Aktenzeichen 10 ZB 18.437
Art. 267 AEUV
VwGO § 86 Abs. 2, § 114 Satz 1, § 117 Abs. 2 Nr. 4 u 5, Abs. 3, § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 u 5, § 138 Nr. 3
AufenthG § 5 Abs. 4, § 25 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 54 Abs. 1 Nr. 2
BayVwVfG Art. 40, Art. 48 Abs. 1, Abs. 3 u Abs. 4
Leitsatz
Die Flüchtlingsanerkennung und Erteilung des entsprechenden Aufenthaltstitels in Frankreich sowie die Bestimmungen der EU-Qualifikations-Richtlinie (hier: Art. 23 Richtlinie 2011/95/EU) entfalten keine Bindungswirkung bezüglich der Entscheidung über einen Aufenthaltstitel in Deutschland. (Rn. 8 und 9)
Verfahrensgang
M 12 K 16.5689 2017-09-07 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. November 2016 weiter. Mit diesem Bescheid wurde die dem Kläger am 18. Juni 2015 erteilte Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Nr. 1.), sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 28. April 2016 abgelehnt (Nr. 2.) und festgestellt, dass bei ihm keine Zeiten vorliegen, in denen sein Aufenthalt in Deutschland erlaubt war (Nr. 3.) Weiter wurde er verpflichtet, die ihm mit Gültigkeit bis 25. November 2016 ausgestellte Fiktionsbescheinigung zurückzugeben (Nr. 4.) und das Bundesgebiet bis 18. Dezember 2016 zu verlassen (Nr. 5.). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurden ihm die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots für die Dauer von einem Jahr (Nr. 6.) sowie die Abschiebung nach Frankreich bei Vorliegen der Zustimmung Frankreichs zur Rückübernahme angedroht (Nr. 7.).
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; nachfolgend 1.), noch liegen die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; nachfolgend 2.) oder eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; nachfolgend 3.), vor.
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Die umfangreichen Ausführungen in der Zulassungsbegründung vermögen jedoch keine ernstlichen Zweifel in diesem Sinne zu begründen.
Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung der gegen die in Nr. 1 des Bescheids verfügten Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis des Klägers mit Wirkung ex tunc gerichteten Anfechtungsklage darauf gestützt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der (ursprünglichen) Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels des Klägers am 1. Mai 2016 die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG vorgelegen hätten und die von der Beklagten insoweit getroffene Ermessensentscheidung rechtlich nicht zu beanstanden sei. Die dem Kläger am 18. Juni 2015 gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zum minderjährigen deutschen Kind sei von Anfang an und bis zum maßgeblichen Zeitpunkt am 1. Mai 2016 rechtswidrig gewesen. Die Erteilung des Aufenthaltstitels sei gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zwingend zu versagen gewesen, weil der Kläger den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt habe; da er wegen vorsätzlicher Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung in Frankreich sogar verurteilt worden sei, rechtfertigten Tatsachen die Schlussfolgerung, dass der Kläger die PKK unterstützt habe. Darüber hinaus liege bei ihm ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse sowohl gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 1a) AufenthG a.F. bzw. § 54 Abs. 2 Nr. 8a) AufenthG wegen falscher oder unvollständiger Angaben im Verwaltungsverfahren zur Erlangung seines deutschen Aufenthaltstitels als auch gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. AufenthG a.F. bzw. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG wegen der vorsätzlichen Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung vor, einer auch im Bundesgebiet vorsätzlichen Straftat gemäß § 129a Abs. 5 StGB. Eine Ausnahme gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG sei nicht möglich gewesen, weil sich der Kläger gegenüber den zuständigen Behörden weder offenbart noch glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen habe; letzteres ergebe sich auch weder aus dem Schreiben des Klägers vom 16. Dezember 2016 noch aus dem in der mündlichen Verhandlung angefertigten und vorgelegten Schreiben des Klägers vom 7. September 2017. Denn damit versuche der Kläger lediglich, sich in einem positiven Licht darzustellen, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, distanziere sich aber nicht unter Angabe von Einzelheiten zu seiner Unterstützung der terroristischen Vereinigung von dieser Ideologie.
