Verwaltungsrecht

Berufungszulassung (abgelehnt), luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit eines Berufspiloten, Erledigung im Berufungszulassungsverfahren, Fortsetzungsfeststellungsinteresse (verneint), Vereinbarkeit der Zuverlässigkeitsüberprüfung mit Europarecht, Nähe zur Ideologie der Reichsbürger

Aktenzeichen  8 ZB 21.812

Datum:
29.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25086
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5, 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
LuftSiG § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 1a, 6

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 24 K 19.4362 2021-02-04 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 4. Februar 2021 für beide Rechtszüge auf jeweils 52.800 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Feststellung seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit als Luftfahrer.
Der Kläger ist seit dem 1. April 2008 als Berufshubschrauberführer bei der … Luftrettung … im Rettungsdienst angestellt. Die Regierung von Oberbayern – Luftamt Südbayern – stellte am 13. Juni 2014 seine Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG fest.
Mit Bescheid vom 29. Juli 2019 lehnte die Regierung von Oberbayern – Luftamt Südbayern – den Antrag des Klägers vom 8. April 2019 zur Feststellung seiner persönlichen Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG ab, da insoweit Zweifel bestünden. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz habe dem Luftamt Südbayern am 23. Mai 2019 ein an das Amtsgericht Leipzig gerichtetes Schreiben des Klägers vom 18. Juli 2016 übermittelt, das typische “Reichsbürger-Rhetorik” enthalte und die Legitimität staatlichen Handelns jedenfalls in Teilbereichen abstreite. Bei seiner Anhörung habe sich der Kläger nicht glaubhaft von der Reichsbürgerbewegung distanziert und die Zweifel an seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit nicht ausgeräumt.
Das Verwaltungsgericht München hat die Klage des Klägers, den Beklagten unter Aufhebung des o.g. Bescheids zu verpflichten, ihm eine Zuverlässigkeitsbescheinigung nach § 7 LuftSiG zu erteilen, mit Urteil vom 4. Februar 2021 abgewiesen. Bei der Gesamtabwägung verblieben Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit des Klägers, weil dieser den nach dem Inhalt seines Schreibens vom 18. Juli 2016 entstandenen Eindruck, er neige der Ideologie der Reichsbürgerszene zu, nicht habe ausräumen können. Seine Einlassung, er habe das Schreiben unbesonnen aus dem Internet übernommen, sei unglaubhaft, auch weil der Kläger ehemaliger Soldat und Offizier sei. Aber selbst wenn dies zuträfe, zeige es dessen allzu leichte Beeinflussbarkeit.
Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.
Mit Bescheid vom 13. Juli 2021 stellte die Regierung von Oberbayern – Luftamt Südbayern – die Zuverlässigkeit des Klägers nach § 7 LuftSiG fest. Der Kläger hat der Erledigungserklärung des Beklagten nicht zugestimmt. Der Ablehnungsbescheid vom 29. Juli 2019 sei rechtswidrig. Im Übrigen stehe einer Erledigungserklärung auch sein Interesse entgegen, Schadensersatzansprüche aufgrund des Verlustes seines Arbeitsplatzes bei der …-Luftrettung geltend machen zu können.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
A. Das ursprüngliche Verpflichtungsbegehren hat sich erledigt, nachdem der Beklagte die Zuverlässigkeit des Klägers nach § 7 LuftSiG mit Bescheid vom 13. Juli 2021 antragsgemäß festgestellt hat. Die Zulassung der Berufung kann deshalb nur noch zu dem Zweck beantragt werden, im Berufungsverfahren die Feststellung zu erreichen, dass der Beklagte zu der begehrten Zuverlässigkeitsfeststellung verpflichtet war (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2021 – 3 ZB 20.2670 – juris Rn. 9; B.v. 24.10.2011 – 8 ZB 10.957 – juris Rn. 11). Eine solche Absicht hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23. Juli 2021 angedeutet, ohne jedoch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO darzutun. Der allgemeine Vortrag, er habe ein Interesse, Schadensersatzansprüche aufgrund seines Arbeitsplatzverlustes geltend zu machen, reicht hierfür nicht aus. Vielmehr sind regelmäßig konkrete Angaben zum behaupteten Schaden bzw. zur Schadenshöhe zu machen (vgl. BayVGH, B.v. 24.10.2011 – 8 ZB 10.957 – juris Rn. 13 m.w.N.). Notwendig ist auch die Darlegung, dass ein Schadensersatzprozess bereits anhängig oder alsbald mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, also nicht nur theoretisch möglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.2017 – 7 B 1.16 – Buchholz 406.25 § 16 BImSchG Nr. 3 = juris Rn. 30). An all dem fehlt es hier.
