Verwaltungsrecht

Ausweisung wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (Ansar al-Islam)

Aktenzeichen  10 B 18.2485

Datum:
8.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 349
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 1, § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 5 Abs. 4, § 11 Abs. 1, § 53 Abs. 1, Abs. 2, § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 55 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 5, § 56 Abs. 1, Abs. 2, § 59
RL 2008/115/EG Art. 11

 

Leitsatz

1. Die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder einer Vereinigung, die eine terroristische Vereinigung unterstützt im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfasst alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeit der Vereinigung auswirken (Rn. 26). (redaktioneller Leitsatz)
2. Obwohl sich die terroristische Vereinigung Ansar al-Islam bereits im August 2014 dem Islamischen Staat im Irak unterstellt und damit ihren Namen und ihre eigenständige Organisation aufgegeben hat, liegt mit diesem Zusammenschluss bzw. Anschluss nach wie vor eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor (Rn. 28). (redaktioneller Leitsatz)
3. Entscheidend ist auch nach der Neufassung des Ausweisungstatbestandes des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, ob im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt von dem Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichekit ausgeht (Rn. 41). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 K 10.1876 2011-07-05 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. In Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 5. Juli 2011 wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Mit Einverständnis der Parteien entscheidet der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 28. Oktober 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Demgemäß ist die Klage des Klägers unter Abänderung des stattgebenden Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 5. Juli 2011 abzuweisen.
1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Anfechtungsbegehren (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) auf Aufhebung des streitgegenständlichen Ausweisungsbescheids des Beklagten. Die – insoweit isolierte – Anfechtungsklage bezieht sich dabei ausdrücklich auch auf die in Nr. 3. des Bescheids erfolgte Versagung der Aufenthaltserlaubnis, wobei dahinstehen kann, ob – wovon das Verwaltungsgericht ausgeht – das hierfür erforderliche Rechtsschutzinteresse des Klägers infolge fehlender Zuständigkeit des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. BVerwG, U.v. 21.11.2006 – 1 C 10.06 – juris Rn. 16 m.w.N.; s. nunmehr aber § 3 Abs. 1 Nr. 3 ZustVAuslR in der seit 1.8.2018 geltenden Fassung, GVBl S. 714, 738) besteht.
2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der Versagung der Aufenthaltserlaubnis sowie der weiteren aufenthaltsrechtlichen Verfügungen (Abschiebungsandrohung, Aufenthaltsbeschränkung und Meldepflicht) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (stRspr des BVerwG, vgl. z.B. U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 25). Der Entscheidung sind daher die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 20. November 2019 (BGBl I S. 1626), zugrunde zu legen. Eine wie im vorliegenden Fall nach altem Recht verfügte Ausweisung wird auch nach dem Inkrafttreten des seit dem 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsrechts (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 (BGBl I S. 1386) nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht (BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 26).
2.1. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage im Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an seiner Ausreise mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (zur Systematik des neuen Ausweisungsrechts vgl. z.B. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 19 ff.).
2.1.1. Der Kläger hat durch sein Verhalten ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinn von § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verwirklicht. Er hat die terroristische Vereinigung AAI unterstützt (2.1.1.1.). Das auch bei Verwirklichung eines Tatbestandes nach § 54 AufenthG erforderliche Fortbestehen der vom Kläger ausgehenden Gefahr (für die öffentliche Sicherheit und Ordnung) ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs noch zu bejahen (2.1.1.2.). Dahinstehen kann deshalb, ob daneben auch das schwerwiegende Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG verwirklicht wird.
2.1.1.1. Der Tatbestand des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ist dem Wortlaut nach weitgehend an den früheren Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. angelehnt, auf den die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung gestützt war. Für die Auslegung des Tatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG können deshalb dieselben rechtlichen Maßstäbe herangezogen werden, die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des Regelausweisungstatbestandes nach § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (a.F.) entwickelt worden sind (BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 28 ff.; BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 29). Demnach gilt weiterhin, dass die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder einer Vereinigung, die eine terroristische Vereinigung unterstützt, alle Verhaltensweisen erfasst, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeit der Vereinigung auswirken. Darunter kann die Mitgliedschaft in der terroristischen oder in der unterstützenden Vereinigung ebenso zu verstehen sein wie eine Tätigkeit für eine solche Vereinigung ohne gleichzeitige Mitgliedschaft. Für den Ausländer muss die eine Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende Zielrichtung seines Handelns erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein; auf eine darüber hinaus gehende innere Einstellung des Ausländers kommt es hingegen nicht an (BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 31 m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen, die der Senat schon bisher seiner Rechtsprechung (vgl. zuletzt U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris) zugrunde gelegt hat, liegt beim Kläger ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor.
