Verwaltungsrecht

Beginn der Verjährung bei Besoldungsansprüchen

Aktenzeichen  M 5 K 17.3172

Datum:
20.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23848
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 13, Art. 35, Art. 108 Abs. 7
BGB § 199 Abs. 1, § 242
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Der Verjährungsbeginn im Bereich des Besoldungsrechts ist seit dem Inkrafttreten des Art. 13 BayBesG am 1. Januar 2011 kenntnisunabhängig ausgestaltet. § 199 BGB ist nicht anwendbar. (Rn. 14 und 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Aufgrund des erklärten Einverständnisses der Beteiligten konnte über die Streitsache ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 16. Mai 2017 in Gestalt des Leistungswiderspruchsbescheids vom 12. Juni 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, der Beamte hat keinen Anspruch auf Auszahlung des verbleibenden Anteils des Familienzuschlags (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Zwar sind für den Kläger Ansprüche auf Besoldung in Form des Familienzuschlages nach Art. 35 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG) in voller Höhe entstanden und durch die hälftige Auszahlung nur teilweise erfüllt. Der verbleibende Anteil der Besoldungsansprüche ist jedoch verjährt, für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2013 nach Art. 13 BayBesG, für den Zeitraum 1. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2010 nach Art. 13 i.V.m. Art. 108 Abs. 7 BayBesG.
a) Die Verjährung von Besoldungsansprüchen bestimmt sich grundsätzlich nach der zum 1. Januar 2011 im Rahmen des Neuen Dienstrechts in Bayern in Kraft getretenen Vorschrift des Art. 13 BayBesG. Nach Satz 1 der Norm verjähren Ansprüche auf Besoldung und auf Rückforderung von zu viel gezahlter Besoldung binnen drei Jahren. Gemäß Satz 2 beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Im Übrigen sind die §§ 194 bis 218 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden (Satz 3).
Anhand des Wortlauts der Norm lässt sich erkennen, dass die Verjährung im Bereich des Besoldungsrechts kenntnisunabhängig ausgestaltet sein soll. Denn die Norm benennt als Voraussetzung für den Verjährungsbeginn bloß, dass der Anspruch entstanden sein muss, und steht damit in Abweichung zu den allgemeinen Verjährungsvorschriften des § 199 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Denn sie sieht demgegenüber gerade nicht vor, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Gesetzessystematik lässt daher auf einen kenntnisunabhängigen Beginn der Verjährung im Bereich der Besoldungsansprüche schließen. Diese Auslegung wird bestätigt durch die Gesetzesbegründung zum Neuen Dienstrecht in Bayern, in dessen Zuge unter anderem das Besoldungsrecht geändert in das BayBesG eingeführt wurde (LT-Drs. 16/3200, S. 365: „Nach Satz 2 wird der Verjährungsbeginn im Unterschied zur bisherigen Regelung künftig kenntnisunabhängig ausgestaltet“; vgl. auch Ziffer 13.2 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten vom 22. Dezember 2010 – BayVwVBes). Das erscheint im Hinblick auf die Praktikabilität und Rechtssicherheit auch sinnvoll, da im Bereich einer Massenverwaltung ein kenntnisabhängiger Verjährungsbeginn zu nicht unerheblichen Schwierigkeiten führen kann (Leihkauff in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand November 2017, Art. 108 BayBesG Rn. 24).
Für vor dem 1. Januar 2011 entstandene Ansprüche auf Besoldung, bei denen die subjektiven Voraussetzungen für den Beginn der Verjährungsfrist (Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis) zum 1. Januar 2011 noch nicht vorlagen, gilt die Übergangsvorschrift des Art. 108 Abs. 7 BayBesG. Laut Satz 1 berechnet sich die Frist aus Art. 13 BayBesG in den Fällen, in denen ein Besoldungsanspruch vor dem 1. Januar 2011 entstanden ist und die regelmäßige Verjährungsfrist noch nicht begonnen hat, vom 1. Januar 2011 an; die Verjährung tritt spätestens mit Ablauf der bisherigen Höchstfrist, die ohne Rücksicht auf Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis begonnen hat, ein. Demgegenüber sah die bis zum 31. Dezember 2010 geltende Rechtslage nach Art. 71 des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (AGBGB) – im Gegensatz zu der ab 1. Januar 2011 geltenden Rechtslage – für den Fristbeginn die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen vor (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2016 – 3 ZB 13.804 – juris Rn. 6). Das bedeutet, dass die Verjährungsfrist für entsprechende Ansprüche auf Besoldung am 1. Januar 2011 zu laufen begann, drei Jahre betrug und zum 31. Dezember 2013 endete (VG Bayreuth, U.v. 27.10.2015 – B 5 K 14.242 – juris Rn. 42; vgl. auch VG München, U.v. 2.10.2013 – M 5 K 12.2295 – juris Rn. 31; vgl. auch Leihkauff in Schwegmann/Summer, a.a.O., Art. 108 BayBesG Rn. 25).
