Verwaltungsrecht

Ausweisung, Asylbewerber, Erhöhter Ausweisungsschutz, Rechtskräftige Verurteilung, Unterstützen einer terroristischen Vereinigung, Abstandnehmen von sicherheitsgefährdendem Handeln, Aufenthaltserlaubnis, Einreise- und Aufenthaltsverbot, 20-Jahresfrist der Wiedereinreisesperre, Beweisanträge, Richterablehnung

Aktenzeichen  W 7 K 20.612

Datum:
26.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 43244
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 11 Abs. 5a
AufenthG § 53 Abs. 3
AufenthG § 53 Abs. 4 S. 2 Nr. 1
AufenthG § 54 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 54 Abs. 1 Nr. 2
VwGO § 54 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

I.
Über die Klage kann die Kammer in ihrer Besetzung in der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2021 entscheiden. Das in der mündlichen Verhandlung (nach Ablehnung im Vorfeld der mündlichen Verhandlung mit Beschluss vom 22. Juli 2021) erneut gestellte Ablehnungsgesuch gegen die Richter der Kammer war als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig abzulehnen. Ein rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch darf in Abweichung von § 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 45 Abs. 1 ZPO von dem Spruchkörper in der Besetzung mit den Richtern abgelehnt werden, gegen die sich das Ablehnungsgesuch richtet. Ein Ablehnungsgesuch ist als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, wenn es überhaupt nicht oder nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können und in der Art und Weise seiner Anbringung ein gesetzeswidriger und damit das Instrument der Richterablehnung missbrauchender Einsatz dieses Rechts erkennbar wird (OVG NRW, B.v. 15.1.2021 – 4 A 100/21 – juris Rn. 1 m.w.N.). Nach diesem Maßstab ist das Ablehnungsgesuch, welches pauschal gegen die Richter der erkennenden Kammer gerichtet ist, schon deshalb rechtsmissbräuchlich, weil es sich um ein wiederholtes Ablehnungsgesuch handelt, welches vom Gericht bereits verbeschieden wurde. Das Gericht hat das Befangenheitsgesuch bereits mit Beschluss vom 22. Juli 2021 – der dem Bevollmächtigten des Klägers am 23. Juli 2021 und damit vor der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2021 zugestellt worden ist – abgelehnt. Auf erneute Verbescheidung dieses Ablehnungsgesuchs hat der Kläger keinen Rechtsanspruch. Des Weiteren hat das Gericht in dem genannten Beschluss ausgeführt, dass die umfassende (pauschale) Ablehnung aller Richter eines erkennenden Spruchkörpers den Rechtsmissbrauch indiziert, soweit keine individuellen Gründe für die Ablehnung der einzelnen zur Entscheidung berufenen Richter(innen) geltend gemacht werden (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 54 Rn. 26 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 54 Rn. 12). Derartige Gründe hat der Kläger in seiner – erkennbar im Vorfeld verfassten und in der mündlichen Verhandlung übergebenen – Richterablehnung (vgl. Anlage zum Sitzungsprotokoll) nicht substantiiert vorgebracht. Insbesondere ist er nicht auf die vom Gericht gegebenen Begründungen der Ablehnungen der gestellten Beweisanträge gemäß § 86 Abs. 3 VwGO eingegangen und hat nicht erläutert, inwiefern sich daraus eine Befangenheit ergeben können sollte. Allein die Vorbefassung der Kammer bzw. einzelner Richter(innen) derselben mit dem Gesamtkomplex des Verwaltungsstreitverfahrens des Klägers oder einzelnen Teilen desselben vermag, wie im Beschluss vom 22. Juli 2021 ausgeführt, außerhalb der abschließenden Regelung des § 41 Nr. 6 ZPO keine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Denn das Prozessrecht ist von dem Gedanken geprägt, dass ein Richter auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Rechtssache heranzugehen vermag, wenn er bereits früher damit befasst war und sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat (Hoppe in Eyermann a.a.O., § 54 Rn. 15; BVerwG, B.v. 28.5.2009 – 5 PKH 6.09 – NVwZ 2009, 662, juris Rn. 4, 5).
II.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die angegriffenen Verwaltungsakte unter den Ziffern 1 und 4 des Bescheides des Beklagten vom 14. Mai 2018 in der Fassung des Änderungsbescheides zu Ziffer 3 vom 22. September 2020 sowie der Änderung der Ziffer 4 in der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2021 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, siehe 1., 3.). Des Weiteren hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, weshalb die Ablehnung derselben unter der Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides ebenfalls rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, siehe 2.). Die ursprünglich unter der Ziffer 3 verfügte Abschiebungsandrohung ist nach ihrer Aufhebung durch den Beklagten, Abtrennung und Einstellung dieses Verfahrensteils nicht mehr Gegenstand der vorliegenden Klage (siehe dazu die beigezogene Gerichtsakte zum Az.: W 7 K 21.59).
1. Die Ausweisung des Klägers aus dem Bundesgebiet (Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides) erweist sich als rechtmäßig.
a) Die Ausweisungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 und Abs. 3 AufenthG. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – InfAuslR 2013, 418, Rn. 8; U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277, Rn. 12 m.w.N.). Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere war die Regierung von Mittelfranken – Zentralstelle Ausländerextremismus Nordbayern – nach § 3 Abs. 4 Satz 1, 2 der Verordnung über die Zuständigkeiten zur Ausführung des Aufenthaltsgesetzes und ausländerrechtlicher Bestimmungen in anderen Gesetzen (ZustVAuslR) in der bei Bescheidserlass gültigen Fassung vom 14. Juli 2005 (BayRS 26-1-1-I) sachlich und gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) des Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG in Verbindung mit § 5 Abs. 5 ZustVAuslR (i.d.F. v. 14.7.2015) örtlich zuständig. Des Weiteren wurde der Kläger gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor dem Erlass der streitgegenständlichen Verfügungen angehört.