B. Der Zulassungsantrag bliebe aber auch ohne Erledigung erfolglos. Die geltend gemachten Zulassungsgründe waren nicht hinreichend dargelegt oder lagen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergaben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Nicht ernstlich zweifelhaft ist, dass die Zuverlässigkeitsprüfung für Luftfahrer (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LuftSiG) mit Europarecht vereinbar ist. Diese nationale Vorschrift ist nicht unanwendbar, weil sie die europäische Vorgaben für Pilotenlizenzen (Verordnung (EU) 2018/1139 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2018 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit [ABl L 212 S. 1], vgl. dort insbesondere Art. 20 f. und Anhang IV; Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates [ABl L 311 S. 1], vgl. dort insbesondere Art. 3 und Anhänge I und IV), unionsrechtwidrig unterliefe. Die Gegenauffassung (vgl. Giemulla, NZV 2016, 260; van Schyndel in Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Stand März 2021, § 4 LuftVG Rn. 73-75), auf die sich der Zulassungsantrag stützt, verkennt den Dualismus der beiden Zuverlässigkeitsüberprüfungen (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2016 – 8 ZB 15.470 – juris Rn. 25 m.w.N.). Während die Verordnungen (EU) 2018/1139 und Nr. 1178/2011 allein den Bereich der flugbetrieblichen Sicherheit bzw. Zuverlässigkeit (Luftverkehrssicherheit – “Safety”) regeln, zielt § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LuftSiG darauf ab, Eingriffe in die Zivilluftfahrt von außen (Luftsicherheit – “Security”) durch sog. Innentäter zu verhindern (vgl. auch BT-Drs. 19/16428 S. 1 und 19/17585 S. 1). Bei der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LuftSiG handelt es sich damit um eine strengere nationale Maßnahme zur Verhinderung unrechtmäßiger Eingriffe in die Zivilluftfahrt, die von Art. 6 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt (ABl L 355 S. 1) abgedeckt ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 12.10.2015 – OVG 6 S 24.15 – juris Rn. 11; Meyer/Stucke in Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand Januar 2021, § 7 LuftSiG Rn. 23a ff.; vgl. zu Art. 6 Satz 1 der Verordnung [EG] Nr. 2320/2002 auch bereits BVerwG, U.v. 14.4.2011 – 3 C 20.10 – BVerwGE 139, 323 = juris Rn. 31 sowie BayVGH, B.v. 26.1.2016 – 8 ZB 15.470 – juris Rn. 27).
Die vom Bundesgesetzgeber zwischen luftsicherheitsrechtlicher Zuverlässigkeitsüberprüfung (§ 7 LuftSiG) und luftverkehrsrechtlicher Erlaubnis (§ 4 LuftVG) hergestellte Verbindung rechtfertigt – entgegen der Auffassung des Klägers – keine andere Einschätzung. Die Erteilung der Erlaubnis als Luftfahrer nach § 4 LuftVG wurde inzwischen – wohl als Reaktion auf ein von der Kommission eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren – mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen luftsicherheitsrechtlicher Zuverlässigkeitsüberprüfungen vom 22. April 2020 (BGBl I. S. 840) durch Streichung der Wörter “und keine Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bewerbers nach § 7 des Luftsicherheitsgesetzes bestehen” in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LuftVG von der Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LuftSiG “entkoppelt” (vgl. BT-Drs. 19/16428 S. 19). Dass eine abgeschlossene Zuverlässigkeitsüberprüfung für die Aufnahme einer Ausbildung zum Luftfahrer notwendig ist (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 6 LuftSiG) und die luftverkehrsrechtliche Erlaubnis nach § 4 Abs. 3 LuftVG zu widerrufen ist, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG bestehen, führt nicht dazu, dass die getrennt nebeneinanderstehenden Regelungskomplexe der luftsicherheitsrechtlichen und der -verkehrsrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung von Luftfahrern als rechtliche Einheit zu betrachten wären. Der parlamentarische Gesetzgeber durfte deshalb an der nationalen Zuverlässigkeitsüberprüfung für Luftfahrer festhalten, um Bedrohungen durch mögliche Angriffe sog. Innentäter auf die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs zu verhindern (vgl. BT-Drs. 19/16428 S. 5 und 16 f.; vgl. auch BT-Drs. 18/9833 S. 2 zur BR-Drs. 414/16 Nr. 4 Buchst. b). Er war auch nicht gehalten, als milderes Mittel zur Verwehrung des Zugangs zu Sicherheitsbereichen des Flugplatzgeländes eine Begleitung betroffener Luftfahrer zu ermöglichen (vgl. auch OVG Berlin-Bbg, B.v. 12.10.2015 – OVG 6 S 24.15 – juris Rn. 11 a.E.).
