Verwaltungsrecht

Bertreibensaufforderung bei Fristsetzung für Klagebegründung

Aktenzeichen  Au 9 K 19.967, Au 9 K 19.968, Au 9 K 19.969

Datum:
14.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27804
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 58, § 60 Abs. 1, § 92 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Eine Betreibensaufforderung nach § 92 Abs. 2 VwGO ist gerechtfertigt, wenn der Kläger selbst die Vorlage einer Klagebegründung ankündigt, sich aber anschließend trotz gerichtlicher Aufforderung (-en) über längere Zeit nicht mehr zur Sache äußert.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Betreibensfrist des § 92 Abs. 2 VwGO ist keine Rechtsbehelfsfrist; mit ihrem Zweck der Beschleunigung des Verfahrens ist es nicht vereinbar, den Kläger bei Nichteinhaltung der Frist in den Genuss der großzügigeren Wiedereinsetzungsmöglichkeiten des § 60 Abs. 1 VwGO kommen zu lassen.  (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anträge auf Fortführung der Verfahren werden abgelehnt. Es wird festgestellt, dass die Klagen zurückgenommen sind.
II. Die Kosten der Verfahren haben die jeweiligen Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Verfahren konnten gemäß § 93 VwGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden, da sich in allen drei Verfahren die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage zur Fortführung der Verfahren in gleicher Weise stellt. Die Verbindung der Verfahren war daher sachdienlich.
Den Anträgen auf Fortsetzung der Verfahren war nicht stattzugeben. Die Verfahren Au 9 K 18.1204, Au 9 K 18.1205 und Au 9 K 18.1210 gelten aufgrund der Klagerücknahmefiktion nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO als zurückgenommen. Mit den in den jeweiligen Verfahren ergangenen Beschlüssen des Verwaltungsgerichts vom 4. Juni 2019 wurde daher zutreffend festgestellt, dass die Verfahren (kraft Gesetzes) eingestellt und die Verfahren beendet sind.
1. Wird von einem Beteiligten die Wirksamkeit einer Klagerücknahme bzw. des Eintritts der Klagerücknahmefiktion bestritten, so ist hierüber durch Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden, das sich auf die Frage beschränkt, ob die Voraussetzungen für die gesetzliche Klagerücknahmefiktion in Sinn von § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO vorlagen. In diesem Fall wird durch Urteil ausgesprochen, dass das Verfahren beendet ist und der Kläger die Kosten des fortgesetzten Verfahrens zu tragen hat. Erweist sich hingegen, dass eine wirksame Klagerücknahme oder Klagerücknahmefiktion nicht vorlag, so ist der Rechtsstreit unter Aufhebung des Einstellungsbeschlusses fortzusetzen (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 92 Rn. 26). Da die Voraussetzungen für den Eintritt der Klagerücknahmefiktion vorlagen, waren die Anträge auf Fortführung der Verfahren abzulehnen.
2. Anknüpfungspunkt für die in § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO geregelte Klagerücknahmefiktion ist der vermutete Wegfall des Rechtsschutzinteresses, wobei konkrete Anhaltspunkte für ein fehlendes Interesse an der Verfahrensfortsetzung vorliegen müssen. Vom Wegfall eines ursprünglich gegebenen Rechtsschutzinteresses kann ein Gericht auch dann ausgehen, wenn das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an einer Sachentscheidung mangels Sachbescheidungsinteresses nicht mehr gelegen ist, eine Gewissheit über das Fehlen des Rechtsschutzinteresses ist nicht erforderlich (BVerfG, B.v. 17.9.2012 – 1 BvR 2254/11 – NVwZ 2013, 136 = juris Rn. 27; BVerwG, B.v. 7.7.2005 – 10 BN 1.05 – juris Rn. 4). Der Kläger kann diese Vermutung jedoch widerlegen, indem er das Verfahren weiter betreibt. Nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.1985 – 9 C 48.84 – BVerwGE 71, 213; zu den einzelnen Voraussetzungen s.a. Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL Feb. 2019, § 92 Rn. 38 ff.; Wolff in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, § 92 Rn. 15 ff.) sind die Voraussetzungen für den Eintritt der Klagerücknahmefiktion nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO (a) ein Verhalten des Klägers, das die Vermutung begründet, sein Rechtsschutzbedürfnis sei entfallen, (b) eine Betreibensaufforderung, in der der Kläger gemäß § 92 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Rechtsfolgen der Aufforderung hinzuweisen ist und (c) das Nichtbetreiben durch den Kläger innerhalb der nächsten zwei Monate. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
a) Das Verhalten der Kläger in den Klageverfahren gab berechtigten Anlass zu Zweifeln am Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses. Es bestanden daher im Zeitpunkt der am 21. März 2019 jeweils an die Kläger gerichteten Betreibensaufforderung konkrete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Interesses am Fortgang des Klageverfahrens.
