Verwaltungsrecht

Aufhebung einer disziplinarischen Kürzung von Dienstbezüge

Aktenzeichen  RN 10A DB 18.1284

Datum:
20.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 57838
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 153 a Abs. 2
BayDG Art. 6 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 S. 1, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 16, Art. 26 Abs. 2, Art. 58 Abs. 3, Art. 60 , Art. 72 Abs. 4 S. 1
AGO § 10 Abs. 4 S. 3, § 10 Abs. 4 S. 3
BeamtStG § 34 S. 1, § 35 S. 2, § 47 Abs. 1 S. 2
StGB § 44, § 52, § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 3 Nr. 2
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4
LBG NRW § 57 S. 3, § 83 Abs. 1 S. 2
RDGEG § 3, §5

 

Leitsatz

Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2003 – 2 BvR 1413/01) (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Unter Abänderung der Disziplinarverfügung des Beklagten vom 16. Juli 2018 wird gegen den Kläger die Disziplinarmaßnahme einer Geldbuße in Höhe von 3.000 € verhängt.
II. Die Kosten des gebührenfreien Verfahrens tragen der Kläger zu einem Drittel und der Beklagte zu zwei Drittel.

Gründe

Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger die ihm in der streitgegenständlichen Verfügung vorgeworfenen Dienstverstöße zum Teil begangen hat. Deshalb ist das Gericht unter Ausübung des ihm gemäß Art. 58 Abs. 3 BayDG eröffneten Ermessens zu der Auffassung gelangt, dass die Disziplinarmaßnahme einer Geldbuße in Höhe von 3.000 € zu verhängen ist.
A. Das Gericht legt der disziplinarrechtlichen Würdigung die tatsächlichen Feststellungen in der Ziffer III. Nr. 1, 2, 3 und 4 der streitgegenständlichen Disziplinarverfügung zugrunde. Dagegen hält das Gericht den unter Nr. 5 dargestellten außerdienstlichen Sachverhalt für keine disziplinarwürdige Dienstpflichtverletzung.
I. Der Vorgesetzte des Klägers F.D. L2. … schrieb diesem mit E-Mail vom 9. März 2016, gesendet um 8:44 Uhr, u.a. folgendes (siehe Blatt 8 der Beiakte 1):
„Ferner bitte ich dich, bis zum Ende der kommenden Woche die Fahrtenbücher zu bearbeiten.“
Das Ende der kommenden Woche war Freitag, der 18. März 2016. Der Kläger legte die von ihm bearbeiteten Abrechnungen für den Monat Januar erst am 23. März 2016 (Blatt 11 der Beiakte 1) und für den Monat Februar am 24. März 2016 (Blatt 15 der Beiakte 1) vor. Eine Entschuldigung für diese verzögerte Bearbeitung sowie eine Erklärung hierfür lässt sich den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen.
Damit geht das Gericht davon aus, dass der Kläger die ihm obliegende Berechnung der Kilometerentschädigung, bei der es sich um einfachste Rechenaufgaben handelt, die innerhalb des ihm gesetzten Zeitraums hätte erledigt werden können, unentschuldigt nicht termingerecht erledigte. Es lässt sich den vorliegenden Unterlagen auch nicht entnehmen, dass eine Abrechnung bis zum 18. März 2016 aufgrund der dienstlichen Weisung vom 9. März 2016 nicht möglich gewesen wäre. Zumindest hinsichtlich dieses Zeitraums konnte der Kläger belegt, dass ihm die hierfür erforderlichen Daten nicht vorlagen. Ein solcher Beleg liegt nicht darin, dass eine Abrechnung des Vorgesetzten F.D. L2. … vom Januar 2016 verspätet vorgelegt wurde, da dies den hier nicht relevanten Zeitraum Dezember 2015 betrifft. Der Kläger selbst gab in der mündlichen Verhandlung an, dass für ihn gegenwärtig nicht mehr für alle Fahrtenbücher nachvollziehbar sei, ob diese zum 18. März 2016 vorgelegen hätten. Einen Beleg hierfür lieferte er nicht. Für das Gericht steht damit fest, dass er die Abrechnung bis 18. März 2016 hätte machen können, zumal er nach der dienstlichen Äußerung vom 23. Januar 2018 ohnehin nur zu 30% seiner Arbeitszeit beschäftigt ist.
