Verwaltungsrecht

Beförderungspflicht zu einer Schule außerhalb Bayerns

Aktenzeichen  W 2 K 17.308

Datum:
20.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16035
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchKfrG Art. 1 Abs. 1 S. 1
SchBefV § 2

 

Leitsatz

1 Nächstgelegene Schule, zu der eine Beförderungspflicht besteht (Art. 1 Abs. 1 S. 1 SchKfrG iVm § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 SchBefV), kann auch eine Schule außerhalb Bayerns sein. Voraussetzung für einen Anspruch auf Erstattung der Beförderungskosten ist hier insbesondere, dass die beiden fraglichen Schulen in ihrem Bildungsangebot miteinander vergleichbar sind. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Beurteilung, ob zwei in Frage kommende Schulen hinsichtlich Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung vergleichbar sind, ist maßgeblich, ob sich die Schulen ohne Rücksicht auf alle Einzelheiten in den wesentlichen, für die Einbeziehung der Beförderungspflicht tragenden Eigenschaften entsprechen (ebenso BayVGH BeckRS 2007, 20210). Auf die hessische Förderstufe, die als Bildungsangebot für die Jahrgangsstufen 5 und 6 ein Bindeglied zwischen der Grundschule und der Jahrgangsstufe 7 der weiterführenden Schulen darstellt, trifft dies nicht zu; eine derartige Förderstufe existiert in Bayern nicht. (Rn. 17 – 21 und 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Entsprechende Einverständniserklärungen liegen mit den Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 4. Mai 2018 und des Beklagten vom 19. April 2018 vor.
Die Verpflichtungsklage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten für ihren Sohn T. zur Eichwaldschule in Schaafheim für das Schuljahr 2016/2017. Der Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten nach dem Schulwegkostenfreiheitsgesetz – SchKfrG – i.d.F. d. Bek. vom 31. Mai 2000, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286) in Verbindung mit der SchBefV. Auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 16. Februar 2017 wird insoweit verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG ist die notwendige Beförderung der Schülerinnen und Schüler auf dem Schulweg bei öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Realschulen, Gymnasien, Berufsfachschulen (ohne Berufsfachschulen in Teilzeitform), zweistufigen Wirtschaftsschulen und drei- bzw. vierstufigen Wirtschaftsschulen bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 sowie bei Vollzeitunterricht an Berufsschulen Aufgabe der kreisfreien Gemeinde oder des Landkreises des gewöhnlichen Aufenthalts der Schülerin oder des Schülers (Aufgabenträger). Eine Beförderung durch öffentliche oder private Verkehrsmittel ist nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG notwendig, wenn – wie hier – der Schulweg in eine Richtung mehr als drei Kilometer beträgt und die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist.
Die Beförderungspflicht besteht zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule. Nächstgelegene Schule ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV insbesondere diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist, ohne dass es auf die zurückzulegenden Kilometer ankommt. Dies kann grundsätzlich auch eine außerbayerische Schule sein. Voraussetzung für einen Anspruch auf Erstattung der Beförderungskosten zu einer außerbayerischen Schule ist aber, dass die beiden fraglichen Schulen in ihrem Bildungsangebot miteinander vergleichbar sind und die sonstigen Voraussetzungen einer notwendigen Beförderung vorliegen.
Entscheidend für die Beurteilung, ob zwei infrage stehende Schulen hinsichtlich Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung vergleichbar sind, ist, ob sich die Schulen ohne Rücksicht auf alle Einzelheiten in den wesentlichen, für die Einbeziehung der Beförderungspflicht tragenden Eigenschaften entsprechen, insbesondere, ob zu einer gleichartigen Schule innerhalb Bayerns eine Beförderungspflicht bestünde. Dies bedeutet, dass ein Kostenerstattungsanspruch bei Besuch einer außerhalb Bayerns gelegenen Schule grundsätzlich nur dann in Frage kommt, wenn der Besuch der Schule auch in Bayern gefördert werden könnte (BayVGH, U.v. 17.6.2005 – 7 B 04.1558 – juris).
Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der Eichwaldschule im hessischen Schaafheim und den Realschulen im bayerischen Großostheim bzw. Aschaffenburg nicht um Schulen vergleichbarer Schulart.
Eine Förderstufe wie die vom Sohn T. der Klägerin besuchte existiert in Bayern nicht.
In Art. 6 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) i.d.F. d. Bek. vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2017 (GVBl. S. 571), werden die Schularten definiert. Nach Art. 6 Abs. 2 Nr.1 BayEUG bestehen als allgemein bildende Schulen die Schularten Grundschule, Mittelschule, Realschule und Gymnasium sowie die Schulen des Zweiten Bildungswegs.
Das Hessische Schulgesetz (Schulgesetz – HSchG) i.d.F. d. Bek. vom 30. Juni 2017, zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes vom 3. Mai 2018 (GVBl. S. 82), regelt in den §§ 22ff. die Bildungsgänge der Mittelstufe. Neben der Hauptschule gemäß § 23 HSchG und der Realschule gemäß § 23a HSchG ist in § 22 HSchG die sogenannte Förderstufe vorgesehen. Diese stellt als Bildungsangebot für die Jahrgangsstufen 5 und 6 ein Bindeglied zwischen der Grundschule und der Jahrgangsstufe 7 der weiterführenden Schulen dar und hat die Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler auf den Übergang in die Hauptschule, die Realschule, das Gymnasium oder die Gesamtschule vorzubereiten (§ 22 Abs. 1 Satz 1 und 3 HSchG). Die Förderstufe ist eine pädagogische Einheit und der Unterricht wird in gemeinsamen Kerngruppen im Klassenverband erteilt; in Mathematik und der ersten Fremdsprache in Kursgruppen (§ 22 Abs. 2 und 3 HSchG).
Eine solche Förderstufe existiert in Bayern weder ihrer Bezeichnung noch ihrer inhaltlichen Ausgestaltung nach. In Bayern gibt es in den Jahrgangsstufen 5 und 6 keinen gemeinsamen, schulartübergreifenden Unterricht, der eine erst spätere Zuordnung der Schüler zu Real- und Hauptschule (bzw. Mittelschule) ermöglicht. Nach der Abschaffung der Gesamtschulen existieren in Bayern nur mehr zwei Schulen mit schulartübergreifendem Unterricht, die im Gesetz in der Übergangsvorschrift als Schulen besonderer Art verankert sind. Eine Schulart, die sich als Bindeglied zwischen der Grundschule und der Jahrgangsstufe 7 sieht, ist dem bayerischen Schulsystem fremd.
Vielmehr wird durch die Wahl der jeweiligen Schulart bereits in der 5. Jahrgangsstufe eine Entscheidung im Hinblick auf die Lerninhalte und den zu erwerbenden Abschluss getroffen. Eine diesbezügliche Nichtfestlegung, wie sie durch eine Förderstufe nach dem hessischen Schulrecht ermöglicht wird, besteht nach dem bayerischen Recht gerade nicht.
Zwar ist nicht in allen Einzelheiten eine Vergleichbarkeit der fraglichen Schulen erforderlich. Dass in der hessischen Förderstufe keine Festlegung auf eine bestimmte Schulart mit einem bestimmten Abschluss getroffen wird, ist nach Überzeugung des Gerichts aber ein elementarer Unterschied zum bayerischen Schulsystem, in dem es eine solche Möglichkeit schlicht nicht gibt. Da es mithin an der erforderlichen Vergleichbarkeit fehlt, kommt eine Übernahme der Beförderungskosten zu dieser außerbayerischen Schule schon deshalb nicht in Betracht.
2. Auch die Ablehnung der Übernahme der Beförderungskosten im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach § 2 Abs. 3 und Abs. 4 SchBefV ist nicht zu beanstanden. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insoweit wird auf die ausführlichen und zutreffenden Erwägungen des Widerspruchsbescheids Bezug genommen, die sich das Gericht zu eigen macht, § 117 Abs. 5 VwGO.
3. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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