Verwaltungsrecht

Beamtenrecht, Bundespolizei, Grundsatz der Ämterstabilität, Keine Rückgängigmachung von Ernennung und Amtseinweisung der Konkurrenten, Keine Anhaltspunkte für Rechtsschutzverhinderung, Kein Anspruch auf Beförderung

Aktenzeichen  M 21b K 20.1229

Datum:
21.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42490
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
GG Art. 33 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keine Aussicht auf Erfolg, weil sie jedenfalls unbegründet ist.
1. Bei einer verständigen Auslegung der Klageanträge (§ 88 VwGO), richtet sich das klägerische Begehren auf eine Rückgängigmachung der Auswahlentscheidung bzw. Ernennungen und Amtseinweisungen der Beigeladenen sowie eine Beförderung des Klägers in ein Amt der Besoldungsgruppe … mit Amtszulage mit dessen gleichzeitiger Einweisung in eine entsprechend bewertete Planstelle, hilfsweise auf eine Neuentscheidung. Denn soweit der Kläger in dem Klageantrag in Ziffer 1 die Aufhebung der „Ernennungen und Amtseinweisungen“ der Beigeladenen sowie in den Klageanträgen in Ziffer 2 und Ziffer 3 die Aufhebung der „Auswahlentscheidung“ begehrt, handelt es sich gewissermaßen um „zwei Seiten ein und derselben Medaille“. Das Bundesverwaltungsgericht führt in seiner Entscheidung vom 4. November 2010 – 2 C 16.09 (juris Rn. 26) insoweit aus, dass der Regelungsgehalt der Ernennung inhaltlich mit der Auswahlentscheidung übereinstimme. Die Ernennung folge der Auswahlentscheidung, setze diese rechtsverbindlich um und beende das Auswahlverfahren. Damit können die Auswahlentscheidung bzw. die Ernennung und Amtseinweisung nicht unabhängig voneinander aufgehoben werden, weil es sich um identische Streitgegenstände handelt.
2. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf eine antragsgemäße Verpflichtung der Beklagten.
a) Einer Rückgängigmachung der Auswahlentscheidung bzw. der Ernennungen und Amtseinweisungen der Beigeladenen und der Beförderung des Klägers in ein Amt der Besoldungsgruppe … mit Amtszulage mit dessen gleichzeitiger Einweisung in eine entsprechend bewertete Planstelle steht der Grundsatz der Ämterstabilität als Ausdruck des Lebenszeitprinzips des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG entgegen (vgl. dazu etwa BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – juris Rn. 38).
Der Grundsatz der Ämterstabilität kann vorliegend auch nicht ausnahmsweise durchbrochen werden, weil kein Fall der Rechtsschutzverhinderung vorliegt, für den allein eine Durchbrechung des Grundsatzes der Ämterstabilität anerkannt ist (vgl. dazu grundlegend BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – juris).
Die Beklagte hat weder die Rechtsschutzmöglichkeiten des Klägers vereitelt noch diese unzumutbar erschwert. Vielmehr hat der Kläger selbst verspätet, d.h. erst nach Vollzug der Beförderungen am … Mai 2019, um einstweiligen Rechtsschutz bei dem (im Übrigen – bezogen auf den dienstlichen Wohnsitz des Klägers – unzuständigen, vgl. § 123 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO) Verwaltungsgericht Potsdam nachgesucht. Denn die Beförderungen wurden nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten am … Mai 2019 zwischen 10:00 und 12:00 Uhr vollzogen, wohingegen der Kläger erst um 13:35 Uhr desselben Tages bei dem Verwaltungsgericht Potsdam den Antrag nach § 123 VwGO per Telefax stellte. Damit war zum Zeitpunkt des Vollzugs der Beförderungen noch kein Eilantrag anhängig. Im Übrigen wurde der Eilantrag der Beklagten auch erst am Folgetag, d.h. am … Mai 2019, von dem Verwaltungsgericht Potsdam zugestellt, sodass die Beklagte allein schon aus diesem Grund keinerlei Kenntnis vom einstweiligen Rechtsschutzbegehren des Klägers hätte haben können und daher weder einer gerichtlichen Entscheidung zuwidergehandelt, noch in Kenntnis eines anhängigen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Beförderungen dennoch vollzogen hat. Auch die beiden Widersprüche des Klägers vom … Mai 2019 gingen der Beklagten erst am … Mai 2019 zu, also nach Vollzug der Beförderungen.
