Verwaltungsrecht

Ausweisung eines chinesischen Spezialitätenkochs wegen Scheinehe

Aktenzeichen  Au 1 K 17.1614

Datum:
24.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 45729
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53, § 54, § 55, § 95 Abs. 2 Nr. 2
StPO § 153a, § 170 Abs. 2
GG Art. 6 Abs. 1
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1 Eine Scheinehe liegt dann vor, wenn die Eheschließung nicht dem Ziel dient, eine – in welcher Form auch immer zu führende – eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, sondern einen anderen Zweck verfolgt, insbesondere den, dem ausländischen Partner ein sonst nicht zu erlangendes Aufenthaltsrecht zu verschaffen (BVerwGE 98, 298 = BeckRS 9998, 170491). (Rn. 23) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Für die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft kommt es maßgeblich darauf an, dass beide Ehepartner den Wunsch haben, eine Ehe als eine auf Dauer angelegte Verbindung zu führen, die auf ein Zusammenleben in einer umfassenden tatsächlichen Lebensgemeinschaft ausgerichtet ist. Allein das formale Band der Ehe für sich genommen reicht dagegen nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zu entfalten (BVerwG BeckRS 2013, 52673). (Rn. 23) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Wird ein Strafverfahren wegen der Erschleichung eines Aufenthaltstitels nicht mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, sondern vielmehr gegen Zahlung einer Auflage nach § 153a StPO von der Strafverfolgung abgesehen, lässt sich einer derartigen Einstellung nicht entnehmen, der Beschuldigte habe die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen (vgl. VGH Kassel BeckRS 2007, 21265). (Rn. 32) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Das Eingehen einer Scheinehe zur Erlangung eines Aufenthaltstitels stellt keinen nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften dar, da das Gesetz dieses Verhalten als eine Straftat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren einordnet. Vorsätzlich begangene Straftaten stellen zudem grundsätzlich keinen nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften dar (vgl. OVG Bautzen BeckRS 2017, 119157). (Rn. 39) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Allein die Einstellung eines Strafverfahrens nach § 153a StPO rechtfertigt aus aufenthaltsrechtlicher Sicht nicht den Schluss, dass es sich um einen die Ausweisung nicht tragenden geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften gehandelt hat (vgl. OVG Magdeburg BeckRS 2015, 51145). (Rn. 40) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Gegenstand der Klage des anwaltlich vertretenen Klägers sind lediglich die in Ziffer 1 des Bescheids vom 12. Oktober 2017 verfügte Ausweisung, die damit inhaltlich zusammenhängende Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf 3 Jahre ab Ausreise (Ziffer 2) sowie die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Schriftsatzes vom 21. Oktober 2017. Darin wurde beantragt, die „Ausweisungsverfügung der Beklagten vom 12.10.2017“ aufzuheben. Damit werden aber jeweils ausdrücklich lediglich die Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids vom 12. Oktober 2017 angegriffen, nicht dagegen die Ziffer 3, mit welcher der Antrag vom 27. Januar 2015 auf Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt wurde. Für diese Auslegung spricht neben dem eindeutigen Wortlaut auch der Umstand, dass im Rahmen der Klage gerade kein Antrag im Sinne von § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO auf Verpflichtung der Ausländerbehörde, die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, gestellt wurde. Es handelt sich hier vielmehr um eine (isolierte) Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. Ein entsprechender Verpflichtungsantrag wäre jedoch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses erforderlich und daher von einem anwaltlich vertretenen Kläger zu erwarten gewesen, sofern sich die Klage auch gegen die Ablehnung des (Verlängerungs-)antrags hätte richten sollen.
2. Die Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 53 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit §§ 54 und 55 AufenthG. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Hierbei sind nach § 53 Abs. 2 AufenthG insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung aller Umstände und nach Abwägung des Ausweisungsinteresses (§ 54 AufenthG) und des Bleibeinteresses (§ 55 AufenthG) ist vorliegend davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers sein Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt.