b) Die Ausweisungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig. Ein Ausweisungsgrund liegt vor, weil der Kläger durch sein persönliches Verhalten Grundinteressen der Gesellschaft gefährdet (siehe aa)), wobei von einer gegenwärtigen Gefährdung, also einer konkret drohenden Wiederholungsgefahr auszugehen ist (bb)). Des Weiteren ist zu Lasten des Klägers ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gegeben (siehe cc)). Dieses besonders schwere Ausweisungsinteresse überwiegt in der erforderlichen Interessenabwägung auch das Bleibeinteresse des Klägers (dd)).
aa) Gegen den Kläger liegt ein Ausweisungsgrund nach § 53 Abs. 1, Abs. 3 AufenthG vor. Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Da der Kläger einen weiteren Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht rechtskräftig entschieden ist, genießt er den erhöhten Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG. Gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird. Dies gilt auch für Asylfolgeverfahren wie das im Falle des Klägers anhängige Verfahren, da dieses einen Asylantrag im Sinne des § 14 AsylG voraussetzt (Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Stand 1.4.2021, AufenthG § 53 Rn. 135, 138; vgl. auch Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 53 Rn. 101). Nach § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG wird von der Bedingung nach Satz 1 abgesehen, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der nach Abs. 3 (des § 53 AufenthG) eine Ausweisung rechtfertigt. Gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG darf ein unter den genannten Personenkreis fallender Ausländer nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Diese Regelung modifiziert für die dort genannten Personengruppen den Ausweisungsmaßstab – tatbestandlich – im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, indem sie die Ausweisung nur aus spezialpräventiven Gründen und zum Schutz eines spezifischen Rechtsgutes (des „gesellschaftlichen Grundinteresses“) zulässt. Eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen, d.h. zur Abschreckung anderer Ausländer von der Begehung von Straftaten, ist damit ausgeschlossen (EuGH, U.v. 10.2.2000 – C-340/97, Nazli – NVwZ 2000, 1029/1032, juris Rn. 59, 63; Fleuß in Kluth/Heusch, AufenthG, Stand 1.4.2021, § 53 Rn. 112 f.; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 53 Rn. 66). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – juris Rn. 16 m.w.N.). Ob die Ausweisung zum Schutze des gefährdeten Rechtsguts unerlässlich ist, entscheidet sich dabei anhand einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme (BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – juris Rn. 21; VGH BW, U.v. 10.2.2012 – 11 S 1361/11 – juris Rn. 73; Fleuß in Kluth/Heusch a.a.O., AufenthG § 53 Rn. 117 m.w.N.; Bauer in Bergmann/Dienelt a.a.O., AufenthG § 53 Rn. 83). Dabei sind die Dauer des Aufenthalts im Hoheitsgebiet des ausweisenden Mitgliedstaates, das Alter der betroffenen Person, die Folgen der Maßnahme für die betroffene Person und ihre Familienangehörigen und die Bindungen zum Aufenthaltsstaat bzw. fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (EuGH, U.v. 11.6.2020 – C-448/19 – juris Rn. 25; Fleuß in Kluth/Heusch a.a.O., AufenthG § 53 Rn. 117). Die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK, sind dabei entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen (EuGH, U.v. 8.12.2011 – C-371/08, Ziebell – juris Rn. 82; BayVGH, B.v. 10.7.2017 – 10 ZB 17.952 – juris Rn. 9; Fleuß in Kluth/Heusch a.a.O., AufenthG § 53 Rn. 117). Überwiegt nach diesen Maßstäben das Ausweisungsinteresse, so ist der Ausländerbehörde auf der Rechtsfolgenseite kein Ermessen eingeräumt, d.h. die Ausweisung muss verfügt werden (BayVGH, B.v. 18.7.2019 – 10 ZB 19.776 – juris Rn. 8; Fleuß in Kluth/Heusch a.a.O., AufenthG § 53 Rn. 112).
Diese erhöhten Voraussetzungen des § 53 Abs. 1, Abs. 3 AufenthG sind vorliegend zur vollen Überzeugung des Gerichts gegeben. Durch das persönliche Verhalten des Klägers ist ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung ist für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich. Der Kläger hat um Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland geworben und versucht, andere Personen zum Totschlag sowie zu vorsätzlicher Körperverletzung anzustiften. Durch dieses Verhalten gefährdet der Kläger die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit von Menschen und der Erhaltung bedeutender Sachwerte, welche durch terroristische Anschläge oder terroristisch motivierte Gewalttaten bedroht werden, des Weiteren die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch die Beeinträchtigung des Bestands und der Funktions- und Handlungsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen und wichtigen öffentlichen Dienste und die Gefährdung des Überlebens (von Teilen) der Bevölkerung (vgl. Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, AufenthG § 53 Rn. 123 m.w.N.), sowie die freiheitlich-demokratische Grundordnung, wie sie im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verankert ist, in der Gestalt der für den freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat schlechthin unverzichtbaren Grundsätze, allen voran das Prinzip der Menschenwürde iSd Art. 1 Abs. 1 GG, welches durch die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit näher ausgestaltet wird, die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (Fleuß in Kluth/Heusch a.a.O., § 53 Rn. 14).
Von den zugrundeliegenden Tatsachen kann das Gericht aufgrund der nachvollziehbaren und schlüssigen Feststellungen sowie der Beweisaufnahme und -würdigung im rechtskräftigen Strafurteil des Staatsschutzsenats beim OLG München vom 2. August 2018 ausgehen, weil sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht aufdrängt (BVerwG, B.v. 8.5.1989 – 1 B 77.89 – Inf-AuslR 1989, 269/270; B.v. 16.9.1986 – 1 B 143.86 – juris Rn. 4; Fleuß in Kluth/Heusch a.a.O., AufenthG § 53 Rn. 27). Die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge des Klägers waren – soweit es sich überhaupt um Beweisanträge handelt, d.h. abgesehen von den unter nachfolgend (9) und (10) abgehandelten Anträgen – gemäß § 86 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Eine Beweisaufnahme durch das Gericht war deshalb nicht erforderlich.