II. Der Kläger führte die ihm obliegende Berechnung der Wegstreckenentschädigung und die steuerliche Geltendmachung der Reisekostenvergütung nicht weisungsgemäß rechtzeitig durch (Ziffer III. Nr. 2).
Der Vorgesetzte des Klägers F.D. L2. … teilte diesem mit E-Mail vom 25. Januar 2016 (Blatt 7 der Beiakte 1) u.a. mit, dass nach der Kontrolle der Fahrtenbücher, der Berechnung der Kilometerentschädigung und der Herleitung der Grundlagen für die Besteuerung der Aufwandsentschädigung diese Daten in die sog. „Pendellisten“ bzw. das Formblatt „Reisekostenvergütung“ (mit zu versteuernde Beträge) einzupflegen sei. Letzteres sei halbjährlich an das L. zu versenden. Auch diese Aufgabe bitte er ihn ab sofort zu übernehmen. Da der Kläger dem bis in den Juli 2016 nicht nachkam, wies ihn F.D. L2. … mit Schreiben vom 12. Juli 2016 (Blatt 20 der Beiakte 1) an, die „Folgearbeiten nach Überprüfung der Fahrtenbücher nach bestem Wissen und Gewissen sowie ordnungsgemäß zu übernehmen und zu erledigen“. Zugleich bat er um Berichterstattung zum Stand der Aufgabenerledigung bis spätestens 16. September 2016. Da eine solche Berichterstattung nicht erfolgte, ordnete F.D. L2. … mit Schreiben vom 16. September 2019 (Blatt 30 der Beiakte 1) an, dass der Kläger alle Dokumente zur ordnungsgemäßen Erledigung der ihm seit mittlerweile nahezu neun Monaten übertragenen (und bis heute nicht vollzogenen) Aufgabe spätestens bis kommenden Freitag, den 23. September 2016 nach bestem Wissen und Gewissen zu erledigen habe. Er ordnete zugleich an, ihm die zu erstellenden Unterlagen nach Erledigung und Versand an das Landesamt für Finanzen am gleichen Tag zur Kontrolle vorzulegen. Der Kläger legte mit Schreiben vom 22. September 2016 (Blatt 36 der Beiakte 1) die ausgefüllten Formblätter zur Berechnung der zu versteuernden Beträge vor und teilte mit, dass er eine Gewähr für die Richtigkeit der ermittelten steuerlichen Daten nicht übernehmen könne. Die Formblätter waren nicht unterschrieben. Der Kläger leitete sie auch nicht an das Landesamt für Finanzen weiter.
Der Kläger hätte der ihm mit Weisung vom 25. Januar 2016 übertragenen Aufgabe bis spätestens Ende Juni/Anfang Juli 2016 für das erste Halbjahr 2016 nachkommen müssen. Zwar lässt sich Nr. 4.1.2. der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 23. Dezember 2013 (Az. 24/21/34 – P 1700 – 087 – 46 705/13) insoweit nur entnehmen, dass die Abrechnungsstellen die steuerpflichtigen Anteile laufend, möglichst zeitnah zum Auszahlungsmonat, mitzuteilen haben. Wie dem Kläger bekannt sein musste und ihm außerdem auch in der E-Mail vom 25. Januar 2016 mitgeteilt wurde, erfolgte und erfolgt die Meldung im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten L1. … „halbjährig“.
Ferner erstattete der Kläger entgegen dem Schreiben vom 12. Juli 2016 keinen Bericht zum Stand der Aufgabenerledigung bis spätestens 16. September 2016 und handelte damit gegen eine ausdrückliche Weisung. Schließlich handelte er entgegen der ihm mit Schreiben vom 16. September 2019 erteilten Weisung, indem er die von ihm zu erstellenden Unterlagen nicht nach Erledigung und Versand an das Landesamt für Finanzen am 23. September 2019 zur Kontrolle, sondern einen Tag zuvor ohne Unterschrift und nicht versendet, vorlegte.