Die Kläger haben jeweils am 13. Juli 2018 Klage gegen Bescheide der Beklagten erhoben, mit denen sie zur Vorlage eines Untersuchungskonzepts für eine Detailuntersuchung auf ihren Grundstücken verpflichtet wurden. Die Begründung der Klage wurde jeweils einem späteren Schriftsatz vorbehalten. In der Eingangsbestätigung der Klage forderte das Verwaltungsgericht die in allen Verfahren bevollmächtigte Kanzlei auf, die Klage innerhalb von sechs Wochen zu begründen und zur Höhe des Streitwerts Stellung zu nehmen. Nach Ablauf der Frist wurde seitens der Bevollmächtigten wegen urlaubsbedingter Abwesenheit die Verlängerung der Klagebegründungsfrist bis 1. Oktober 2018 beantragt. Am 1. Oktober 2018 ging beim Gericht ein weiterer Verlängerungsantrag wegen Erkrankung mehrerer Kollegen ein. Trotz gewährter Verlängerung erfolgte in der Folgezeit weiterhin keine Klagebegründung. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2018 forderte das Gericht die Klägerseite erneut zur Klagebegründung auf, eine Äußerung auf dieses Schreiben erfolgte nicht. Da auch im weiteren Verlauf keine Stellungnahme der Klageseite einging, insbesondere auf die Vorlage der Akten und die Äußerung zum Streitwert seitens der Beklagten keine Reaktion erfolgte, setzte das Gericht mit Schreiben vom 5. Februar 2019 eine Frist zur Klagebegründung bis 1. März 2019. Auch auf diese richterliche Frist erfolgte keine Reaktion seitens der Kläger. Für das Gericht bestanden daher angesichts der Tatsache, dass sich die Klägerseite trotz gerichtlicher Aufforderungen und Fristsetzung über mehrere Monate überhaupt nicht mehr äußerte, berechtigte Zweifel am Fortbestand des Rechtsschutzinteresses.
Anlass für ein Vorgehen nach § 92 Abs. 2 VwGO besteht allerdings nicht bereits dann, wenn die Klage zum Zeitpunkt ihrer Erhebung einer Begründung entbehrt. § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO sieht die Vorlage einer Klagebegründung nicht als zwingende Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erhebung der Klage vor. Insbesondere verlangt diese Vorschrift nicht, dass eine Begründung bereits in der Klageschrift gegeben wird. Allerdings umfasst die Mitwirkungspflicht des Klägers auch die Angabe der zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel (§ 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Zweifel am Fortbestand des Rechtsschutzinteresses sind dann angebracht, wenn der Kläger einer richterlichen Aufforderung gemäß § 86 Abs. 4 Satz 2, § 87 Satz 1 VwGO zur Begründung der Klage nicht nachkommt. Eine Aufforderung nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist vor allem dann gerechtfertigt, wenn der Kläger – wie im vorliegenden Fall – die Vorlage einer Klagebegründung selbst ankündigt, sich aber trotz gerichtlicher Aufforderung über längere Zeit nicht zur Sache äußert (BVerwG, U.v. 15.1.1991 – 9 C 96.89 – juris Rn. 11 zum insoweit regelungsgleichen § 33 AsylVfG). Denn Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses können auch daraus folgen, dass der Kläger den von ihm zu erwartenden prozessualen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt (BVerwG, U.v. 23.4.1985 – 9 C 48.84 – BVerwGE 71, 213 = juris Rn. 23). Ein sicherer Schluss auf das Nichtbestehen des Rechtsschutzinteresses ist nicht erforderlich (BVerwG, B.v. 7.7.2005 – 10 BN 1.05 – juris Rn. 4).
