Verwaltungsrecht

Ausweisung eines straffälligen bosnischen Staatsangehörigen, der Vater eines deutschen Kindes und faktischer Inländer ist

Aktenzeichen  M 10 S 16.6014

Datum:
31.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 53, § 84 Abs. 2 S. 1
EMRK Art. 8
GG GG Art. 6

 

Leitsatz

1 Die Sperrwirkung der Ausweisung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels greift nach § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG unabhängig davon ein, ob die Ausweisungsverfügung sofort vollziehbar oder bestandskräftig ist. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG gebietet jedoch dann eine Durchbrechung der Sperrwirkung, wenn ein Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels unter Bezugnahme auf eine gleichzeitig verfügte Ausweisung abgelehnt wurde und sich die Ausweisung als rechtswidrig darstellt. (Rn. 33) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Bei der Prognose, ob eine Wiederholung von Straftaten eines Ausländers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe einer verhängten Strafe, die Schwere einer bereits begangenen Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, die Persönlichkeit des Täters und die Entwicklung seiner Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Dabei gilt für die Annahme der Wiederholungsgefahr ein differenzierter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer ein möglicherweise eintretender Schaden ist (vgl. BVerwG BeckRS2012, 59367).  (Rn. 36) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Liegt der Begehung von Straftaten eine Drogenproblematik zugrunde, ist regelmäßig davon auszugehen, dass von einem Wegfall einer konkreten Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann, solange der betroffene Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. BayVGH BeckRS 2014, 51263). Drogenfreiheit in der Haft oder der Plan, eine Therapie zu beginnen, genügen hierfür nicht. (Rn. 37) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Der in einer ausländerrechtlichen Verwarnung liegende Verzicht auf eine Ausweisung entfaltet dahingehend Vertrauensschutz, dass die in Bezug genommenen Straftaten nicht zur Begründung des Ausweisungsinteresses herangezogen werden können (vgl. VGH BW BeckRS 2016, 41711). Dieser Vertrauensschutz gilt jedoch nur, soweit sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage nicht ändert (BVerwG BeckRS 1999, 30082354), was beispielsweise beim Hinzutreten weiterer strafrechtlicher Verurteilungen der Fall ist. (Rn. 39) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Die in §§ 54 f. AufenthG genannten Ausweisungs- und Bleibeinteressen werden nur allgemein als schwer bzw. besonders schwer typisiert, ohne im Sinne eines Automatismus die letztliche Interessenabwägung zu bestimmen. Erforderlich ist vielmehr eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls bereits auf Tatbestandsebene (vgl. HessVGH BeckRS 2016, 43126). (Rn. 41) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger und wurde am … Mai 1995 in … geboren. Er ist mit seinen Geschwistern in … bei den Eltern aufgewachsen. Die Eltern des Antragstellers stammen ursprünglich aus dem ehemaligen Jugoslawien, leben jedoch seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Der Vater des Antragstellers erlitt 2003 einen schweren Autounfall als Kraftfahrer und ist seither nur noch eingeschränkt arbeitsfähig. Der Antragsteller besuchte von 2001 bis 2005 die Grundschule und dann ein Jahr die Hauptschule. Er wechselte 2006 auf die Realschule, die er nach dem ersten Halbjahr wieder verließ, da er die Probezeit nicht bestanden hatte. Von März 2007 bis Juli 2007 besuchte er die Hauptschule und wechselte anschließend erneut auf die Realschule in der 7. Klasse. Er bestand die Probezeit nicht. Von März 2008 bis Juli 2009 besuchte er wieder die Hauptschule, die er nach der 8. Klasse aufgrund seines Verhaltens verlassen musste. Er wechselte dann auf eine andere Hauptschule, die er 2010 mit dem qualifizierenden Hauptschulabschluss mit einem Notendurchschnitt von 2,55 verlassen hat. Im September 2010 begann der Antragsteller eine Ausbildung als Mechatroniker für Kältetechnik. Diese brach er nach sieben Monaten ab. Bis zu seiner ersten Inhaftierung übte er einen Nebenjob bei … aus. Ab September 2011 begann er eine Ausbildung als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Aufgrund der Inhaftierung kündigte ihm der Betrieb. Nach seiner Entlassung aus der U-Haft im August 2012 begann der Antragsteller ab September eine Ausbildung als Pflegehelfer, die er abbrach. Ab September 2013 begann der Antragsteller eine Ausbildung als Elektroniker. In der Ausbildung verdiente der Antragsteller 330,- €, die er voll umfänglich zur eigenen Verfügung hatte. Durch einen Nebenjob verdiente der Antragsteller nochmals ca. 150,- bis 200,- €. In der Freizeit traf er sich regelmäßig mit seiner Freundin K. R. Mit Unterbrechungen sind beide seit dem 24. August 2011 ein Paar. Am 3. Mai 2016 wurde der gemeinsame Sohn M. L. geboren. Die Freundin bzw. jetzige Verlobte und der gemeinsame Sohn haben die deutsche Staatsbürgerschaft.
