Verwaltungsrecht

(Beförderungsverbot des § 22 Abs. 2 Nr. 3 BG ST 2009 wegen fehlender Bewährung auf einem höherwertigen Dienstposten)

Aktenzeichen  1 M 78/22

Datum:
25.7.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 1. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0725.1M78.22.00
Normen:
Art 19 Abs 4 GG
Art 33 Abs 2 GG
§ 22 Abs 2 Nr 3 BG ST 2009
Spruchkörper:
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Leitsatz

§ 22 Abs. 2 Nr. 3 LBG LSA (juris: BG ST 2009) normiert ein Beförderungsverbot, wenn sich der Bewerber (noch) nicht auf einem höherwertigen Dienstposten bewährt hat.(Rn.9)

Verfahrensgang

vorgehend VG Halle (Saale), 17. Juni 2022, 5 B 457/21 HAL, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle – 5. Kammer – vom 17. Juni 2022 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf die Wertstufe bis 35.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle – 5. Kammer – vom 17. Juni 2022, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Aussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007 – 1 M 1/07 -, juris [m. w. N.]).
Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes zu besetzen, dessen Geltung durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet wird. Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl unmittelbar nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Ein Bewerber um ein öffentliches Amt kann verlangen, dass seine Bewerbung nur aus Gründen zurückgewiesen wird, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (Bewerbungsverfahrensanspruch). Der Bewerberauswahl dürfen nur Gesichtspunkte zugrunde gelegt werden, die den von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Leistungsbezug aufweisen (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2011 – 2 C 19.10 -, juris [m. w. N.]). Ein Beförderungsbewerber hat dementsprechend einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entscheidet (BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2002 – 2 BvQ 25/02 -, und Beschluss vom 24. September 2002 – 2 BvR 857/02 -, jeweils juris; BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 – 2 C 14.02 -, juris [m. z. N.]).
Aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt des Weiteren die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrundeliegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen. Schließlich stellt die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind; sie erweist sich damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG (so ausdrücklich: BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – 1 WB 19.08 -, juris, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 – 2 BvR 206/07-, juris).
Für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung kommt es im Übrigen allein auf die Erwägungen an, die der Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung in Ausübung seines Verwendungsermessens und des ihm vorbehaltenen Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Eignung der Kandidaten angestellt hat. Mit dieser Entscheidung wird zugleich die Sach- und Rechtslage fixiert, die maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung ist. Zwar können Ermessenserwägungen sowie Einschätzungen, bei denen ein Beurteilungsspielraum besteht, in entsprechender Anwendung des § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden. Hierzu gehört indes nicht die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Entscheidung tragenden Gründe. Derartige Erwägungen sind vielmehr unzulässig und bei der gerichtlichen Kontrolle der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigungsfähig. Gegenteiliges folgt auch nicht aus § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG (i. V. m. § 1 VwVfG LSA), da die Nachholung einer Begründung hiernach bereits dokumentierte materielle Auswahlerwägungen voraussetzt (siehe zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 2 VR 4.11 -, juris, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – 1 WB 19.08 -, a. a. O.; zudem: OVG LSA, Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 1 M 125/10 -, juris [m. w. N.]).
Die im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, bei dem der Ernennungsbehörde durch Art. 33 Abs. 2 GG ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist mit der Folge, dass Verwaltungsgerichte bei der Überprüfung der behördlichen Entscheidung darauf beschränkt sind, die Einhaltung seiner Grenzen zu kontrollieren, nämlich ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen der Beurteilungsermächtigung verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (siehe: OVG LSA, Beschluss vom 26. August 2009 – 1 M 52/09 -, juris [m. w. N.]). Wird das subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus, dass der unterlegene Bewerber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen kann, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 – 2 BvR 857/02 -, juris).
Hiervon geht das Verwaltungsgericht in der Sache zutreffend aus; Gegenteiliges macht die Beschwerde auch nicht weiter geltend.
Der Antragsteller ist mangels Erfüllung der laufbahnrechtlichen Beförderungsvoraussetzungen des § 22 Abs. 2 Nr. 3 LBG LSA auf der ersten Stufe des zweistufigen Auswahlverfahrens in rechtlich nicht zu erinnernder Weise seitens der Antragsgegnerin aus dem weiteren Auswahlverfahren ausgeschieden worden. Die Annahme der Beschwerde, die Maßgabe von § 22 Abs. 2 Nr. 3 LBG LSA sei nur Voraussetzung für den Vollzug der Beförderungsauswahlentscheidung, nicht jedoch deren Bedingung bzw. dürfe nicht zur Bedingung gemacht werden, um den Bewerberkreis für die Auswahlentscheidung selbst einzuengen, trifft – nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senates – nicht zu.
Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 3 LBG LSA ist eine Beförderung vor Feststellung der Eignung für einen höher bewerteten Dienstposten in einer Erprobungszeit von mindestens sechs Monaten Dauer nicht zulässig. Die Eignungsfeststellung ist damit ein für den Einzelfall bedeutsamer und für den Beamten zugleich günstiger Umstand, so dass die Behörde den insoweitigen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat. Für das Vorliegen dieser gesetzlichen Beförderungsvoraussetzung im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung (vgl. hierzu: OVG LSA, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 1 M 145/18 -, juris [m. w. N.]) der Antragsgegnerin war der Antragsteller zudem darlegungs- und beweispflichtig (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 14. Januar 2021 – 1 M 136/20 -, juris Rn. 10). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 Nr. 3 LBG LSA („Erprobung“/„Bewährung“) sind anspruchsbegründend; aus der fehlenden Bewährung auf einem höherwertigen Dienstposten folgt ein gesetzliches Beförderungsverbot (OVG LSA, Beschluss vom 14. Januar 2021 – 1 M 136/20 -, juris Rn. 12). Das ohne positive Feststellung der Bewährung mit § 22 Abs. 2 Nr. 3 LBG LSA ausgesprochene Beförderungsverbot schließt die Teilnahme des sich bewerbenden Beamten am (weiteren) Auswahlverfahren zwingend aus, da seine Beförderung zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung von Rechts wegen ausgeschlossen ist. Zu diesem Zeitpunkt muss der Beamte die Aufgaben des Dienstpostens zumindest zufriedenstellend erfüllt und sich damit „bewährt” haben, um den Nachweis der Eignung für – das mit einem höher bewerteten Dienstposten verbundene – höhere Statusamt erbracht zu haben (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 20. Mai 2021 – 1 M 32/21 -, juris Rn. 9 [m. w. N.]).
Soweit die Beschwerde des Weiteren einwendet, die abschließend vorgenommene Leistungsauswahlentscheidung sei rechtsfehlerhaft, weil (1.)die Innehabung eines Beförderungsdienstpostens nur dann zur Voraussetzung der Beförderungsauswahlentscheidung hätte gemacht werden dürfen, wenn alle höherwertigen Dienstposten im Rahmen eines Auswahlverfahrens vergeben worden wären, was indes nicht der Fall sei, (2.) die Einstufung eines Dienstpostens, den der Beamte im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung innehabe, kein leistungsbezogenes Auswahlkriterium im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG darstelle und (3.) die Antragsgegnerin Bewerber unzulässigerweise bevorzugt habe, indem sie eine bereits erfolgte Bewährung zum vorgesehenen Beförderungszeitpunkt zur Beförderungsvoraussetzung gemacht habe, diese ihre höherwertigen Dienstposten aber nicht im Rahmen eines Auswahlverfahrens gewonnen hätten, vermag sie damit nicht durchzudringen.
Der Antragsteller ist mangels Erfüllung laufbahnrechtlicher Beförderungsvoraussetzungen bereits auf der ersten Stufe des zweistufigen Auswahlverfahrens aus dem weiteren (Leistungs-)Auswahlverfahren in rechtsfehlerfreier Weise ausgeschieden worden. Ob und gegebenenfalls welche Rechtsfehler der Antragsgegnerin auf dieser zweiten Stufe unterlaufen sind, vermag daher den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers schon dem Grunde nach nicht zu verletzen. Der Bewerbungsverfahrensanspruch eines Beamten als subjektives Recht dient nicht einer allgemeinen Fehler- bzw. Rechtmäßigkeitskontrolle der abschließend getroffenen Auswahlentscheidung, auf die das Beschwerdevorbringen indes hinausliefe, wenn – wie hier – die subjektiven Rechte des Beamten nicht (mehr selbst) durch eine ihn treffende Entscheidung verletzt werden.
Wird das subjektive Recht des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG mithin nicht durch die Auswahlentscheidung verletzt, vermag er – entgegen der weiteren Annahme der Beschwerde – keine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zu beanspruchen und kommt es nicht mehr darauf an, ob seine etwaigen Aussichten in einem neuen Auswahlverfahren – inzwischen – offen sind bzw. eine Auswahl möglich erscheint.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht aus Gründen der Billigkeit für erstattungsfähig zu erklären, da diese sich weder dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt noch das Verfahren wesentlich gefördert haben und sie ungeachtet dessen im gegebenen Fall einen Erstattungsanspruch schon dem Grunde nach nicht mit Erfolg geltend machen könnten (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 8. Juli 2019 – 1 M 81/19 -, juris Rn. 25 [m. w. N.]).
3. Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. §§ 47, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG. Insofern war hier für das Beschwerdeverfahren die Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr nach der Besoldungsgruppe A 13 LBesO LSA (hier 8. Erfahrungsstufe: 5.487,31 € monatlich) zuzüglich der allgemeinen ruhegehaltfähigen Stellenzulage nach Nr. 13. lit. b) der Vorbemerkungen der Besoldungsordnungen A und B i. V. m. der Anlage 8 (98,32 € monatlich) zu zahlenden Bezüge im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung zugrunde zu legen und der sich daraus ergebende Betrag nicht im Hinblick auf ein bloßes Neubescheidungsbegehren zu halbieren (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 1 M 145/18 -, juris Rn. 12).
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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