Obwohl sich die terroristische Vereinigung AAI bereits im August 2014 dem Islamischen Staat im Irak (IS) unterstellt und damit ihren Namen und ihre eigenständige Organisation aufgegeben hat, liegt mit diesem Zusammenschluss bzw. Anschluss nach wie vor eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Der Senat hat bereits entschieden, dass auch nach diesem Anschluss davon auszugehen ist, dass die bisherigen Organisationsstrukturen der AAI vom IS zur Verfolgung terroristische Ziele übernommen wurden und weitergeführt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es möglich und nicht unwahrscheinlich, dass der IS sich der Organisationsstrukturen und Kontakte der AAI bedient und an Anhänger dieser Organisation mit der Bitte um Unterstützung herantritt (BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 39). An dieser Einschätzung hält der Senat fest. Zwar hat sich die Sicherheitslage im Irak nach dem territorialen Sieg über den IS merklich verbessert. Nichtsdestotrotz ist der IS weiter aktiv, insbesondere in den Gegenden um Kirkuk, Mosul und Tal Afar. Koordinierte Anschläge dieser Vereinigung auch in Bagdad sprechen für eine Rückbesinnung auf die Fähigkeiten der asymmetrischen Kriegsführung (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2018, vom 12.1.2019, II. 2.1.1., S. 16).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Verwaltungsgerichtshof und unter Berücksichtigung der vorliegenden Behördenakten sowie der zum Verfahren beigezogenen Verfahrensakten betreffend weitere Unterstützer dieser Organisation (10 B 10.1999, 10 BV 09.1784, 10 B 10.1713 und 10 B 12.1823) hat der Kläger zur Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) die AAI in rechtserheblicher Weise individuell unterstützt.
Sein grundsätzlicher Einwand (s. Bl. 4 der Sitzungsniederschrift vom 22.2.2016), die AAI sei eine „durchgängig kurdisch geprägte Organisation“ gewesen, zu der Personen mit anderer Abstammung (wie der Kläger, der arabischturkmenischer Abstammung ist) kein Zutritt gewährt worden sei“, jedenfalls könne ihm deshalb kein „Unterstützungswille“ unterstellt werden, ist nicht stichhaltig. Auch wenn die AAI, die zeitweise unter dem Namen Ansar al-Sunna agierte, eine 2001 in den kurdischen Gebieten Nordiraks gegründete jihadistische Organisation ist, die ursprünglich islamistische Kurden aus dem Nordirak mit dem Ziel vereinigte, dort einen islamischen Staat nach dem Beispiel der Taliban-Herrschaft in Afghanistan zu errichten (vgl. das im Verfahren vorgelegte Behördenzeugnis des Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 20.9.2019, S. 2 – Bl. 46 der VGH-Akte 10 B 18.2485; BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 37), handelt es sich bei dieser Vereinigung nicht etwa um eine rein kurdische Miliz; vielmehr waren auch Personen aus anderen Staaten und (irakische) Araber sowie Turkmenen Mitglieder bzw. Kämpfer dieser Organisation (zur Entstehung, Entwicklung und insbesondere militärischen Struktur der AAI vgl. eingehend das wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. gegen L* … A* … H* … K* … ergangene und mit den Beiakten des vorliegenden Verfahrens vorgelegte Strafurteil des OLG München vom 12.1.2006 – 6 St 001/05 – S. 69 ff./87 f.; zu einem weiteren Mitglied bzw. Unterstützer der AAI mit arabischturkmenischer Abstammung: BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris).
Entgegen den Feststellungen und der tatrichterlichen Würdigung des Erstgerichts war (auch) der Kläger Mitglied bzw. Teil der „A* … Gruppe“ um die Schlüsselperson des M* … S* … M* … alias M* … A** H* … (im Folgenden: M* …*), die unter anderem durch die Sammlung von Spendengeldern für die Kerngruppe der Ansar alIslam/Ansar al-Sunna in Erscheinung getreten ist. Zur Rolle dieser „A* … Gruppe“ und der Sammlung von Spendengeldern hat der Senat im Verwaltungsstreitverfahren betreffend die Ausweisung eines weiteren Mitglieds dieser Gruppe (H* … G* … W* …*) mit rechtskräftigem Urteil vom 25. September 2013 (10 B 10.1999) unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg folgende Feststellungen getroffen (Rn. 33 ff.):