Die Kläger wurden mehrfach durch das Gericht aufgefordert, die Klage zu begründen. Zuletzt wurde mit Schreiben vom 5. Februar 2019 den Klägern eine Frist zur Vornahme der geforderten Handlung bis 1. März 2019 gesetzt. Ob das Gericht eine Aufforderung oder eine Bitte zur Vornahme der Handlung formuliert, ist hierbei unerheblich. Seitens der Kläger erfolgte weder eine Stellungnahme zur Klage noch teilte die Klägerseite dem Gericht Gründe mit, warum eine Äußerung nicht möglich ist.
Die im Zeitraum August 2018 bis Anfang Oktober 2018 wiederholt beantragten und auch gewährten Fristverlängerungen stehen dieser Einschätzung nicht entgegen. Es ist zutreffend, wie die Klägerseite anführt, dass wiederholte Fristverlängerungsanträge allein nicht den Schluss auf ein Desinteresse an der weiteren Rechtsverfolgung rechtfertigen. Jedoch beruhten die Zweifel am Fortbestand des Rechtsschutzinteresses nicht allein auf der Tatsache, dass die Kläger zuvor mehrfach Anträge zur Verlängerung der Klagebegründungsfrist gestellt haben, sondern sie ergaben sich daraus, dass auf mehrfache gerichtliche Aufforderungen und Fristsetzung seitens der Kläger gar keine Reaktion mehr erfolgte, nicht einmal mehr ein Antrag auf Verlängerung der Äußerungsfrist. Darin unterscheidet sich auch der hier zu beurteilende Sachverhalt von der seitens der Kläger zitierten Fallkonstellation, die dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juni 2016 (Az. 22 B 16.611) zugrunde lag. Auch gibt es keine feste Zeitspanne, die dem Kläger zur zunächst sanktionslosen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten einzuräumen ist. Es kommt jeweils auf die Umstände des Einzelfalls an.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist das Verhalten im Verwaltungsverfahren nicht ausschlaggebend für die Beurteilung der Frage, ob Zweifel am Bestehen des Rechtsschutzinteresses am Klageverfahren bestehen. Selbst wenn im Verwaltungsverfahren Äußerungen erfolgten, die erkennen lassen, dass der Betroffene mit der von der Behörde beabsichtigten Entscheidung nicht einverstanden ist, so ist daraus nicht zwangsläufig auf ein Fortbestehen des Interesses an der Fortführung des Klageverfahrens zu schließen. Denn nach Klageerhebung kann aus verschiedenen Gründen das Interesse am weiteren Fortgang des Klageverfahrens wegfallen. Auch der Umstand, dass es sich um drei Parallelverfahren gehandelt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen beziehen sich die streitgegenständlichen Bescheide auf mehrere im Zusammenhang stehende Grundstücke, zum anderen hat sich die Klägerseite in keinem der drei Verfahren geäußert. Eine andere Beurteilung wäre möglicherweise dann gerechtfertigt, wenn in einem der Verfahren eine Stellungnahme oder Äußerung erfolgt wäre. Das war aber gerade nicht der Fall.
Die Klägerseite kann auch nicht mit dem Vortrag durchdringen, das Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses ergebe sich schon allein aus der großen wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger. Wie die Beklagte – von der Klägerseite unwidersprochen – im Schriftsatz vom 30. Oktober 2018 ausgeführt hat, betreffen die streitgegenständlichen Anordnungen lediglich die Vorlage eines Untersuchungskonzepts für eine Detailuntersuchung, bei dem für alle betroffenen Grundstücke von einem Gesamtwert von 5.000,– EUR auszugehen sei. Die Klägerseite kann ebenfalls nicht mit dem Vortrag durchdringen, das Gericht hätte durch Terminierung zeigen können, dass die Kläger das Verfahren durch Übersendung der Klagebegründung effektiv hätten voranbringen können. Angesichts des Schweigens der Kläger ist es nicht Aufgabe des Gerichts, dem Verfahren durch gerichtliche Maßnahmen Fortgang zu geben. Auch der Einwand, die Beklagte habe durch das Unterbleiben einer Anordnung des Sofortvollzugs gezeigt, dass kein Beschleunigungsinteresse bestehe, lässt die Zweifel am Fortbestand des Rechtsschutzinteresses nicht entfallen. Denn diese Zweifel beruhen auf dem Verhalten der Kläger im gerichtlichen Verfahren; ob ein besonderes Beschleunigungsinteresse der Behörde besteht, ist bei der Beurteilung, ob das Rechtsschutzinteresse der Klagepartei entfallen ist, nicht von Bedeutung. Zuletzt hat das Gericht durch die eindeutige Fristsetzung mit Schreiben vom 5. Februar 2019 deutlich gemacht, dass ein Schweigen der Klägerseite möglicherweise mit weiteren Konsequenzen verbunden ist.
