Aktenzeichen 21 CS 19.660
KrPflG § 2 Abs. 1 Nr. 2
GKG § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2
Leitsatz
1. Der Begriff der Unzuverlässigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 KrPflG setzt voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Betroffene werde in Zukunft die Vorschriften und Pflichten nicht beachten, die sein Beruf mit sich bringt. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wer aus eigenem übersteigerten Gewinnstreben heraus in Kauf nimmt, dass Patienten und Pflegebedürftige von Gesundheits- und Krankenpflegern versorgt werden, denen die erforderlichen Sprachkenntnisse zur Ausübung des Berufes fehlen, offenbart einen charakterlicher Mangel, der so grundlegend ist, dass die Annahme gerechtfertigt ist, er werde sich im Zweifel um des eigenen wirtschaftlichen Vorteils willen künftig nicht an seine Berufspflichten halten. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 16 S 19.179 2019-03-04 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,– € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehung des Widerrufs der ihr erteilten Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“.
Die Regierung von … erteilte der Antragstellerin mit Urkunde vom 18. Februar 2016 die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“.
Mit einem aufgrund der Hauptverhandlung vom 16. November 2018 ergangenen Urteil des Amtsgerichts … wurde die Antragstellerin wegen gewerbsmäßiger Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1, 3 Nr. 1 StGB) in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem lag zugrunde, dass die Antragstellerin Sprachzertifikate eines Sprachinstituts gefälscht und an Käufer veräußert hatte, die diese im Rahmen ihres Anerkennungsverfahrens ausländischer Ausbildungen in Pflegeberufen vorlegten, um über das Vorhandensein der für eine Anerkennung erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache zu täuschen. Dieses Urteil ist seit dem 24. November 2018 rechtskräftig.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2018 widerrief die Regierung von … die der Antragstellerin erteilte Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ (Nr. 1), forderte sie auf, das Original ihrer Erlaubnisurkunde und alle noch in ihrem Besitz befindlichen beglaubigten Kopien innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Bescheids an die Regierung von … zu übersenden (Nr. 2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 an (Nr. 3). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Nr. 2 des Bescheides wurde der Antragstellerin ein Zwangsgeld angedroht (Nr. 4).
Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten am 14. Januar 2019 Klage erhoben. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz im Wege des § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. März 2019 ab.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
II.
1. Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 und 4, § 147 VwGO) der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.
Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder abzuändern.
1.1 Nach der gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass sich der Bescheid des Antragsgegners im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege (KrPflgG) ist die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KrPflG weggefallen ist, wenn sich also die Betreffende eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt.
Der Begriff der Unzuverlässigkeit setzt voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Betroffene werde in Zukunft die Vorschriften und Pflichten nicht beachten, die sein Beruf mit sich bringt (BVerwG, U.v. 28.4.2010 – 3 C 22/09 – juris Rn. 10). Dabei sind die gesamte Persönlichkeit und seine Lebensumstände zu würdigen, so dass auch nicht berufsbezogene Verfehlungen die Unzuverlässigkeit begründen können (BVerwG, B.v. 28.8.1995 – 3 B 7.95 – juris Rn.10; OVG Lüneburg, B.v. 29.07.2009 – 8 PA 95/09 – BeckRS 2009, 36647).
Vorliegend rechtfertigen die von der Antragstellerin geschaffenen Tatsachen die Prognose, sie biete aufgrund ihrer Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten.
Die Antragstellerin hat nach den Feststellungen des Amtsgerichts in insgesamt 20 Fällen Sprachzertifikate, die angeblich vom Sprachinstitut … stammen sollten, selbst erstellt und an Käufer veräußert, die diese dann im Rahmen ihres jeweiligen Anerkennungsverfahrens ausländischer Ausbildungen bei der Regierung von … vorlegten, um über das Vorhandensein der für eine Anerkennung erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache zu täuschen. Sie hat damit aus eigenem übersteigerten Gewinnstreben heraus in Kauf genommen, dass Patienten und Pflegebedürftige von Gesundheits- und Krankenpflegern versorgt werden, denen die erforderlichen Sprachkenntnisse zur Ausübung des Berufes fehlten. Hierin liegt, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, ein charakterlicher Mangel (vgl. BA S. 11), der so grundlegend ist, dass er die Prognose zulässt, die Antragstellerin werde sich im Zweifel um des eigenen wirtschaftlichen Vorteils willen künftig nicht an ihre Berufspflichten halten.
