Verwaltungsrecht

Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots

Aktenzeichen  10 ZB 16.877

Datum:
6.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 131805
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3
AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3
AsylG § 71 Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1 Ein einen Tag vor der geplanten Abschiebung gestellter erneuter Folgeantrag steht der Abschiebung nicht entgegen, wenn das Bundesamt die Ausländerbehörde darüber informiert hat, dass kein weiteres Folgeverfahren durchgeführt wird. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Mitteilung des Bundesamtes, dass kein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird, handelt es sich um eine verwaltungsinterne Maßnahme, deren unmittelbare Bekanntgabe an den Ausländer nicht vorgesehen und auch nicht Voraussetzung der Abschiebung ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3 Angesichts des Umstandes, dass der Kläger bereits sieben erfolglose Asylfolgeanträge gestellt hat und vier Mal trotz bestehender Einreisesperre wieder ins Bundesgebiet eingereist ist, ist die Ablehnung der Verkürzung der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht ermessensfehlerhaft. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 K 15.1658 2016-03-15 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 7. Oktober 2015 weiter, mit dem die Wirkungen der am 8. Oktober 2015 erfolgten Abschiebung auf den 20. Juli 2020 befristet wurden.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15. März 2016 abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass die Klägerin bei sachgerechter Auslegung der Klageanträge das Ziel verfolge, den Beklagten unter Aufhebung des angegriffenen Bescheids vom 7. Oktober 2015 zu verpflichten, die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine kürzere Frist, bestenfalls auf Null, zu reduzieren. Die Klage sei jedoch nicht begründet; der angefochtene Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Abschiebung hätten vorgelegen. Dass die Klägerin am 7. Oktober 2015, also einen Tag vor der geplanten Abschiebung, einen weiteren Asylfolgeantrag gestellt hatte, habe der Abschiebung nicht entgegengestanden, denn das vorübergehende Abschiebungshindernis nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG habe im Zeitpunkt der Abschiebung nicht mehr bestanden. Für die Zulässigkeit der Abschiebung reiche es aus, wenn die Ausländerbehörde durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darüber informiert worden sei, dass kein weiteres Asylverfahren durchgeführt werde, weil die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht gegeben seien. Das sei im Fall der Klägerin sowohl durch die telefonische Mitteilung des Bundesamtes vom 7. Oktober 2015 als auch durch schriftliche Mitteilung vom 8. Oktober 2015 an die Ausländerbehörde vor der Abschiebung der Klägerin, die ebenfalls am 8. Oktober 2015 erfolgt sei, geschehen. Dass der Bescheid über die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylfolgeverfahrens vom 8. Oktober 2015 der Klägerin im Zeitpunkt der Abschiebung noch nicht zugestellt gewesen sei, sei für die Rechtmäßigkeit der Abschiebung nicht von Bedeutung. Entgegen der Meinung der Klägerseite sei es nämlich nicht erforderlich, dass die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG dem Betroffenen selbst zugestellt werde oder diesem vor der Abschiebung gar ein entsprechender Ablehnungsbescheid zugestellt werde.
Als Folge der rechtmäßigen Abschiebung greife das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG, das nach § 11 Abs. 2 AufenthG von Amts wegen zu befristen sei; über die Länge der Frist sei gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. An den im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Ermessenserwägungen bestünden keine Zweifel. Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin bereits insgesamt sieben Mal erfolglos einen Asylfolgeantrag gestellt und bereits drei Mal trotz bestehender Einreisesperre wieder in das Bundesgebiet eingereist sei, sei die vom Beklagen bestimmte Frist nicht zu beanstanden.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos. Die im Schriftsatz der Klägerin vom 2. Juni 2016 geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn der Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hat (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16).
Um einen auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
Die Begründung des Zulassungsantrages genügt diesen Anforderungen nicht; sie wiederholt im Wesentlichen die Ausführungen der Klägerin in der Klagebegründung vor dem Verwaltungsgericht und zitiert hier vor allem allgemeine Aussagen zum Asylverfahren von der Homepage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Eine ausreichende Darlegung der Voraussetzungen eines der beiden genannten Berufungszulassungsgründe ist daraus nicht zu entnehmen.
Soweit die Klägerin – wie schon in der Klagebegründung – beanstandet, dass ihr vor der Abschiebung der Bescheid über ihren Asylfolgeantrag nicht bekannt gegeben worden sei, verkennt sie die Voraussetzungen des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG, die das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil (UA Rn. 23 f.) ausführlich und zutreffend dargelegt hat. Danach darf im Fall eines gestellten Asylfolgeantrags eine Abschiebung erst vollzogen werden, wenn das Bundesamt der Ausländerbehörde mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen; es handelt sich insoweit um eine verwaltungsinterne Mitteilung, deren unmittelbare Bekanntgabe an den Ausländer nicht vorgesehen ist. Die Bekanntgabe des förmlichen Ablehnungsbescheids des Bundesamts an den Ausländer ist dagegen nicht Voraussetzung einer Abschiebung (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 71 AsylG Rn. 43; Schönenbroicher in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 71 AsylG Rn. 30; Müller in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 71 AslyG Rn. 50).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Senftl Katzer Vicinus


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