„1.1.2.1. Eine wesentliche belegte (Anknüpfungs-)Tatsache ist, dass in A* … um die Schlüsselperson des M* … S* … M* … alias M* … A** H* … (im Folgenden: M* …*) herum eine Anhängergruppe der Ansar al-Islam (später: Ansar al-Sunna) existierte, die unter anderem durch die Sammlung von Spendengeldern für die Kerngruppe der Ansar alIslam/Ansar al-Sunna in Erscheinung getreten ist (vgl. dazu auch S. 2 der Erkenntnismitteilung des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz – LfV – vom 22.8.2008, Bl. 495 ff. der Behördenakten). M* … wurde mit (rechtskräftigem) Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Juli 2008 (Az. 5 – 2 StE 2/05) neben den Angeklagten A** A* … R* … (im Folgenden: A**) und R* … M* … Y* … wegen der Beteiligung als Mitglied an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna) in Tateinheit mit der versuchten Beteiligung an einem Mord zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren 6 Monaten verurteilt. Bei M* … handelt es sich nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Stuttgart in diesem Strafurteil um ein hochrangiges, in das Netzwerk der Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna fest eingebundenes Mitglied, das die Ziele dieser Organisation sowie die zu deren Erreichung eingesetzten Mittel, insbesondere auch den gewaltsamen Kampf und die dabei vor allem im Irak praktizierten terroristischen Anschläge, kannte, billigte und unterstützte. Im Auftrag von A** führte M* … regelmäßige Geldsammlungen für die Ansar al-Islam/Ansar alSunna im Bereich A* … durch und war zudem an verschiedenen Geldtransfers an diese Vereinigung im Irak beteiligt. Im Zeitraum 2003/2004 (bis zu seiner Verhaftung) konnte eine ganze Reihe von Beteiligungen des M* … an Geldsammlungen und -transfers zur Deckung des Finanzbedarfs der Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna festgestellt werden (vgl. S. 33 ff. der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 15.7.2008). So wurde M* … nach den Feststellungen des OLG Stuttgart von A** z.B. in einem Telefonat vom 15. Dezember 2003 aufgefordert, bei den „Jungs um dich herum“ Geld einzusammeln, das A** dringend brauchte, wobei es sich um eine finanzielle Unterstützung der terroristischen Vereinigung handelte, was M* … auch wusste und wollte (vgl. S. 134 der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 15.7.2008). M* … selbst hat sich im Strafverfahren zwar wiederholt dahingehend erklärt, das von ihm gesammelte Geld sei nicht für die Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna, sondern für „Arme und Bedürftige“ bestimmt gewesen (vgl. S. 140 f. der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 15.7.2008). Diese Einlassung einer bloßen „humanitären Hilfe“ ist jedoch durch die Feststellungen des OLG Stuttgart im bereits mehrfach zitierten Strafurteil ebenso eindeutig widerlegt wie die Behauptung des M* …, bei diesen Geldsammlungen und -zahlungen habe es sich um vereinzelte Aktionen und nicht um regelmäßige monatliche Zahlungen für die Vereinigung gehandelt.
1.1.2.2. Dass die Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna in Europa und vor allem auch in Deutsch land über Mitglieder und Unterstützer verfügte, deren Aufgabe neben dem Anwerben von Kämpfern und weiteren Unterstützern insbesondere die Verbreitung von Propaganda unter den hier lebenden Muslimen und die Beschaffung und Übersendung von Geld in den Irak war, ergibt sich zudem aus den Feststellungen des Oberlandesgerichts München in dessen gegen L* … A* … H* … K* … alias L* … A* … M* … (im Folgenden: L* …*) ergangenen (rechtskräftigen) Strafurteil vom 12. Januar 2006 (Az. 2 StE 3/04-1; vgl. dort S. 23 f.). Mit diesem Urteil wurde L* … unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen des OLG München in diesem Strafurteil war L* … seit Anfang 2002 in diese terroristische Organisation als Mitglied eingebunden und förderte sie als einer der Führer in Deutschland durch zahlreiche Tätigkeiten, unter anderem durch die Rekrutierung von Kämpfern für den Dschihad im Irak, als Anlaufstelle und Kontaktperson, durch logistische Aufgaben und vor allem durch Geldsammlungen und Geldtransfers in den Irak zu Gunsten dieser terroristischen Organisation (vgl. S. 133 ff. der Entscheidung des OLG München vom 12.1.2006). Zu den laufenden Geldsammlungen und Geldtransfers stellt das OLG München fest, dass L* … bei den Sammlungen, die vorwiegend in Moscheen und Privatwohnungen erfolgten, angegeben habe, diese Gelder seien für „gute Zwecke“ bestimmt, etwa für bedürftige Frauen und Kinder im Irak. Eingeweihte hätten jedoch gewusst, dass das Geld für die Ansar alIslam/Ansar al-Sunna bestimmt gewesen sei, wohin die Gelder – wie von Anfang an beabsichtigt – dann auch tatsächlich geflossen seien (vgl. S. 45 der Entscheidung des OLG München vom 12.1.2006).