1.2 Die mit dem Widerruf der der Antragstellerin erteilten Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ und der Aufforderung zur Rückgabe des Originals der Erlaubnisurkunde und aller beglaubigten Kopien verbundene Anordnung der sofortigen Vollziehung greift in die Berufsfreiheit der Antragstellerin ein, weil ihr schon vor rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache die Möglichkeit genommen wird, weiter den Beruf der Krankenschwester auszuüben. Ein deratiges präventives Berufsverbot ist nach ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (vgl. BVerfG, B.v. 8.4.2010 – 1 BvR 2709/09 – juris, Rn. 10 ff.). Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, nicht ausreicht, sondern die Anordnung der sofortigen Vollziehung voraussetzt, dass überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hänge von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lasse (BVerfG, B.v. 8.4.2010, a.a.O. m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist der in der Anordnung der sofortigen Vollziehung liegende Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin gerechtfertigt. Eine weitere Berufstätigkeit der Antragstellerin als Krankenschwester ließe bereits bis zur Rechtskraft einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten.
Ausschlaggebend hierfür ist, dass im Rahmen der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung gewichtige Indizien dafür sprechen, dass auch der Antragstellerin selbst die erforderlichen Sprachkenntnisse fehlen, so dass bei einer weiteren Tätigkeit der Antragstellerin als Krankenschwester bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren eine nicht hinnehmbare konkrete Gefährdung der ihr als Krankenschwester anvertrauten Patienten und Pflegebedürftigen nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen ist. Die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ setzt nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KrPflG voraus, dass eine Antragstellerin über die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache für eine fehler- und schadensfreie Krankenpflege und damit für die Patientensicherheit eine hohe Bedeutung haben. Eine Gesundheits- und Krankenpflegerin muss für die Betreuung der Patienten und deren Behandlung nach ärztlicher Anweisung mit Ärzten und Patienten hinreichend sicher kommunizieren können. Ebenso bedarf es der Kommunikation mit anderen Krankenpflegern, Personen und Stellen, damit in jedem Fall eine den Berufspflichten entsprechende Ausübung der Pflegetätigkeit erfolgen kann.
Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, spricht vieles dafür, dass es sich bei dem von der Antragstellerin vorgelegten Diplom mit Datum vom 18. März 2014 über die angeblich am Prüfungsort … … bestandene Sprachprüfung um eine Fälschung handelt, nachdem dieses von einer „Dr. Maria Musterfrau“, der österreichischen Entsprechung zum deutschen Platzhaltername „Erika Mustermann“ unterzeichnet ist (BA S. 9 f.). Der im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Einwand, dass der Familienname „Musterfrau“ tatsächlich existiere, vermag die Zweifel am Vorhandensein der erforderlichen Sprachkenntnisse nicht zu zerstreuen, zumal der Antragstellerin im Bewährungsbeschluss vom 16. November 2018 als Weisung auferlegt wurde, beim Goethe-Institut einen Sprachkurs zu besuchen, was nahelegt, dass auch im strafgerichtlichen Verfahren fehlende Sprachkenntnisse der Antragstellerin aufgefallen sind.
1.3. Auch sonst rechtfertigt das im Beschwerdeverfahren Vorgetragene kein anderes Ergebnis.
1.3.1 Vergeblich verweist der Prozessvertreter der Antragstellerin darauf, dass diese die Straftaten weder bei noch anlässlich der Ausübung ihres Berufs begangen habe, sondern dass diese im privaten Bereich erfolgt seien.
Wie ausgeführt ist geklärt, dass für die Prognose der Zuverlässigkeit die Würdigung der gesamten Persönlichkeit und der Lebensumstände des Erlaubnisinhabers entscheidend ist, so dass – wie hier – auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises von Bedeutung sein können.
Das Vorbringen des Prozessvertreters der Antragstellerin, diese habe, in Kenntnis, dass auch Pfleger mit Deutschkenntnissen unterhalb des Niveaus B2 ordentliche Arbeit leisteten, einen „wertvollen Beitrag zur Minderung des Pflegenotstands“ geleistet, ist nicht nur für die Prognose eines künftigen rechtstreuen Verhaltens der Antragstellerin unbehelflich, sondern lässt vielmehr vermuten, dass dieser nach wie vor die erforderliche Einsicht fehlt, sich an bestehende gesetzliche Regelungen halten zu müssen.
1.3.2 Anders als der Prozessvertreter der Antragstellerin vorträgt, erwachsen auch keine rechtlichen Bedenken daraus, dass die Regierung angeblich spätestens seit Mai 2017 von dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin wusste, weil der unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgte Widerruf der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung bereits am 19. Dezember 2018 und damit wenige Wochen nach Rechtskraft des Strafurteils am 24. November 2018 erfolgte.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung von Nrn. 1.5 und 14.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtbarkeit.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).