b) Mit Schreiben vom 21. März 2019 wurde die Klagepartei aufgefordert, die Klage innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung des Schreibens zu begründen. Zugleich wurde sie gemäß § 92 Abs. 2 Satz 3 VwGO über die Folgen der Nichtbeachtung der Betreibensaufforderung belehrt. Das Schreiben wurde der Klagepartei ausweislich des unterzeichneten Empfangsbekenntnisses am 1. April 2019 zugestellt. Die formalen Anforderungen an die Betreibensaufforderung wurden eingehalten. Die gesetzliche Frist des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO endete gemäß § 57 VwGO, § 222 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am Montag, den 3. Juni 2019 um 24.00 Uhr.
c) Die Kläger haben das Verfahren bis zum Ablauf der Frist nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht in der geforderten Weise betrieben.
aa) Schriftsätzliche oder telefonische Äußerungen erfolgten in dem zweimonatigen Zeitraum nicht. Auch das Schreiben vom 3. Juni 2019 ist nicht geeignet, die Rechtsfolgen des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu verhindern. Wird der Kläger zur Vornahme konkreter Verfahrenshandlungen aufgefordert, so betreibt er das Verfahren nur dann weiter, wenn er die erbetenen Verfahrenshandlungen fristgerecht vorlegt. Denn nach Zustellung der Aufforderung, das Verfahren zu betreiben, liegt es am Kläger, die tatsächliche Vermutung des entfallenden Rechtsschutzinteresses dadurch zu entkräften, dass er das Verfahren innerhalb von zwei Monaten betreibt. Ein Nichtbetreiben ist in der Regel gegeben, wenn der Kläger die geforderte Mitwirkungshandlung nicht vornimmt, obwohl sie ihm zumutbar ist. Je konkreter und zumutbarer die geforderte Mitwirkungshandlung ist, desto eher liegt in der Nichterfüllung zugleich das Nichtbetreiben (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 92 Rn. 18). Legt der Kläger allerdings substantiiert dar, weswegen die Klagebegründung nicht vorgelegt werden konnte, so betreibt er das Verfahren ausreichend (BVerfG, B.v. 19.5.1993 – 2 BvR 1972/92 – juris Rn. 14).