Im Strafverfahren vor dem Amtsgericht – Jugendschöffengericht – München im Jahr 2016 hat der Antragsteller angegeben, im Alter von etwa 14 Jahren erstmals Drogen konsumiert zu haben und nach kurzer Zeit den Konsum gesteigert zu haben. Er habe drei- bis viermal pro Woche gekifft. Nach Entlassung aus der ersten U-Haft habe er zunächst keine Drogen mehr konsumiert, später jedoch wieder damit angefangen und nahezu täglich gekifft. Er habe sich auch verstärkt dem Glücksspiel gewidmet. Aufgrund der regelmäßigen Verluste sei ein erhöhter Geldbedarf entstanden, den er u.a. durch die Begehung von Straftaten abgedeckt habe bzw. abdecken wollte.
Für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet wurde dem Antragsteller erstmals am 30. Juli 1998 eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die in der Folgezeit mehrfach befristet verlängert wurde, zuletzt bis zum 11. August 2013. Zuletzt hatte der Antragsteller einen Antrag auf weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis am 1. August 2013 gestellt. Über diesen entschied die Antragsgegnerin aufgrund der fortlaufenden Straffälligkeit des Antragstellers zunächst nicht.
Strafrechtlich ist der Antragsteller wie folgt in Erscheinung getreten:
1. Am 13.12.2010, rechtskräftig seit demselben Tag, verurteilte das Amtsgericht München den Antragsteller wegen gemeinschaftlicher Erpressung in Tatmehrheit mit gemeinschaftlichem Raub in Tatmehrheit mit drei tatmehrheitlichen Fällen des Diebstahls in einem Fall in drei tateinheitlichen Fällen zu einem dreiwöchigen Jugendarrest.
2. Wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit Urkundenfälschung erging am 06.07.2011 eine richterliche Weisung durch das Amtsgericht München.
3. Am 04.01.2012 verurteilte das Amtsgericht München den Antragsteller wegen Diebstahls nochmals zu einem dreiwöchigen Jugendarrest. Daneben erging eine richterliche Weisung.
4. Am 21.08.2012 sprach das Amtsgericht München den Antragsteller wegen 33 tatmehrheitlicher Fälle des Diebstahls in einem besonders schweren Fall, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung in 19 Fällen gemeinschaftlich begangen in Tatmehrheit mit drei tatmehrheitlichen Fällen des gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in Tatmehrheit mit 12 tatmehrheitlichen Fällen des versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung davon in vier Fällen gemeinschaftlich begangen in Tatmehrheit mit vier tatmehrheitlichen Fällen der unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln schuldig und verhängte eine Jugendstrafe von zwei Jahren. Gleichzeitig behielt man sich die Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung bis längstens sechs Monate nach Rechtskraft des Urteils vor.
Mit Beschluss vom 26.02.2013 lehnte das Amtsgericht München ab, die Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung auszusetzen. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hin wurde der Beschluss am 18.06.2013 aufgehoben. Der Antragsteller wurde noch am selben Tag wieder aus der Haft entlassen.
Daraufhin wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 23. Juli 2013 von der Ausländerbehörde … verwarnt und auf die ausländerrechtlichen Konsequenzen seiner Straffälligkeit hingewiesen.
5. Am 22.07.2014 wurde der Antragsteller vom Amtsgericht München wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in Mittäterschaft in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zunächst zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Einbezogen wurde die Entscheidung vom 21.08.2012. Mit Urteil des Landgerichts München I vom 08.01.2015 wurde der Rechtsfolgenausspruch jedoch dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt worden ist. Diese Entscheidung ist seit dem 08.01.2015 rechtskräftig.
In Folge obiger Verurteilung prüfte die Ausländerbehörde wieder die Aufenthaltsbeendigung. Mit Schreiben vom 21. Mai 2015 teilte man dem Antragsteller mit, dass die Entscheidung über die Aufenthaltsbeendigung für sechs Monate zurückgestellt würde, um sein weiteres Verhalten in der Haft abzuwarten. Da der Antragsteller jedoch schon am 30. Juni 2015 entlassen worden war, wurde ihm im Rahmen einer Vorsprache am 10. Juli 2015 die Situation noch einmal ausführlich erklärt und angekündigt, dass nach sechs Monaten ein Bericht der Bewährungshilfe angefordert würde. Doch schon ab dem 10.Oktober 2016 befand sich der Antragsteller wieder in Untersuchungshaft.
6. Nun verurteilte das Amtsgericht München den Antragsteller am 08.04.2016 wegen eines versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Mittäterschaft unter Einbeziehung des Urteils vom 08.01.2015 und des dort einbezogenen Urteils zu einer Jugendstrafe von vier Jahren. Diese Entscheidung ist seit dem 31. August 2016 rechtskräftig.