1.1.2.3. Die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach sich für eine Sammeltätigkeit der „A* … Gruppe“ um den Kläger für die Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna keine hinreichend tragfähigen Grundlagen ergeben hätten, weil keine belegbaren oder konkreten Erkenntnissen zu eventuellen Spendensammlungen vorgelegen und die vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen zudem übereinstimmend eine derartige Sammeltätigkeit verneint hätten, vermag der Senat nicht zu teilen. Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Einschätzung des Erstgerichts, der Kläger sei mit dem wegen Mitgliedschaft in dieser terroristischen Organisation verurteilten M* … über längere Jahre nur befreundet gewesen, ohne von dessen strafrechtlich relevanten Handlungen etwas gewusst oder gar die Taten seines Freundes gebilligt oder unterstützt zu haben. Grundlegenden Bedenken des Senats unterliegt auch die durch das Verwaltungsgericht vorgenommene Würdigung der Zeugenaussagen zu Geldsammlungen zu Gunsten der Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna in der S* …-Moschee in A* …
1.1.2.3.4. Zusammenfassend ist entgegen der Bewertung des Erstgerichts gerade nicht da von auszugehen, dass sich die Gruppe irakischer Staatsangehöriger in A* … um den Kläger und M* … herum nur zum gemeinsamen Gebet in der S* …-Moschee in A* … getroffen und (wenige Male) Geldsammlungen ausschließlich für den Unterhalt dieser Moschee durchgeführt hat. Vielmehr liegen zahlreiche belegte Indiztatsachen dafür vor, dass jedenfalls die als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung (Ansar alIslam/Ansar al-Sunna) verurteilte Schlüsselperson M* … – wie ihm von dieser Vereinigung und dem ihm innerhalb dieser Organisation hierarchisch übergeordneten Mitglied A** aufgetragen – innerhalb und außerhalb der S* …-Moschee Geldsammlungen bei seinen irakischen Freunden und Bekannten für so bezeichnete „humanitäre“ oder „gute Zwecke“ bzw. „Arme“ und „hilfsbedürftige Personen“ im Irak durchgeführt und das Geld wie von vornherein beabsichtigt über entsprechende Verbindungsleute an die terroristische Vereinigung weitergeleitet hat. Aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senats auch fest, dass entgegen den wiederholten Einlassungen des M* … im Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, es habe sich dabei nur um „Spenden für Arme und Bedürftige“ gehandelt, und entgegen den mehr oder weniger gleich lautenden Angaben der Mitglieder des A* … Unterstützerkreises nicht nur M* …, sondern allen Beteiligten hinreichend klar war, dass diese Gelder letztlich zur finanziellen Unterstützung der Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna und für die „Brüder im Irak“ bestimmt waren. Das Aussageverhalten des M* … schon im Strafverfahren, vor allem aber bei seinen Vernehmungen vor dem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof war und ist erkennbar davon geprägt, seine maßgebliche (Führungs-)Rolle innerhalb der Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna herunterzuspielen und insbesondere „niemand anderen mit hineinzuziehen“ (vgl. z.B. seine diesbezüglichen Angaben vor dem Verwaltungsgericht, S. 6 der Niederschrift vom 16.3.2010, wo er dieses Motiv ausdrücklich nennt). Besonders deutlich wird dies beispielsweise, wenn der Zeuge M* … aussagt, innerhalb der Ansar al-Islam sei nie über den Kläger gesprochen worden, nur einmal sei gesagt worden, in A* … lebe eine Person, die gegen den Dschihad sei (S. 6 der Niederschrift vom 16.3.2010). Der Kläger und andere Mitglieder der A* … Gruppe um M* … herum haben sich nachweislich konspirativ verhalten, indem sie sich zum Beispiel absprachen, wie sich die zu polizeilichen Vernehmungen vorgeladenen (acht) Mitglieder der Gruppe bezüglich M* …, den Hawala-BankingÜberweisungen des I* … …-B* … sowie Kontakten zu Dritten – darunter dem ebenfalls durch das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilten R* … M* … Y* … – jeweils eingelassen haben bzw. besser hätten einlassen sollen. Dies ergibt sich eindeutig zum Beispiel aus einem im Pkw des I* … …-B* … abgehörten Gespräch zwischen dem Kläger, I* … …-B* … und H* … M* … A** M* … (letzterer war Mitbewohner des M* … in der Wohngemeinschaft in A* …*) am 8. März 2006 (Bl. 226 ff. der Behördenbeiakte der Regierung von Oberbayern im Verfahren …-B* … – Az. 10 ZB 11.412, jetzt 10 B 12.1823 sowie Beiakte der Regierung von Schwaben zum Verfahren Au 1 K 09. 