duldung sei nicht glaubhaft gemacht; ihre Abschiebung sei nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (wie etwa Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK) unmöglich. Eine bevorstehende Eheschließung sei weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht; vorgebrachte gesundheitliche Gründe seien nicht gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG belegt. Eine Rückkehr nach Kasachstan sei ihr auch zumutbar, da sie dort aufgewachsen sei und die Landessprache spreche.
Zur Begründung der Beschwerde, mit der kein konkreter Antrag gestellt wurde, wird im Wesentlichen vorgetragen, das Verwaltungsgericht habe die rechtmäßige Aufenthaltsdauer der Antragstellerin von mehr als 18 Jahren nicht berücksichtigt. Damit könne eine gute Integration vorausgesetzt werden, weshalb ein Anspruch aus Art. 8 EMRK zu bejahen sei. Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf eine Duldung nach § 60a AufenthG, da ihre Abschiebung aus rechtlichen Gründen unmöglich sei; eine rechtliche Unmöglichkeit ergebe sich aus Art. 8 EMRK.
Dieses Vorbringen rechtfertigt es nicht, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern.
Es kann dabei im Ergebnis offenbleiben, ob – wie der Antragsgegner bezweifelt – die Beschwerdebegründung noch den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entspricht, da ein “bestimmter Antrag” nur aus dem erstinstanzlichen Vorbringen zu erschließen ist und sich das Vorbringen nur vage mit der Begründung der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt. Jedenfalls trifft die Feststellung des Verwaltungsgerichts zu, dass ein Anordnungsanspruch im Sinn des § 123 Abs. 1 VwGO nicht glaubhaft gemacht worden ist. Der langjährige Aufenthalt allein führt nicht zu einem Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Duldung; der Antragstellerin ist es trotz ihres langen Aufenthalts nicht gelungen, einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu erlangen. Soweit sie sich auf Art. 8 EMRK beruft, führt ein langjähriger Aufenthalt allein nicht zu einer Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen. Wie der Antragsgegner zutreffend ausführt, geht die Beschwerdebegründung weder auf das konkrete Privat- oder Familienleben der Antragstellerin noch auf ihre “Verwurzelung” in Deutschland und ihre “Entwurzelung” vom Herkunftsstaat ein. Eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung könnte sich nur ergeben, wenn nach einer Abwägung aller Umstände ihres Einzelfalls eine Abschiebung unverhältnismäßig und damit nicht im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt wäre; Art. 8 EMRK gewährt jedoch selbst kein Recht auf Aufenthalt (vgl. Letsche/Rössler in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, EMRK Art. 8, Rn. 26 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat berücksichtigt, dass die familiären Bindungen der Antragstellerin sich auf kürzlich wiederaufgenommene Telefonate mit ihren Töchtern, zu denen sie seit 2017 keinen persönlichen Kontakt mehr habe, beschränkten und eine beabsichtigte Eheschließung in keiner Weise absehbar sei, dass aber die Antragstellerin in ihrem Herkunftsland aufgewachsen sei und die Landessprache spreche. Es ist daher zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragstellerin auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK eine Rückkehr in ihr Herkunftsland nicht unzumutbar ist. Weitere Gesichtspunkte zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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