Der Antragsteller wurde am 10. Oktober 2015 festgenommen und befand sich sodann bis zur rechtskräftigen Verurteilung in Untersuchungshaft. Die Haftstrafe verbüßte er in der Justizvollzugsanstalt … Zwei Drittel seiner Haftstrafe hätte er am 7. Juni 2018 verbüßt. Mit Beschluss vom 18. November 2016 wurde jedoch der Rest der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Antragsteller wurde noch am selben Tag aus der Haft entlassen.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller und mit Schreiben vom 8. November 2016 die Verlobte des Antragstellers zur beabsichtigten Versagung des Aufenthaltstitels und der Ausweisung an und forderte sie jeweils zur Beantwortung von Fragen zu den persönlichen Verhältnissen auf.
Daraufhin nahm der Antragsteller mit Schreiben vom 3. November 2016 Stellung. Er teilte mit, dass seine Bosnischkenntnisse sehr begrenzt seien. Er habe keine Verwandten in Bosnien-Herzegowina. Alle Straftaten habe er unter Drogeneinfluss begangen, um sich von dem gestohlenen Geld den Drogenkonsum zu finanzieren. Seit dem 3. Mai 2016 sei er Vater eines Sohnes. Er wolle nun ein Vorbild für sein Kind sein und für ihn da sein. Nach seiner Haftentlassung werde er eine Ausbildung als Elektroniker für Energie-Gebäudetechnik beginnen und eine Drogentherapie absolvieren. Mit Schreiben vom 16. November 2016 nahm die Freundin des Antragstellers, Frau K. R., Stellung. Der Antragsteller und sie würden sich seit mittlerweile sechs Jahren kennen und seien abgesehen von kurzen Beziehungspausen ein glückliches Paar. Sie besuche den Antragsteller jede Woche im Gefängnis, so oft es ihr von Seiten des Gefängnisses gestattet sei. Das gemeinsame Kind sei seit seiner ersten Lebenswoche ebenfalls bei den Besuchen dabei. Sie wolle mit dem Antragsteller zusammen leben und mit ihm gemeinsam das Kind erziehen. Mit Bosnien habe sie nichts zu tun. Sie wolle ihrem Kind ein Leben dort nicht zumuten.
Auf Anforderung der Antragsgegnerin erstellte die Justizvollzugsanstalt … am 21. November 2016 einen Führungsbericht, auf den Bezug genommen wird.
Mit Bescheid vom 28. November 2016, dem Antragsteller mit Postzustellungsurkunde am 30. November 2016 zugestellt, wies die Antragsgegnerin den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1 des Bescheids), lehnte den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 1. August 2013 ab (Ziffer 2 des Bescheids) und befristete, unter der Bedingung, dass Straf- und Drogenfreiheit nachgewiesen werden, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf fünf Jahre. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Wird diese Bedingung nicht erfüllt, beträgt die Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot sieben Jahre ab Ausreise (Ziffer 3 des Bescheids). Der Antragsteller wurde aufgefordert, das Bundesgebiet bis spätestens 13. Januar 2017 zu verlassen. Bei nicht fristgerechter Ausreise wurde ihm die Abschiebung insbesondere nach Bosnien-Herzegowina angedroht (Ziffer 4 des Bescheids).
Zur Begründung der Ausweisungsverfügung (Ziffer 1) führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, dass das Ausweisungsinteresse beim Antragsteller besonders schwer wiege. Er sei wegen mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt worden (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Darüber hinaus habe er den Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG verwirklicht, da er wegen mehrerer vorsätzlicher Straftaten vor allem gegen das Eigentum und die körperliche Unversehrtheit zur obigen Jugendstrafe verurteilt worden sei und die Straftaten unter Anwendung von Drohung und/oder Gewalt und die Eigentumsdelikte darüber hinaus auch serienmäßig begangen worden seien. Auch das Bleibeinteresse des Antragstellers wiege besonders schwer, da er seit seiner Haftentlassung das Umgangsrecht mit seinem deutschen Sohn ausübe (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG). Ein weiteres Bleibeinteresse, insbesondere nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, könne er mangels Aufenthaltserlaubnis nicht geltend machen. Der Antragsteller sei bereits als strafunmündiges Kind durch eine Vielzahl unterschiedlichster Taten aufgefallen. Die erste Verurteilung sei mit dem Eintritt der Strafmündigkeit auf dem Fuße erfolgt. Die vom Antragsteller begangenen Straftaten seien