50). In diesem Gespräch, in dem es im Wesentlichen um das Aussageverhalten der Gesprächsteilnehmer bei der Zeugenvernehmung im Rahmen des Strafverfahrens des M* … geht, zeigt sich das konspirative Verhalten der A* … Gruppe schon in folgendem Dialog: H* …: „K** M* …, weil er sehr vorsichtig war, wie du schon weißt …“ H* … (Kläger): „Ja.“ H* …: „… haben wir niemals über etwas gesprochen, bis auf ein einziges Mal …“ (es folgt die Schilderung eines Telefongesprächs mit M* …; TKÜ-Gesprächsprotokoll vom 8.3.2006, Beiakte der Regierung von Schwaben zum Verfahren Au 1 K 09.50). Im weiteren Verlauf des Gesprächs erzählt beispielsweise …-B* …, M* … H* … (Kläger) hätte ihm gesagt, man sollte nicht lügen: „Aber manchmal, ich musste lügen.“ Weiter erzählt er, dass er sich einmal (bei seiner Vernehmung) verraten und doch festgestellt habe, dass sie schon über vieles informiert seien und seit drei Jahren diesen Jungen (M* …*) beobachtet hätten (Bl. 226 der Behördenbeiakte der Regierung von Oberbayern im Verfahren …-B* …*). Dabei gibt der Kläger den Rat, …-B* … hätte bei Beschuldigungen im Zusammenhang mit Geldüberweisungen und M* … sagen sollen, es hätte sich nur um Ausleihen und Rückzahlungen gehandelt (Bl. 227 a.a.O.). Weiter ergibt sich aus diesem Gespräch, dass …-B* … offensichtlich im Auftrag des M* … Geld an einen Ismail überwiesen hat. In diesem Zusammenhang rät der Kläger wiederum …- B* …, es sei sein Recht zu schweigen und er solle nichts vorzeitig zugeben, sondern erst, wenn einem „der Beweislast“ vorgelegt wird. In der Folge berichtet …-B* …, dass bei seiner Vernehmung durch das Vorspielen von Telefongesprächen seine Lüge, R* … nicht zu kennen, aufgedeckt worden sei. Der Kläger erklärt dabei, er kenne R* … ebenfalls. Schließlich wird aus dem Gespräch klar, dass den Beteiligten die Rolle des M* … für die Ansar alIslam/Ansar al-Sunna durchaus bewusst war, wenn …-B* … an einer Stelle sagt: „K** M* …, du machst so was, 24 Stunden sprichst du im Internet mit k** K* …, mit A** und mit … Und du hast nichts getan; bei Gott, ich weiß es, er hat nichts getan.“ (Bl. 228 a.a.O.). Bei einem bei der Regierung von Oberbayern geführten Sicherheitsgespräch am 13. November 2008 hat …-B* … dann im Übrigen auf entsprechenden Vorbehalt kategorisch bestritten, so etwas jemals gesagt zu haben (Bl. 319 der Behördenbeiakte der Regierung von Oberbayern im Verfahren …-B* … – Az. 10 ZB 11.412, jetzt 10 B 12.1823). Im weiteren Verlauf dieses im PKW des …-B* … abgehörten Gesprächs sagt …-B* … zum Kläger im Zusammenhang mit seiner polizeilichen Vernehmung über Geldüberweisungen im Auftrag des M* …: „M* …, ich stellte fest, dass er, mit Verlaub, Kenntnisse über unbedeutende Sachen hat, zum Beispiel von 2-3 unbedeutenden Sachen, wusste aber über die großen Sachen Bescheid.“ (Fortsetzung TKÜ-Gesprächsprotokoll vom 8.3.2006, Beiakte der Regierung von Schwaben zum Verfahren Au 1 K 09.50). Schließlich unterhalten sich der Kläger und …-B* … in diesem Gespräch über ihre jeweiligen Angaben bei ihren polizeilichen Vernehmungen (am Vortag), insbesondere auch über geleistete Hilfen für M* … Dabei gibt der Kläger wiederum den Rat, bei der Hilfeleistung für M* … solle man es in der Zukunftsform formulieren, in dem Fall mache man sich nicht strafbar (Fortsetzung TKÜ-Gesprächsprotokoll vom 8.3.2006, Beiakte der Regierung von Schwaben zum Verfahren Au 1 K 09. 50). Aus dem Gesprächsverlauf ergibt sich im Übrigen auch, dass der Kläger M* … schon geholfen hat.“
Das Verwaltungsgericht Augsburg bezieht sich im angefochtenen Urteil vom 5. Juli 2011 zur Begründung seiner Auffassung, es lägen beim Kläger keine hinreichenden Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigten, er gehöre einer terroristischen Organisation an oder unterstütze eine solche, auch auf frühere, andere Mitglieder dieser „A* … Gruppe“ betreffende Entscheidungen der Kammer (insbesondere U.v. 30.7.2009 – Au 1 K 09.191 -, U.v. 18.11.2011 – Au 1 K 10.121 -). Diese sind jedoch jeweils mit rechtskräftigem Berufungsurteil des Verwaltungsgerichtshofs unter Abweisung der Anfechtungsklage gegen die streitbefangenen Ausweisungsverfügungen aufgehoben bzw. abgeändert worden (BayVGH, U.v. 25.3.2010 – 10 BV 09.1784 – juris, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris).