Von einer Rechtsschutzverhinderung ist auch nicht deswegen auszugehen, weil die Beklagte zwischen der Information der nicht berücksichtigten Beamten sowie dem Zeitpunkt des Vollzugs der Ernennungen nicht eine angemessene Zeitspanne, nach der Rechtsprechung regelmäßig 14 Tage, zugewartet hätte (vgl. zum Ganzen: BVerfG, B.v. 9.7.2009 – 2 BvR 706/09 – NVwZ 2009, 1430 m.w.N. aus der Rspr.). Diese Zeitspanne soll es den nicht berücksichtigten Beamten ermöglichen, zu prüfen, ob sie einstweiligen Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten beantragen wollen.
Vorliegend wurde die „Information vor Beförderung“ am … Mai 2019 im Intranet der Bundespolizei bekannt gegeben, wovon der Kläger nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung auch Kenntnis erhalten hatte. Es kann dabei dahinstehen, ob der Inhalt dieser „Information vor Beförderung“ auch den Anforderungen an eine Konkurrentenmitteilung in dem Sinne genügt, als dass der nicht berücksichtigte Beamte daraus ersehen kann, dass er nicht zum Zuge gekommen ist. Denn der Kläger hatte jedenfalls, nach eigenen Angaben, Anfang Mai 2019 nicht nur von der Existenz der „Information vor Beförderung“ im Intranet, sondern auch davon Kenntnis, dass er weit hinten auf der Beförderungsrangliste stand, was ihm vom Personalrat mitgeteilt worden war. Aus der zum Verfahren Az. M 21b K 20.1230 vorgelegten Behördenakte ergibt sich, dass der Kläger auf Platz 86 der Beförderungsrangliste gelistet war, sodass er bei (lediglich) acht Beförderungsmöglichkeiten, deren Zahl sich zweifelsfrei aus der Beförderungsinformation ergibt, ersichtlich nicht zum Zuge gekommen wäre. Es kann somit, unabhängig von der rechtlichen Beurteilung der Informationspraxis der Beklagten via E-Mail und Intranet, jedenfalls im vorliegenden Einzelfall nicht von einer den Grundsatz der Ämterstabilität durchbrechenden Rechtsschutzverhinderung ausgegangen werden, weil der Kläger jedenfalls früh genug individuelle Kenntnis von der im Mai 2019 anstehenden Beförderungsrunde und auch Kenntnis von seinem aussichtslosen Ranglistenplatz hatte, was ihm das – rechtzeitige – Nachsuchen von gerichtlichem Rechtsschutz ermöglicht hätte. Darüber hinaus kommt hinzu, dass der Kläger ein sehr diensterfahrener Beamter ist, weshalb die Kammer davon überzeugt ist, dass er über die regelmäßig im Geschäftsbereich des Bundespolizeipräsidiums stets wiederkehrenden Beförderungsrunden im Bilde war.
b) Unabhängig von Vorstehendem hat der Kläger auch im Hinblick auf die Verwirkung seines Widerspruchsrechts gegen die dienstliche Regelbeurteilung (vgl. insoweit das Kammerurteil vom heutigen Tage mit dem Az. M 21b K 19.1227) keinen Anspruch auf Rückgängigmachung der Auswahlentscheidung bzw. der Ernennungen und Amtseinweisungen der Beigeladenen oder auf die hilfsweise beantragte Neuentscheidung. Die Verwirkung des klägerischen Widerspruchsrechts gegen die der Auswahl zugrundeliegende Beurteilung wirkt sich auch im Hinblick auf das vorliegende Klageverfahren aus (vgl. NdsOVG, B.v. 16.4.2018 – 5 ME 28/18). Denn seinen diesbezüglichen Anspruch stützt der Kläger maßgeblich auf eine Fehlerhaftigkeit seiner dienstlichen Beurteilung.
c) Nachdem der Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers aufgrund der – wie oben dargelegt – irreversiblen Ernennungen und Amtseinweisungen der Beigeladenen untergegangen ist (vgl. dazu BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – juris Rn. 27), hat der Kläger auch keinen Anspruch gegenüber der Beklagten im Zuge der Beförderungsrunde aus Mai 2019 – weder mit Wirkung ex nunc noch mit Wirkung ex tunc – in ein nach Besoldungsgruppe … mit Amtszulage bewertetes Amt befördert sowie in eine entsprechende Planstelle eingewiesen zu werden und auch nicht auf die hilfsweise geltend gemachte Neuentscheidung.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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