b) Ausweisungsanlass ist die vom Kläger am … 2014 eingegangene Scheinehe zum Zwecke des Erhalts eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug. Die Kammer ist nach Auswertung sämtlicher sich in den vorgelegten Behördenbzw. Strafakten befindenden Unterlagen sowie insbesondere auch aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei der Ehe des Klägers um eine sogenannte Scheinehe handelt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist von einer Scheinehe auszugehen, wenn die Eheschließung nicht dem Ziel dient, eine – in welcher Form auch immer zu führende – eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, sondern einen anderen Zweck verfolgt, insbesondere den, dem ausländischen Partner ein sonst nicht zu erlangendes Aufenthaltsrecht zu verschaffen (BVerwG, U.v. 23.5.1995 – 1 C 3.94 – juris Rn. 24). Für die Annahme einer Scheinehe ist somit erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Betroffenen die Ehe mit ihren gesetzlichen und sittlichen Pflichten nicht wollen und es ihnen ausschließlich um die Erlangung der an die Ehe geknüpften Vorteile geht. Für die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft kommt es maßgeblich darauf an, dass beide Ehepartner den Wunsch haben, eine Ehe als eine auf Dauer angelegte Verbindung zu führen, die auf ein Zusammenleben in einer umfassenden tatsächlichen Lebensgemeinschaft ausgerichtet ist. Allein das formale Band der Ehe für sich genommen reicht dagegen nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zu entfalten (st.Rspr., vgl. z.B. BVerwG, B.v. 22.5.2013 -1 B 25.12 – juris Rn. 4 m.w.N.; OVG Hamburg, U.v. 23.11.1990 – Bf IV 114/89 – juris Rn. 27).
Allerdings verbietet es sich angesichts der Vielfalt der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ausgestaltungsmöglichkeiten der familiären Lebensgemeinschaft, schematische oder allzu enge Mindestvoraussetzungen für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu formulieren (BVerfG, B.v. 30.1.2002 – 2 BvR 231/00 – juris Rn. 23 in Bezug auf die familiäre Beziehung zwischen Eltern und Kind). Selbst wenn Eheleute typischerweise ihren Lebensmittelpunkt in einer gemeinsamen Wohnung haben, kann eine eheliche Lebensgemeinschaft beispielsweise auch dann bestehen, wenn die Eheleute – etwa aus beruflichen Gründen – in getrennten Wohnungen leben oder aus gewichtigen Gründen -Berufstätigkeit, Inhaftierung – wenig persönlichen Kontakt haben. In einem derartigen Fall ist allerdings erforderlich, dass das Bestehen einer über eine bloße Begegnungsgemeinschaft hinausreichenden familiären Beistandsgemeinschaft auf andere Weise erkennbar sichergestellt ist. Die erforderliche Verbundenheit dokumentiert sich nach außen in der gemeinsamen Lebensführung und damit in dem erkennbaren Bemühen, die alltäglichen Dinge des Lebens miteinander in organisatorischer, emotionaler und geistiger Verbundenheit zu bewältigen. Entscheidend ist im Ergebnis, ob eine durch die persönliche Verbundenheit der Eheleute geprägte Lebensgemeinschaft sowie der nachweisbare Wille, mit der Partnerin bzw. dem Partner als wesentliche Bezugsperson ein gemeinsames Leben zu führen, vorliegen. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 1 B 25/12 – juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 29.11.2016 – 10 B 14.2060 – juris Rn. 22; HessVGH, B.v. 21.8.2013 – 3 B 1684/13 – juris Rn. 5).
Ausgehend von diesen Grundsätzen steht in vorliegendem Fall zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) fest, dass hier eine Scheinehe vorliegt, d.h. alleiniger Zweck der vom Kläger mit seine Ehefrau eingegangenen Ehe die Erlangung eines Aufenthaltstitels in Deutschland war. Eine tatsächliche eheliche Lebensgemeinschaft in oben genannten Sinn bestand zwischen den Eheleuten nach ihrer Eheschließung im … 2014 dagegen zu keinem Zeitpunkt.
(1) Zunächst ist nicht feststellbar, dass der Kläger und seine Ehefrau jemals eine gemeinsame Wohnung bewohnt und dort einen gemeinsamen Haushalt geführt haben.