Zunächst kann das Gericht nicht nachvollziehen, warum es dem Kläger nicht möglich gewesen sein sollte, sich in dem Zeitraum bis Juni 2016 eigenständig über die rechtlichen Bestimmungen zu informieren. Wie der Kläger in seinem Schreiben vom 11. Juli 2016 (Blatt 19 der Beiakte 1) ausführte, war er arbeitsmäßig nicht ausgelastet. Soweit in der dienstlichen Äußerung darauf hingewiesen wird, dass der Kläger nach wie vor nur zu rund 30% seiner Arbeitszeit beschäftigt ist, wird ihm dies nicht zum Vorwurf gemacht, sondern nur, dass er genügend Zeit gehabt hätte, sich die einschlägigen rechtlichen Vorschriften anzueignen. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken, zumal es sich insoweit um einfachste Verwaltungstätigkeiten handelt, die bei einem Beamten der 3. Qualifikationsebene in der Besoldungsgruppe A10 ohne weiteres erwartet werden müssen. Für das Gericht entstand der Eindruck, dass der Kläger die Aufgabe nicht ausführen wollte, da es sich um „lästige Arbeiten“ handle, von denen er den Eindruck hatte, dass „die auf mich abgewälzt werden sollen“ (vgl. Blatt 19 der Beiakte 1).
Dass der Kläger rechtliche Bedenken hatte, hält das Gericht für eine Schutzbehauptung. Er hätte sich bei rechtlichen Bedenken eigenständig über die einschlägigen Vorschriften informieren müssen. Es liegt in der Natur der Sache, dass man bei der Übernahme neuer Aufgaben zum Anfang keine oder wenig Ahnung von der Materie hat. Ein Beamter kann jedoch nicht erwarten, dass ihm alles so präsentiert wird, dass er möglichst keine oder nur wenig Eigeninitiative entfalten muss. Abgesehen hiervon wurde dem Kläger immer wieder Hilfe angeboten. Selbst wenn er durchgreifende rechtliche Bedenken gehabt hätte, hätte er von seinem Remonstrationsrecht Gebrauch machen können. Ein Beamter muss nach erfolgloser Durchführung des Remonstrationsverfahrens eine von ihm als rechtswidrig angesehene Anordnung nämlich grundsätzlich ausführen, ist aber von der eigenen Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des ihm dienstlich aufgetragenen Verhaltens befreit, vgl. § 36 BeamtStG.
III. Hinsichtlich Ziffer III. Nr. 3 geht das Gericht davon aus, dass der Beklagte am 16. September 2016 ein dienstliches Faxgerät für private Zwecke nutzte und insgesamt 15 Seiten an seine Bevollmächtigten in M. faxte. Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Faxprotokoll (Seite 32 der Beiakte 1) und wird auch nicht bestritten.
Hierin sieht das Gericht einen Verstoß gegen § 10 Abs. 4 Satz 3 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO). Danach dürfen dienstlich bereitgestellte Geräte, Programme und Netzzugänge grundsätzlich nicht für private Zwecke verwendet werden; besondere Regelungen über die Einrichtung und Benutzung dienstlicher Telekommunikationsanlagen (Dienstanschlussvorschriften) bleiben unberührt. Da es solche besondere Regelungen nicht gibt, ist die private Nutzung verboten, ohne dass es eines ausdrücklichen Verbots bedurft hätte. Dies hätte dem Kläger zumindest bewusst sein müssen.
IV. Bezüglich Ziffer III. Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids geht das Gericht davon aus, dass das dort geschilderte Geschehen ein außerdienstliches Dienstvergehen ist.
1. Die Disziplinarbehörde durfte die in der Strafakte der Staatsanwaltschaft L1. … (Az. 405 Js 527/17) enthaltenen Aussagen der Zeugen C. …, G. … und B. … sowie die Stellungnahme der Polizeiobermeisterin M. … ohne weitere Beweiserhebung verwerten.