bb) Mit dem von den Klägern am Tage des Fristablaufs jeweils wortidentisch eingereichten Schriftsatz wurden die Verfahren jedoch nicht ausreichend betrieben. Mit diesem Schreiben baten die Klägerbevollmächtigten das Gericht „aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheit der alleinigen Sachbearbeiterin um stillschweigende Verlängerung der Frist bis Mitte nächster Woche“. Am Tag des Fristablaufs hat die Klägerseite somit weder die geforderte Handlung vorgenommen, noch substantiiert dargelegt, warum trotz der gesetzlichen Vermutung am Wegfall des Rechtsschutzinteresses ein solches weiterhin besteht.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Betreibensfrist zwar durch richterliche Verfügung veranlasst wird, ihre Dauer aber normativ festgelegt ist. Es handelt sich somit um eine gesetzliche Frist, die als solche weder verkürzt noch verlängert werden kann. Der Antrag auf Fristverlängerung ist daher gegenstandslos und kann die gesetzliche Vermutung des Entfallens des Rechtsschutzinteresses nicht ausräumen (Clausing in Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2019 § 92 Rn. 56). Will der Kläger der Verfahrensbeendigung wegen Nichtbetreibens entgehen, muss er innerhalb der Zweimonatsfrist substantiiert darlegen, dass und warum sein Rechtsschutzinteresse trotz der Zweifel an dessen Fortbestehen, die Anlass zur Betreibensaufforderung gegeben haben, nicht entfallen ist. Soll der Kläger das Fehlen einer Klagebegründung nachholen, muss er auf die entsprechende Betreibensaufforderung wenigstens mit einem Mindestmaß an Sach- und Rechtsvortrag reagieren. Hier kann ausnahmsweise auch die Bezugnahme auf das Vorbringen im Verwaltungsverfahren genügen, wenn dort bereits hinreichend substantieller Vortrag erfolgt ist. Sieht sich der Kläger außer Stande, den in der Betreibensaufforderung konkretisierten Handlungspflichten rechtzeitig nachzukommen, darf er sich nicht darauf beschränken, um Fristverlängerung zu bitten. Ein solcher Antrag geht ins Leere, weil ihm aus Rechtsgründen nicht stattgegeben werden kann. Der Kläger muss vielmehr noch innerhalb der Frist glaubhaft darlegen, dass und warum er die an ihn gestellten Anforderungen nicht fristgerecht erfüllen kann. Angesichts der Länge der zur Verfügung stehenden Frist ist insoweit jedoch ein strenger Maßstab anzulegen (Clausing in Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Stand Februar 2019 § 92 Rn. 59). Diesen Voraussetzungen genügt der von der Klägerseite übersandte Schriftsatz vom 3. Juni 2019 nicht. Zum einen ist bereits nicht substantiiert dargelegt, warum eine Äußerung innerhalb der gesetzten Zweimonatsfrist nicht möglich war. Das Schreiben enthält lediglich einen formelhaften Hinweis auf eine krankheitsbedingte Verhinderung der Sachbearbeiterin. Die Erkrankung wurde weder glaubhaft gemacht, noch zeitlich näher konkretisiert. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum eine wenigstens kurz zusammengefasste Klagebegründung, ggf. unter Hinweis bzw. Beifügung der bereits im Verwaltungsverfahren gemachten Äußerungen, innerhalb des zweimonatigen Zeitraums nicht vorgenommen werden konnte. Die Einlassung, aufgrund der Komplexität des Sachverhalts sei eine vertretungsweise Bearbeitung des Falles nicht möglich gewesen, überzeugt nicht. Angesichts des klaren Wortlauts und der eindeutigen rechtlichen Regelung in § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO, auf die die Klägerseite im Rahmen der Betreibensaufforderung ausdrücklich hingewiesen wurde, musste für die Klägerbevollmächtigten deutlich sein, dass lediglich ein Hinweis auf Krankheit und eine Klagebegründungsverlängerungsfrist nicht ausreicht, um die gesetzliche Vermutung des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO auszuräumen. Daran ändern auch die erst mit Schriftsatz vom 19. Juni 2019 näher dargelegten Verhinderungsgründe, eine Erkrankung wegen eines Spinalkanalsyndroms mit einer Arbeitsunfähigkeit vom 17. Mai 2019 bis 31. Mai 2019, nichts. Zum einen wäre es der Klägerbevollmächtigten möglich gewesen, am 3. Juni 2019, dem Tag des Fristablaufs, zumindest eine grob umrissene Klagebegründung ggf. unter Bezugnahme auf das Verwaltungsverfahren und die dort geäußerte Rechtsauffassung abzugeben. Zum anderen hätte es der Klägerbevollmächtigten oblegen, durch Maßnahmen in der Kanzleiorganisation sicherzustellen, dass gegebenenfalls durch andere schriftliche Äußerungen die Zweifel am Wegfall der Rechtschutzinteresses ausgeräumt werden. Ein – wirkungsloser – (weiterer) Fristverlängerungsantrag erfüllt die Anforderungen hierfür nicht. Es ist der Klägerseite zwar grundsätzlich zuzustimmen, dass eine gesetzliche Frist bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden kann, dann jedoch trägt der Fristverpflichtete eine besondere Sorgfaltspflicht, um sicherzustellen, dass während des Fristenlaufs die geforderte Handlung vorgenommen werden kann.
cc) Dem mit Schriftsatz vom 19. Juni 2019 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung war nicht stattzugeben.