Für den Senat gibt es keinen vernünftigen Zweifel daran (“acte clair”, vgl. EuGH, U.v. 9.9.2015 – C-72/14 u.a., ABl C 363 = juris Rn. 55 m.w.N.; BVerwG, B.v. 17.9.2019 – 1 B 43.19 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 120 = juris Rn. 9), dass § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 6 LuftSiG europarechtskonform ist, sodass die vom Zulassungsantrag erstrebte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV nicht geboten ist. Abgesehen davon erweist sich die vom Kläger aufgeworfene Frage des Unionsrechts im Rahmen des vorliegenden Verfahrens betreffend einen Anspruch auf Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit als nicht klärungsbedürftig. § 4 Abs. 1 LuftVG in der Fassung vom 22. April 2020 (BGBl I S. 840) enthält selbst keine Anforderung für die Erteilung einer Erlaubnis als Luftfahrer (vgl. oben Rn. 12). Der Umstand, dass die luftverkehrsrechtliche Erlaubnis zu widerrufen ist, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG bestehen (vgl. § 4 Abs. 3 LuftVG), ändert daran nichts. Bei dem Widerruf handelt es sich um einen eigenständigen Verwaltungsakt, der gerichtlich selbstständig anfechtbar ist. Die hier gerügte Europarechtwidrigkeit kann der Kläger deshalb im Rahmen einer gegen den Widerruf seiner Pilotenlizenz gerichteten Klage geltend machen, sodass die Ablehnung des Zulassungsantrags diesbezüglich nicht abschließend ist (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV; vgl. auch BVerfG, E.v. 14.5.2018 – 2 BvR 883/18 = juris Rn. 4; EuGH, U.v. 27.10.1982 – 35/82 u.a. – NJW 1983, 2751 = juris Rn. 9 – keine Vorlagepflicht im fachgerichtlichen Eilverfahren).
b) Der Kläger hat auch die Gesamtabwägung des Erstgerichts, seine luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit sei nicht gegeben, nicht ernstlich in Zweifel gezogen.
Nach § 7 Abs. 1a Satz 1 LuftSiG bewertet die Luftsicherheitsbehörde die Zuverlässigkeit des Betroffenen auf Grund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles. Zuverlässig im diesem Sinn ist nur derjenige, der die Gewähr bietet, jederzeit das ihm Mögliche zum Schutze der Sicherheit des Luftverkehrs zu tun (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 8 CS 18.2529 – ZLW 2019, 295 = juris Rn. 11; B.v. 26.1.2016 – 8 ZB 15.470 – juris Rn. 14). Da bei Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs hochrangige Güter wie das Leben und die Gesundheit zahlreicher Menschen gefährdet werden, ist im Rahmen der Prüfung ein strenger Maßstab anzulegen; die Zuverlässigkeit ist schon dann zu verneinen, wenn hieran auch nur geringe Zweifel bestehen (vgl. BVerwG, U.v. 15.7.2004 – 3 C 33.03 – BVerwGE 121, 257 = juris Rn. 21 zu § 29d LuftVG a.F.; BayVGH, B.v. 26.1.2016 – 8 ZB 15.470 – juris Rn. 14). Als Erkenntnisse für die Gesamtwürdigung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit kommen insbesondere Sachverhalte in Betracht, aus denen sich Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung ergeben (vgl. § 7 Abs. 1a S. 3 Nr. 3 LuftSiG). Bei der Überprüfung durch die Luftsicherheitsbehörde dürfen keine Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Person verbleiben (vgl. § 7 Abs. 6 Satz 1 LuftSiG).