Insbesondere konnte der Kläger im Rahmen seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung keine detaillierten Angaben zur angeblich ersten gemeinsamen Wohnung in der … machen. Weder konnte er die genaue Adresse nennen, noch wusste er über die Höhe der Miete, die Anzahl der Wohnungen im Haus sowie die Heizart Bescheid. Auf Nachfragen antwortete er nur zögerlich und teilweise erst nach langem Nachdenken. Insgesamt wirkte er sehr unsicher bei seinen Antworten. Die Einschätzung, dass er in der Wohnung in der … nie gewohnt hat, wird bestätigt durch zwei im Rahmen des Verwaltungs- bzw. polizeilichen Ermittlungsverfahrens dort durchgeführte Mieterbefragungen. Beide Male wurde der Kläger von den befragten Hausbewohnern nach entsprechender Lichtbildvorlage nicht erkannt. Lediglich einem Nachbarn kam das Bild des Klägers „nur vom Gesicht her“ bekannt vor, der Nachbar gab jedoch weiter an, die Person auf dem Bild habe nicht im Haus gewohnt. Außerdem führte der Kläger sowohl bei seiner polizeilichen Vernehmung (Protokoll der Beschuldigtenvernehmung vom 3. März 2016, Bl. 66ff. d. Strafakte) als auch in der mündlichen Verhandlung aus, seine Ehefrau hätte die Miete alleine bezahlt. Die Ehefrau sagte dagegen bei der Polizei aus (Protokoll der Beschuldigtenvernehmung vom 18. Februar 2016, Bl. 46ff. d. Strafakte), man habe sich die Miete geteilt. In der mündlichen Verhandlung bestätigte sie zwar zunächst die Aussage des Klägers, korrigierte sich jedoch später dahingehend, dass sie alleine für die Miete aufgekommen sei. Auch die Angaben der Eheleute, wer sonst noch neben ihnen in der Wohnung wohnte, wichen bei der polizeilichen Vernehmung derart voneinander ab, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger sich dort – über etwaige Besuche hinaus – regelmäßig aufgehalten hat. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sich der Kläger weiterhin unter der Anschrift in … aufhielt, welche er auf der bei der Ausländerbehörde abgegebenen Erklärung zur ehelichen Lebensgemeinschaft als Nebenwohnsitz angegeben hatte. Ein gemeinschaftliches Bewohnen der Wohnung in der … und das Führen eines gemeinsamen Haushalts sind jedenfalls nicht erkennbar.
Dies gilt auch für die anschließende Wohnung in der … in …. Im Rahmen einer polizeilichen Durchsuchung wurden dort – mit Ausnahme einer alten Meldebescheinigung des Klägers – ausschließlich Schriftstücke der Ehefrau sowie Damen-Kleidungsstücke und Damenschuhe gefunden. Lediglich im Badezimmer hätten sich ein Herren-Elektrorasierer und zwei Herrenpflegeprodukte befunden. Insgesamt habe die Wohnung „einen nicht sonderlich bewohnten Eindruck“ gemacht (vgl. Durchsuchungsprotokoll, Bl. 88ff. d. Strafakte).
Schließlich gingen die Schilderungen der Eheleute auch in Bezug auf ihre derzeitige Wohnung in … auseinander. Die Eheleute gaben hierzu an, sie würden seit einiger Zeit gemeinsam in der … Straße wohnen. Der Kläger meinte hierzu, es handle sich um die Wohnung des Chefs seiner Frau. Diese gab dagegen an, sich gemeinsam mit ihrer Tochter und dem Kläger in der Wohnung aufzuhalten. Hauptmieterin sei ihre Tochter. Dass die Wohnung ihrem Chef gehöre, erwähnte sie nicht. Zudem führte die Ehefrau aus, dass sie gemeinsam mit dem Kläger mit dem Zug nach … zur mündlichen Verhandlung gekommen sei. Von der Wohnung zum Hauptbahnhof sei sie mit der U-Bahn Linie … gelangt. Der Kläger führte dagegen aus, die Straßenbahnlinie … zum Hauptbahnhof genommen zu haben. Während die U-Bahn Linie … ein gängiger Weg ist, um von der … Straße zum Hauptbahnhof zu gelangen, führt die Straßenbahnlinie 16 nicht einmal ansatzweise an der … Straße in … vorbei.
Im Ergebnis geht das Gericht somit davon aus, dass weder die Wohnung in der, noch die Wohnung in … oder die derzeitige Wohnung gemeinsamer Lebensmittelpunkt der Eheleute war bzw. ist.
(2) Neben dem Fehlen einer gemeinsamen Wohnung sprechen auch die sonstigen Umstände für das Nichtbestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft. Bereits im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung machten der Kläger und seine Ehefrau auch im Übrigen extrem voneinander abweichende Angaben zu den persönlichen, familiären und beruflichen Lebensumständen des Partners. So nannte der Kläger als Kennenlernzeitpunkt März 2014, während seine Ehefrau Anfang Juni 2013 angab. Weiter konnte der Kläger keine genauen Angaben zur Arbeitsstelle seiner Ehefrau machen, was bei in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehepartnern grundsätzlich zu erwarten ist. Die Ehefrau führte aus, der Kläger würde aktuell in einem Restaurant in … arbeiten, während er tatsächlich zum damaligen Zeitpunkt in … beschäftigt war. Schließlich meinte der Kläger, er habe über Silvester 2015/2016 arbeiten müssen, seine Ehefrau habe den Abend mit ihren Kindern in … verbracht. Aus den sich in der Strafakte befindenden Auszügen des Facebook-Kontos der Ehefrau ergibt sich jedoch eindeutig, dass diese den Jahreswechsel in Kanada verbracht hat. Außerdem sind – in der Gesamtschau – auch der Zeitpunkt der Eheschließung kurz vor Ablauf der Aufenthaltserlaubnis des Klägers sowie die fehlende gemeinsame Sprache der Eheleute als Indizien für das Vorliegen einer Scheinehe zu werten.
(3) Schließlich ändert auch der Umstand, dass das Strafverfahren gegen den Kläger wegen Erschleichen eines Aufenthaltstitels eingestellt wurde, nichts an dieser Einschätzung. Die Einstellung erfolgte gerade nicht auf der Grundlage von § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts, vielmehr wurde nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Auflage von der Verfolgung abgesehen. Eine Einstellung nach § 153a StPO setzt aber gerade voraus, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass es im Falle der Weiterführung des Verfahrens zu keiner Verurteilung kommen würde (Gercke in: Gercke/Julius/Temming u.a., Strafprozessordnung, 5. Auflage 2012, § 153a Rn. 13). Einer solchen Einstellung lässt sich somit jedenfalls nicht entnehmen, der Beschuldigte habe die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen (vgl. auch HessVGH, B. v. 16.1.2007 – 7 TG 2879/06 -juris Rn. 42).
c) Nach alldem liegt die für eine Ausweisung stets erforderliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet (vgl. § 53 Abs. 1 AufenthG; ständige Rechtsprechung des BayVGH, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 5.1.2017 – 10 ZB 16.1778 – juris Rn. 6) beim Kläger vor.
(1) Die Gefahr, dass der Kläger zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts in Deutschland erneut ausländerrechtliche Verstöße begehen wird, ist vorliegend nicht ausgeräumt. Die Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen war somit zulässig. Dem Kläger musste hier von Anfang an klar sein, dass die Geltungsdauer der ihm ursprüngliche erteilten Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbtätigkeitszwecken als Spezialitätenkoch zeitlich befristet auf maximal vier Jahre war (vgl. § 11 Abs. 2 und 3 BeschV). Als der Ablauf deren Gültigkeitsdauer absehbar war, versuchte er offensichtlich diese Konsequenz durch das Eingehen einer Scheinehe bewusst zu umgehen. In diesem Verhalten des Klägers ist ein erheblicher Verstoß gegen ausländerrechtliche Vorschriften zu sehen, welcher auch mit einigem Aufwand und konsequenter Planung verbunden ist. Dies zeigt, dass der Kläger nicht gewillt ist, sich an (ausländerrechtliche) Vorschriften zu halten, sondern vielmehr mit allen Mitteln versucht, seinen (weiteren) Aufenthalt in Deutschland zu erreichen. Von einer Wiederholungsgefahr ist somit auszugehen.
(2) Darüber hinaus ist die Ausweisung des Klägers jedenfalls aus generalpräventiven Aspekten möglich. An der Möglichkeit einer generalpräventiven Ausweisung hat sich auch nach der Neufassung des Ausweisungsrechts nichts geändert (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49; BayVGH, B.v. 19.9.2016 – 19 CS 15.1600 – juris Rn. 34 m.w.N.).
Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt nämlich auch dann vor, wenn die Notwendigkeit besteht, durch ausländerrechtliche Maßnahmen anderen Ausländern vor Augen zu führen, dass Verstöße gegen (Straf-)gesetze zu weit reichenden Konsequenzen führen. Es liegt vorliegend im dringenden öffentlichen Interesse, derartige wie die vom Kläger begangenen Delikte neben den strafrechtlichen Sanktionen mit dem Mittel der Ausweisung zu bekämpfen, um auf diese Weise andere Ausländer von der Nachahmung eines solchen Verhaltens abzuschrecken. Im Hinblick auf das Erschleichen eines Aufenthalts durch falsche Angaben gegenüber der Ausländerbehörde soll Ausländern vor Augen geführt werden, dass derartige Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz mit der sofortigen Aufenthaltsbeendigung und einem damit einhergehenden Aufenthaltsverbot bedacht werden. Diesem Zweck wird durch eine einheitlich verlässliche Verwaltungspraxis der Ausländerbehörden Rechnung getragen. Die konsequente Ahndung der Erschleichung eines Aufenthaltstitels ist geeignet, unmittelbar auf das Verhalten anderer Ausländer einzuwirken und damit künftigen Delikten generalpräventiv vorzubeugen (vgl. VG München, U.v. 17.11.2016 – M 12 K 16.1726 – juris Rn. 46).
d) Die anschließend unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt.
(1) Das Ausweisungsinteresse folgt vorliegend aus § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG i. V.m. § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse unter anderem schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Diese Vorschrift ist so zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, andererseits aber immer dann beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig, oder wenn er geringfügig, aber nicht vereinzelt ist (BVerwG, U.v. 24.9.1996 – 1 C 9.94 – juris Rn.19). Dementsprechend liegt ein Ausweisungsgrund jedenfalls dann vor, wenn der festgestellte Rechtsverstoß nicht geringfügig ist.
Hier hat der Kläger gegen § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG verstoßen, indem er unrichtige Angaben zur Erlangung eines Aufenthaltstitels gemacht hat. Das Eingehen einer Scheinehe zur Erlangung eines Aufenthaltstitels stellt keinen nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften dar. Das Gesetz bewertet dieses Verhalten als Straftat und droht hierfür eine Freiheitstrafe bis zu drei Jahren an. Bereits die Höhe der Strafandrohung macht deutlich, dass der Gesetzgeber einen Verstoß gegen § 95 Abs. 2 AufenthG nicht als Bagatelldelikt bewertet. Zudem stellt eine vorsätzlich begangene Straftat grundsätzlich keinen nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften dar (vgl. zum Ganzen: OVG Sachsen, B.v. 18.5.2017 – 3 B 297/16 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 5.7.2016 – 10 ZB 14.1402 – juris Rn. 14; HessVGH, B.v. 21.8.2013 – 3 B 1684/13 – juris Rn. 7; BVerwG, U. v. 24.09.1996 -1 C 9/94 – juris Rn. 20).
Der Umstand, dass das Strafverfahren gegen den Kläger nach § 153a StPO nach Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden ist, führt auch hier zu keinem anderen Ergebnis. Jede vorsätzliche Straftat begründet regelmäßig einen Ausweisungsgrund. Allein die Einstellung rechtfertigt aus aufenthaltsrechtlicher Sicht nicht den Schluss, dass es sich um einen die Ausweisung nicht rechtfertigenden geringfügigen Verstoß gehandelt hat (vgl. dazu: OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 27.5.2015 – 2 M 21/15 – juris Rn. 14; VG Gießen, U.v. 16.4.2013 – 7 K 4111/11.GI – juris Rn. 22).
Im Übrigen ergibt sich das Ausweisungsinteresse auch aus § 54 Abs. 2 Nr. 8 lit. a) AufenthG (falsche Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels).
(2) Auf der anderen Seite kann der Kläger kein in § 55 AufenthG genanntes vertyptes Bleibeinteresse für sich geltend machen, insbesondere verfügt er im Bundesgebiet über keine familiären Bindungen im Sinne von § 55 Abs. 2 AufenthG. Eine schützenswerte eheliche Lebensgemeinschaft besteht, wie soeben festgestellt, gerade nicht. Für den Kläger spricht allerdings, dass er sich mittlerweile seit über sechs Jahren im Bundesgebiet aufhält. Er reiste legal mit einem Visum zur Erwerbstätigkeit als Spezialitätenkoch ein und war von April 2012 bis Februar 2015 in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG. Seit seiner Einreise war er auch beinahe durchgängig erwerbstätig. Lediglich im Jahr 2015 bezog er für einige Monate Arbeitslosengeld II (Bl. 239 d. Behördenakte).
(3) Bei der sich anschließenden Gesamtabwägung unter Heranziehung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien ist den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung der Vorrang gegenüber den privaten Bleibeinteressen des Klägers einzuräumen.
Die Eingehung von Scheinehen zur widerrechtlichen Erlangung von Aufenthaltstiteln betrifft einen Kernbereich des Aufenthaltsrechts und stellt einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen ein öffentliches Interesse dar, dem ausländerrechtlich erhebliches Gewicht zukommt (BayVGH, B.v. 19.9.2016 – 19 CS 15.1600 – juris Rn. 19). Die Geltungsdauer der dem Kläger ursprüngliche erteilte Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbtätigkeitszwecken als Spezialitätenkoch war von vornherein zeitlich befristet auf maximal vier Jahre. Nach Ablauf deren Gültigkeitsdauer muss der Ausländer ausreisen und kann nicht vor dem Ablauf von drei Jahren erneut eine solche Auf enthaltserlaubnis erhalten (vgl. § 11 Abs. 2 und 3 BeschV). Dies war dem Kläger von vornherein bewusst. Dass er versuchte, diese Beschränkung durch die Eingehung einer Scheinehe zu umgehen, stellt einen schwerwiegenden Verstoß dar, welcher ausländerrechtliche Konsequenzen nach sich zieht.
Dagegen hat der Kläger im Bundesgebiet nur geringe Integrationserfolge erzielt. Über die bloße Tatsache der sechsjährigen Dauer des Aufenthalts bzw. der Erwerbstätigkeit hinaus ist nichts vorgetragen oder ersichtlich. Für ein Hineinwachsen in die hiesigen Verhältnisse, für eine private und gesellschaftliche Integration, die sich in starken persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen in Deutschland ausdrücken und ein berechtigtes Vertrauen auf einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet begründen könnte, spricht ebenfalls nichts. Der Kläger hat zwar an mehreren Deutschkursen teilgenommen, beherrscht die deutsche Sprache aber nach einem sechsjährigen Aufenthalt in Deutschland nur rudimentär. Er hat derzeit keinen Aufenthaltstitel inne und verfügt über keinen gesicherten, dauerhaften Aufenthaltsstatus. Seine wirtschaftliche, sprachliche und soziale Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland ist damit derzeit nicht gegeben.
Die Ausweisung erweist sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 EMRK als verhältnismäßig. Insbesondere ist dem Kläger eine Rückkehr in sein Heimatland ohne weiteres zumutbar. Er ist dort geboren, aufgewachsen und hat den Großteil seines Lebens in China verbracht. Er spricht die dortige Landessprache als Muttersprache. Mit der Kultur und den Lebensverhältnissen seines Heimatlandes ist er immer noch verbunden. Des Weiteren hat der Kläger eine Tochter in seinem Heimatland. Er ist damit mit Sprache und Kultur Chinas deutlich vertrauter als mit den deutschen Lebensverhältnissen und auch familiär mit seinem Heimatland eng verbunden.
e) Die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf drei Jahre gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfolgte ebenfalls rechtsfehlerfrei. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG beginnt die Frist mit der Ausreise. Die Länge der Frist steht nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG im Ermessen des Beklagten. Die vom Beklagten angestellten Ermessenserwägungen sind rechtlich im Rahmen des durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen Prüfungsrahmens nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat erkannt, dass sie Ermessen auszuüben hat. Sie hat die wesentlichen Gesichtspunkte in ihre Entscheidung einbezogen und sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Eine Befristung auf drei Jahre erscheint hier angemessen. Eine Korrektur nach unten aufgrund schützenswerter Belange des Klägers musste nicht vorgenommen werden (s.o.).
f) Die Abschiebungsandrohung ist ebenso nicht zu beanstanden. Es wird insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
3. Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Kläger hat als unterlegener Teil die Verfahrenskosten zu tragen.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.


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