Versäumt der Kläger die Zweimonatsfrist, kann ihm nach der Rechtsprechung Wiedereinsetzung nicht nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 VwGO, sondern nur in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens der §§ 58 Abs. 2, § 60 Abs. 3 VwGO im Falle höherer Gewalt gewährt werden. Die Betreibensfrist ist insoweit nicht den Rechtsbehelfsfristen gleichgestellt, sondern wird den sogenannten uneigentlichen Fristen zugerechnet, weil bei deren Versäumung Wiedereinsetzung zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur erschwert zu erlangen ist (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2019 § 92 Rn. 57 m.w.N.). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger mit der Betreibensaufforderung nicht etwa erstmals Gelegenheit zur Erfüllung einer ihm obliegenden Mitwirkungspflicht gegeben wird, er befindet sich vielmehr bei Erlass der Aufforderung verfahrensrechtlich bereits im Verzug. Ihm wird lediglich eine letzte Chance eingeräumt, die Zweifel am Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses auszuräumen. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu der üblichen Rechtsbehelfssituation, in der erst der Erlass einer fristgebundenen anzufechtenden Entscheidung Anlass zum Tätigwerden gibt. Nach Inhalt und Zweck des § 92 Abs. 2 VwGO ist es mithin weder geboten noch wäre es mit dem Beschleunigungsanliegen der Vorschrift vereinbar, den Kläger bei Nichteinhaltung der Betreibensfrist in den Genuss der großzügigeren Wiedereinsetzungsmöglichkeiten des § 60 Abs. 1 VwGO kommen zu lassen.
Ein Fall höherer Gewalt liegt jedoch nicht vor. Hierunter ist ein Ereignis zu verstehen, dass unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, nach den Umständen des gegebenen Falles vernünftigerweise von den Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe, also unter Berücksichtigung seiner Lage, Erfahrung und Bildung, zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Um einen solchen gearteten Fall höherer Gewalt handelt es sich bei der von der Klägerbevollmächtigten vorgetragenen Erkrankung nicht. Auch wenn sie nach eigenen Angaben wegen Schmerzen in den Gliedmaßen im Zeitraum vom 17. bis 31. Mai 2019 arbeitsunfähig gewesen war, so wäre es ihr oblegen, im Rahmen der Kanzleiorganisation, z.B. durch Vertretungsregeln, Sorge dafür zu tragen, dass gesetzliche Fristen eingehalten werden können. Die geltend gemachte Erkrankung stellt sich auch nicht so dar, dass es der Sachbearbeiterin nicht wenigstens möglich gewesen wäre, sich mit Kanzleikollegen in Verbindung zu setzen und diesen gegebenenfalls Zugang zu erforderlichen Unterlagen zu gewähren. Auch wäre es möglich gewesen, vom 1. Juni 2019 bis zum 3. Juni 2019 wenigstens eine kurz umrissene Klagebegründung vorzulegen. Der Hinweis der Klägerseite, dies sei nicht in Betracht gekommen, weil der eigene Arbeitsethos eine substantiiert begründete und gewissenhafte Klagebegründung verlange, verfängt nicht. Angesichts des drohenden Ablaufs der Ausschlussfrist hätte es den Bevollmächtigten bewusst sein müssen, dass in diesem Fall eine andere Herangehensweise als sonst üblich erforderlich gewesen wäre, um die gesetzliche Folge des § 92 Abs. 2 VwGO zu verhindern.
Da die Kläger innerhalb der gesetzlichen Frist des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO die geforderten Handlungen nicht vorgenommen haben, gilt mit Ablauf der Frist am 3. Juni 2019 die Klage kraft Gesetzes als zurückgenommen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Juni 2019 ist insoweit lediglich deklaratorischer Natur.
Der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens war daher abzulehnen und festzustellen, dass die Klagen als zurückgenommen gelten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
4. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO genannten Gründe vorliegt. Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung nur zu, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder das Urteil von einer Entscheidung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Obergerichte abweicht. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor, insbesondere weist die Rechtssache keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung auf, deren Klärung der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte, sondern es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung der Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben