Verwaltungsrecht

Ausschluss vom Unterricht

Aktenzeichen  M 3 S 19.6054

Datum:
12.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55827
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG Art. 86 Abs. 2 S. 1 Nr. 5
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Das Fehlverhalten des Antragstellers im Unterricht stellt eine gravierende Pflichtverletzung dar. Darauf durfte die Schule zu Recht mit dem Unterrichtsausschluss antworten. Als gewählte Ordnungsmaßnahme ist dieser zur Schwere des Verstosses auch verhältnismäßig.   (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Ausschluss vom Unterricht für vier Unterrichtstage.
Der Antragsteller besucht im laufenden Schuljahr 2019/2020 die 10. Jahrgangsstufe der städtischen B …-Realschule in M. (im Folgenden: die Schule).
Bereits mit Bescheid vom 18. November 2019 verfügte die Schule einen Unterrichtsausschluss des Antragstellers für die Zeit vom 26. bis zum 28. November 2019 aufgrund einer dem Antragsteller im Deutschunterricht am 18. November 2019 zur Last gelegten Störung. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch hin wurde der Bescheid mit Schreiben vom 25. November 2019 aufgehoben, da bestimmte Hinweise auf Verfahrensrechte nicht gegeben worden waren.
Mit Bescheid vom 29. November 2019 an die Alleinerziehungsberechtigte des Antragstellers, schloss die Schule den Antragsteller für vier Tage, von Montag, 16. Dezember 2019 bis einschließlich Donnerstag, 19. Dezember 2019 vom Unterricht der Schule aus. Die Schule begründete dies mit wiederholtem Fehlverhalten des Antragstellers im Unterricht und gegenüber Lehrkräften und stellte dabei auf seine Verhaltensweisen in den Unterrichtsstunden in Englisch am 12. November 2019 und in Deutsch am 18. November 2019 ab. In der Englischstunde habe der Antragsteller auf eine Aufforderung der Lehrerin, ein allen unbekanntes Wort nachzuschlagen, mit „Warum?“ reagiert. Nach Erklärung der Lehrkraft habe er gesagt: „Behandeln Sie mich respektvoller.“ In der anschließenden Gruppenarbeitsphase habe er nichts zu Papier gebracht und, hierzu befragt, als Grund dafür mit „Häää?“ reagiert und hinzugefügt: „Behandeln Sie mich erst mal respektvoll, dann antworte ich vielleicht auch anders.“ Im Deutschunterricht habe der Antragsteller die Aufforderung der Lehrkraft, die Unterrichtsmaterialien herauszunehmen und mitzuarbeiten mit „Was labern Sie überhaupt?“ kommentiert und im Anschluss die Mitarbeit, wie fast in jeder Deutschstunde seit Schuljahresbeginn verweigert und stattdessen seine Mitschülerinnen und Mitschüler mit Papierkügelchen beworfen. Als die Lehrkraft eine Ordnungsmaßnahme in Aussicht gestellt habe, habe er ein Blatt zur Hand genommen, vier Zeilen verfasst und danach das Werfen mit Papierkügelchen fortgesetzt.
Der Antragsteller wurde am 18. November 2019 mündlich zu den Vorgängen angehört. Mit Schreiben vom 25. November 2019, zugegangen am 26. November 2019, wurde die Erziehungsberechtigte des Antragstellers über das 2-malige Fehlverhalten des Antragstellers am 12. November und am 18. November 2019 informiert, auf Verfahrensrechte hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 29. November 2019 gegeben.
Am 28. November 2019 äußerte sich die Erziehungsberechtigten des Antragstellers mit einem im Betreff als „Zwischenmitteilung zu Ihrer Anhörung“ genannten Schreiben an die Schule und bat um Fristverlängerung und Akteneinsicht, zumindest bis zum 12. Dezember 2019, da für diesen Tag ein Gespräch mit dem Schulpsychologen vereinbart worden sei.
Die Erziehungsberechtigte des Antragstellers erhob am 6. November 2019 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid und beantragt zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. November 2019 über die Verhängung einer Ordnungsmaßnahme anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Stellungnahme zum Fehlverhalten des Antragstellers eine Fristverlängerung benötigt werde und zunächst die Antwort der Schule auf ihre im Schreiben vom 28. November 2019 gestellten Fragen abgewartet werden müsste. Es lägen Mängel im Verwaltungsverfahren vor; die Maßnahme sei jedoch auch unverhältnismäßig, da bisher keine Ordnungsmaßnahmen erlassen worden seien, jedenfalls sei eine mildere Maßnahme, zum Beispiel die Androhung eines Unterrichtsausschlusses möglich gewesen. Auch würde der Antragsteller den Unterrichtsstoff für 4 komplette Tage versäumen. Es stünden aktuell mehrere Lernkontrollen an, der Antragsteller befinde sich im Abschlussjahr, sodass eine Teilnahme am Unterricht für ihn wichtig sei. Auch bestünde die Sorge, dass die Maßnahme „Tür und Tor“ für weitere Maßnahmen der Schule eröffne.
Aufgrund der Kurzfristigkeit des Antrags entschied die Antragsgegnerin am 6. Dezember 2019 auf Anregung des Gerichts, den ursprünglich für Montag, 9. Dezember 2019 bis einschließlich Donnerstag, 12. Dezember 2019 vorgesehenen Vollzug des 4-tägigen Unterrichtsausschlusses um eine Woche auf Montag, 16. Dezember 2019 bis einschließlich Donnerstag, 19. Dezember 2019 zu verschieben.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2019 erwiderte die Antragsgegnerin auf den Antrag und beantragt den Antrag nach 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Der Bescheid über den Ausschluss vom Unterricht nach Art. 86 Abs. 2 Nr. 5 BayEUG sei sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. Die Ordnungsmaßnahme sei wegen der Dienstabwesenheit der Schulleiterin durch den Konrektor von der zuständigen Stelle verhängt worden. Die Verfahrensrechte des Antragstellers seien durch das Schreiben vom 25. November 2019 gewahrt worden. Des Weiteren stelle sich der von der Schule zutreffend ermittelte Sachverhalt als schulische Pflichtverletzung nach Art. 56 Abs. 4 Satz 1 BayEUG dar. Der Unterrichtsausschluss sei verhältnismäßig auch wenn bislang keine Ordnungsmaßnahmen gegenüber dem Schüler verhängt worden seien. Es seien bereits Erziehungsmaßnahmen ergriffen worden die wirkungslos gewesen seien. Mildere Ordnungsmaßnahmen (z.B. Verweis oder verschärfter Verweis) reichten zur Ahndung des Fehlverhaltens des Antragstellers nicht aus. Die Schule habe zur Aufrechterhaltung der schulischen Ordnung ein deutliches Zeichen setzen müssen. Gerade in einer Jahrgangsstufe, in der sich alle Schülerinnen und Schüler auf eine Abschlussprüfung vorbereiten, würden die Unterrichtsstörungen schwerwiegen. Auch habe bei der Auswahl der Ordnungsmaßnahme berücksichtigt werden dürfen, dass der Antragsteller für sein Alter an sich über die nötige Reife verfügen müsste, solche Unterrichtsstörungen zu unterlassen. Durch die Ordnungsmaßnahme solle an den Antragsteller, um seines eigenen Abschlusses willen, appelliert werden, sein Verhalten im Unterricht zu ändern.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keine Aussicht auf Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber nicht begründet
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO ist zulässig.
Der Antragsteller hat zeitgleich mit der Antragstellung nach § 80 Abs. 5 VwGO Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Die im Bescheid der Schule vom 29. November 2019 angeordnete Ordnungsmaßnahme des Ausschlusses vom Unterricht für vier Tage gemäß Art. 86 Abs. 2 Nr. 5 BayEUG ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar (Art. 88 Abs. 8 BayEUG). Daher ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO der hier statthafte Eilrechtsschutz.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Für die vom Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende eigene Ermessensentscheidung sind die Interessen der Beteiligten – unter Beachtung der vom Gesetzgeber in Art. 88 Abs. 8 BayEUG getroffenen Entscheidung zur sofortigen Vollziehbarkeit – abzuwägen. Wesentliches Element dieser Entscheidung ist die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, wie sie sich bei einer – im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen – summarischen Überprüfung darstellt. Ist die Erfolgsaussicht mit genügender Eindeutigkeit zu verneinen, ist der Antrag grundsätzlich abzulehnen; ist sie offensichtlich zu bejahen, ist die aufschiebende Wirkung in der Regel wiederherzustellen. Im Übrigen kommt es auch darauf an, wie schwer die angegriffene Maßnahme durch ihren Sofortvollzug in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift, ob und unter welchen Erschwernissen sie wieder rückgängig zu machen ist und wie dringlich demgegenüber das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung des angegriffenen Verwaltungsakts zu bewerten ist (vgl. BayVGH, B. v. 7.4.1995, 7 CS 95.1163 – m.w.N.).
Von diesen Grundsätzen ausgehend überwiegt hier das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Unterrichtsausschlusses die privaten Interessen des Antragstellers, da sich die Ordnungsmaßnahme nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist, jedenfalls aber keine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen ist.
a. Der mit Bescheid vom 29. November 2019 verfügte viertägige Ausschluss vom Unterricht findet in Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayEUG eine ausreichende Rechtsgrundlage. Als eine von mehreren möglichen Ordnungsmaßnahmen nennt Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayEUG den Ausschluss vom Unterricht für drei bis sechs Unterrichtstage durch die Schulleiterin bzw. den Schulleiter.
Anders als bei einer Ordnungsmaßnahme im Sinne von Art. 86 Abs. 2 Nr. 4 lit. a BayEUG oder Nr. 6 lit. a BayEUG (Ausschluss in einem Fach bzw. vom Unterricht für die Dauer von bis zu vier Wochen), deren Verhängung nur zulässig ist, wenn der Schüler durch schwere oder wiederholte Störung bzw. Fehlverfahren aufgefallen wäre, ist die streitgegenständlich Ordnungsmaßnahme des Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayEUG an keine weiteren materiellen Voraussetzungen geknüpft. Damit kommen insoweit die allgemeinen Voraussetzungen einer Ordnungsmaßnahme im schulischen Bereich zum Tragen. Voraussetzung einer Ordnungsmaßnahme ist es demnach, dass der betroffene Schüler einen entsprechenden Tatbestand erfüllt hat, in der Regel in Form eines schuldhaften, vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoßes gegen die schulische Pflicht (Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand: Oktober 2019, zu Art. 86 BayEUG, Ziffer 11.86 Rn. 2). Die Ordnungsmaßnahme muss dabei den Zielen des Art. 86 Abs. 1 BayEUG dienen. Dies bedeutet, dass sie nur zum Zweck der Erziehung des Schülers getroffen werden darf und in erster Linie darauf abzielen muss, den betroffenen Schüler an einer Wiederholung seines Fehlverhaltens zu hindern (Rux, Schulrecht, 6. Aufl. 2018, Rn. 447, 449).
b. Formelle Fehler im Rahmen des Verfahrens sind nicht erkennbar. Gemäß Art. 88 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG fiel die Entscheidung in die Zuständigkeit der Schulleiterin oder des Schulleiters der Schule. Der aufgrund der Dienstabwesenheit der Schulleiterin am Tag des Bescheids in Vertretung handelnde Konrektor entsprach diesem Zuständigkeitserfordernis. Der Antragsteller und seine allein sorgeberechtigte Mutter wurden auch ordnungsgemäß im Verfahren bezüglich der verhängten Ordnungsmaßnahmen beteiligt. Mit dem Antragsteller sprach die Schule unmittelbar am 18. November 2019 über sein Fehlverhalten. Der Erziehungsberechtigten des Antragstellers wurde vor Erlass des Bescheids mit Schreiben vom 25. November 2019 Gelegenheit zur persönlichen Äußerung bezüglich des vorgeworfenen Fehlverhaltens gegeben. Dem Anhörungserfordernis gemäß Art. 88 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 BayEUG wurde damit ausreichend Rechnung getragen. Außerdem wurden der Antragsteller und seine Mutter sowohl auf ihr Recht, sich vor der Verhängung der Ordnungsmaßnahme zu äußern (Art. 88 Abs. 3 Satz 2 BayEUG), als auch auf die ihnen gemäß Art. 88 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 BayEUG eröffnete Möglichkeit, die Anhörung von Beratungslehrkräften, Schulpsychologen und einer Lehrkraft ihres Vertrauens zu beantragen, hingewiesen.
Dieses Schreiben vom 25. November 2019, zugestellt per Post am 26. November 2019, erging auch nicht zu kurzfristig vor der Verhängung der Ordnungsmaßnahme am 29. November 2019. Die Anhörungsfrist war angesichts der getroffenen Ordnungsmaßnahme (4-tägiger Unterrichtsausschluss), die eher der niedrigen bis mittleren Eingriffsintensität zuzurechnen ist, nicht unangemessen kurz. Zumal sich die Mutter des Antragstellers mit Schreiben vom 28. November 2019 selbst ausführlich geäußert hat und sich somit erkennbar mit der Angelegenheit auseinander gesetzt hat. Sie hat in diesem Schreiben nicht die Beteiligung einer Beratungslehrkraft, eines Schulpsychologen oder einer Lehrkraft ihres Vertrauens beantragt, sondern vielmehr mitgeteilt, selbst mit dem Schulpsychologen einen Termin vereinbart zu haben, und eine längere Anhörungsfrist erbeten. Eine gesetzliche Verpflichtung der Schule, die Äußerungsfrist zu verlängern, besteht jedoch nicht. Diese ergibt sich auch nicht aus dem von der Antragstellerseite angeführten vorhergehenden, hier nicht streitgegenständlichen Unterrichtsausschluss, der mit Bescheid vom 18. November 2019 verfügt wurde, nach nochmaliger Überprüfung aus formalen Gründen jedoch aufgehoben wurde. Im Gegenteil kannte die Antragstellerseite aufgrund des vorhergehenden Verfahrens bereits einen Teil des dem Antragsteller zur Last gelegten Sachverhalts und konnte die Ernsthaftigkeit der Schule, dieses Verhalten mit einer Ordnungsmaßnahme zu belegen, erkennen.
c. Auch in materieller Hinsicht ist der viertägige Unterrichtsausschluss voraussichtlich rechtmäßig. Für die Auswahl der Ordnungsmaßnahmen kommt es vor allem darauf an, ob und in welchem Maß die Erfüllung des Schulzwecks gestört oder gefährdet und die Erziehungsverantwortung der Schule beeinträchtigt wurden. Es handelt sich um eine pädagogische Ermessensentscheidung, bei der neben der objektiven Feststellung und Gewichtung des Verstoßes auch die Person und das Verhalten des betreffenden Schülers anhand seines individuellen Entwicklungsstandes zu beurteilen ist (vgl. BayVGH, U.v. 10.3.2010, a.a.O. Rn. 38). Die Entscheidung, ob die gewählte oder eine weniger einschneidende Ordnungsmaßnahme ausgesprochen wird, hat sich daran zu orientieren, ob das schwere Fehlverhalten des Schülers auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen dieser Ordnungsmaßnahme auf ihn im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule oder wegen des Schutzes Dritter nicht mehr hingenommen werden kann und dem Schüler in dieser Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nicht geduldet werden kann. Diese Beurteilung entzieht sich einer vollständigen Erfassung nach rein rechtlichen Kriterien und bedingt sachnotwendig einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren pädagogischen Wertungsspielraum. Trotz dieser Grenzen der gerichtlichen Kontrolle haben die Gerichte aber den gegen die Ordnungsmaßnahme erhobenen Einwendungen nachzugehen und die pädagogische Bewertung der Schule auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen. Sie haben insbesondere zu kontrollieren, ob der Unterrichtsausschluss gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstößt. Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt es ferner, ob die Schule frei von sachfremden Erwägungen entschieden hat und ob sie ihre Entscheidungen auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung standhalten (vgl. BayVGH, B. v. 2.9.1993 – 7 CS 93.1736 -, BayVBl 1994, 346).