1.1. Soweit anknüpfend an gerichtliche Feststellungen im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung in der Begründung des Zulassungsantrags die Zugrundelegung eines fehlerhaften oder unvollständigen Sachverhalts im Hinblick auf die politische Tätigkeit des Klägers für eine legale kurdische Partei, die gerade zur Anerkennung als Flüchtling in Frankreich geführt habe, die Gründe der ein Auslieferungsgesuch der Türkei für unzulässig erklärenden Entscheidung des OLG München, der Verurteilung des Klägers in Frankreich zugrunde liegende Straftaten, die in Frankreich bis 16. Mai 2020 erfolgte Verlängerung seines GFK-Passes, die (falschen) Angaben des Klägers auf dem Antragsformular zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, den möglichen Rücknahmezeitraum und die persönlichen Distanzierungserklärungen des Klägers gerügt wird, werden weder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen noch daran anknüpfende Bewertungen des Verwaltungsgerichts ernsthaft in Zweifel gezogen. Insbesondere wird dabei verkannt, dass das Verwaltungsgericht im Tatbestand seiner Entscheidung den Sach- und Streitstand (s. § 117 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO) im Wesentlichen durch auszugsweise Wiedergabe des Inhalts der Behördenakten darstellt, es für die Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aber entscheidend auf materielle Fehler bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts und der darauf bezogenen Rechtsanwendung in den Entscheidungsgründen des Urteils (s. § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) ankommt. Solche materiellen Fehler zeigt das Zulassungsvorbringen allerdings nicht auf.
1.2. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG für die Rücknahme der dem Kläger erteilten familienbezogenen Aufenthaltserlaubnis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer dieses befristeten Aufenthaltstitels (1.5.2016) vorlagen, weil der Erteilung der für alle Aufenthaltstitel geltende zwingende Versagungsgrund gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG in der bis zur Neufassung (zum 1.8.2018) durch Art. 1 Nr. 1a des Gesetzes zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten (Familiennachzugsneuregelungsgesetz) vom 12. Juli 2018 (BGBl I S. 1147) geltenden Fassung entgegen stand.
Die darauf bezogenen Einwände des Klägers, das Verwaltungsgericht habe das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses fehlerhaft (auch) anhand des „alten“ Ausweisungsrechts (§ 54 Nr. 5 AufenthG a.F.) geprüft, ohne umfassende und konkrete Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Klägers zu Unrecht ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG infolge der französischen strafrechtlichen Verurteilung des Klägers angenommen, zu Unrecht eine gegenwärtige Gefährdung durch den Kläger angenommen und dabei nicht berücksichtigt, dass das französische Strafgericht eine hälftige Strafaussetzung zur Bewährung verfügt habe, die erlittene Haft und die Heirat des Klägers im Jahr 2010 in seinem Leben eine deutliche Zäsur bewirkt hätten, der Kläger bei seiner Straftat keine Gewalt ausgeübt habe und seine Anerkennung als Flüchtling in Frankreich jedenfalls Indizwirkung, wenn nicht sogar rechtliche Bindungswirkung im Rahmen dieser Beurteilung entfalte, greifen allesamt nicht durch. Vielmehr durfte das Verwaltungsgericht ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass im Fall des Klägers ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht (s. § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Von der in dieser Bestimmung vorausgesetzten Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ist unter anderem dann auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer eine Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, die (selbst) den Terrorismus unterstützt. Solche Anhaltspunkte hat das Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers durch das Tribunal Correctionnel de Paris – 16Ch – vom 4. März 2015 wegen vorsätzlicher Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung gesehen. Es hat dabei entgegen der Auffassung des Klägers weder den Begriff der individuellen Unterstützung verkannt, die – wie bereits nach § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. – alle Verhaltensweisen, nicht nur Gewaltanwendung, umfasst, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeit der Vereinigung auswirken (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 31 ff.). Selbst die vom Kläger in seiner gegenüber dem Verwaltungsgericht am 7. September 2017 abgegebenen persönlichen Erklärung eingeräumte „psychische Unterstützung“ der PKK, einer terroristischen Vereinigung im Sinne dieser Bestimmung, wäre danach eine tatbestandsmäßige individuelle Unterstützung. Neben der Sache liegt deshalb der unter anderem erhobene Einwand, die Unterstützung der PKK durch den Kläger sei eine reine Behauptung des Verwaltungsgerichts, ohne dass in diesem Zusammenhang noch näher beleuchtet werden müsste, in welcher Weise der Kläger als (Mit-) Täter konkret an der Erpressung von Geldern, Gewaltanwendung und Freiheitsberaubung innerhalb der kurdischen Gemeinschaft in Marseille zwecks Finanzierung der Terroraktionen der PKK in der Türkei innerhalb dieser Organisation beteiligt war. Die gegenwärtige Gefährlichkeit oder fortbestehende Gefahr, die auch nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erforderlich ist (vgl. BVerwG a.a.O.), hat das Verwaltungsgericht zu Recht deshalb bejaht, weil sich der Kläger gerade nicht, wie es schon nach der Vorgängerbestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. erforderlich war, von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln glaubhaft distanziert bzw. im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 letzter Hs. AufenthG erkennbar und glaubhaft Abstand genommen hat. Der Verweis des Klägers auf eine Teilaussetzung der durch das französische Strafgericht verhängten Haftstrafe zur Bewährung führt deshalb hier ebenso wenig weiter wie die von ihm behauptete Zäsur durch die Haft und seine Heirat im Jahr 2010. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang die vom Kläger im Verfahren, zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, vorgelegten Schreiben vom 16. Dezember 2016 und 7. September 2017 in nicht zu beanstandender Weise gewürdigt und ein ernsthaftes und glaubhaftes Abstandnehmen des Klägers von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln (vgl. dazu BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 53 f.) sowohl im Sinne dieses Ausweisungsinteresses als auch von § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG in der bis zum 1. August 2018 geltenden Fassung zu Recht verneint.
Nicht durchgreifend ist auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG lex specialis zu § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG sei und der Rechtsanspruch des Klägers auf eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 Satz 1 (richtig: Abs. 2) AufenthG nur entfallen solle, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden sei. Zum einen ist in der Rechtsprechung geklärt, dass § 25 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 AufenthG den (zwingenden) Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG nicht verdrängt (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2012 – 1 C 8.11 – juris Ls. 1 und Rn. 19). Zum anderen misst der Kläger seiner Anerkennung als Flüchtling in Frankreich und der dortigen Statusentscheidung (Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis) zu Unrecht eine umfassende Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland zu; eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus Unionsrecht, hier insbesondere den Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. September 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (EU-Qualifikations-RL). Über die durch § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG angeordnete begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung hinaus besteht kein Anspruch auf neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland (BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7.13 – juris Rn. 29).
Auf das Vorliegen der vom Verwaltungsgericht daneben angenommenen schwerwiegenden Ausweisungsinteressen gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 8a) und Nr. 9 AufenthG, die allgemeine (negative) Erteilungsvoraussetzung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und die diesbezüglichen in der Zulassungsbegründung vorgebrachten Einwände des Klägers kommt es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an.
1.3. Das Verwaltungsgericht ist entgegen der Auffassung des Klägers auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte das ihr in Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG eingeräumte Rücknahmeermessen ordnungsgemäß bzw. fehlerfrei (s. Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO) ausgeübt und dabei auch den Gesichtspunkt des im Fall des Klägers nicht gegebenen Vertrauensschutzes (s. Art. 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG) gesehen hat. Insbesondere hat es sich in nicht zu beanstandender Weise mit den schutzwürdigen Belangen des Klägers auseinandergesetzt und gerade auch mit Blick auf seine familiären Interessen und die Auswirkungen dieser Entscheidung die Zumutbarkeit der Rücknahme des familienbezogenen Aufenthaltstitels bejaht. Schließlich ist es zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger auch keinen anderweitigen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels hat.
1.4. Zu Unrecht beruft sich der Kläger schließlich auf die Ausschlussfrist für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG. Denn ungeachtet der Ausnahme nach Art. 48 Abs. 4 Satz 2 BayVwVfG ist für den Beginn dieser sogenannten Entscheidungsfrist die positive Kenntnis der Behörde von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen erforderlich, also die vollständige Kenntnis des für die Entscheidung über die Rücknahme erheblichen Sachverhalts (vgl. J. Müller in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1.1.2018, § 48 Rn. 111 f. m.w.N.). Diese erforderliche Kenntnis der zuständigen Behörde lag aber entgegen dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht bereits am 10. oder 17. November 2015, sondern – wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat – frühestens mit dem Bekanntwerden der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers in Frankreich wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch die entsprechenden Vermerke des Bundeskriminalamts im Februar bzw. März 2016 vor. In den vom Kläger angeführten Vermerken vom 10. und 17. November 2015 werden lediglich eine Bitte der Türkei um Ausschreibung des Klägers zur Fahndung wegen „Terrorismus“ und ein Telefongespräch mit der Bundespolizei über beim BKA vorliegende und erfragbare „Erkenntnisse zur Person“ des Klägers festgehalten.