aa) Mit seinem Vortrag, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht tatsächliche Anhaltspunkte erkannt, dass er der Reichsbürgerbewegung zugehörig sei bzw. zuneige, wendet sich der Kläger gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Ausgangsgerichts. Solche Fehler sind im Hinblick auf § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Berufungszulassungsverfahren nur einer eingeschränkten Prüfung zugänglich (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 8 ZB 18.734 – NVwZ-RR 2018, 758 = juris Rn. 12.; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 19). Für einen darauf gestützten Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genügt nicht allein der Vortrag, die Tatsachen seien anders als vom Verwaltungsgericht angenommen oder der Sachverhalt bzw. das Ergebnis einer Beweisaufnahme sei anders zu bewerten (vgl. VGH BW, B.v. 11.2.2019 – 12 S 2789/18 – juris Rn. 19; OVG NW, B.v. 21.6.2012 – 18 A 1459/11 – juris Rn. 9). Vielmehr müssen gute Gründe aufgezeigt werden, dass die tatsächlichen Feststellungen augenscheinlich nicht zutreffen oder z.B. wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Sachverhalts genügt dafür nicht (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.2016 – 5 B 3.16 D – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 21.1.2013 – 8 ZB 11.2030 – ZfW 2013, 176 = juris Rn. 17). Solche Mängel lassen sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen.
Abgesehen davon ist es dem Kläger nicht gelungen, den durch sein Schreiben an das Amtsgericht Leipzig vom 18. Juli 2016 entstandenen Eindruck, er neige der heterogenen Reichsbürgerszene zu (vgl. UA Rn. 51 ff.), auszuräumen. Das Schreiben enthält reichsbürgertypische Inhalte und Rhetorik (vgl. UA Rn. 4 ff). Die vom Kläger angeführte Erklärung, das Schreiben bei einer Internet-Recherche gefunden und – ohne Bewusstsein für einen verfassungsfeindlichen Zusammenhang – übernommen zu haben (vgl. Schreiben vom 11.6.2019, Behördenakte S. 22 f.), erscheint auch für den Senat als unglaubhaft. Im Übrigen erweist sich die vom Kläger angegriffene Wertung des Erstgerichts, dessen jahrelange Zugehörigkeit im Staatsdienst und Ausbildung als Offizier der Bundeswehr spreche dagegen, dass er das Schreiben “nur versehentlich” übernommen habe (vgl. UA Rn. 54 f.), als schlüssig. Dass dem Arbeitgeber des Klägers ausweislich der vorgelegten Bescheinigung im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses und der Tätigkeit bei der Luftrettung keine negativen Informationen über die persönliche Zuverlässigkeit des Klägers bekannt geworden sind (vgl. Schreiben vom 11.6.2019, Behördenakte S. 24), hat das Verwaltungsgericht nicht außer Acht gelassen, sondern gewürdigt (vgl. UA Rn. 20 und 50). Weshalb es diesbezüglich einer wörtlichen Zitierung im Ersturteil bedurft hätte, erschließt sich dem Senat nicht, zumal der Zulassungsantrag nicht vorträgt, dass dessen Inhalt fehlinterpretiert worden wäre.
Ohne Erfolg bleibt auch das Zulassungsvorbringen, die dem Kläger zur Last gelegten Erkenntnisse lägen fast fünf Jahre zurück (Schreiben vom 18.7.2016) und könnten deshalb die Versagung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit nicht mehr tragen. Der Kläger hat seine (frühere) Nähe zur Ideologie der Reichsbürger nicht eingeräumt oder sich glaubhaft hiervon distanziert, sodass nicht erkennbar ist, dass sich seine diesbezügliche innere Einstellung, die luftsicherheitsrechtlich problematisch ist, verändert hat. In einem solchen Fall genügt der bloße Zeitablauf von fünf Jahren nicht, um Zuverlässigkeitszweifel auszuräumen, auch wenn seitdem keine weiteren Erkenntnisse hinzugekommen sind und sich der Kläger nach Angaben seines Arbeitgebers langjährig beanstandungsfrei fliegerisch betätigt hat (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 10.10.2007 – OVG 12 S 133.07 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 10.11.2020 – 24 ZB 20.2476 – juris Rn. 10 zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG). Abgesehen davon ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung von Tatsachen, die in die Zuverlässigkeitsprüfung eingehen, derjenige der letzten Behördenentscheidung (hier: Bescheid vom 29.7.2019, vgl. BVerwG, U.v. 15.7.2004 – 3 C 33.03 – BVerwGE 121, 257 = juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 31.7.2007 – 8 B 06.953 – ZLW 2008, 125 = juris Rn. 20).
bb) Das Verwaltungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei zu dem Schluss gekommen, dass bei Personen, die der “Reichsbürgerbewegung” zugehörig sind oder sich deren Ideologie zu eigen gemacht haben, Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit berechtigt sind, weil diese die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negieren, deren Rechtssystem ablehnen und sich nicht verpflichtet fühlen, den geltenden Gesetzen Folge zu leisten (BayVGH, B.v. 19.2.2021 – 8 ZB 20.2786 – juris Rn. 17 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, U.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500 – BayVBl 2021, 202 = juris Rn. 13; OVG NW, B.v. 26.6.2019 – 20 B 822/18 – juris Rn. 63, jeweils zur Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG). Die ideologische Nähe zu einer solchen “Gedankenwelt” deutet auf eine Grundeinstellung hin, die keine Gewähr bietet, dass der Betroffene jederzeit die luftsicherheitsrechtlichen Erfordernisse für verbindlich anerkennt.
c) Die Auswirkungen der Versagung der Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers auf dessen Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) als Berufshubschrauberführer erweisen sich nicht als unverhältnismäßig. Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LuftSiG genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Für den Bereich der Gefahrenabwehr gilt: Je gewichtiger das gefährdete Rechtsgut ist und je weitreichender es durch die jeweiligen Handlungen beeinträchtigt würde, desto geringere Anforderungen dürfen an den Grad der Wahrscheinlichkeit gestellt werden, mit der auf eine drohende Verletzung geschlossen werden kann, und desto weniger fundierend dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die auf die Gefährdung des Rechtsgutsschließen lassen (vgl. BVerfG, U.v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348 = juris Rn. 151). Wegen des gerade beim Luftverkehr hohen Gefährdungspotentials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter begegnet es deshalb keinen Bedenken, an die Zuverlässigkeit von Flugzeugführern strenge Anforderungen zu stellen und schon bei begründeten Zweifeln zu Lasten des Überprüften zu entscheiden (BVerfG, B.v. 4.8.2009 – 1 BvR 1726/09 – NVwZ 2009, 1429 = juris Rn. 11; B.v. 4.5.2010 – 2 BvL 8/07 u.a. – BVerfGE 126, 77 = juris Rn. 154).
d) Auch die grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die Vorschrift des § 7 LuftSiG (“völlig vage und indifferent”; “völlig rechtlos zurücklassen”, “Grundsatz eines fairen Verfahrens missachtet”), greifen nicht durch. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bei der Formulierung von Rechtsnormen ist allgemein anerkannt und stellt für sich genommen keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot dar (vgl. BVerfG, B.v. 17.12.2019 – 1 BvL 6/16 – juris Rn. 22). Dies gilt auch für § 7 LuftSiG, insbesondere den dort verwendeten Begriff der “Zuverlässigkeit” (vgl. BVerfG, B.v. 4.8.2009 – 1 BvR 1726/09 – NVwZ 2009, 1429 = juris Rn. 10).
2. Der Rechtsstreit wies auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Der Kläger sah besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten in denselben Fragen, die er auch zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts angeführt hat. Diese Fragen sind weder besonders komplex noch fehleranfällig (vgl. zu diesem Maßstab BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 10.2931 – BayVBl 2012, 147 = juris Rn. 28) und – wie oben ausgeführt (vgl. Rn. 11 ff.) – ohne nennenswerten Aufwand im Zulassungsverfahren zu klären.
3. Die Berufung war auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 = juris Rn. 33; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 20; BVerwG, B.v. 4.8.2017 – 6 B 34.17 – juris Rn. 3). Die grundsätzliche Bedeutung ist zu verneinen, wenn sich eine Rechtsfrage ohne Weiteres aus der Anwendung anerkannter Auslegungsmethoden beantworten lässt (vgl. BVerfG, B.v. 29.7.2010 – 1 BvR 1634/04 – NVwZ 2010, 1482 = juris Rn. 62).
Ausgehend davon hat der Kläger keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt. Die Frage, welche Kriterien gegeben sein müssen, um den Vorwurf mangelnder Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG zu widerlegen, ist eine Frage des Einzelfalls und einer allgemeinen Klärung in einem Berufungsverfahren nicht zugänglich. Die vom Kläger mit dem Ziel einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (Art. 267 AEUV) aufgeworfenen Rechtsfragen, ob die Bundesrepublik Deutschland entgegen der Bestimmung des Art. 4 Abs. 2 Buchst. g i.V.m. Art. 2 Abs. 2 AEUV berechtigt ist, anderweitige, ergänzende Regelungen zu Pilotenlizenzen zu erlassen und/oder berechtigt ist, ergänzende Regelungen zur persönlichen Zuverlässigkeit als Voraussetzung für die Erteilung einer Pilotenlizenz aufzustellen ist anhand des Gesetzes und der hierzu ergangenen Rechtsprechung ohne Weiteres zu bejahen (vgl. oben Rn. 11 ff.).
4. Auch die sinngemäß begehrte Berufungszulassung wegen eines Verfahrensmangels, auf dem das Ersturteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), schied aus.
a) Mit dem Vorbringen, das Erstgericht habe es versäumt, weitere Informationen über den Kläger zur Beurteilung seiner persönlichen Zuverlässigkeit einzuholen, rügte der Zulassungsantrag in der Sache einen Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Anforderungen an eine erfolgreiche Aufklärungsrüge werden damit nicht erfüllt. Diese erfordert bei anwaltlich vertretenen Beteiligten insbesondere auch die Darlegung, dass ein Beweisantrag erstinstanzlich gestellt wurde oder dass sich dem Ausgangsgericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.2016 – 2 B 57.15 – ZBR 2017, 41 = juris Rn. 13; Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 75). Daran fehlt es hier.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) zugestimmt, ohne weiteren Aufklärungsbedarf anzumelden (vgl. Schriftsatz vom 13.1.2021, VG-Akte S. 87). Der Zulassungsantrag legte auch nicht dar, inwiefern sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen.
b) Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BV, § 108 Abs. 2 VwGO) war ebenfalls nicht gegeben.
Das Verwaltungsgericht durfte aufgrund des wirksamen Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO). Die Verfahrenswahl einer Entscheidung ohne vorherige mündliche Verhandlung hängt nicht nur von der Zustimmung der Beteiligten ab, sondern liegt darüber hinaus im Ermessen des Gerichts. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang dafür einzustehen, dass trotz der unterbleibenden mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt wird (BVerwG, B.v. 1.9.2020 – 4 B 12.20 – NVwZ-RR 2021, 87 = juris Rn. 11; vgl. auch Dolderer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 101 Rn. 50).
Dass das Verwaltungsgericht sein Ermessen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, verfahrensfehlerhaft ausgeübt hätte, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf. Allein die Tatsache, dass es bei der Bewertung der Zuverlässigkeit nach § 7 Abs. 1a LuftSiG auf die Gesamtwürdigung des Einzelfalls, mithin auch auf den Gesamteindruck von der Persönlichkeit des Betroffenen ankommt, steht einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nicht von vorneherein entgegen. Soweit der Kläger rügt, das Erstgericht habe sein rechtliches Gehör verletzt, indem es – ohne vorherige Äußerungsmöglichkeit (§ 108 Abs. 2 VwGO) – zu dem Schluss gekommen sei, der Kläger habe “blauäugig” gehandelt, kann er ebenfalls nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat – ungeachtet der Anhaltspunkte für eine Nähe des Klägers zur Ideologie der Reichsbürger (vgl. UA 51 ff.) – dessen luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit auch verneint, wenn er sich das Schreiben vom 18. Juli 2016 – wie behauptet (vgl. Behördenakte S. 22) – nur “gleichsam blauäugig” zu eigen gemacht hätte, weil dies für eine leichte Beeinflussbarkeit spreche (vgl. UA Rn. 56). Diese erstinstanzliche Mehrfachbegründung konnte das rechtliche Gehör des Klägers schon deshalb nicht verletzen, weil es die Richtigkeit seiner eigenen Darstellung als wahr unterstellt hat.
c) Auch das Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe keine individuelle, auf den Kläger bezogene Beurteilung vorgenommen, sodass dessen Recht auf faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt sei, ist unbegründet. Das Ausgangsgericht hat nicht nur die einschlägige Rechtsprechung aufgeführt, sondern auch die individuellen Umstände des Einzelfalls gewürdigt (vgl. UA Rn. 49 ff.).
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
D. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter entsprechender Heranziehung der Nr. 26.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Berufsflugzeugführer). Der Kläger hat sein wirtschaftliches Interesse mit einem Jahreseinkommen als Berufshubschrauberpilot von 52.800 Euro beziffert. Der Senat legt diesen Betrag zugrunde; die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ist entsprechend abzuändern (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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