b) Auf Grundlage der dargestellten gesetzlichen Vorschriften hat der Kläger keine Ansprüche auf Nachzahlung des restlichen Familienzuschlags in Höhe von 5.248,57 Euro, da der Kläger die Zahlung erst im Jahr 2017 von dem Beklagten verlangte.
Die Besoldungsansprüche im Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2013 sind aufgrund der Einrede der Verjährung nach Art. 13 BayBesG innerhalb einer Frist von drei Jahren verjährt, längstens also die Ansprüche aus dem Jahr 2013 mit Ablauf des 31. Dezember 2016.
Hinsichtlich der Ansprüche, die in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2010 entstanden sind, hat der Kläger erst nach dem 1. Januar 2011 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erhalten. Nach Art. 13 BayBesG i.V.m. Art. 108 Abs. 7 Satz 1 BayBesG sind diese Ansprüche mit Ablauf des 31. Dezember 2013 ebenfalls verjährt. Entgegen der Auffassung des Klägers richtet sich die Verjährung der streitgegenständlichen Besoldungsansprüche auch vorliegend nicht nach §§ 194 bis 218 BGB. Art. 13 BayBesG bestimmt ausdrücklich, dass diese Vorschriften nur „im Übrigen“ anzuwenden sein sollen.
Das entspricht der generellen Gesetzessystematik zum Verjährungsrecht, denn § 199 BGB regelt den Verjährungsbeginn nach seinem Wortlaut (nur) in den Fällen, „soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist“. Da Art. 13 BayBesG demgemäß eine entsprechende Sondervorschrift darstellt, ist § 199 BGB nicht anwendbar. Es gilt daher die in Art. 13 BayBesG festgelegte Verjährungsfrist von drei Jahren und nicht, wie der Kläger meint, von mindestens zehn Jahren. Denn es verbleibt kein Raum für einen Rückgriff auf die kenntnisunabhängige Verjährungsregelung des Bürgerlichen Gesetzbuches, sodass eine Heranziehung von § 199 Abs. 3 und 4 BGB weder möglich noch notwendig ist.
c) Der Berufung des Beklagten auf die Einrede der Verjährung steht auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB entgegen. Der Beklagte durfte sich rechtmäßig hierauf berufen, denn er ist nicht nur berechtigt, sondern nach dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung, der etwa in Art. 7, 58 und 59 der Haushaltsordnung des Freistaates Bayern (Bayerische Haushaltsordnung – BayHO) zum Ausdruck kommt, sogar zur Erhebung der Einrede verpflichtet (BVerwG, U.v. 25.11.1982 – 2 C 32/81 – BVerwGE 66, 256-261, juris Rn. 20; VG Bayreuth, a.a.O. Rn. 45). Ein Ausschluss nach Treu und Glauben kommt nur unter besonderen Umständen in Betracht, wenn etwa die Einrede der Verjährung für den Beamten eine unbillige Härte bedeuten und der Beamte dadurch in eine ernste finanzielle Notlage geraten würde oder wenn ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn vorliegt (BayVGH, B.v. 13.1.2011 – 3 ZB 07.3411 – juris Rn. 3; Kathke in: Schwegmann/ Summer, a.a.O., § 3 BayBesG Rn. 55). Ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn muss zwar nicht schuldhaft sein, andererseits genügt auch nicht jede Falschberechnung. Notwendig ist, dass der Dienstherr eine Tätigkeit entfaltet und Maßnahmen trifft, die den Gläubiger veranlassen, verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen. Nur zu eigenem Tun kann sich der Dienstherr im Allgemeinen durch Erhebung der Verjährungseinrede in einen gegen Treu und Glauben verstoßenden Widerspruch setzen (BVerwG, U.v. 25.11.1982, a.a.O., Rn. 16; BayVGH, B.v. 13.1.2011 – 3 ZB 07.3411 – juris Rn. 3). Ein entsprechendes qualifiziertes Fehlverhalten ist vorliegend nicht erkennbar. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Dienstherr eine Änderung der Umstände bei der Ehefrau des Klägers hätte erkennen müssen. Auch ein pflichtwidriges Unterlassen gebotener Maßnahmen durch die zuständige Behörde ist nicht ersichtlich. Vielmehr hätte es am Kläger und seiner Ehefrau gelegen, mit Einführung des TVöD zum 1. Oktober 2005 wie auch in den nachfolgenden Jahren ihre Lohnabrechnungen aufmerksam zu prüfen und zu bemerken, dass keine Auszahlung des hälftigen Familienzuschlages (mehr) erfolgt ist.
Für die Annahme einer unbilligen Härte ist durch die Klägerseite nichts Weiteres vorgetragen.
Gleiches gilt unter dem Gesichtspunkt der sich aus Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 86 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) für den Dienstherrn im Verhältnis zu seinen Beamten ergebenden Fürsorgepflicht (vgl. Werres in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand Dezember 2017, § 3 Rn. 34; BVerwG, U.v. 25.11.1982, a.a.O. Rn. 19 ff.).
3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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