Auch das Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 22. Februar 2016 bestätigt die vom Senat bereits mehrfach rechtskräftig vorgenommene Bewertung dieser „A* … Gruppe“ und ihrer Sammlung von Spendengeldern. So hat der als Zeuge vernommene M* … eingeräumt, in A* … bzw. der A* … Moschee Geld „für arme bzw. bedürftige Leute“ gesammelt zu haben, das er „dann an die AAI weitergeleitet“ habe, „die das Geld im Irak zum Beispiel auch für solche armen und bedürftigen Leute verwendet“ habe (vgl. S. 9 der Sitzungsniederschrift, VGH-Akte 10 B 13.1446, Bl. 131). Auf Vorhalt früherer Aussagen hat er zudem angegeben, einige Male auch „für Hilfsbedürftige im Irak Geld gesammelt“ zu haben. Seine weiteren Einlassungen zu Geldsammlungen, er habe von seinen „irakischen Bekannten Geld für die Moschee eingesammelt“ und dieses „dann in einen Sammelbehälter geworfen“ ist – wie der Senat in dem bereits oben zitierten Urteil vom 25. September 2013 ausführlich dargelegt hat, weder anhand sonstiger Erkenntnisse und Angaben Beteiligter nachvollziehbar noch glaubhaft. Letzteres gilt auch für die Einlassung des Zeugen, „die Personen, von denen ich Geld gesammelt habe, hätten schon aus religiösen Gründen nicht hinterfragt, wo und für welche armen oder bedürftigen Leute ihre Spende sein soll“. Dass Eingeweihte bei den laufenden Geldsammlungen für „gute Zwecke“ bzw. für bedürftige Frauen und Kinder im Irak sehr wohl gewusst haben, dass das Geld für die Ansar alIslam/Ansar al-Sunna bestimmt sei, wohin die Gelder dann auch tatsächlich geflossen seien, ergibt sich unter anderem aus den Feststellungen des Oberlandesgerichts München in dessen bereits zitierten Strafurteil vom 12. Januar 2006 gegen L* … A* … H* … K* … alias L* … A* … M* … (vgl. S. 45 der Entscheidung des OLG München vom 12.1.2006). Auch bei der in der „A* … Gruppe“ durchgeführten Geldsammlung für die Strafverteidigung des inhaftierten M* … waren die Umstände und der Sammlungszweck allen Beteiligten und Spendern durchaus bewusst (vgl. z.B. die diesbezüglichen Angaben des Klägers in seiner Sicherheitsbefragung am 17.9.2009, Bd. 3 der Ausländerakte des Klägers, Bl. 520). Im Gegensatz zu seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zum Beispiel bei seiner Sicherheitsbefragung am 20.11.2008 noch bestätigt, dass M* … „am Ende des Ramadan“ „als Almosen für die armen Leute“ „mal Geld gesammelt“ hat (s. S. 25 der Niederschrift über die Sicherheitsbefragung, Bl. 120 der Regierungsakte 11-2084-J- 05/10).
Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens auch davon überzeugt, dass der Kläger entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung und (zuvor) gegenüber den Behörden – ebenso wie seine Freunde bzw. Bekannten aus der „A* … Gruppe“ – wusste, dass M* … die bei den „Jungs“ (um ihn herum) regelmäßig eingesammelten bzw. beigetriebenen Gelder zur finanziellen Unterstützung der AAI/AAS und deren Kämpfer im Irak weitergeleitet hat. Dafür sprechen neben den bereits im zitierten Urteil des Senats vom 25. September 2013 (10 B 10.1999) dargelegten Umständen insbesondere auch die intensiven und teilweise freundschaftlichen Kontakte des Klägers nicht nur zur Schlüsselfigur dieser „A* … Gruppe“ M* … (vgl. dazu dessen Angabe bei seiner Zeugenvernehmung am 22.2.2016, Bl. 9 der Sitzungsniederschrift), mit dem er zeitweise im Anwesen B* …straße … in A* … gewohnt hat, sondern auch zu weiteren Unterstützern der AAI wie insbesondere H* … G* … W* … (s. BayVGH, U.v. 25.9.2013 – 10 B 10.1999), I* … …-B* … (s. BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252) und A* … K* … (s. BayVGH, U.v. 25.3.2010 – 10 BV 09.1784). Deren zum Teil führende Rolle in diesem Unterstützungsnetzwerk ist in den angeführten Entscheidungen des Senats ausführlich beschrieben. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch der vom Kläger zunächst (in seinen Sicherheitsgesprächen) geleugnete mehrfache Kontakt zu einem in Deutschland führenden Mitglied und Verantwortlichen der AAI, L* … A* … H* … K* …, der den Kläger als ihm im Raum A* … neben M* … (und einer weiteren Person) bekannten „guten Muslim“ genannt hat (S. 26 des Protokolls der Zeugenvernehmung L* … vom 7. März 2006, Regierungsakte 11- 2084-J-05/10). Zur dieser Bezeichnung hat das Oberlandesgericht München in seinem Strafurteil gegen L* … vom 12. Januar 2006 (UA S. 36) festgestellt, dass L* … als „guten Muslim“ nur eine Person ansehe, die „sich für den Jihad, also den im Verständnis des Angeklagten auch bewaffneten Kampf gegen die Ungläubigen,“ einsetze. Die diesbezüglichen Angaben des Klägers und des Zeugen M* …, der (einmalige) Kontakt zu L* … habe ausschließlich dem Zweck der Schleusung der Schwester gedient, sind vor dem Hintergrund des Aussageverhaltens des Klägers, der offensichtlich mehrfachen Treffen bei unterschiedlichen Anlässen und der Äußerung von L* … über den Kläger nicht glaubhaft.
