Verwaltungsrecht

Berufung, Statthaftigkeit, Auslegung, Umdeutung, Streitwertänderung

Aktenzeichen  10 B 21.2948

Datum:
10.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3112
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 125 Abs. 2
VwGO § 124a Abs. 4
GKG § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 23 K 20.1748 2021-07-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird als unzulässig verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklage vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen auf 249.050,– Euro festgesetzt.

Gründe

Die mit Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 29. November 2021 eingelegte Berufung, über die der Senat im Anschluss an die Anhörung der Beteiligten gemäß § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO durch Beschluss nach § 125 Abs. 2 Satz 2 VwGO entscheidet, ist mangels Statthaftigkeit unzulässig und daher nach § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu verwerfen.
1. Die eingelegte Berufung ist unzulässig und daher zu verwerfen, weil gegen das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts nur ein Antrag auf Zulassung der Berufung statthaft ist.
Wenn die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen wird − wie im vorliegenden Fall (vgl. UA S. 2) −, ist gemäß § 124a Abs. 4 Sätze 1 und 2 VwGO die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht zu beantragen. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts enthält insoweit auch eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung, in der auf die vorgenannten Erfordernisse hingewiesen wird (vgl. UA S. 16). Das Urteil wurde der Bevollmächtigten des Klägers laut Empfangsbekenntnis am 19. November 2021 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 29. November 2021 hat die Bevollmächtigte des Klägers das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. Dies ergibt sich unmissverständlich aus der Überschrift („Berufung“), der gewählten Bezeichnung der Beteiligten („Berufungskläger“ u. „Berufungsbeklagte“), der hervorgehobenen Bezeichnung des Rechtsbehelfs („Berufung“), dem Antrag („aufzuheben“, „festzustellen“ u. „zu verurteilen“) sowie der Ankündigung der Begründung („Berufungsbegründung“).
Die eingelegte Berufung kann nicht als Antrag auf Zulassung der Berufung ausgelegt werden. Die Einlegung der Berufung umfasst nicht zugleich einen Antrag auf Zulassung der Berufung. Beide Rechtsbehelfe betreffen unterschiedliche Gegenstände und sind nicht austauschbar (vgl. BVerwG, B.v. 12.3.1998 − 2 B 20.98 – juris Rn. 3).
Eine Umdeutung des unzulässigen Rechtsmittels der Berufung in das statthafte Rechtsmittel eines Antrags auf Zulassung der Berufung kommt bei einem durch einen Bevollmächtigten vertretenen Kläger nicht in Betracht, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass in Wahrheit ein solcher Antrag gewollt war. Solche Anhaltspunkte bestehen hier nicht (s.o.). Abgesehen davon kommt eine Umdeutung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 19.5.2006 – 3 B 113.05 − juris Rn. 3 m.w.N.). Die einmonatige Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO ist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 222 Abs. 1 und 2 ZPO sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 20. Dezember 2022, einem Montag, verstrichen. Die Klägerseite hat trotz des Hinweises des Senats vom 1. Dezember 2021 einen solchen Umdeutungsantrag innerhalb dieser Frist nicht gestellt. Erst auf den Hinweis des Senats vom 27. Dezember 2021 samt Anhörung zur Unzulässigkeit und beabsichtigten Verwerfung des Rechtsmittels der Berufung hat die Klägerseite mit Schriftsatz vom 19. Januar 2022 reagiert.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
5. Die nach Anhörung der Beteiligten vorgenommene Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3, § 63 Abs. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Das Verwaltungsgericht hat den Auffangwert zugrunde gelegt und diesen gemäß Nr. 1.1.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit addiert. Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei der Streitwertfestsetzung anlässlich einer polizeilichen Sicherstellung Nr. 35.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit anzuwenden, mit der Folge, dass das wirtschaftliche Interesse, mithin der Wert des sichergestellten Gegenstandes, anzusetzen ist (vgl. BayVGH, U.v. 23.2.2016 – 10 BV 14.2353 – juris Rn. 38). Dieser beträgt im vorliegenden Fall 249.050,- Euro (vgl. UA S. 2). Nur wenn sich das wirtschaftliche Interesse nicht konkret beziffern lässt, ist der Auffangwert heranzuziehen (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2005 – 24 C 05.1349 – juris Rn.10). Einer Addition nach Nr. 1.1.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bedarf es hierbei nicht, da die zwei erstinstanzlich gestellten Anträge (vgl. UA S. 5 u. VG München, Gerichtsakte, Sitzungsprotokoll S. 4) keinen jeweils selbständigen wirtschaftlichen Wert betreffen.


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