Gemäß Art. 26 Abs. 2 BayDG können Niederschriften über Aussagen von Personen, die schon in einem gesetzlich geordneten Verfahren vernommen worden sind, sowie Niederschriften über einen richterlichen Augenschein ohne erneute Beweiserhebung verwertet werden. Über einen Beweisantrag des Beamten oder der Beamtin ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, Art. 26 Abs. 3 Satz 1 BayDG. Dem Beweisantrag ist gemäß Art. 26 Abs. 3 Satz 2 BayDG stattzugeben, soweit er für die Tat- oder Schuldfrage oder für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sein kann. Daraus folgt, dass über einen solchen Antrag grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist, allerdings eine wichtige Ermessensschranke zugunsten des Beamten dann besteht, wenn der Beweisantrag von Bedeutung sein kann. Einem vom Beamten gestellten Beweisantrag kommt unter anderem dann keine Bedeutung zu, wenn die Ermittlungsbehörde durch die vorhandenen Beweise bereits das Gegenteil von dem als bewiesen betrachtet, was der Beamte mit seinem Beweisantrag anstrebt, und der Beweisantrag des Beamten nicht geeignet ist, die bestehende Beweislage zu erschüttern (vgl. Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Art. 26, Rdnr. 68).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Disziplinarbehörde durfte vor dem Hintergrund der protokollierten Zeugenvernehmungen vom 7. Oktober 2016 davon ausgehen, dass sich das Geschehen im Wesentlichen so abspielte wie in dem Bescheid dargelegt. Die Zeugenaussagen sind in den wesentlichen Punkten deckungsgleich und bestätigen, dass die Aggression von dem Kläger und nicht wie behauptet von den Zeugen ausging. Diese Aussagen konnte der Kläger weder im Disziplinar- noch im Klageverfahren ernsthaft erschüttern. Hierzu genügt alleine die Behauptung, dass der Kläger angegriffen wurde nicht, zumal er keinen solchen alternativen Geschehensablauf substantiiert und nachvollziehbar darlegte. Zweifel an der Richtigkeit der Angaben ergeben sich auch nicht daraus, dass die Zeugen nach den Angaben des Klägers einen problematischen L. hätten. Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Richtigkeit des geschilderten Geschehensablaufs nachhaltig zu erschüttern. Hinzu kommt, dass die P. M. … in ihrer Stellungnahme vom 9. Oktober 2016 das aggressive Verhalten des Klägers ebenfalls schilderte und den Geschehensablauf insoweit bestätigte. Vor diesem Hintergrund konnte auch der entsprechende Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung abgelehnt werden.
2. Das Gericht geht davon aus, dass dieses Fehlverhalten des Klägers dem außerdienstlichen Bereich zuzurechnen ist. Als Dienstvergehen ist das außerdienstliche Verhalten von Beamten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nur zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei von folgenden Grundsätzen auszugehen (vgl. BVerwG vom 18.6.2015 Az. 2 C 9/14):
„Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 20. Juli 1967 (BGBl. I S. 725) reicht bei außerdienstlichen Verfehlungen nicht bereits die Pflichtverletzung selbst zur Annahme eines Dienstvergehens aus, und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch eine Straftat begangen worden ist (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 – 2 C 83.08 – BVerwGE 136, 173 Rn. 14). Hinzutreten müssen weitere, auf die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung bezogene Umstände. Nur soweit es um die Wahrung des Vertrauens der Bürger in die Integrität der Amtsführung und damit in die künftige Aufgabenwahrnehmung geht, vermag das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Interesse an der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums die im privaten Bereich des Beamten wirkenden Grundrechte einzuschränken (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 – 2 BvR 52/02 – BVerfGK 4, 243 ).
Unterhalb dieser Schwelle erwartet der Gesetzgeber von Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten mehr als von jedem anderen Bürger (BT-Drs. 16/7076 S. 117 zum BBG sowie BT-Drs. 16/4027 S. 34 zum BeamtStG; hierzu auch BVerwG, Urteile vom 30. August 2000 – 1 D 37.99 – BVerwGE 112, 19 und vom 27. Juni 2013 – 2 A 2.12 – BVerwGE 147, 127 Rn. 24). Private Straßenverkehrsdelikte etwa begründen daher in der Regel kein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2000 – 1 D 37.99 – BVerwGE 112, 19 zur einmaligen Trunkenheitsfahrt).
Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2003 – 2 BvR 1413/01 – NVwZ 2003, 1504 Rn. 30). Dabei kommt vorsätzlichen (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) Straftaten eine besondere Bedeutung zu (BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 – BVerwGE 140, 185 Rn. 24). Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist.
c) Bezugspunkt hierfür ist das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne; soweit in der bisherigen Rechtsprechung auf das Amt im konkret-funktionellen Sinne (den Dienstposten) abgestellt worden ist, hält der Senat hieran nicht mehr fest.
