Verwaltungsrecht

Ausbildungskapazität im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik)

Aktenzeichen  7 CE 18.10017 u.a.

Datum:
14.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30684
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 122 Abs. 2 S. 3, § 123, § 146 Abs. 4 S. 6, § 154 Abs. 2
HZV § 50 Anlage 7
GKG § 47, § 52 Abs. 1, Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Für die Kapazitätsberechnung ist nicht der von der Universität betriebene tatsächliche Ausbildungsaufwand, sondern ausschließlich der hierfür geltende Curricularnormwert maßgebend. Überschreitet die Universität mit ihrem tatsächlichen Ausbildungsaufwand den Curricularnormwert, so bleibt dies für die rechnerische Ermittlung der Aufnahmekapazität im Studiengang ohne Bedeutung. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 E HV 17.10200 u.a. 2018-04-19 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerinnen und Antragsteller tragen jeweils die Kosten ihres Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin, 1. Fachsemester, an der Universität R. (UR) nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2017/2018. Sie halten die dortige Ausbildungskapazität für nicht ausgeschöpft.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hat ihre entsprechenden Anträge mit Beschluss vom 19. April 2018 abgelehnt.
Mit ihren Beschwerden verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie machen im Wesentlichen geltend, der in der Kapazitätsberechnung der UR angesetzte Curriculareigenanteil sei (gemessen an der „Ausbildungswirklichkeit“) zu niedrig und führe bei zutreffender und anhand der – einer Korrektur bedürftigen – Vorgabe des quantifizierten Studienplans vorzunehmender Berechnung zu einer Überschreitung des vorgegebenen Curricularnormwerts. Der sonach tatsächlich höhere Curricularanteil sei deshalb in stärkerem Maße als geschehen proportional zu kürzen (zu „stauchen“), was – berücksichtige man darüber hinaus die ebenfalls fehlerhafte Schwundberechnung – zu einer zusätzlichen Ausbildungskapazität von 12 Studienplätzen führe.
Der Antragsgegner widersetzt sich den Beschwerden und verteidigt den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet die geltend gemachten Anordnungsansprüche der Antragsteller nicht.
Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) ausgeschöpft hat und die Kapazitätsberechnung nicht zu beanstanden ist. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt darauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
1. Der in der Kapazitätsberechnung der UR ermittelte Curricularwert der Lehreinheit Vorklinik beläuft sich auf annähernd 2,42 und liegt damit ganz knapp unterhalb des gemäß Anlage 7 zu § 50 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den Staatlichen Hochschulen in Bayern (Hochschulzulassungsverordnung – HZV) vom 18. Juni 2007 verbindlich einzuhaltenden Curricularnormwerts. Soweit die Antragsteller vortragen, in die Berechnung des Curricularnormwerts seien mehrere, nach der Studienordnung vorgesehene Lehrveranstaltungen nicht ihrem tatsächlichen Umfang entsprechend miteinbezogen worden (namentlich das Praktikum „Einführung in die klinische Medizin“, dessen Gruppengröße von g = 15 auf g = 10 zu verringern sei sowie Lehrimporte aus der Biologie), verhilft dies ihren Beschwerden nicht zum Erfolg. Denn für die Kapazitätsberechnung ist nicht der von der Universität betriebene tatsächliche Ausbildungsaufwand, sondern ausschließlich der hierfür geltende Curricularnormwert maßgebend. Überschreitet die Universität mit ihrem tatsächlichen Ausbildungsaufwand den Curricularnormwert, so bleibt dies für die rechnerische Ermittlung der Aufnahmekapazität im Studiengang ohne Bedeutung (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.4.2016 – 7 CE 16.10034 u.a. – juris Rn. 8). Die Universität ist im Übrigen in der Gestaltung von Lehre und Studium frei. Sie ist insbesondere nicht zur Anwendung einer anderen, von den Antragstellern gewünschten Berechnungsmethode oder zu einer Erhöhung des Curricularanteils anderer Lehreinheiten zu Lasten des Curriculareigenanteils der zur Ausbildung der Studierenden im Studiengang (Humanmedizin, vorklinischer Abschnitt) berufenen Lehreinheit verpflichtet, solange das Lehrpersonal dieser Lehreinheit die Ausbildung der Studierenden selbst sicherstellen kann. Die von den Antragstellern gerügte Vorgehensweise der Universität kann schließlich auch nur zur Folge haben, dass der letztlich kapazitätsbestimmende Curriculareigenanteil geringer ausfällt als bei vollständiger Hinzurechnung des entsprechenden Ausbildungsaufwands. Nachdem ein (realitätswidrig) zu gering angesetzter Eigenanteil sich im Ergebnis kapazitätserhöhend auswirkt, könnten sich die Antragsteller auf eine insoweit bestehende Unrichtigkeit der Kapazitätsberechnung keinesfalls mit Erfolg berufen. Auch eine mögliche faktische Überschreitung des normativ festgesetzten Curricularnormwerts von 2,42 wäre unter diesen Umständen irrelevant, da keine unzulässige kapazitätsverzerrende „Niveaupflege“ vorliegt, solange in die Kapazitätsberechnung kein über dieser Schwelle liegender Curricularnormwert eingeht (so bereits BayVGH, B.v. 27.8.2010 – 7 CE 10.10278 u.a. – juris; vgl. B.v. 11.5.2016 – 7 CE 16.10025 – juris).
2. Zweifel an der Richtigkeit der Schwundberechnung der Universität bestehen ebenfalls nicht. Zwar zieht die UR – kapazitätsrechtlich nicht zwingend – beurlaubte Studierende vom Bestand ab. Diesbezüglich hat der Senat aber bereits in seinem – auch von Antragstellerseite zitierten – Beschluss vom 5. August 2015 (7 CE 15.10118) Folgendes ausgeführt:
„Eine „Korrektur“ der in die Schwundberechnung einbezogenen Bestandszahlen der Studenten kommt nach der Rechtsprechung des Senats nur dann in Betracht, wenn sich die Studentenzahlen aufgrund außergewöhnlicher Einflussfaktoren in „atypischer“ Weise entwickeln und diese im sonstigen Studienverlauf ungewöhnliche Entwicklung in geeigneter Weise rechnerisch auszugleichen oder zu neutralisieren ist. Dies kann etwa bei gerichtlich nachträglich zugelassenen Studenten der Fall sein, wenn sich bei Zugrundelegung der Bestandszahlen eine „ganz ungewöhnliche („positive“) Schwundquote“ ergeben würde. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass zwar eine über 1,0 liegende (Gesamt-)Schwundquote nach der Systematik des Kapazitätsrechts unzulässig wäre, einzelne, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende und nachvollziehbare Übergangsquoten mit einem Wert geringfügig über 1,0 hingegen nicht zu beanstanden sind. Ebenso müssen auch Studierende, die nicht mehr an der Fortführung ihres Studiums interessiert sind und deshalb an keinen Lehrveranstaltungen mehr teilnehmen, nicht aus dem Bestand herausgerechnet werden, solange sie immatrikuliert bleiben. Dies gilt auch für beurlaubte Studierende. Wenn die Universität nach eigenem Bekunden im Rahmen ihrer Schwundberechnung gleichwohl beurlaubte Studierende aus dem Bestand herausrechnet, führt dieses Vorgehen generell zu einem kapazitätsgünstigeren Ergebnis und ist deshalb vom Senat nicht zu beanstanden.“
Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang geltend machen, ein von ihnen im Rahmen der Beschwerdebegründung erstelltes Rechenbeispiel zeige, dass die Herausrechnung beurlaubter Studenten vorliegend zu einem kapazitätsungünstigeren Ergebnis führe und deshalb zwingend zu beanstanden sei, überzeugt dies nicht. Denn im Fall einer Zählung beurlaubter Studierender während ihrer Urlaubszeit im jeweiligen Fachsemester (aufrückend) zum Bestand wird ihre Lehrnachfrage zu einem anderen Zeitpunkt berücksichtigt, als bei ihrer diesbezüglichen „Herausrechnung“ (vgl. insoweit auch: VG Düsseldorf, B.v. 7.12.2017 – 15 NC 49/17 – juris). Entscheidend ist daher, dass im Rahmen der – stets prognostischen – Schwundberechnung ein einheitliches Berechnungsmodell zugrunde gelegt wird, also immer entweder mit oder ohne Beurlaubte. Das ist vorliegend der Fall.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben