Verwaltungsrecht

Berücksichtigung von Kindern bei Baulandvergabe im Einheimischenmodell

Aktenzeichen  M 11 E 19.5841

Datum:
18.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2576
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 118 Abs. 1 S. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 30.421,63,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren eine einstweilige Anordnung wegen ihrer Nichtberücksichtigung bei der Vergabe eines Baugrundstücks im Einheimischenmodell.
Die Antragsgegnerin vergibt sieben Baugrundstücke im Rahmen eines Einheimischenmodells auf der Grundlage von Vergaberichtlinien. Das Bewerbungsverfahren begann am 15. Januar 2019 und endete am 18. März 2019.
Unter dem 17. Januar 2019 bewarben sich die Antragsteller um ein Baugrundstück. Dabei wiesen sie unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung darauf hin, dass sich die Antragstellerin zu 1 derzeit in der 12. Schwangerschaftswoche befinde und der voraussichtliche Geburtstermin der 21. Mai 2019 sei.
Der Sohn der Antragsteller wurde am 30. April 2019 geboren.
Mit Bescheid vom 5. Juli 2019 teilte die Antragsgegnerin den Antragstellern mit, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 24. Juni 2019 die Vergabereihenfolge festgelegt habe. Die Antragsteller lägen mit 40 Punkten auf Rang 13. Für die „Anzahl der Kinder“ seien keine Punkte vergeben worden.
Die Antragsteller haben am 6. August 2019 Klage erhoben. Am 25. November 2019 beantragen sie zudem,
die Beklagte und Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, die Vollziehung der Zuteilungsbescheide an die Mitbewerber der Kläger und Antragsteller um Einheimischengrund im Baugebiet auszusetzen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Nichtberücksichtigung des Kindes gegen den Gleichheitsgrundsatz und Art. 6 Abs. 1 GG verstoße. Bereits die Vergaberichtlinien seien rechtswidrig, weil diese lediglich je kindergeldberechtigtem Kind, mithin erst ab Geburt, die Vergabe von 10 Punkten vorsähen, wohingegen Schwangerschaften nicht zählen würden, auch dann nicht, wenn das errechnete Datum der Niederkunft (kurz) nach Ablauf der Meldefrist liege. Dies sei eine Ungleichbehandlung mit (kurz) vor Frist geborenen Kindern bzw. deren Eltern. Aber selbst wenn man nicht bereits die Schwangerschaft berücksichtige, so müsse wenigstens die Geburt nachträglich berücksichtigt werden. Die Vergabeentscheidung sei fast zwei Monate nach der Geburt des Kindes getroffen worden, von der die Antragsgegnerin auch Kenntnis gehabt habe. Nach Nr. 3 der Vergaberichtlinien würden auch nach Antragstellung eingetretene Veränderungen berücksichtigt werden können. Dieses Ermessen reduziere sich im Geburtsfall auf Null. Alles andere widerspreche auch der verwaltungsrechtlichen Systematik, wonach es in Verpflichtungssituationen in der Regel auf den Zeitpunkt der Entscheidung ankomme. Jede andere Auslegung würde bedeuten, dass Umstände, seien diese begünstigend oder verschlechternd, für die Entscheidung irrelevant wären, nur wenn man sie nicht rechtzeitig bei der Gemeinde anzeige. Es sei mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar, würde man beispielsweise nicht berücksichtigen, wenn eine bei Meldung noch bedürftige Partei etwa im Wege der Erbfolge nachträglich vermögend würde.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird vorgetragen, dass es im Ermessen der Antragsgegnerin stehe, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sie eine Schwangerschaft bepunkte. Es verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz, geborene und ungeborene Kinder unterschiedlich zu behandeln. Die Geburt müsse auch nicht nachträglich berücksichtigt werden. Sinn und Zweck der Regelung in Nr. 3 der Vergaberichtlinien sei, Veränderungen zwischen Antragstellung und Bewerbungsschluss zu berücksichtigen, damit Bewerbern, die ihren Antrag frühzeitig stellen, keine Nachteile entstünden. Da die Geburt des Kindes aber erst nach Bewerbungsschluss erfolgt sei, seien zu Recht keine Punkte vergeben worden. Ein Stichtag sei verfahrenstechnisch zwingend notwendig, auch wenn er gegebenenfalls zu Ungerechtigkeiten führen könne.
Die Antragsteller wiederholen und vertiefen daraufhin ihren Vortrag. Ergänzend führen sie zum Streitwert aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten in diesem sowie im zugehörigen Klageverfahren M 11 K 19.4009 Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Zwar ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, weil es bei dem Streit um die Vergabe von Bauland im Einheimischenmodell um das „Ob“ der Vergabe einer öffentlich-rechtlichen Leistung im Sinne der Zweistufentheorie geht (VG München, U.v. 27.2.1996 – M 1 K 95.174 – BayVBl 1997, 533; U.v. 19.7.2016 – M 1 K 16.1554 – juris Rn. 14; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 352 m.w.N.).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Hierfür sind Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). An letzterem fehlt es vorliegend.
Bei der Vergabe von Grundstücken im Rahmen eines Einheimischenmodells handelt es sich um eine Subventionierung von Ortsansässigen, um diesen einerseits den (verbilligten) Erwerb von Grund und Boden in ihrer Heimatgemeinde zu ermöglichen und sie andererseits in der Gemeinde zu halten, um ein „Ausbluten“ gerade von ländlichen Gegenden zu verhindern. Die Vergabe erfolgt dabei im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV. Um ihr Vergabeermessen zu konkretisieren, können die Gemeinden Vergaberichtlinien aufstellen. Erlässt eine Gemeinde – wie hier geschehen – solche Vergaberichtlinien, so begründet sie damit eine bestimmte Verwaltungspraxis, die zu einer Selbstbindung der Gemeinde führt, so dass sie die Grundstücke nur nach Maßgabe der Vergaberichtlinien vergeben darf. Weicht sie von diesen ab, so kann der betroffene Bürger die Verletzung der Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV geltend machen (vgl. zum Ganzen etwa BayVGH, B.v. 30.4.2013 – 4 ZB 13.472 – juris Rn. 5).
a) Die streitgegenständlichen Bestimmungen in den Vergaberichtlinien der Antragsgegnerin sind nicht zu beanstanden.
Bei den Bestimmungen des Kriterienkatalogs, den eine Gemeinde bei der Auswahl der Bewerber um ein Grundstück im Einheimischenmodell heranzieht, handelt es sich nicht um Rechtsnormen, sondern um ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften (BVerwG, U.v. 23.4.2003 – 3 C 25.02 – BayVBl. 2004, 23 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 26.4.2007 – 4 CE 07.266 – BayVBl. 2008, 86 = juris Rn. 12; B.v. 23.2.2009 – 4 ZB 07.3484 – juris Rn. 8). Die Gemeinde hat bei der Aufstellung der Vergabekriterien und deren Anwendung einen weiten Spielraum. Sie darf ihre Vergabepraxis grundsätzlich – soweit diese von sachlichen und nachvollziehbaren Gesichtspunkten getragen wird – danach ausrichten, welches Ziel sie mit der Vergabe von Grundstücken im Einheimischenmodell erreichen will. Dabei darf sie in den Vergaberichtlinien bis zu einem bestimmten Grad auch pauschalierende Regelungen treffen. Verboten ist ihr lediglich die Aufstellung von Vergabekriterien nach unsachlichen bzw. willkürlichen Gesichtspunkten (VG München, B.v. 24.7.2015 – M 11 E 15.1923 – juris Rn. 54).
aa) Gemessen an diesen Grundsätzen ist es weder unsachlich noch willkürlich, Punkte (nur) für kindergeldberechtigte Kinder zu vergeben.
Nach Nr. 2.2.3 der Vergaberichtlinien werden je kindergeldberechtigtem Kind, das im Haushalt des Antragstellers mit Hauptwohnsitz gemeldet ist und dort tatsächlich auch wohnt bzw. nach gesicherter Prognose seinen gemeldeten und tatsächlichen Hauptwohnsitz im Haushalt des Antragstellers haben wird, 10 Punkte vergeben. Kindergeld wird für Kinder ab dem Monat gewährt, in dem sie lebend geboren werden (§ 62 Abs. 1 Satz 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1, Abs. 3 EStG). Demnach knüpfen die Vergaberichtlinien die Punktevergabe für Kinder unter anderem daran, dass das Kind zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bewerbungsschlusses (hierzu s.u.) bereits lebend geboren worden ist.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller verstößt die Antragsgegnerin damit nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Zwar enthält Art. 6 Abs. 1 GG das Gebot, die Familie durch geeignete Maßnahmen auch wirtschaftlicher Art zu fördern. Die Antragsgegnerin kann jedoch im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit grundsätzlich selbst bestimmen, in welchem Umfang und auf welche Weise sie den ihr aufgetragenen besonderen Schutz der Ehe und Familie verwirklichen will (vgl. BVerfG, B.v. 29.10.2002 – 1 BvL 16/95 – BVerfGE 106, 166 = juris Rn. 48). Das Gericht prüft daher nicht, ob die Antragsgegnerin die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob sie die verfassungsrechtlichen Grenzen ihrer Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl. etwa BVerfG, B.v. 8.6.2004 – 2 BvL 5/00 – BVerfGE 110, 412 = juris Rn. 73 m.w.N.).
Dies ist vorliegend der Fall. Die Antragsgegnerin verfolgt mit ihrem Einheimischenmodell den Zweck, einkommensschwächeren jungen Familien aus der örtlichen Bevölkerung den Erwerb angemessenen Wohnraums zu ermöglichen (vgl. die Vorbemerkungen und die Ausführungen unter Nr. 1.1 der Vergaberichtlinien zum antragsberechtigten Personenkreis). Die Bestimmung in Nr. 2.2.3 der Vergaberichtlinien, wonach Punkte für kindergeldberechtigte Kinder vergeben werden, entspricht diesem Zweck, junge Familien zu fördern. Dadurch kommt die Antragsgegnerin zugleich ihrem Verfassungsauftrag aus Art. 6 Abs. 1 GG nach. Ebenso wie der Gesetzgeber den Kindergeldanspruch in § 32 Abs. 3 EStG auf geborene Kinder beschränken durfte (vgl. FG Kassel, U.v. 28.4.1999 – 2 K 2872/98 – juris Rn. 14 f.), war die Antragsgegnerin verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, bereits eine Schwangerschaft zu bepunkten. Es liegt vielmehr im Gestaltungsermessen der Gemeinde, bei der Punktevergabe im Rahmen eines Einheimischenmodells eine ärztlich nachgewiesene Schwangerschaft bereits positiv zu berücksichtigen (Simon/Gleich, Bayerischer Gemeindetag 2017, 258/262). Ein Anspruch darauf besteht nicht. Aus Art. 6 Abs. 1 GG erwachsen regelmäßig keine konkreten Ansprüche auf staatliche Leistungen (Badura in Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 77 m.w.N.).
bb) Auch die Festsetzung des Stichtags begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Der Antragsgegnerin ist es durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Diese mit der Einführung von Stichtagen verbundenen Friktionen und Härten im Einzelfall sind hinzunehmen (vgl. BVerfG, B.v. 19.5.2015 – 2 BvR 1170/14 – FamRZ 2015, 1263 = juris Rn. 41). Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags überhaupt notwendig und die Wahl des Zeitpunktes, orientiert am gegebenen Sachverhalt, vertretbar ist (vgl. BVerfG, B.v. 21.7.2010 – 1 BvL 11/06 – BVerfGE 126, 369 = juris Rn. 90; B.v. 18.7.2019 – 1 BvL 1/18 u.a. – NZM 2019, 676 = juris Rn. 105).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach Nr. 3 Satz 1 der Vergaberichtlinien ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Vergabekriterien grundsätzlich der Zeitpunkt der Antragstellung. Das Bewerbungsverfahren endete am 18. März 2019. Der Bewerbungsschluss stellt demnach den letztmöglichen Stichtag dar. Ein solcher Stichtag, der vor dem Zeitpunkt der endgültigen Vergabeentscheidung durch den Gemeinderat liegt, ist entgegen der Ansicht der Antragsteller aus verfahrenstechnischen Gründen notwendig. Die Verwaltung benötigt Zeit, die eingegangenen Bewerbungen zu sichten, gegebenenfalls fehlende Unterlagen nachzufordern und eine Beschlussvorlage für den Gemeinderat zu erarbeiten. Der Zeitraum von drei Monaten zwischen dem Stichtag und der Sitzung des Gemeinderats am 24. Juni 2019 erscheint hierfür nicht offensichtlich unangemessen lang.
b) Die Auslegung und Anwendung der Vergaberichtlinien dahingehend, die Geburt nicht nachträglich zu berücksichtigen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, bei deren Anwendung der Antragsgegnerin in gewissem Umfang die Interpretationshoheit zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2003 – 3 C 25.02 – BayVBl. 2004, 23 – juris Rn. 14), unterliegen keiner eigenständigen richterlichen Auslegung. Für die gerichtliche Überprüfung einer Förderung ist vielmehr entscheidend, wie die Antragsgegnerin den Kriterienkatalog im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV gebunden ist (BayVGH, B.v. 26.4.2007 – 4 CE 07.266 – BayVBl. 2008, 86 = juris Rn. 12, m.w.N.).
Nach Nr. 3 Satz 1 der Vergaberichtlinien ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Vergabekriterien grundsätzlich der Zeitpunkt der Antragstellung (s.o.). Danach eingetretene Veränderungen können gemäß Nr. 3 Satz 2 der Vergaberichtlinien von der Gemeinde nach pflichtgemäßem Ermessen berücksichtigt werden. Sinn und Zweck der Regelung sei nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin, Veränderungen zwischen Antragstellung und Bewerbungsschluss zu berücksichtigen, damit Bewerbern, die ihren Antrag frühzeitig stellen, keine Nachteile entstünden. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Regelung nicht in dieser Art und Weise angewendet worden wäre. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes läge nur dann vor, wenn die Antragsgegnerin auch bei anderen Bewerbern Veränderungen zwischen Bewerbungsschluss und Vergabeentscheidung berücksichtigt hätte. Dies haben die Antragsteller weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
Auch im Übrigen ist die Ermessensausübung (Art. 40 BayVwVfG) nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat die Geburt des Kindes nicht schlicht ignoriert, sondern das ihr eingeräumte Ermessen ausgeübt. Aus der Behördenakte ergibt sich, dass die Verwaltung vorschlug, für das ungeborene Kind vorbehaltlich der Entscheidung des Gemeinderats 10 Punkte zu vergeben. Der Gemeinderat folgte dem nicht. Darin ist kein Ermessensfehler zu erblicken. Auch aus Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich nicht, dass die nachträgliche Berücksichtigung der Geburt die einzig ermessensgerechte Entscheidung wäre (s.o.), sodass eine Ermessensreduktion auf Null entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht vorliegt.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und Abs. 8 GKG i.V.m. Nr. 44.1.1 und Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs. In der Sache begehren die Antragsteller die Gewährung einer Subvention beim Kauf eines Baugrundstücks. Das Einheimischenmodell der Antragsgegnerin sieht einen Verkauf gemeindeeigener Grundstücke an den begünstigten Personenkreis zu einem Preis erheblich unter dem Marktwert vor. Die Antragsgegnerin vergibt die Grundstücke zu einem Preis von 262,79 EUR/m² und damit 187,21 EUR/m² unter dem Verkehrswert in Höhe von 450 EUR/m². Die Antragsteller haben sich um ein Grundstück mit 650 m² beworben. Der geldwerte Vorteil der Vergünstigung beträgt folglich 121.686,50 EUR. Bei der Bestimmung des Streitwerts kann allerdings nicht allein auf diese Differenz des subventionierten Verkaufspreises zum marktüblichen Preis abgestellt werden, da die Grundstückskäufer nach dem Einheimischenmodell langfristige Veräußerungs- und Vermietungsbeschränkungen hinnehmen müssen, die den wirtschaftlichen Wert der Subventionierung schmälern (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.2007 – 4 C 07.342 – juris Rn. 2; B.v. 13.6.2016 – 4 C 16.1081 – juris Rn. 6; B.v. 02.3.2017 – 4 ZB 16.1852 – BayVBl 2018, 281 = juris Rn. 18). Der darin liegende „Nachteil“ ist mit einem Abzug um ein Halb angemessen berücksichtigt, so dass sich in der Hauptsache ein Streitwert von 60.843,25 EUR ergibt. Für das Eilverfahren ist der Wert nochmals zu halbieren, sodass sich ein Streitwert von 30.421,63 EUR ergibt. Diese Berechnung wird auch von den Antragstellern im Grundsatz nicht bestritten.
Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist der Streitwert nicht mit der Hälfte des Regelstreitwerts anzusetzen. Die vorläufige Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 9. August 2019 beruht auf dem Umstand, dass der Streitwert zu diesem Zeitpunkt mangels Angaben noch nicht bestimmt werden konnte (§ 52 Abs. 2 GKG). Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert aber grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Diese Bedeutung wird mit vorstehenden Berechnung angemessen abgebildet. Dem steht auch Art. 19 Abs. 4 GG nicht entgegen. Es bestehen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, den für die Gebührenbemessung maßgebenden Streitwert an der Bedeutung der Streitsache und damit am Wert des geltend gemachten prozessualen Anspruchs zu orientieren (BVerfG, B.v. 08.12.2011 – 1 BvR 1393/10 – juris Rn. 4).


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