Das strafrechtlich relevante Verhalten des Klägers beeinträchtigt das für sein Amt erforderliche Vertrauen, da es sich um die Straftat einer vorsätzlichen Körperverletzung handelt. An der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht, dass diese Körperverletzung keinen Bezug zu dem Amt des Klägers aufweist, da dieser als Forstbeamter (im Innendienst) tätig ist, hält das Gericht nicht fest. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lösen außerdienstliche Dienstvergehen regelmäßig ein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis aus, wenn es sich dabei um eine Straftat handelt, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren reicht, und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt (vgl. BVerwG vom 28.7.2011 Az. 2 C 16/10). Dieser Entscheidung lässt sich hierzu folgendes entnehmen:
„Der Senat hat diese gesetzlichen Vorgaben dahingehend konkretisiert, dass ein außerdienstliches Fehlverhalten, das keinen Bezug zur Dienstausübung aufweist, regelmäßig ein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis auslöst, wenn es sich dabei um eine Straftat handelt, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren reicht, und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt. Durch die Bewertung eines Fehlverhaltens als strafbar hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er dieses Verhalten als in besonderem Maße verwerflich ansieht. Dies lässt ohne Weiteres darauf schließen, dass das Fehlverhalten das Ansehen des Beamtentums in einer Weise beschädigt, die im Interesse der Akzeptanz des öffentlichen Dienstes in der Bevölkerung und damit seiner Funktionsfähigkeit nicht hingenommen werden kann. An dem objektiven Maßstab des gesetzlichen Strafrahmens hat sich die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der § 57 Satz 3, § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW zu orientieren. Eine derartige Straftat eines Beamten ist nur dann nicht disziplinarrechtlich relevant, wenn ihr Unrechtsgehalt nach den konkreten Umständen des Falles erkennbar an der unteren Schwelle liegt (Urteile vom 25. März 2010 a.a.O. und vom 19. August 2010 – BVerwG 2 C 13.10 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 17).“
Eine Körperverletzung wird gemäß § 223 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Das Strafmaß reicht also weit über zwei Jahre hinaus. Nach den konkreten Umständen des Falls, die sich aus den Zeugenaussagen und der Stellungnahme der P. M. … ergeben, kann von einem Unrechtsgehalt an der unteren Schwelle nicht die Rede sein.
V. Dagegen kann dem Kläger das Geschehen unter Ziffer III. Nr. 5 disziplinarisch nicht mehr zum Vorwurf gemacht werden kann.
Die tatsächlichen Feststellungen eines Strafbefehls sind zwar nicht gemäß Art. 55 i.V.m. 25 Abs. 1 BayDG für ein Disziplinar(-klage) verfahren bindend. Das Gericht kann sie jedoch gemäß Art. 25 Abs. 2 BayDG seiner Entscheidung ohne nochmalige Prüfung zugrunde legen, zumal der Kläger diese Feststellungen weder im Disziplinar- noch im Klageverfahren – substantiiert – bestritten hat. Hinzu kommt, dass den in einem rechtskräftigen Strafbefehl getroffenen tatsächlichen Feststellungen eine erhebliche Indizwirkung zukommt (vgl. z.B. BayVGH vom 1.6.2005 Az. 16a D 04.3502).
Das Gericht hält jedoch die Einbeziehung dieses Vorfalls am 17. Juli 2001 nicht für ermessensgerecht, da der hierfür erforderliche innerliche und äußere Zusammenhang nicht besteht (vgl. hierzu Zängl, Bayerische Disziplinarrecht, MatR/I, Rdnr. 64c). Zwar steht nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens einer Einbeziehung dieses Strafbefehls das Maßnahmeverbot des Art. 16 BayDG wegen Zeitablaufs nicht unbedingt entgegen, wenn es auch isoliert betrachtet Anwendung finden würde. Dabei ist aber auch zu beachten, dass der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens nicht dazu dienen darf, die Vorschrift des Art. 16 BayDG zu umgehen.