Die Wahl der Ordnungsmaßnahme orientiert sich an der Beeinträchtigung der Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule, an den Erfordernissen des Schutzes Dritter und daran, ob bisherige Ordnungs- und Erziehungsmaßnahmen Wirkung gezeigt haben oder dem Schüler in aller Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nicht weiter geduldet werden kann (BayVGH, B.v. 31.8.2018 – 7 CS 18.800 – juris).
Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen erweist sich die von der Schule getroffene Ordnungsmaßnahme bei der im vorliegenden Verfahren ausreichenden summarischen Überprüfung voraussichtlich als rechtmäßig. Die Schule durfte das Verhalten des Antragstellers als gravierende Pflichtverletzung ansehen und darauf mit ordnungsrechtlichen Mitteln reagieren (1); die gewählte Maßnahme war, wenn auch am oberen Rand der zur Verfügung stehenden Mittel, wohl gerade noch zur Schwere des Verstoßes verhältnismäßig (2).
(1) Zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags oder zum Schutz von Personen und Sachen können, soweit andere Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen, nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit förmliche Ordnungsmaßnahmen gegenüber einzelnen Schülern getroffen werden (Art. 86 Abs. 1 BayEUG). Im vorliegenden Fall ist die Schulleitung zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller mit seinem sich den Lehranweisungen der Lehrkräfte widersetzenden Verhalten im Unterricht die ihm als Schüler obliegenden Verhaltenspflichten in einer Weise verletzt hat, die sich nachteilig auf den Schul- und Unterrichtsbetrieb auswirken konnte.
Nach Art. 56 Abs. 4 BayEUG haben sich alle Schülerinnen und Schüler so zu verhalten, dass die Aufgabe der Schule erfüllt und das Bildungsziel erreicht werden kann (Satz 1); sie haben alles zu unterlassen, was den Schulbetrieb oder die Ordnung der von ihnen besuchten Schule stören könnte (Satz 3). Diese allgemeinen Pflichten, die aus der verfassungsrechtlich geforderten Funktionsfähigkeit des öffentlichen Schulwesens (Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 130 Abs. 1 BV) abzuleiten sind und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 101 BV) ebenso wie der grundrechtlich gewährleisteten Meinungsfreiheit der Schüler (Art. 5 Abs. 1 GG; Art. 110 Abs. 1 BV) rechtliche Schranken setzen (vgl. BayVGH, U.v. 10.3.2010 – 7 B 09.1906 -, juris, Rn. 30), wurden vorliegend durch den Antragsteller verletzt. Er missachtete die Unterrichtsaufträge der Lehrkräfte und störte durch seine unangemessenen Kommentare und das Werfen von Papierkügelchen den Unterrichtsverlauf und damit auch die Konzentration seiner Mitschüler. Diesem Fehlverhalten kommt insofern noch höheres Gewicht zu, als sich der Antragsteller in der letzten Jahrgangstufe vor der Abschlussprüfung befindet.
(2) Der viertägige Unterrichtsausschluss ist, auch unter dem Gerichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, voraussichtlich rechtlich nicht zu beanstanden.
Zwar ist nach eigenem Vortrag der Schule, bislang noch keine Ordnungsmaßnahme gegenüber dem Antragsteller verhängt worden. Allerdings wurde dem Antragsteller bereits im Wege anderer Erziehungsmaßnahmen vor Augen geführt, dass sein Verhalten von der Schule nicht toleriert wird. So hat etwa die Deutschlehrkraft bereits seit Schuljahresbeginn 2019/2020 mehrere Gespräche mit dem Antragsteller bezüglich seiner mangelhaften Arbeitshaltung geführt, die jedoch keine Wirkung gezeigt hatten. Schließlich hat auch die Ankündigung der Deutschlehrerin in der Deutschstunde vom 18. November 2019, eine Ordnungsmaßnahme auszusprechen, keine Wirkung gezeigt. Der Antragsteller hat zwar kurzzeitig begonnen, dem Arbeitsauftrag der Lehrkraft zu folgen und brachte vier Zeilen aufs Papier, setzte jedoch im Anschluss unmittelbar sein störendes Verhalten (Werfen von Papierkügelchen) fort. Die von der Mutter des Antragstellers angeführte mildere Maßnahme einer Androhung eines Unterrichtsausschlusses, ist damit bereits erfolgt.