Die radikalislamistische Einstellung des Klägers und der weiteren Bewohner der beiden in der B* …straße … in A* … gelegenen Wohnungen ergibt sich nicht zuletzt aus der Vielzahl der bei einer Wohnungsdurchsuchung anlässlich der Festnahme des M* … im Dezember 2004 dort beschlagnahmten Tonträger (Kassetten, CDs) mit volksverhetzenden, zu Gewalt gegen Juden und Ungläubige aufrufenden Predigten in großer Anzahl sowie deutlichen Aufrufen zum Djihad. Zwar war in der Folge eine eindeutige Zuordnung der Kassetten zu einer bestimmten Person nicht möglich. Der vom Landesamt für Verfassungsschutz insoweit gezogene Schluss, alle Mitbewohner der beiden Wohnungen und damit auch der Kläger hätten Zugriff auf diese Kassetten gehabt, ist jedoch zur Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs mehr als naheliegend. Die im Übrigen seinen diesbezüglichen Angaben bei den Sicherheitsgesprächen (vgl. z.B. Niederschrift über die Sicherheitsbefragung vom 20.11.2008, Bl. 124 der Regierungsakte 11-2084-J-05/10) widersprechende Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, er könne nicht sagen, wem diese Kassetten gehörten und solche Kassetten seien von ihnen auch nicht gehört oder angesehen worden (S. 6 der Sitzungsniederschrift vom 22.2.2016), ist völlig lebensfern und eine Schutzbehauptung.
Vor diesem Hintergrund ist der Senat auch ohne weitere ausdrückliche Belege davon überzeugt, dass der Kläger entsprechend den Erkenntnissen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (vgl. dessen Mitteilung an das StMI vom 9.2.2010, Bl. 456 ff. der Ausländerakte des Klägers) anstelle des in den Fokus der Sicherheitsbehörden geratenen H* … G* … W* … selbst vermehrt als Spendensammler im Umfeld der „A* … Gruppe“ aufgetreten ist. Die Einlassungen des Klägers sowie der vom Verwaltungsgerichtshof vernommenen Zeugen, die darüber nichts wissen bzw. sich nicht daran erinnern können (vgl. Sitzungsniederschrift vom 22.2.2016) wertet der Senat als nicht glaubhaft, sondern – auch im eigenen Interesse der Beteiligten – als reine Schutzbehauptungen.
2.1.1.2. Die vom Gesetzgeber mit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bei einer festgestellten, in der Vergangenheit liegenden Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vermutete Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland liegt aber nicht mehr vor, wenn der Ausländer erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt (2. Hs.). Entscheidend ist danach auch nach der Neufassung dieses Ausweisungstatbestandes mit Wirkung ab 1. Januar 2016 weiterhin, ob im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt von dem Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgeht. Allein der Umstand, dass die Unterstützungshandlungen schon mehrere Jahre zurückliegen, genügt nicht, um das in der Person des Ausländers zutage getretene Gefährdungspotential als nicht mehr gegeben anzusehen. Sowohl ein Abstandnehmen als auch ein Distanzieren setzen voraus, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Kläger seine innere Einstellung verändert hat und aufgrund dessen künftig von ihm keine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland mehr ausgeht. Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Ausländer in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit durch sein Handeln die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet zu haben (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11.18 – juris Rn. 12 m.w.N. seiner stRspr).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt beim Kläger ein erkennbares und glaubhaftes Abstandnehmen im oben dargelegten Sinn offensichtlich nicht vor. Der Kläger bestreitet bis heute seine Unterstützungshandlungen zugunsten der AAI/AAS und zeigt keinerlei Einsicht in die Unrichtigkeit und Gefährlichkeit dieses Handelns. Vielmehr sprechen vor allem auch die Feststellungen des Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz in dem zum Kläger vorgelegten Behördenzeugnis vom 20. September 2019 (Bl. 44 ff. der VGH-Akte 10 B 18.2485) dafür, dass der Kläger nach wie vor zumindest eine salafistische Ideologie vertritt und jedenfalls bis vor kurzer Zeit Kontakte zu jihadistischen/terroristischen Organisationen bzw. Personen unterhielt. Die diesbezüglichen Erklärungen und Erläuterungen im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 11. November 2019, die den Kläger lediglich als streng gläubig und entsprechend religiös Interessierten schildern, hält der Senat für nicht überzeugend. Letztlich spricht vieles dafür, dass der Kläger weiterhin islamistischem Gedankengut anhängt und auch deshalb die hinreichende Gefahr entsprechenden sicherheitsgefährdenden Handelns weiterhin besteht.
2.1.2. Dem besonders schwerwiegenden öffentlichen Ausweisungsinteresse stehen keine gleich gewichtigen Bleibeinteressen des Klägers und seiner Familie gemäß § 53 Abs. 1, § 55 AufenthG gegenüber.