Es mag sein, dass sich im Verhalten des Klägers ein gewisser Zug zu Rücksichtslosigkeit und Egoismus zeigt. Allerdings sieht das Gericht keinen so engen Zusammenhang zwischen den Ereignissen in den Jahren 2001 und 2016, dass dies einheitlich disziplinarisch gewürdigt werden müsste. Dies beruht darauf, dass gegen den Kläger mit Strafbefehl vom 21. Februar 2002 eine Geldstrafe sowie ein Fahrverbot wegen der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs gem. §§ 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 3 Nr. 2, 44 StGB verhängt wurde. Zum einen handelt es sich dabei um ein Fahrlässigkeitsdelikt, nicht um eine vorsätzliche Straftat, der im Disziplinarverfahren besondere Bedeutung zukommt. Zum anderen wird das Delikt mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, erreicht also bei der abstrakten Strafandrohung gerade noch das erforderliche Strafmaß von zwei Jahren (s.o.). Hinzu kommt, dass nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts private Straßenverkehrsdelikte in der Regel kein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis begründen. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts insbesondere dann, wenn der Beamte – wie hier – nicht beruflich mit dem Führen von Kraftfahrzeugen betraut ist.
B. Der Kläger hat durch sein Verhalten zumindest grob fahrlässig und schuldhaft ein einheitliches innerdienstliches und außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BeamtStG begangen.
In der Missachtung dienstlicher Weisungen liegt ein Verstoß gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Dienstausübung (§ 34 Satz 1 BeamtStG) und gegen die Pflicht, dienstliche Anordnungen auszuführen, § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Ferner liegt ein innerdienstlicher Verstoß gegen die Pflicht zur uneigennützigen Aufgabenwahrnehmung nach § 34 Satz 2 BeamtStG und die Pflicht, allgemeine Richtlinien zu befolgen vor, § 35 Satz 2 BeamtStG. Durch sein strafrechtlich relevantes Verhalten hat der Kläger gegen die ihm obliegende Pflicht verstoßen, die Gesetze zu beachten.
C. Zur Ahndung des Dienstvergehens ist die Disziplinarmaßnahme der Geldbuße erforderlich und angemessen. Die Schwere des Dienstvergehens gebietet noch keine Kürzung der Dienstbezüge.
Die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme ergeht gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayDG nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 Az. 2 C 6/14). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (vgl. BVerfG vom 8.12.2004 Az. 2 BvR 52/02). Eine Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG vom 20.10.2005 Az. 2 C 12.04). Bei der Ausübung des den Gerichten eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind, ist jede Schematisierung zu vermeiden. Da die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen einer der in Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen.
Unter Anwendung dieser Grundsätze gilt zunächst, dass hier ein einheitliches innerdienstliches und außerdienstliches Dienstvergehen vorliegt, dessen Schwere in einem leichten bis mittleren Bereich der Dienstpflichtverletzungen anzusiedeln ist. Am schwersten wiegen die Dienstverstöße unter Ziffer III. Nr. 2 und Nr. 4. Die zeitlichen Verzögerungen unter Ziffer III. Nr. 1 ist als eher geringfügiger Verstoß anzusehen. Das Versenden des Telefaxes ist so geringfügig, dass es unter „normalen Umständen“ wohl disziplinarisch nicht gewürdigt worden wäre.
Zugunsten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er disziplinarrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten ist. Die dienstliche Äußerung seines Vorgesetzten vom 23. Januar 2018 ist weitgehend als negativ zu werten. Den vorliegenden Beurteilungen und dem Akteninhalt lassen sich in Teilen unterdurchschnittliche Leistungen aber auch ein gewisse Steigerung entnehmen. Für das Gericht nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass der seit dem Jahr 1985 im Dienst des Freistaats B. stehende Kläger „erstaunlich viele Stationen durchlaufen“ haben soll. Das Gericht hatte in der mündlichen Verhandlung den Eindruck, dass der Kläger eine gewisse Unbelehrbarkeit und Beratungsresistenz an den Tag legte.
Als Disziplinarmaßnahme ist nach einer prognostischen Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände auf die Disziplinarmaßnahme einer Geldbuße in Höhe von 3.000 € zu erkennen. Der Kläger hat hier ein leichtes bis mittelschweres erstmaliges Dienstvergehen begangen, das nicht ein solches Gewicht aufweist, dass eine Kürzung der Dienstbezüge veranlasst wäre. Das Gericht hält jedoch eine deutliche Pflichtenmahnung durch eine Geldbuße für geboten, deren Höhe sich im Rahmen des Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayDG bewegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auch wenn das Gericht auf eine mildere Disziplinarmaßnahme erkannt hat, hat die Klage nur teilweisen Erfolg. Das Verfahren ist gebührenfrei, Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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