Vor dem Hintergrund der gerade in der Abschlussklasse der Realschule als schwerwiegende Pflichtverletzung einzuschätzende Unterrichtsstörung des Antragstellers (s. vorgehend unter 2.c.(1)), stellte sich daher die Entscheidung der Schule, der Antragsteller lasse sich ein milderes Mittel als den Unterrichtsausschluss nicht zur Verhaltensänderung gereichen lassen, als nicht unverhältnismäßig dar und liegt in dem nicht vom Gericht zu überprüfenden pädagogischen Ermessensspielraum der Schule.
Darüber hinaus besteht an die Reihenfolge der Ordnungsmaßnahmen des Art. 86 Abs. 2 BayEUG keine Bindung. Es liegt im pädagogischen Ermessen der Schule, eine geeignete und angemessene Ordnungsmaßnahme zu verhängen. Das Gesetz fordert damit keineswegs zwingend vor der Verhängung eines Unterrichtsausschlusses für bis zu 6 Unterrichtstage den Erlass eines schriftlichen oder verschärften Verweises. Schließlich knüpft der Unterrichtsausschluss nach Art. 86 Abs. 2 Nr. 5 BayEUG auch an keine weiteren materiellen Voraussetzungen als die in Art. 86 Abs. 2 Nummer 1 bis 3 BayEUG genannten Ordnungsmaßnahmen.
Des Weiteren ist auch das Alter des Antragstellers zu berücksichtigen (Rux, Schulrecht, a.a.O., Rn. 449). In der 10. Jahrgangsstufe und damit auch letzten Klasse der Realschule, müsste der Antragsteller, gerade in Aussicht auf seinen weiteren Werdegang, an sich über die nötige Reife verfügen, die besagten Unterrichtsstörungen zu unterlassen. Der zeitweise Ausschluss soll den Schüler zur Einsicht bringen, dass ihm in der Schule besondere Leistungen angeboten werden und eine Störung ihm selbst Schaden bringt (Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, a.a.O., zu Art. 86 BayEUG, Ziffer 11.86 Rn. 10.1). Die gewählte Ordnungsmaßnahme verfolgt damit in nicht zu beanstandender Weise den Zweck, an die Einsichtsfähigkeit des Antragstellers zu appellieren, um seines eigenen Abschlusses willen, eine Wiederholung seines Fehlverhaltens im Unterricht zu unterlassen.
Schließlich ist ein Unterrichtsausschluss auch nicht gleichbedeutend mit einem – wohl unangemessenen – Schulausschluss, sodass die Schule nicht gehindert ist, den Antragsteller, auch während seines Unterrichtsausschlusses mit zu bearbeitenden Unterlagen zu versorgen, beispielsweise im Wege eines morgendlichen Abholtermins von etwaigen Arbeitsblättern für den Antragsteller bei der Schulleitung. Doch auch unabhängig davon, ist der Antragsteller verpflichtet, den Unterrichtsstoff in Eigeninitiative zu bearbeiten, indem er sich beispielsweise vorab bei den Lehrkräften oder im Unterrichtsanschluss bei den Mitschülern über den Unterrichtsstoff informiert. Etwaige Prüfungen, die im Zeitraum des Unterrichtsausschlusses stattfinden, können nachgeholt werden, der Antragsteller wird von ihnen somit nicht ausgeschlossen. Auch besteht je nach Einzelfall die Möglichkeit für die Schule, den Schüler trotz Ausschlusses vom Unterricht an einzelnen Unterrichtsstunden im Vorfeld einer Schulaufgabe teilnehmen zu lassen (vgl. zu den Möglichkeiten der Selbsterarbeitung des Unterrichtsstoffes, Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, a.a.O., zu Art. 86 BayEUG, Ziffer 11.86 Rn. 10.2).
Die Schule hat somit auf den zutreffend festgestellten Pflichtenverstoß in rechtlich nicht zu beanstandender Weise reagiert. Die Erfolgsaussichten des Antragstellers in der Hauptsache sind aus den dargestellten Gründen als gering anzusehen.
Der Antrag war gemäß § 80 Abs. 5 VwGO deshalb abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des Verfahrens auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.


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