im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedeln. Strafrechtlichen Entscheidungen würden auch spezialpräventive Überlegungen zu Grunde liegen. Wie das bisherige Verhalten des Antragstellers zeige, sei er nicht gewillt oder in der Lage, in Deutschland ein gesetzeskonformes Leben ohne Straftaten zu führen. Der bisherige Lebenslauf des Antragstellers lasse deutlich erkennen, dass es sich bei den zuletzt abgeurteilten Straftaten nicht um eine einmalige Jugendverfehlung handle, sondern vielmehr um den bisherigen Höhepunkt seiner „strafrechtlichen Karriere“. Zum Tatzeitpunkt sei er fast 20 Jahre alt gewesen, so dass schon aus diesem Grund nicht mehr von reinen Jugendverfehlungen gesprochen werden könne. Bei den Eigentumsdelikten sei der Antragsteller zunehmend professioneller vorgegangen. Er habe eine immer größer werdende Risikobereitschaft bei der Tatbegehung an den Tag gelegt. Die Vielzahl der begangenen Straftaten zeige, dass beim Antragsteller inzwischen eine ausgesprochen niedrige Hemmschwelle vorhanden sei. Es handle sich nicht um spontane Taten. Nicht einmal der Umstand, dass die Freundin schwanger gewesen sei und der Antragsteller sich in einem stabilen Verhältnis befunden habe, habe den Antragsteller von seiner Tat abhalten können. Sämtliche Hilfestellungen, die dem Antragsteller angeboten worden seien, hätten nicht zu einer Verhaltensänderung geführt. Die Antragsgegnerin sehe deshalb die konkrete Gefahr weiterer schwerwiegender Straftaten. Auf lange Sicht sei damit zu rechnen, dass der Antragsteller – nicht zuletzt aufgrund seiner untherapierten Drogenproblematik – erneut Drogen nehme und Straftaten begehen werde. Der Antragsteller lebe seit seiner Geburt im Bundesgebiet. Aktive Integrationsleistungen hätte er kaum erbracht. Er habe zwar den qualifizierenden Hauptschulabschluss erreicht. Eine Ausbildung habe er jedoch aufgrund der wiederholten Inhaftierungen nie abschließen können. Seine beruflichen Möglichkeiten seien in seinem Heimatland nicht schlechter einzuschätzen als in Deutschland. Seine Sprachkenntnisse würden immerhin für eine erste Verständigung in seiner Heimat ausreichen. Zum Zeitpunkt der Geburt des gemeinsamen Sohnes habe sich der Antragsteller bereits in Haft befunden. Der Sohn sei derzeit noch ein Säugling. Die Trennung werde für das Kind keine außergewöhnliche Härte darstellen, sondern die normale Lebenssituation, in die es hineingewachsen sei. Das Wissen um die Schwangerschaft der Lebensgefährtin habe den Antragsteller nicht davon abhalten können, im Laufe einer offenen Bewährung eine einschlägige Straftat zu begehen. Die Ausländerbehörde habe auch erhebliche Zweifel, dass der Antragsteller derzeit als gutes Vorbild für ein Kind fungieren könne. Der Kontakt zum Sohn könne vom Heimatland aus gepflegt werden durch Briefe, Telefonate, durch Skype und Besuche im Ausland. Die Lebensgefährtin könne keinen positiven Empfangsraum für den Antragsteller darstellen, da sie in der Vergangenheit bereits gemeinsam mit dem Antragsteller strafrechtlich in Erscheinung getreten sei und ausweislich des Strafurteils vom 21. August 2012 jedenfalls in der Vergangenheit auch unter einer Drogenabhängigkeit gelitten habe. Aufgrund der drohenden Wiederholungsgefahr müssten im Fall des Antragstellers die privaten Belange zurückstehen. Die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers würden die persönlichen Interessen des Antragstellers an einem weiteren Verbleib unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls überwiegen. Zur Begründung der Versagung eines Aufenthaltstitels (Ziffer 2 des Bescheids) wurde im Wesentlichen angeführt, es sei ein Versagungsgrund erfüllt (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Darüber hinaus stehe der Erteilung eines Aufenthaltstitels der absolute Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen. Auf die weiteren Ausführungen im Bescheid wird Bezug genommen.
Dieser Bescheid wurde auch der Lebensgefährtin des Antragstellers durch Postzustellungsurkunde am 30. November 2016 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller mit Telefax vom 30. Dezember 2016 beim Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen,
den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. November 2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller eine befristete Aufenthaltserlaubnis auf Antrag vom 1. August 2013 zu erteilen.