1.5. Durchgreifende Einwände gegen die verwaltungsgerichtliche Bewertung der weiteren Verfügungen des streitbefangenen Bescheids werden mit dem Zulassungsantrag des Klägers nicht erhoben.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung verlangt, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht. Dem genügt das Zulassungsvorbringen des Klägers nicht.
Die als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage, „ob Art. 23 Abs. 1 bis 4 Richtlinie 2011/95/EU dahingehend auszulegen ist, dass der Familiennachzug eines anerkannten Flüchtlings zu seinen Familienangehörigen aus Gründen der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung nicht abgelehnt werden kann, wenn bereits eine Entscheidung des anerkennenden Mitgliedstaates in derselben Sache bezüglich der Gefährdung der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung durch diesen negativ ausfällt.“, ist nicht klärungsbedürftig. Denn die den Kläger betreffende Statusentscheidung der französischen Behörden entfaltet keine Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland und die maßgebliche Richtlinie 2011/95/EU sieht eine in der ganzen Union gültige und damit verbindliche Statusentscheidung nicht vor (BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7.13 – juris Rn. 29). Die vom Kläger angeführte Bestimmung des Art. 23 Richtlinie 2011/95/EU vermag – wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen des Kapitels zum Inhalt des internationalen Schutzes (Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU) offensichtlich und eindeutig ergibt – daher keine Verpflichtung bzw. Bindung der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Aufrechterhaltung des Familienverbands des Klägers, dem in einem anderen Mitgliedstaat (Frankreich) der internationale Schutz zuerkannt und der entsprechende Aufenthaltstitel (s. Art. 24 Richtlinie 2011/95/EU) erteilt worden ist, zu begründen. Auf den Umstand, dass die Bedeutung der Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling in einem anderen Staat der Europäischen Union bereits hinreichend klar bzw. geklärt ist, hat der Senat im Übrigen bereits in seinem Beschluss im Eilverfahren des Klägers 10 AS 18.442 vom 23. April 2018 hingewiesen (dort Rn. 6).
3. Schließlich ist auch der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt nicht vor.
3.1. Die Gehörsrüge des Klägers bleibt ohne Erfolg, soweit sie sich auf die Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten unbedingten Beweisanträge bezüglich der Beiziehung der französischen Strafakten des Klägers und der Einholung einer Auskunft der französischen Staatsanwaltschaft zu Einzelheiten (Beteiligung an Erpressungen) dieser strafrechtlichen Verurteilung bezieht.
Die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO verstößt gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, B.v. 10.8.2015 – 5 B 48.15 – juris Rn. 10), das heißt ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 23.1.2018 – 10 ZB 17.31099 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Der Kläger hat mit seinem Zulassungsvorbringen nicht darzulegen vermocht, dass die Ablehnung seiner Beweisanträge als für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts unerheblich im Prozessrecht keine Stütze findet. Denn das Verwaltungsgericht durfte die gestellten Beweisanträge wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit ablehnen, weil es – ohne Rechtsfehler (vgl. dazu oben 1.2.) – davon ausgegangen ist, dass im Fall des Klägers ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht (s. § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Die dafür erforderlichen konkreten Anhaltspunkte hat das Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in der (nachweislich und unstreitig) rechtskräftigen Verurteilung des Klägers durch das Tribunal Correctionnel de Paris – 16Ch – vom 4. März 2015 wegen vorsätzlicher Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung (PKK) auch ohne Kenntnis der näheren Einzelheiten der Strafakten und des französischen Strafurteils gesehen.
3.2. Auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, „indem das Gericht die Beweisanregung bezüglich der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH in seiner Urteilsbegründung nur zum Teil berücksichtigt“ habe, legt keinen zur Zulassung der Berufung führenden Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dar. Die vom Kläger gemäß Art. 267 AEUV angeregte bzw. beantragte Vorlage von Fragen zur Auslegung und Anendung des Art. 23 Richtlinie 2011/95/EU war bereits aus den oben dargelegten Gründen für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht erforderlich (s. Art. 267 Abs. 2 AEUV).
Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).