Verwaltungsrecht

Ausweisung wegen Straftat (Vergewaltigung), Wiederaufnahmeantrag bzgl. strafrechtlicher Verurteilung kein Zulassungsgrund

Aktenzeichen  19 ZB 22.241

Datum:
5.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8223
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2
StPO § 360,
StPO § 370

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 7 K 21.346 2021-11-29 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsantragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsantragsverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger, ein am 25. August 1990 geborener ehemaliger Asylbewerber aus Gambia, sein in erster Instanz erfolgloses Begehren nach Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 4. März 2021 weiter. Mit diesem Bescheid wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und gegen ihn ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, das auf die Dauer von fünf Jahren befristet wurde, angeordnet.
Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung.
Der Kläger trägt vor, dass seine Ausweisung im Wesentlichen darauf beruhe, dass er mit Urteil des Landgerichts W. vom 1.12.2020 (Az. 3 Ns 904 Js 24275/18) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei. Er bleibe bis heute dabei, dass er die Zeugin D. nicht vergewaltigt habe. In dieser Strafsache lägen neue Beweismittel vor, die in dem bereits rechtskräftigen Urteil nicht berücksichtigt worden seien. Er habe durch seinen Strafverteidiger die Wiederaufnahme des Strafverfahrens beantragt. Beweis: Antrag auf Wiederaufnahme durch Rechtsanwalt H. vom 14.2.2022. Sollte sich durch das Wiederaufnahmeverfahren erweisen, dass er nicht der Vergewaltigung schuldig gewesen sei, wäre auch die Ausweisung in der ausgesprochenen Form nicht weiter aufrechtzuerhalten. Es bleibe daher der Fortgang des strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahrens abzuwarten.
Dieses Vorbringen kann dem Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bereits deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil eine Berufung nur aus den in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Gründen zugelassen werden kann und das Zulassungsvorbringen keinem dieser Zulassungsgründe zugeordnet werden kann. Weder benennt das Vorbringen des Klägers ausdrücklich einen der in § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 VwGO abschließend genannten Zulassungsgründe oder macht Ausführungen dazu, noch kann das Vorbringen entsprechend ausgelegt werden. Der Hinweis auf die Stellung eines Wiederaufnahmeantrags im Hinblick auf das rechtskräftige Strafurteil des Landgerichts W. vom 1.12.2020 wird nicht von der abschließenden Aufzählung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO umfasst.
Insbesondere der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt hier nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt wird, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt (z.B. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/547), mithin diese Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2010 – 7 AV 4/03 – GVBl 2004, 838/839). Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht.
Der Wiederaufnahmeantrag ändert nichts an dem vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht zutreffend angenommenen besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a AufenthG aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers durch das Landgericht W. vom 1.12.2020 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren. Die Rechtskraft des Strafurteils entfällt erst, wenn das Strafgericht nach § 370 Abs. 2 StPO die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung anordnet (BGH vom 17.4.1964 BGHSt. 19, 280; stRspr.). Auch die Vollstreckung der Strafe wird nicht bereits durch einen Antrag auf Wiederaufnahme gehemmt (§ 360 Abs. 1 StPO), d.h. der Wiederaufnahmeantrag hat grundsätzlich keinen Suspensiveffekt; eine Anordnung von Aufschub oder Unterbrechung der Vollstreckung erfolgte nicht. Bei dieser Rechtslage lässt daher die Stellung des Wiederaufnahmeantrags das durch das Urteil des Landgerichts W. vom 1.12.2020 rechtskräftig festgestellte besonders schwere Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a AufenthG, das der Ausweisung des Klägers zugrunde liegt, nicht entfallen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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