Zugleich wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. November 2016 anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten. Zwar habe der Antragsteller den Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG erfüllt, da er wegen mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt worden sei. Die Abwägung zwischen Ausweisungsinteresse und Bleibeinteresse sei jedoch rechtsfehlerhaft. Das Bleibeinteresse des Antragstellers aus § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG und § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG überwiege gegenüber dem Ausweisungsinteresse gemäß §§ 53, 54 AufenthG. Der Antragsteller sei bei allen Straftaten Jugendlicher bzw. Heranwachsender gewesen. Er sei ausschließlich nach Jugendstrafrecht verurteilt worden. Dies lasse auf erhebliche Reifeverzögerungen des Antragstellers schließen. Es gebe die begründete Hoffnung, dass Reiferückstände durch entsprechende Maßnahmen, seien es Haft, vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung und/oder Therapien behoben würden und der Betreffende sich zu einem verantwortungsbewussten Erwachsenen entwickle. Genau dies sei beim Antragsteller zu erwarten. Bei der Entscheidung über die Haftentlassung am 18. November 2016 sei nochmals Vertrauen in den Antragsteller gesetzt worden, er werde künftig keine Straftaten mehr begehen. Er sei einem Bewährungshelfer unterstellt, zu dem er regelmäßig Kontakt halte. Er halte getroffene Absprachen ein. Eine ambulante Drogentherapie habe er aufgenommen. Der dritte Termin finde am 11. Januar 2017 statt. Die Antragsgegnerin habe die Reiferückstände nicht gewürdigt. Das Lebensumfeld des Antragstellers sei unzutreffend dargestellt worden. Dem Antragsteller sei bewusst, dass er sich von seinem bisherigen Umfeld absolut fernhalten müsse. Er lebe mit seiner zukünftigen Ehefrau und seinem sieben Monate alten Sohn zusammen. Seine früheren Freunde treffe er nicht mehr. Während der Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin habe der Antragsteller nicht mit der Geburt des Kindes gerechnet. Die Geburt seines Sohnes sei ein einschneidendes Erlebnis gewesen. Es sei zu erwarten, dass Reiferückstände durch die Sorge und Verantwortung um ein so kleines Kind zurücktreten würden. So habe sich der Antragsteller auch vor seiner Inhaftierung in Beziehung mit seiner jetzigen Lebenspartnerin befunden. Sein Verhalten während der Haft lasse den Schluss zu, dass die längerfristige Inhaftierung beim Antragsteller einen so nachhaltigen Reifeprozess in Gang gesetzt habe, dass dieser seine positiven Entwicklungschancen durch ein jetzt noch stabileres familiäres Umfeld und eine gute berufliche Perspektive nicht erneut durch straffälliges Verhalten gefährden werde. Er sei in seiner Entwicklung noch formbar und willig. Er werde seitens der Antragsgegnerin bereits als Schwerkrimineller abgestempelt. Dies sei falsch. Die Ausweisung verstoße gegen Art. 8 EMRK. Der Antragsteller lebe seit seiner Geburt in Deutschland und habe die Schule mit dem qualifizierenden Hauptschulabschluss abgeschlossen. Der Antragsteller habe, abgesehen von seiner Staatsangehörigkeit, keine Beziehung zu Bosnien. Sein Vater besitze kein Haus in Bosnien. Der Antragsteller habe keine bosnischen Sprachkenntnisse. In Bosnien lebende nahe Verwandte gebe es nicht. Die Eltern des Antragstellers seien 1989 nach Deutschland gekommen und würden demnach seit über 25 Jahren im Bundesgebiet leben. Die Eheschließung mit seiner deutschen Lebenspartnerin, vom Eingang des sogenannten Ehefähigkeitszeugnisses aus Bosnien abhängig, werde in Kürze erfolgen.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 11. Januar 2017, den Antrag abzulehnen und die Klage abzuweisen.
Es bestehe die konkrete Gefahr weiterer schwerer Straftaten. Der Antragsteller sei bereits am 18. November 2016 gemäß § 88 JGG entlassen worden. Der Betroffene sei auf der PROPER-Liste geführt worden. Es bestehe Suchtmittelproblematik.
Die Lebensgefährtin des Antragstellers hat ebenfalls Klage beim Verwaltungsgericht München gegen den Ausweisungsbescheid erhoben und einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt (M 4 K 16.6008 u. M 4 S. 16.6009).
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten verwiesen.
II.
Der unbeschränkt gestellte Antrag, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist bereits unzulässig, soweit er auch die Ausweisungsverfügung in Ziffer 1 des Bescheids betrifft, da die Klage diesbezüglich kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat. Insoweit liegt kein Fall des § 84 Abs. 1 AufenthG vor. Soweit der Antrag, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, die in Ziffer 3 des Bescheids verfügte Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG betrifft, ist der Antrag ebenfalls unzulässig, weil ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Mit der Anordnung der begehrten aufschiebenden Wirkung würde nämlich die Befristungsentscheidung der Antragsgegnerin suspendiert und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG unbefristet gelten. Die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage kann somit die Rechtsstellung des Antragstellers nicht verbessern (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris; VG München, B.v. 16.12.2015 – M 25 S. 15.4149 – juris Rn. 26).
Im Übrigen ist der Antrag zulässig, aber unbegründet.
Hat eine Anfechtungsklage – wie hier gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) – entgegen der Regel des § 80 Abs. 1 VwGO kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, wobei es das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides abzuwägen hat. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die ein wesentliches, allerdings nicht das alleinige Indiz für und gegen die Begründetheit des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens sind. Ergibt die im Eilverfahren allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Erfolgsaussichten, dass die Klage offensichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse eines Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angegriffene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei der Interessenabwägung.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers nach derzeitiger Einschätzung und nach summarischer Prüfung erfolglos bleiben wird. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Die Antragsgegnerin hat die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels zu Recht abgelehnt. Die Abschiebungsandrohung begegnet ebenso keinen rechtlichen Bedenken. Der angefochtene Bescheid erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels steht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AufenthG bereits die Sperrwirkung der in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Ausweisung entgegen. Nach dieser Vorschrift wird einem Ausländer, der ausgewiesen worden ist, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die Sperrwirkung der Ausweisung greift gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, wonach die Wirksamkeit der Ausweisung von Widerspruch und Klage unberührt bleibt, unabhängig davon ein, ob die Ausweisungsverfügung sofort vollziehbar oder bestandskräftig ist (vgl. Hailbronner, AufenthG, 91. Aktualisierung, September 2015, § 11 Rz. 18 f.). Eine Durchbrechung der Sperrwirkung ist aufgrund des sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Gebotes effektiven Rechtsschutzes jedoch dann erforderlich, wenn ein Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels unter Bezugnahme auf eine gleichzeitig erlassene Ausweisung abgelehnt wurde und sich die Ausweisung als rechtswidrig darstellt. In solchen Fällen ist im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Versagung des Titels inzident auch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Ausweisungsverfügung summarisch zu prüfen (vgl. BVerfG, Kammerb.v. 29.3.2007 – 2 BvR 1977/06 – NVwZ 2007, 948 ff.; HessVGH, B.v. 17.8.1995 – 13 TH 3304/94 – NVwZ-RR 1996, 112ff.; VG München, B.v. 25.11.2013 – M 25 S. 13.2682 – juris – Rn. 55).