Der Kläger lebt seit Februar 2000, bis zur Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis mit dem streitbefangenen Bescheid vom 28. Oktober 2010 legal, seither geduldet zusammen mit seiner Ehefrau und seinen drei am 14. November 2006, 15. Mai 2009 und 24. Januar 2011 geborenen Kinder – ebenfalls irakische Staatsangehörige – im Bundesgebiet. Die beiden älteren Kinder besitzen ebenso wie ihre Mutter Duldungen, das jüngste Kind hat aufgrund seines noch nicht abgeschlossenen Asylstreitverfahrens (noch) eine Aufenthaltsgestattung. Infolge des Personensorgerechts für das jüngste Kind, das sich (bis zum Abschluss des Asylverfahrens, s. § 55 AsylG) rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, steht dem Kläger ein schwerwiegendes Bleibeinteresse im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG zu. Auch sind gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG die Belange seiner hier geborenen und lebenden Kinder zu berücksichtigen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits seit längerem durch seine Beschäftigung seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie sichert und insoweit über wirtschaftliche Bindungen im Bundesgebiet verfügt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Folgen einer Aufenthaltsbeendigung vor allem die minderjährigen Kinder des Klägers ganz erheblich treffen würden.
Die unter Berücksichtigung dieser Umstände und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durchzuführende Abwägung des öffentlichen Ausweisungsinteresses mit den Bleibeinteressen des Klägers und seiner Familie gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG ergibt, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt. Dabei spricht erheblich gegen den Kläger und damit für das Gewicht des öffentlichen Ausweisungsinteresses seine nicht unerhebliche Verstrickung in die sicherheitsgefährdenden terroristischen Aktivitäten der AAI. Gegen ihn spricht auch das gerade bei der offensichtlich bis in die Gegenwart fortbestehenden radikalsalafistischen Gesinnung erhebliche Risiko, dass er auch künftig wieder die Aktionsmöglichkeit einer terroristischen Vereinigung, insbesondere des IS im Irak, fördern und damit höchste Rechtsgüter – Leben und körperliche Unversehrtheit Dritter – gefährden wird. Die persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet und die Bindungen seiner Ehefrau und vor allem auch seiner hier geborenen und aufgewachsenen Kinder müssen demgegenüber letztlich zurückstehen. Entgegen der Auffassung des Klägers sieht der Senat hier kein „deutliches Missverhältnis zwischen dem Anlass (der Ausweisung) und seinen rechtlichen Auswirkungen“, zumal die Selbsteinschätzung des Klägers, innerhalb der letzten 15 Jahre seien bei ihm keine sicherheitsgefährdenden Verhaltensweisen (mehr) festzustellen gewesen, so nicht zutrifft.
2.1.3. Entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten ist die streitbefangene Ausweisungsverfügung nicht „aus unionsrechtlichen Gründen … inzwischen wirkungslos geworden“.
Der Beklagte hat zuletzt mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2019 zu Recht darauf verwiesen, dass die Erwägungen der Klägerbevollmächtigten zu den (behaupteten) Folgen der Unvereinbarkeit der Ausweisungsentscheidung mit Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) von vornherein nicht greifen. Denn ungeachtet des fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwischen einer Abschiebung und dem Einreiseverbot sowie seiner Befristung (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris Rn. 24) besteht bei dem vorliegenden „Altfall“ mit Blick auf § 11 AufenthG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 15. August 2019 (BGBl I S. 1294) mangels behördlicher Anordnung schon kein Einreise- und Aufenthaltsverbot und der Kläger wird durch das Fehlen eines Einreise- und Aufenthaltsverbots auch nicht belastet (vgl. dazu BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris Rn. 23). Zutreffend ist auch die Auffassung des Beklagten, Nr. 2. des streitbefangenen Bescheids „Die Wiedereinreise ist untersagt.“ stelle schon nach der Formulierung und der zugehörigen Begründung (Nr. 2.3.2. des Bescheids) lediglich einen bloßen Verweis auf die damalige Gesetzeslage (§ 11 Abs. 1 AufenthG in der bis zum 25.11.2011 geltenden Fassung) dar, wonach die Sperrwirkungen kraft Gesetzes eintraten und diese auf Antrag in der Regel befristet wurden (s. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG 2011).
2.2. Auch die Versagung der Aufenthaltserlaubnis sowie die weiteren aufenthaltsrechtlichen Verfügungen (Abschiebungsandrohung, Aufenthaltsbeschränkung und Meldepflicht) erweisen sich im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs als rechtmäßig.
Der Erteilung eines Aufenthaltstitels steht bereits der Versagungsgrund nach § 5 Abs. 4 AufenthG entgegen. Die Abschiebungsandrohung nach Maßgabe von § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Die Aufenthaltsbeschränkung (Nr. 6. des Bescheids) findet nunmehr ihre Grundlage in § 56 Abs. 2 AufenthG. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den – wie hier – eine Ausweisungsverfügung aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, sofern die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Der Beklagte hat gestützt auf diese Ermächtigung in dem Kläger zumutbarer Weise bestimmt (Nr. 7. des Bescheids), sich ab Vollziehbarkeit der Ausweisung bis zu seiner Ausreise einmal täglich zwischen 17:00 Uhr und 19:00 Uhr bei der zuständigen Polizeiinspektion unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers zu melden.
Die Zwangsgeldandrohung (Nr. 8 des Bescheids) und die Höhe der jeweils angedrohten Zwangsgelder sind rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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