(1) Der Beweisantrag, Herrn Oberinspektor im Justizvollzugsdienst H. als Zeugen zu vernehmen, war entsprechend § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abzulehnen, da es sich bei der beantragten Zeugenvernehmung um ein untaugliches Beweismittel handelt. Ein Beweisantrag stellt das ernsthafte, unbedingte (oder an eine Bedingung geknüpfte, wobei dann keine Pflicht zur Vorabverbescheidung gemäß § 86 Abs. 2 VwGO besteht) Verlangen eines Prozessbeteiligten gegenüber dem Gericht dar, über eine die Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite einer entscheidungserheblichen Rechtsnorm betreffenden Tatsache durch bestimmte, nach der Prozessordnung vorgesehene Beweismittel Beweis zu erheben (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 52). Das im Beweisantrag bezeichnete Beweismittel muss abstrakt gesehen geeignet sein, für den behaupteten Umstand Beweis zu erbringen. Das erfordert bei einem Zeugenbeweis die nachvollziehbare Darlegung, weshalb die betreffende Person Kenntnis von der Tatsache haben kann, über die sie aussagen soll. Deshalb muss zum einen im Beweisantrag angegeben werden, was der Zeuge im Kern bekunden soll. Zum anderen kann ein Zeuge grundsätzlich nur über seine eigenen Wahrnehmungen vernommen werden (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann a.a.O., § 86 Rn. 55). An diesen Voraussetzungen fehlt es bei dem vorliegenden Beweisantrag. Der Kläger hat seinen Beweisantrag lediglich mit Mutmaßungen begründet, was der Zeuge im Falle seiner Vernehmung aussagen könnte. Er hat nicht dargelegt, woher der Zeuge wissen und inwiefern er aus eigener Wahrnehmung bekunden können soll, dass der im Strafverfahren vernommene Zeuge M.A. seine den Kläger belastenden Aussagen den Medienberichten entnommen und diese nur getätigt hat, um seine eigene Haftsituation zu verbessern. Der vorliegend als Zeuge angebotene Justizvollzugsbeamte kann insoweit allenfalls Zeuge vom Hörensagen sein, der aber gerade nicht über eigene Wahrnehmungen beweiserheblicher Tatsachen, sondern nur über mittelbar erlangtes Wissen aussagen kann. Weiter ist nicht dargelegt, inwiefern der benannte Zeuge H. Aussagen zur angeblich toleranten Einstellung des Klägers gegenüber Menschen mit anderer religiöser Überzeugung machen können soll. Gegenstand der vom Kläger erwarteten Aussagen des Zeugen ist seine religiöse Einstellung bzw. Motivation und damit eine innere Tatsache, welche einem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist. Soweit der Zeuge schließlich bekunden soll, dass der Kläger sich von seiner bisherigen sympathisierenden Haltung zum IS im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG distanziert habe, so ließe dies noch keinen Rückschluss auf die Glaubhaftigkeit einer solchen Distanzierung zu. Dem Kläger wäre eine deutliche Erklärung hierüber während des gesamten Verwaltungsverfahrens und auch in der mündlichen Verhandlung unbenommen geblieben, diese hat er jedoch nicht abgegeben.
(2) Der Beweisantrag, verschiedene Personen zum Beweis der guten Sozialprognose des Klägers vor der Haft bzw. im M.studium als Zeugen zu vernehmen, war abzulehnen, denn diese Behauptung kann als wahr unterstellt werden. Der Beweisantrag zielt darauf ab, die Gefahrenprognose in einer für den Kläger günstigen Weise zu beeinflussen. Bei der vom Gericht eigenständig anzustellenden Gefahrenprognose handelt es sich um einen Vorgang der Rechtsfindung, der einer Beweisaufnahme grundsätzlich nicht zugänglich ist (BayVGH, B.v. 18.5.2021 – 19 ZB 20.65 – juris Rn. 87 m.w.N.). Nur wenn es auf das Vorliegen bestimmter tatsächlicher Umstände ankommt, für deren Beurteilung dem Gericht die notwendige Sachkunde fehlt, kommt insoweit eine Beweiserhebung in Betracht. Dies ist hier aber schon deshalb nicht relevant, weil das Gericht eine eigenständige Sozialprognose anhand der Umstände anstellt, welche zeitlich nach den Straftaten und deren rechtskräftiger Verurteilung eingetreten sind. Maßgeblich ist hierfür der Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung. Die Straftaten, auf welche die Ausweisung gestützt wird, bzw. deren rechtskräftige Verurteilung bilden insoweit eine sachliche Zäsur mit der Folge, dass vor dem Betrachtungszeitpunkt liegende günstige persönliche Entwicklungen für die notwendigerweise in die Zukunft gerichtete Prognose grundsätzlich außer Betracht bleiben. Das Gericht verkennt ausdrücklich nicht, dass der Kläger vor seiner Radikalisierung und Hinwendung zum IS und den daraus resultierenden Straftaten eine positive Sozialprognose gehabt haben mag. Durch seine Straftaten ist diese positive Prognose aber widerlegt worden.
(3) Der Beweisantrag, verschiedene Personen zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger neben seinem Studium in verschiedenen Arbeitsverhältnissen gearbeitet hat, als Zeugen zu vernehmen, war abzulehnen. Auch diese Behauptung des Klägers kann als wahr unterstellt werden. Die früheren Arbeitsverhältnisse des derzeit in Haft befindlichen Klägers vermögen die Gefahrenprognose aus den unter (2) genannten Gründen nicht in seinem Sinne positiv zu beeinflussen.
(4) Der Beweisantrag, verschiedene Personen als Zeugen zu vernehmen zum Beweis seines guten Verhältnisses zu Frauen, war abzulehnen. Diese Behauptung kann als wahr unterstellt werden. Das Verhältnis des Klägers zu Frauen in der Vergangenheit vermag seine in die Zukunft gerichtete Sozialprognose nicht maßgeblich günstig zu beeinflussen. Die Gefahren, welche vom Täter ausgehen, sind nicht wesentlich durch sein angebliches Verhältnis zu Frauen bzw. durch seine Einstellung zu deren rechtlicher und gesellschaftlicher Stellung in Deutschland beeinflusst, sondern durch die von ihm begangenen Unterstützungshandlungen für eine terroristische Vereinigung und die damit von ihm ausgehenden terroristischen Gefahren.
(5) Der Beweisantrag, verschiedene Personen zum Beweis des guten Verhältnisses des Klägers zu seinen Professoren sowie zu seinen Kommilitoninnen und Kommilitonen verschiedener Glaubensrichtungen als Zeugen zu vernehmen, war abzulehnen. Auch diese Behauptung kann als wahr unterstellt werden. Das persönliche Verhältnis des Klägers zu (einzelnen) Personen anderen Glaubens in der Vergangenheit vermag seine in die Zukunft gerichtete Sozialprognose nicht maßgeblich günstig zu beeinflussen. Die Gefahren, welche vom Täter ausgehen, sind wesentlich durch die von ihm begangenen Unterstützungshandlungen für eine terroristische Vereinigung und die damit von ihm ausgehenden terroristischen Gefahren begründet. Auch wenn der Kläger im persönlichen Kontakt keine Vorbehalte gegenüber Personen mit anderer Religionszugehörigkeit gehabt oder zu erkennen gegeben haben mag, könnte dies nicht darüber hinweghelfen, dass er eine terroristische Vereinigung unterstützt hat, die sich zur Rechtfertigung ihrer Taten auf den Islam beruft. Die Motivation des Klägers bei seinen Taten ist für die Gefahrenprognose allenfalls von untergeordneter Bedeutung.
(6) Der Beweisantrag, Dokumentarfilme von ntv und ARD zum Islamischen Staat in Augenschein zu nehmen, war abzulehnen. Soweit der Kläger damit die Behauptung unter Beweis stellen will, die bei ihm beschlagnahmten Videos seien gefahrenabwehrrechtlich nicht relevant, ist die beantragte Beweisaufnahme unbehelflich. Es ist weder ersichtlich noch dargelegt, inwiefern die genannten Dokumentationen öffentlich-rechtlicher oder unter staatlicher Aufsicht stehender privater Fernsehanstalten eine Verharmlosung des oder Propaganda für den IS darstellen könnten und dadurch das strafrechtlich relevante und rechtskräftig abgeurteilte Verhalten des Klägers gerechtfertigt oder entschuldigt wäre. Einen Beleg oder Anhaltspunkte für ein angeblich manipulatives Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden zu seinen Lasten hat der Kläger nicht geliefert. Die genannten Fernsehdokumentationen sind dazu ersichtlich ungeeignet. Die strafrechtliche Beurteilung des klägerischen Verhaltens war Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens. Wie ausgeführt, hat das Gericht keine Zweifel an der dort vorgenommenen Beweisaufnahme und deren Ergebnissen, ebenso wenig an der Einstufung des IS als terroristischer Organisation.
(7) Der Beweisantrag, Herrn J. G. für bestimmte Aussagen des damaligen Bundesinnenministers D. M. als Zeugen zu vernehmen, war abzulehnen. Dieses Beweismittel ist unbehelflich, denn ein Bezug zu dem vorliegenden Verfahren ist weder erkennbar noch vom Kläger dargelegt worden. Gegenstand im vorliegenden Verfahren ist, wie ausgeführt, die auf das persönliche Verhalten des Klägers in der Vergangenheit gestützte zukunftsbezogene Gefahrenprognose.
(8) Der Beweisantrag, Herrn … G. S. als Sachverständigen zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, dass es in Nordsyrien keine Telefon- oder Internetverbindung gibt, war abzulehnen. Diese Behauptung kann als wahr unterstellt werden, da es andere Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu den Familienangehörigen des Klägers gibt. Die Frage, ob der Kläger im Falle der Aufenthaltsbeendigung in Deutschland und der Rückkehr in sein Herkunftsland Syrien die Möglichkeit hätte, seine Familienangehörigen – zu denen er derzeit angeblich keinen Kontakt hat und deren derzeitigen Aufenthaltsort er angeblich nicht kennt – aufzufinden bzw. wieder zu kontaktieren, wirkt sich nicht wesentlich auf die Abwägung seines Bleibeinteresses mit dem Ausweisungsinteresse bzw. auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des angeordneten Verbots der Nutzung internetgestützter Kommunikationsmittel aus. Denn zum einen ist es dem Kläger nicht unmöglich, gegebenenfalls mit der Unterstützung von privaten Hilfsorganisationen seine Verwandten in Syrien zu suchen. Zum anderen kann es dem Kläger als gesundem, erwachsenem Mann, der nicht auf fremde Hilfe angewiesen ist und bis zu seinem 25. Lebensjahr in Syrien gelebt hat, auch zugemutet werden, allein dorthin zurückzukehren. Ob ihm dort – auf sich alleine gestellt – zielstaatsbezogene Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG drohen, ist Gegenstand des laufenden Asylverfahrens und vom Gericht im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, zumal wegen der zwischenzeitlichen Aufhebung der Abschiebungsandrohung derzeit nicht mit einer erzwungenen Aufenthaltsbeendigung zu rechnen ist.
(9) Der Antrag, die Beklagtenvertreterin Frau L. zu einer Erklärung in Bezug auf § 75 VwGO aufzufordern, war abzulehnen. Bei diesem Antrag handelt es sich schon nicht um einen Beweisantrag. Für den Antrag fehlt es auch an einer prozessrechtlichen Grundlage, denn der Kläger hat vor dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheides keine Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben. Die von dem Kläger behauptete Untätigkeit der Behörde war jedenfalls mit Verbescheidung seines Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis unter der Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides beendet, weshalb der statthafte Rechtsbehelf die – vom Kläger auch erhobene und im vorliegenden Verfahren zu prüfende – Verpflichtungsklage in der Gestalt der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO ist. Dem gegenüber stellt eine Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO kein von der Prozessordnung gedecktes Mittel dar, um nach Ergehen einer behördlichen Sachentscheidung eine behauptete Verfahrensverzögerung zu sanktionieren.
(10) Der Antrag in Bezug auf die am 1. Juni 2021 erhobene Verzögerungsrüge war ebenfalls abzulehnen. Auch bei diesem Antrag handelt sich nicht um einen Beweisantrag. Das Gericht hat den Kläger bzw. seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 21. Juni 2021 darauf hingewiesen, dass es sich bei einer Entschädigungsklage wegen gerichtlicher Verfahrensverzögerung gemäß § 198 Abs. 5 ZPO in Verbindung mit § 173 Satz 1 VwGO um eine eigenständige Klage handelt, welche gemäß § 201 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 173 Satz 2 VwGO bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu erheben wäre. Des Weiteren hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die erhobene Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 ZPO keinen eigenständigen Rechtsbehelf darstellt, der vom Gericht (vorab) zu verbescheiden wäre (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 173 Rn. 15). Diese dient vielmehr dem Zweck, den behaupteten Anspruch auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer zu erhalten, und ist insoweit Ausdruck des Grundsatzes des vorrangigen Primärrechtsschutzes. Offenbleiben kann deshalb, welchen Schaden der in Haft befindliche Kläger infolge der behaupteten Verzögerung des gerichtlichen Verfahrens erlitten haben will.
bb) Des Weiteren bedarf es für die Rechtmäßigkeit der Ausweisung der Feststellung, dass die von dem Ausländer ausgehende Gefahr im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt fortbesteht (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11, juris Rn. 16; U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11, juris Rn. 18; U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 26). Erforderlich ist die Prognose, dass die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schadenseintritt an den gesetzlich genannten Schutzgütern führen wird, mithin eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht, wobei an die Wahrscheinlichkeit umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 55 m.w.N.). Nach der Überzeugung der Kammer ergibt die vorzunehmende Zukunftsprognose unter Würdigung der vorliegenden Gesamtumstände, dass die von dem Kläger ausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sowie der freiheitlich demokratischen Grundordnung auch weiterhin andauert. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger bisher nicht von seiner jihadistischen, extremistischen Einstellung abgerückt ist, spricht für eine fortbestehende Wiederholungsgefahr. Hierbei handelt es sich regelmäßig auch nicht um Ansichten, die einer kurzfristigen Wandlung unterliegen. Vielmehr bezeichnete sich der Kläger nach den strafgerichtlichen Feststellungen noch während der Untersuchungshaft als Mitglied des IS und stellte gegenüber Mitgefangenen die Vorgehensweise und Handlungen des IS als billigens- und achtenswert dar. Wie der Beklagte überzeugend ausführt, besteht aufgrund der aktuellen Sicherheitslage weiterhin die erhebliche Gefahr terroristischer Anschläge in Deutschland. Angesichts der hierbei drohenden schweren Folgen für die geschützten Rechtsgüter, insbesondere das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Menschen ist auch künftig mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit weiteren sicherheitsgefährdenden Handlungen zu rechnen. Dem gegenüber ergibt eine Bewertung des in der Haft gezeigten Verhaltens des Klägers, der Einschätzungen der Sicherheitsbehörden sowie der sonstigen persönlichen Umstände des Klägers keine günstige Sozialprognose, welche gegen eine konkrete Wiederholungsgefahr sprechen könnte. Das Verhalten des Klägers in der Haft, wie es den Führungsberichten der JVA W. vom … … 2019 sowie der JVA N. vom … … 2021 entnommen werden kann, spricht nicht für einen (gefestigten) Gesinnungswandel und eine daraus resultierende Abkehr des Klägers von seinen bisherigen sicherheitsgefährdenden Überzeugungen. Vielmehr sprechen die Berichte von zwar oberflächlich freundlichem, aber sehr beharrlichem und uneinsichtigem Verhalten des Klägers und es klingen aufgrund verschiedener Äußerungen des Klägers gegenüber Mitgefangenen und Personal der JVA auch aktuell Sicherheitsbedenken an. Deutlich gegen einen Einstellungswandel und eine daraus resultierende abgesenkte Gefährlichkeit spricht auch die Stellungnahme der Deradikalisierungseinheit des LKA (vgl. Gerichtsakte). Danach besteht derzeit eine hohe Wiederholungswahrscheinlichkeit, weil bei dem Kläger keine Erfolgsaussichten für Deradikalisierungsmaßnahmen gesehen werden. Hinzu kommt, dass sich der Kläger bislang nicht außerhalb des Strafvollzugs bewährt hat (und bewähren konnte). Solange sich ein straffällig gewordener Ausländer nicht außerhalb des Straf- bzw. Maßregelvollzugs bewährt hat, kann nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung geschlossen werden, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde (st.Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2021 – 19 ZB 21.159 – juris Rn. 18; B.v. 15.10.2019 – 19 ZB 19.914 – juris Rn. 15; B.v. 31.1.2019 – 10 ZB 18.1534 – juris). Diesen Eindruck hat der Kläger letztlich auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Für eine Einsicht in sein Fehlverhalten und die ernsthafte Absicht, dieses zukünftig zu ändern, waren keine Anzeichen erkennbar. Vielmehr zeigte der Kläger mit seiner gesamten Prozessführung ein deutliches Beharren auf dem Standpunkt, zu Unrecht verurteilt und bestraft worden zu sein.
cc) Der Kläger verwirklicht ein besonders schweres Ausweisungsinteresse. Dieses ergibt sich vorliegend aus den Tatbeständen in § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG.
(1) Der Kläger verwirklicht aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten durch das OLG M. vom … … 2018 ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Dieser Ausweisungsgrund stellt nicht auf die Taten, sondern ausschließlich auf die rechtskräftige Verurteilung ab. Dass der Kläger deren Rechtmäßigkeit in Zweifel zieht, ist unerheblich. Soweit gegebenenfalls ein Wiederaufnahmeverfahren des Klägers im Strafprozess Erfolg haben und zur Aufhebung des rechtskräftigen Strafurteils führen sollte, bliebe ihm die Möglichkeit, die nachträgliche Aufhebung der Ausweisung im Wege des Wiederaufgreifens des Verwaltungsverfahrens gemäß § 51 Abs. 1, Abs. 5 in Verbindung mit §§ 48, 49 BayVwVfG zu beantragen.
(2) Überdies verwirklicht der Kläger auch das besonders schwere Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Ein solches liegt vor, wenn der Ausländer die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand. Der Begriff der Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, ist deutlich weiter als der Begriff der terroristischen Vereinigung in § 129a StGB. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt, indem sie ihre politischen Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (vgl. die Gesetzesbegründung zum Terrorismusbekämpfungsgesetz, BT-Drs. 14/7386, S. 54; BVerwG, U. v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 13; U.v. 25.10.2011 – 1 C 13.10 – juris Rn. 19 m.w.N.). Bei dem „Islamischen Staat“, der in Vergangenheit auch unter den Namen „Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS)“, „Islamischer Staat im Irak und Levante (ISIL)“ und „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (ISIG)“ bekannt war und agierte, handelt es sich zweifellos um eine derartige Vereinigung, die sich terroristisch betätigt. Diese Einschätzung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 30.8.2017 – 1 VR 5.17 – juris Rn. 23; B. v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 59; B.v. 21.3.2017 – 1 VR 2.17 – juris Rn. 25) und ergibt sich aus den zahlreichen Gewaltakten inner- und außerhalb Europas, zu denen sich die Organisation offiziell bekannt hat. Ergänzend wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die diesbezüglichen Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid (vgl. S. 10 des Bescheides) sowie im Strafurteil Bezug genommen, denen das Gericht folgt.
Der Kläger hat durch sein Verhalten die terroristische Vereinigung IS unterstützt. Unter einer Unterstützungshandlung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG werden alle Verhaltensweisen verstanden, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeit der Vereinigung auswirken (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 31). Dazu gehört beispielsweise auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung sowie ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer terroristischen Bestrebungen fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt. Eine Unterstützungshandlung kann nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift sowohl die Mitgliedschaft in der Vereinigung als auch eine Tätigkeit für die Vereinigung ohne gleichzeitige Mitgliedschaft darstellen. Der Begriff der Unterstützung umfasst dabei neben dem gezielten Werben um Mitglieder und Unterstützer auch die Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2011 – 1 C 13.10 – juris Rn. 20). Auf einen nachweisbaren oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der terroristischen Ziele der Vereinigung kommt es ebenso wenig an wie auf die subjektive Vorwerfbarkeit der Unterstützungshandlungen (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 32). Voraussetzung ist aber, dass die die Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer erkennbar und ihm daher zurechenbar sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2011 – 1 C 13.10 – juris Rn. 23; VGH BW, U.v. 13.1.2016 – 11 S 889/15 – juris Rn. 82; BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 33). An einer Unterstützungshandlung fehlt es insbesondere, wenn die Handlung sich nur auf einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele einer Organisation bezieht, der Ausländer die Unterstützung des internationalen Terrorismus aber nicht befürwortet (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris). Dies resultiert zum einen aus dem Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit des Einzelnen (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 31). Anknüpfungspunkte für eine Ausweisung sind (auch) in der Vergangenheit liegende Unterstützungshandlungen (“unterstützt hat“). Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Begriff des Unterstützens im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unabhängig von dessen Strafbarkeit im Rahmen der §§ 129a, 129b StGB zu bestimmen. Insbesondere unterscheidet der Ausweisungstatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, anders als § 129a StGB, nicht zwischen Unterstützen und Werben und kennt keine Beschränkung der Werbung auf ein gezieltes Werben um Mitglieder und Unterstützer (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2011 – 1 C 13.10 – juris Rn. 20). Der Unterstützerbegriff ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Regelung weit auszulegen, um dem Terrorismus bereits im Vorfeld wirksam begegnen zu können. Soweit der Kläger vortragen lässt, er habe zweifellos Sympathie für Tätigkeiten des IS gehegt, diese gegenüber zahlreichen Personen offen verkündet und vehement vertreten und im Freundes- und Bekanntenkreis erhebliche Propaganda für den IS in Syrien geleistet, so räumt er damit gleichzeitig die Unterstützung des IS nach der ausländerrechtlichen Vorschrift des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ein.
Ausgehend davon hat der Kläger die terroristische Vereinigung des Islamischen Staates unterstützt. Nach den vorliegenden Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden und den Feststellungen im Urteil des OLG M. vom … … 2018 sympathisierte der Kläger spätestens seit Anfang 2014 mit der extremistisch-islamistischen Terrormiliz IS, die Gewalt gegen Andersgläubige und deren Tötung als legitimes Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen ansieht und die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnt. Dass auch der Kläger diese Weltanschauung befürwortet und sich mit den Zielen des IS und dessen menschenverachtender Ideologie identifiziert, zeigt sich insbesondere anhand der umfangreichen Chatprotokolle (S. … ff. E-Akte) auf dem Handy und dem Computer des Klägers sowie der dort vorgefundenen Propagandavideos (vgl. S. … f. E-Akte) und Bilddateien mit eindeutigem Bezug zum IS, die er zum Teil auch im Freundes- bzw. Bekanntenkreis präsentierte (vgl. S. …, …, … E-Akte). Gegenüber Freunden und Bekannten vertrat er offen die Ideologien des IS und versuchte, diese von der Haltung des IS zu überzeugen (vgl. S. …, … ff. E-Akte). So teilte er beispielsweise dem Zeugen B. mit, dass er ISIS gut finde und nur ISIS den Koran richtig umsetze. Wie bereits ausgeführt, sind diese als Sympathiewerbung zu qualifizierenden Materialien und Handlungen für sich genommen bereits als Unterstützung der Terrormiliz IS im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten. Dabei ist gänzlich unerheblich, ob Sympathiewerbung auch strafrechtliche Relevanz hat. Das Verbreiten von Bild- und Videomaterial trägt ebenso wie die Verbreitung des extremistischen Gedankenguts zur Verwirklichung terroristischer Bestrebungen des IS bei. Der Kläger hat sich sowohl in seinem privaten Umfeld als auch im Internet aktiv und offen für die Bestrebungen des IS eingesetzt. Er hat dem sinnlosen Mord an unschuldigen Menschen das Bild eines gerechtfertigten und notwendigen Kampfes entgegengesetzt und sich damit als Teil dessen Propagandamaschinerie betätigt (vgl. VG München, U.v. 26.1.2017 – M 12 K 16.5397 – juris Rn. 69). In dieses Bild passt es auch, dass der Kläger einen Facebook-Account unter dem Pseudonym „S..“ betrieb. Nach dem Zwischenbericht der Kriminalinspektion (Z) Unterfranken wurde auf dem Handy des Klägers ein Video vorgefunden, in welchem dieser (sinngemäß) äußert, er werde in Deutschland zum Krieg gehen und jeder verdiene es als Märtyrer zu sterben. Damit steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Kläger erhebliche Sympathiewerbung für den IS betrieben hat.
Ausweislich der behördlichen und gerichtlichen Feststellungen forderte der Kläger mehrere Personen auf, sich dem IS anzuschließen und Attentate für diesen zu begehen. So forderte er am … … 2014 seinen in Syrien befindlichen Chatpartner dazu auf, ein Attentat für den IS zu begehen, um möglichst viele Menschen töten zu lassen. Weiterhin unternahm der Kläger Rekrutierungsversuche gegenüber seiner ehemaligen Lebensgefährtin und deren minderjährigen Sohn. Dafür nutzte er unter anderem Videomaterial, das zeigte, wie andere Kinder für den IS als Kämpfer trainiert wurden und Kinder, die sich weigerten, am Kampf-Training teilzunehmen, exekutiert wurden. Am … … 2014 forderte der Kläger seinen Chatpartner über den Nachrichtendienst WhatsApp auf, in Damaskus oder Bagdad einen Selbstmordanschlag zu verüben. Eine derartige Aufforderung über WhatsApp erfolgte auch am … … 2016 einem Chatpartner gegenüber. Der Versuch der Rekrutierung von neuen Mitgliedern für den IS stellt eine Unterstützungshandlung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dar, da sie den Fortbestand der terroristischen Organisation fördert und deren potentielle Gefährlichkeit festigt. Wie oben dargestellt wurde, ist unbeachtlich, ob der Anwerbeversuch tatsächlich erfolgreich war, da die Unterstützung weder einen nachweisbaren noch einen messbaren Nutzen für die Verwirklichung der terroristischen Ziele des IS zur Folge haben muss.
Dem Kläger sind sämtliche Unterstützungshandlungen zugunsten des IS zurechenbar. Auch wenn er aus der Motivation des Hasses gegen den syrischen Präsidenten A. heraus gehandelt hat, so war ihm auch aufgrund seines hohen Bildungsstandes gleichwohl bewusst, welche Aktivitäten und Ziele der IS verfolgt und mit welchen Methoden er diese Ziele zu erreichen versucht, was letztlich auch zu dessen Einordnung als terroristische Vereinigung führte. Die Feststellungen der Sicherheitsbehörden lassen keinen Zweifel daran, dass der Kläger den internationalen Terrorismus durch den IS befürwortet hat und nicht nur wegen seiner politischen Einstellung gegen das A.-Regime tätig wurde.
Der Kläger hat sich von diesen Aktivitäten weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz AufenthG distanziert. Bei einer solchen Distanzierung handelt es sich um einen inneren Vorgang, weshalb äußerlich feststellbare Umstände erforderlich sind, die eine Veränderung der bisher gezeigten Einstellung als wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 53). Insbesondere erfordert ein solcher nach außen erkennbarer Gesinnungswandel das Einräumen und die daraus erkennbare Einsicht in das vorherige Fehlverhalten. Mangels solcher Umstände hat der Kläger nicht erkennbar und glaubhaft im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche Abkehr des Klägers von der Ideologie des IS. Der (frühere) Bevollmächtigte des Klägers hat hierzu lediglich ausgeführt, dass eine Unterstützungshandlung nicht vorliege und der Kläger daher auch nicht von seinem Handeln Abstand nehmen müsse.
dd) Die Ausweisung erfordert gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung gemäß § 54 AufenthG (Ausweisungsinteresse) mit dem Bleibeinteresse des betroffenen Ausländers gemäß § 55 AufenthG. Bei der Abwägung sind nach § 53 Abs. 2 AufenthG insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner und die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Hierfür verlangt § 53 Abs. 2 AufenthG eine umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse, wobei neben der gesetzgeberischen Wertung (§ 54 f. AufenthG) die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände sowie die in diesem Zusammenhang maßgeblichen grund- und konventionsrechtlichen Wertungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK, Art. 2 und Art. 6 GG einzubeziehen sind (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2017 – 10 B 17.818 – juris Rn. 41 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen steht dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse kein schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers nach § 55 AufenthG gegenüber. Insbesondere war er zum Zeitpunkt der Ausweisung nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, so dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht vorliegen. Die Fiktionswirkung eines (rechtzeitig) gestellten Antrags nach § 81 Abs. 3 bzw. 4 AufenthG reicht hierzu nicht aus (Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 55 AufenthG Rn. 3 m.w.N.). Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG erforderliche Abwägung geht zu Lasten des Klägers aus. Steht einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 AufenthG – wie im vorliegenden Fall – kein (gewichtiges) Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG gegenüber, so ist regelmäßig von einem Übergewicht des öffentlichen Ausweisungsinteresses auszugehen (VGH BW, U.v. 29.3.2017 – 11 S 2029/16 – juris Rn. 57; U.v. 13.1.2016 – 11 S 889/15 – juris Rn. 103; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2016, § 53, Rn. 12). Nur das Vorliegen einer atypischen Fallkonstellation kann in diesen Fällen eine von der gesetzgeberischen Wertung abweichende Abwägung rechtfertigen (BT-Drs. 18/4097, S. 49 f.). Eine solche atypische Fallkonstellation ist vorliegend nicht gegeben.
Zu Gunsten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er im Jahr 2012 legal in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und sich zum Zwecke seines M.studiums rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Im Falle der Ausweisung wird eine Wiederaufnahme des durch Exmatrikulation beendeten M.studiums an der Universität W. und (wohl) auch des Fernstudiums der R. an der Fernuniversität H. nicht mehr möglich sein. Das Gericht verkennt nicht, dass dies einen erheblichen Einschnitt in die persönliche Lebensplanung des Klägers darstellt, den er aber seinem eigenen Verhalten zuzurechnen hat. Gleichwohl war der Aufenthalt des Klägers ursprünglich ausschließlich auf den Zweck des Studiums beschränkt, eine berufliche und wirtschaftliche Integration liegt trotz der früher zur Finanzierung des Studiums ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht vor. Ein konkretes Arbeitsangebot oder vergleichbare konkrete Perspektiven für eine den Lebensunterhalt sichernde oder dazu wesentlich beitragende Berufstätigkeit nach Beendigung der Haft hat der Kläger nicht dargelegt. Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK schützen das Privat- und Familienleben. Es gibt allerdings keine Anhaltspunkte für (enge) soziale Bindungen oder eine Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet. Bevor dieser nach Deutschland kam, lebte er mit seiner Kernfamilie in Syrien. Hinweise auf den Aufenthalt naher Verwandter oder auf sonstige persönliche Beziehungen im Bundesgebiet liegen nicht vor. Vielmehr ist der Kläger kinderlos und unverheiratet. Zu Ungunsten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er sich nicht straffrei im Bundesgebiet aufgehalten hat, sondern mehrfach strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wurde. Ausschlaggebend zu seinem Nachteil und für das Überwiegen des Interesses an seiner Ausweisung sind jedoch die erheblich sicherheitsgefährdenden Aktivitäten des Klägers für den IS zu werten. Er hat seine radikale islamistische Einstellung offen zum Ausdruck gebracht und Sympathiewerbung für den IS betrieben. Das Gericht teilt die Auffassung des Beklagten, dass von dem Kläger erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen. Der Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor terroristischen Anschlägen und jihadistisch motivierter Gewalt hat oberste Priorität und stellt ein Grundinteresse der Gesellschaft dar, zumal höchstrangige Rechtsgüter wie die Sicherheit des Staates sowie Leib, Leben und die körperliche Unversehrtheit von Dritten durch Terrorakte gefährdet werden. Nach alledem überwiegt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das öffentliche Interesse an der Ausweisung des Klägers seine Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet.
Die Maßnahme ist des Weiteren auch verhältnismäßig im engeren Sinne und damit nach § 53 Abs. 3 AufenthG unerlässlich, weil sie gemessen an dem damit verfolgten hochrangigen Ziel, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, die Rechtsgüter von Personen, bedeutende Sachwerte sowie den Fortbestand des Staates und seiner Einrichtungen vor terroristischen Anschlägen und terroristisch motivierten Gewalttaten zu schützen, auch im Hinblick auf die damit verbundenen Eingriffe in die Rechte des Klägers und gemessen an seinem (nicht erheblich ins Gewicht fallenden) Bleibeinteresse angemessen ist.
2. Der Beklagte hat des Weiteren zu Recht die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Klägers abgelehnt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), weil der Erteilung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG das festgestellte Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nrn. 1, 2 AufenthG entgegensteht. Ein Absehen im Ermessenswege ist für diesen Fall nicht vorgesehen (§ 5 Abs. 3 AufenthG). Im Übrigen besteht wegen des Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auch ein absolutes Erteilungshindernis gemäß § 5 Abs. 4 AufenthG.
3. Die (konkludente) Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter der Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides in der Fassung, die dieser durch die Erklärung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung erhalten hat, auf 20 Jahre nach § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 5a AufenthG ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. § 11 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 1. März 2020 sieht die behördliche Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots im Einzelfall vor. Vor diesem Zeitpunkt, mithin im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids, war dieses aufgrund der unionsrechtlichen Regelung in der sog. Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als mit der Befristung stillschweigend (konkludent) angeordnet anzusehen (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris Rn. 20).
Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ab dem Zeitpunkt der Ausreise ist in § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 AufenthG zwingend vorgesehen. Aufgrund der vorliegenden strafgerichtlichen Verurteilung sowie der festgestellten schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durfte gemäß § 11 Abs. 5 AufenthG auch die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG geregelte Höchstfrist von fünf Jahren überschritten werden. Allerdings war vorliegend die Obergrenze von zehn Jahren nach § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht zu beachten. Denn nach § 11 Abs. 5a Satz 1 AufenthG soll die Frist 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer unter anderem zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde, wobei gemäß § 11 Abs. 5a Satz 3 AufenthG in diesen Fällen eine nachträgliche Verkürzung der Frist grundsätzlich ausgeschlossen ist. Diese mit dem Gesetz vom 1. März 2020 eingefügte Vorschrift war vom Beklagten im vorliegenden Falle zu beachten, weil der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Einreise- und Aufenthaltsverbots die letzte mündliche Verhandlung ist (BVerwG, U.v. 25.1.2018 – 1 C 7.14 – juris Rn. 11; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 11 Rn. 134). Von einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ist aufgrund der Darlegungen unter (1. aa), bb) und cc)) auszugehen. Die Formulierung „soll“ in § 11 Abs. 5a Satz 1 AufenthG kennzeichnet eine Bindung der Behörde an die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge für den Regelfall und lässt lediglich eine Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalles zu (Katzer in Decker/Bader/Kothe, Migrationsrecht, Stand 1.5.2021, AufenthG § 11 Rn. 41). Solche besonderen Umstände sind im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich. Fragen des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots stellen sich dabei nicht, weil sich die ausweisungsrechtliche Gefahrenprognose, anders als die strafrechtliche Beurteilung, auf das persönliche Verhalten des Klägers in der Zukunft und damit nicht auf einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Tatbestand bezieht (sog. unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung).
III. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.


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