Aufgrund dieser summarischen Prüfung ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisung, sodass die von ihr entfaltete Sperrwirkung der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht.
Nach § 53 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an der einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
a) Vom Antragsteller geht nach summarischer Prüfung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die freiheitliche demokratische Grundordnung aus, § 53 Abs. 1 AufenthG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind (vgl. zum Erfordernis etwa BVerwG, U.v. 26.2.2002 – 1 C 21/00 – juris Rn. 22). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18). Der Rang des bedrohten Rechtsguts bestimmt dabei die mögliche Schadenshöhe, wobei jedoch keine zu geringen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden dürfen (BVerwG, U.v. 10.7.2012, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben geht das Gericht nach summarischer Prüfung davon aus, dass vom Antragsteller eine entsprechende Wiederholungsgefahr ausgeht und sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass vom Antragsteller die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgeht. Der Antragsteller hat schwere Straftaten begangen. Das vergangene Verhalten des Antragstellers, aus dem hinsichtlich der Wiederholungsgefahr Rückschlüsse zu ziehen sind, legt eine hohe Rückfallgefahr nahe: Besonders schwer wiegt, dass der Antragsteller während der offenen Reststrafenbewährung und sehr kurz nach seiner Haftentlassung wieder straffällig wurde. Der Eindruck der Haft konnte ihn nicht davon abhalten, erneut eine schwere Straftat zu begehen. Ebenso wenig hat der Antragsteller sich seiner Lebensgefährtin zuliebe an die Gesetze gehalten. Es ist nicht ersichtlich, dass es einen einmaligen Anlass für die Straftaten gab, welcher nunmehr weggefallen ist. Nach Angaben des Antragstellers ist Hintergrund seiner Straffälligkeit vielmehr seine Sucht, welche ihn bereits seit seiner frühen Jugend begleitet. Die Bestrebungen des Antragstellers, eine Therapie zu absolvieren, stehen der Gefahr nicht entgegen, dass der Antragsteller erneut straffällig wird. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen Straftaten aufgrund einer bestehenden Drogenproblematik begangen worden sind, geht die Rechtsprechung regelmäßig davon aus, dass von einem Wegfall der konkreten Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann, solange der Antragsteller nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2014 – 10 ZB 13.71 – juris Rn. 6 m.w.N.). Drogenfreiheit in der Haft oder der Plan, eine Therapie zu beginnen, genügen demnach nicht. Der Antragsteller macht nach Angaben seiner Bevollmächtigten eine ambulante Therapie und hat davon einige Termine wahrgenommen. Der Antragsteller ist also noch weit davon entfernt, eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und sein drogen- und straffreies Verhalten auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht zu haben. Die erneute Straffälligkeit des Antragstellers ist wahrscheinlich.
b) Es liegt ein Ausweisungsinteresse vor, dem Bleibeinteressen des Antragstellers gegenüberstehen. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG zu treffende Abwägung ergibt, dass nach summarischer Prüfung das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Antragstellers überwiegt.
Es liegt beim Antragsteller das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor. Denn er ist 2016 zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Der Verurteilung lagen Vorsatztaten zu Grunde. In dieser Verurteilung wurden die Urteile vom 8. Januar 2015 und das dort einbezogene Urteil vom 21. August 2012 einbezogen. Auch die Verurteilung von 2012 kann als Ausweisungsinteresse berücksichtigt werden, obwohl die Antragsgegnerin den Antragsteller 2013 verwarnt hat. Zwar entfaltet der in der Verwarnung vom 23. Juli 2013 enthaltene Verzicht auf die Ausweisung dahingehend Vertrauensschutz, dass die genannten Straftaten nicht doch als Ausweisungsinteresse herangezogen werden (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.1999 – 1 C 11/99 – juris, VGH Mannheim, U.v. 13.1.2016 – 11 S 8889/15 – juris, Graßhof in Beck‘scher Onlinekommentar Ausländerrecht, 11. Edition, Stand: 15.8.2016, § 53 AufenthG Rn. 31 ff.). Jedoch gilt dieser Vertrauensschutz nur, soweit die maßgebliche Sach- und Rechtslage sich nicht ändert (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.1999 – 1 C 11/99 – juris, Graßhof, a.a.O. Rn. 31). Eine solche Änderung ist mit den Straftaten von 2015 und 2016 und den entsprechenden Verurteilungen eingetreten.
Demgegenüber hat der Antragsteller ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Die Belange des Sohnes des Antragstellers sind zu berücksichtigen. Zudem ist nach Art. 8 EMRK zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in Deutschland geboren ist und sein Leben in Deutschland verbracht hat und er somit faktischer Inländer ist.
§ 53 AufenthG gestaltet die Ausweisung als Ergebnis einer umfassenden, ergebnisoffenen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. Diese Abwägung ist voll gerichtlich überprüfbar. Sofern das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers am Verbleib im Bundesgebiet nach dieser Gesamtabwägung überwiegt, ist die Ausweisung rechtmäßig. In die Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind die in §§ 54, 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen. Neben den dort explizit aufgeführten Interessen sind aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar. Die in den §§ 54 f. AufenthG genannten Ausweisungs- und Bleibeinteressen werden nur allgemein als schwer bzw. besonders schwer typisiert, ohne im Sinne eines Automatismus die letztliche Interessenabwägung zu bestimmen. Erforderlich ist vielmehr eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles bereits auf Ebene des Tatbestands (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49 f.; HessVGH, B.v. 5.2.2016 – 9 B 16/16 – juris Rn. 5; VG Düsseldorf, U.v. 11.2.2016 – 8 K 1493/15 – juris Rn. 45 ff.; VG München, B.v. 4.4.2016 – M 10 S. 15.5791 – juris; Hailbronner, AuslR, § 53 Rn. 7 ff., 27; VG München, B.v. 7.11.2016 – M 10 K 15.5640).
Es sind für die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung auch die Kriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heranzuziehen (vgl. nur EGMR, U.v. 18.10.2006 – Üner, Nr. 46410/99 – juris; EGMR, U.v. 2.8.2001 – Boultif, Nr. 54273/00 – InfAuslR 2001, 476-481). Hiernach sind vor allem die Art und die Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthaltes in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll, die seit der Begehung der Straftat verstrichene Zeit und das seitherige Verhalten des Ausländers, die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen, die familiäre Situation des Ausländers, ob zu der Familie Kinder gehören und welches Alter diese haben, sowie die Ernsthaftigkeit der Schwierigkeiten, welche die Familienangehörigen voraussichtlich in dem Staat ausgesetzt wären, in den der Ausländer ausgewiesen werden soll, die Belange und das Wohl der Kinder und die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland zu berücksichtigen (VG Oldenburg, U.v. 11.1.2016 – 11 A 892/15 – juris Rn. 24).
Die Bleibeinteressen des Antragstellers wiegen auch im Einzelfall schwer. Vor allem die Bindung an seinen deutschen Sohn, dem der Antragsteller ein guter Vater sein will, ist ein berechtigter Grund des Antragstellers, weiterhin in Deutschland bleiben zu wollen. Ebenso ist es für den Antragsteller mit beachtlichen Schwierigkeiten verbunden, sich in Bosnien-Herzegowina zurechtzufinden, nachdem er die Sprache nach eigenen Angaben nicht sonderlich gut beherrscht und auch keine familiären Kontakte dorthin hat und auch noch nie in Bosnien-Herzegowina gelebt hat. Vielmehr hat er sein gesamtes Leben in Deutschland verbracht und auch alle seine sozialen Kontakte, vor allem seine Verlobte, sind in Deutschland. Diese Belange zu berücksichtigen gebieten Art. 8 EMRK und Art. 6 GG. Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens; dies umfasst sämtliche persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen für die Entfaltung der Persönlichkeit bei fortdauerndem Aufenthalt wachsende Bedeutung zukommt (EGMR, U.v. 9.10.2003 – 48321/99 – EuGRZ 2006, 560). Die Behörde darf nach Art. 8 Abs. 2 EMRK in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (EGMR, Entscheidung v. 24.3.2015 – 37074/13 – EuGRZ 2015. 464). Da Art. 8 Abs. 2 EMRK eindeutig Ausnahmen von den in Art. 8 Abs. 1 EMRK zugesicherten Rechten vorsieht, kann aus Art. 8 Abs. 1 EMRK kein absolutes Recht auf Nichtausweisung abgeleitet werden (Bauer in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, Vor §§ 53-56 Rn. 96 ff.). Dieser Maßstab gilt entsprechend auch für die Beurteilung, ob ein derartiger Eingriff verhältnismäßig im Sinne von Art. 6 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ist (vgl. dazu BVerfG, B.v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08 – juris Rn. 11). Nach der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG hat der Staat die Pflicht, die Familie zu schützen und zu fördern. Jedoch ergibt sich auch hieraus kein unmittelbarer Anspruch auf Aufenthalt (vgl. nur BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 14). Vielmehr verpflichtet Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG die Ausländerbehörde wie auch die Gerichte, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Antragstellers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen bei der Entscheidung zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris – Rn. 16; BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 14). Im Rahmen dieser Einzelfallabwägung ist das Gewicht des Rechts auf Familienleben an der tatsächlichen Verbundenheit zu messen (vgl. VGH München, B. v. 24.11.2008 – 10 CE 08.3014 – juris; VGH München, B. v. 17.5.2013 – 10 CE 13.1065 – juris, VG München B. v. 23.10.2013 – M 10 E 13.3727 – juris). Nach eigenen Angaben und Angaben seiner Verlobten möchte sich der Antragsteller nun nach seiner Haftentlassung um seinen kleinen Sohn kümmern. Der Sohn des Antragstellers wurde von seiner Mutter auch regelmäßig zu den Besuchen in die Haft mitgenommen. Allerdings ist zu beachten, dass der Sohn noch sehr klein ist. Ein gemeinsames Leben haben Vater und Sohn nur sehr kurzzeitig geteilt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es dem Antragsteller in Bosnien-Herzegowina nicht unmöglich sein wird, Telefon- und Briefkontakt zu seiner Verlobten und seinem Sohn aufrecht zu erhalten. Der Kontakt des Antragstellers zu seinem Sohn ist aus dem Ausland nur zu einem gewissen Grad möglich, jedoch kann eine Beziehung dennoch erhalten bleiben. In einem vollkommen unbekannten Land zu leben, ist für den Antragsteller schwierig. Er ist faktischer Inländer. Jedoch stellt sich die Ausweisung des Antragstellers auch mit Blick auf die strengen Anforderungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK angesichts der wiederholten Straftaten und der Chancen, die der Antragsteller nicht genutzt hat, nach summarischer Prüfung als verhältnismäßig dar. Straftaten können auch zur Ausweisung führen, wenn der ausländische Straftäter faktischer Inländer und Vater eines deutschen Kindes ist. Zudem ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller in Bosnien-Herzegowina als bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger besonderen Repressalien ausgesetzt sein wird.
Die Straftaten des Antragstellers wiegen schwer. Es handelt sich bei den Taten um schwere Delikte, die keinesfalls der Bagatellkriminalität zugerechnet werden können. Der Antragsteller wurde von der Polizei als kriminalpolizeilicher Intensivtäter geführt und im Programm PROPER (Projekt personenbezogene Ermittlungen und Recherchen) des Polizeipräsidiums … aufgenommen. Seine Straftaten haben sich im Wesentlichen gegen das Eigentum gerichtet mit Schwerpunkt Einbruchsdiebstahl. Hinzu kommen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Der Antragsteller hat vor dem Strafgericht selbst angegeben, schon seit mehreren Jahren Marihuana und Kokain zu konsumieren (Bl. 372 der Behördenakte). Insgesamt hat der Antragsteller mehrere Chancen, ein straffreies Leben zu führen, nicht ergriffen. Die Ausländerbehörde hat den Antragsteller über die ausländerrechtliche Relevanz bereits seiner ersten Taten früh informiert. Der Antragsteller wurde 2013 verwarnt; ihm war klar, dass weitere Straftaten zur Ausweisung führen können.
Der in den Sanktionen des Jugendstrafrechts zum Ausdruck kommende Erziehungsgedanke hat trotz der ergriffenen Maßnahmen beim Antragsteller nicht zu einer Abkehr von seinem kriminellen Verhalten geführt.
Nachdem bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung damit nicht bestehen, entfaltet diese die Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Damit ist davon auszugehen, dass die Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des Aufenthaltstitels zu Recht erfolgte und die Klage insoweit erfolglos bleiben wird.
2. Die in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung erweist sich bei summarischer Prüfung ebenfalls als rechtmäßig. Der Erlass einer Abschiebungsandrohung setzt voraus, dass der Ausländer zur Ausreise verpflichtet ist. Vorliegend ergibt sich die Ausreisepflicht des Antragstellers bereits aus dem Umstand, dass er keinen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel (mehr) besitzt. Der am 1. August 2013 gestellte Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels wurde in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids abgelehnt, womit auch die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG entfallen ist. Im Übrigen entspricht die Abschiebungsandrohung den gesetzlichen Anforderungen. Die gesetzte Ausreisefrist hält sich im Rahmen des § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, besondere Umstände des Einzelfalls im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 AufenthG, die eine längere Ausreisefrist erfordern würden, liegen nicht vor. Nach § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu bezeichnende Staaten, in die eine Abschiebung nicht erfolgen darf, sind nicht ersichtlich. Da sich bei summarischer Prüfung damit auch die Abschiebungsandrohung als rechtmäßig erweist, setzt sich das öffentliche Interesse an dem vom Gesetzgeber in Art. 21a VwZVG vorgesehenen Sofortvollzug gegenüber dem Wunsch des Antragstellers nach der vorläufigen Suspendierung der Abschiebungsandrohung durch.
3. Nachdem ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit weder hinsichtlich der Ablehnung des Aufenthaltstitels noch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung bestehen und das Hauptsacheverfahren damit insoweit voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird, war der vorliegende Eilantrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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