Verwaltungsrecht

Bescheid, Widerspruch, Gemeindegebiet, Hundesteuer, Widerspruchsbescheid, Hundesteuersatzung, Hund, Umstandsmoment, Anspruch, Zahlung, Verwirkung, Klage, Landratsamt, Forderung, ernstliche Zweifel, Art und Weise, ernstlichen Zweifel

Aktenzeichen  4 ZB 21.3102

Datum:
8.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6569
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 8 K 21.178 2021-10-18 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren auf 905 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen einen Hundesteuerbescheid.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2011 wurde der Kläger von der Beklagten zur Zahlung von Hundesteuer für neunzehn auf dem Gemeindegebiet gehaltene Hunde in Höhe von insgesamt 905 Euro für das Jahr 2011 herangezogen. Er erhob dagegen Widerspruch, den die Beklagte mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 dem Landratsamt M.-Sp. zur Entscheidung vorlegte.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2021 wies das Landratsamt den Widerspruch wegen Verfristung als unzulässig zurück.
Der Kläger erhob daraufhin Klage mit der Begründung, er habe im Jahr 2011 keine Hunde gehalten, die eine Hundesteuer in der streitigen Höhe ausgelöst haben könnten; im Übrigen sei die Forderung der Beklagten verjährt bzw. verwirkt.
Die Beklagte führte in der Klageerwiderung aus, der Kläger habe 1995 und 1998 erstmalig sechszehn Hunde zur Besteuerung anmelden wollen, was mangels Wohnsitz zunächst abgelehnt worden sei. Im September 1999 sei festgestellt worden, dass sich auf seinem Anwesen zwölf unangemeldete Hunde aufgehalten hätten; diese habe der Kläger aufgrund einer Aufforderung auch angemeldet. Aufgrund von Nachmeldungen bzw. Feststellungen vor Ort sei dann in den nachfolgenden Jahren die jeweils aus den angefochtenen Bescheiden ersichtliche Anzahl von Hunden versteuert worden. In der Folge sei der Kläger der aus § 11 der Hundesteuersatzung folgenden Meldepflicht nicht nachgekommen. Deshalb sei der Festsetzung der Hundesteuer der jeweils letzte bekannte Stand des Vorjahres zugrunde gelegt worden. Nach Feststellung der Beklagten würden vom Kläger und zwei weiteren Personen aktuell zusammen ca. 30 Hunde gehalten; bisher habe der Kläger die in den Steuerbescheiden genannte Zahl der Hunde auch nicht bestritten.
Mit Urteil vom 18. Oktober 2021 wies das Verwaltungsgericht Würzburg die Klage ab. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Hundesteuerbescheide fänden ihre Rechtsgrundlage in der Hundesteuersatzung der Beklagten. Danach habe für neunzehn Hunde eine Hundesteuer von insgesamt 905 Euro festgesetzt werden dürfen. Zwar folge die Steuerpflicht aus der tatsächlichen Haltung des Hundes; die An- und Abmeldepflichten aus § 11 der Hundesteuersatzung änderten hieran nichts. Allerdings habe die Beklagte gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. aa KAG i. V. m. § 162 AO auf der Grundlage der angemeldeten Hunde eine Schätzung bezüglich der Zahl der tatsächlich durch den Kläger gehaltenen Hunde vornehmen können und müssen. Die behördliche Sachaufklärungspflicht reduziere sich ebenso wie das Beweismaß bei Verstößen des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflichten, denn er dürfe dafür nicht noch belohnt werden. Der Vorrang der behördlichen Sachaufklärungspflicht entfalle, wenn die volle Aufklärung mit einem unzumutbaren Ermittlungsaufwand verbunden wäre, z. B. wenn die Kosten der möglichen Ermittlungsmaßnahmen in keinem angemessenen Verhältnis zu der betreffenden Steuerforderung stünden. Dies sei hinsichtlich des Aufwands einer jährlichen Zählung der Hunde im Gemeindegebiet der Beklagten der Fall. Zudem wäre die Ermittlung der Besteuerungsgrundlage wohl auch tatsächlich unmöglich gewesen, da der Kläger laut Vortrag des Beklagtenbevollmächtigten dazu neige, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen und Vertreter der Beklagten nicht auf sein Grundstück zu lassen. Die Art und Weise der Schätzung sei ebenfalls nicht zu beanstanden; die Beklagte habe auf die Anzahl der angemeldeten Hunde zurückgreifen können. Dass einige dieser Tiere naturgemäß bereits verstorben gewesen seien, könne keine andere Wertung begründen, da gemäß § 4 Abs. 2 der Hundesteuersatzung ein verendeter oder getöteter Hund jederzeit durch einen neuen Hund des gleichen Halters ersetzt werden könne; zudem beruhe die Notwendigkeit der Schätzung allein auf der fehlenden Mitwirkung des Klägers. Ob sich die Hunde auch in anderen Gemeindegebieten aufgehalten hätten, könne offenbleiben, da sich dadurch an der Haltung im Gemeindegebiet der Beklagten nichts ändere. Der Anspruch sei nicht verjährt. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG i. V. m. §§ 228 ff. AO verjähre eine Hundesteuerforderung grundsätzlich innerhalb von fünf Jahren; die Verjährung werde jedoch nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG i. V. m. § 231 Abs. 1 Nr. 8 AO durch die Geltendmachung des Anspruchs unterbrochen, was hier durch den angegriffenen Hundesteuerbescheid geschehen sei. Der Anspruch sei auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung setze ein Zeitmoment und ein Umstandsmoment voraus. Seit dem Erlass des Hundesteuerbescheids seien zwar sechzehn Jahre vergangen, so dass das Zeitmoment gegeben sei. Es fehle aber an dem Umstandsmoment. Die Beklagte habe auf den Widerspruch des Klägers diesem gegenüber angegeben, sie werde dem Widerspruch nicht abhelfen, und dadurch zu erkennen gegeben, dass sie auf ihrem Anspruch aus dem Bescheid beharre. Allein der Umstand, dass bis Januar 2021 kein Widerspruchsbescheid ergangen sei, schaffe keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Beklagte auf ihren Anspruch verzichte. Für solche Fälle gebe es das Institut der Untätigkeitsklage.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da der allein geltend gemachte Zulassungsgrund nicht vorliegt.
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
a) Der Kläger trägt vor, gemäß § 169 Abs. 2 AO betrage die Verjährungsfrist vier und nicht fünf Jahre, wie vom Verwaltungsgericht angenommen. Außerdem sei wegen der verspäteten Durchsetzung ein unzumutbarer Nachteil entstanden. Seit dem Steuerbescheid seien vierzehn Jahre vergangen, so dass das Zeitmoment gegeben sei. Auch das Umstandsmoment und ein Vertrauenstatbestand auf Nichterhebung der Steuer seien gegeben. Entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts schließe die Möglichkeit der Erhebung einer Untätigkeitsklage die Verwirkung nicht aus; insoweit werde auf einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. September 2011 (Az. 7 ZB 11.1033, BayVBl 2012, 181) Bezug genommen. Auch sei die vorgenommene Schätzung bezüglich der Zahl der tatsächlich durch den Kläger gehaltenen Hunde unzulässig. Den Vorrang habe die Sachaufklärungspflicht der Behörde, die nicht mit einem unzumutbaren Ermittlungsaufwand verbunden sei. Im Urteil sei auch keine ausreichende Schätzungsgrundlage aufgeführt worden.
b) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu wecken.
aa) Soweit sich der Vortrag im Zulassungsverfahren auf die Frage einer möglichen Verjährung bezieht, fehlt es bereits an der aus dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO folgenden Substantiierung des Zulassungsgrunds. Der bloße Hinweis auf die nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO geltende vierjährige Festsetzungsfrist lässt nicht erkennen, inwiefern im vorliegenden Fall bereits Verjährung eingetreten sein könnte, nachdem die Festsetzung der Hundesteuer für das Steuerjahr 2011 bereits mit Bescheid vom 19. Januar 2011 und damit in jedem Fall fristgerecht erfolgt ist. Auf die vom Verwaltungsgericht erörterte Zahlungsverjährung nach den §§ 228 ff. AO geht die Begründung des Zulassungsantrags nicht ein.
bb) Die Ausführungen zur Frage einer möglichen Verwirkung des festgesetzten Zahlungsanspruchs sind ebenfalls nicht geeignet, das Urteil des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen.
Soweit in diesem Zusammenhang davon die Rede ist, seit dem Steuerbescheid seien bereits vierzehn Jahre vergangen, bezieht sich diese Aussage offenkundig nicht auf den hier streitgegenständlichen Bescheid, der erst im Jahr 2011 erlassen wurde. Es ist im Übrigen weder erkennbar noch im Rahmen des Zulassungsverfahrens nachvollziehbar dargelegt worden, inwiefern allein durch die sehr späte Verbescheidung des Widerspruchs seitens des Landratsamts für den Kläger ein unzumutbarer Nachteil entstanden sein könnte oder weshalb durch dieses Verhalten einer staatlichen Behörde ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sein könnte, den sich die beklagte Kommune in ihrem Verhältnis zum Kläger entgegenhalten lassen müsste. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, steht es in solchen Fällen jedem Widerspruchsführer frei, durch Erhebung einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) den Verfahrensablauf zu beschleunigen. Er kann nicht stattdessen darauf vertrauen, dass sich durch bloßen Zeitablauf die durch den Steuerbescheid bereits titulierte Forderung gegen ihn erledigen bzw. eine Verwirkung des Zahlungsanspruchs eintreten werde (vgl. BFH, B.v. 1.7.2003 – II B 84/02 – juris Rn. 8; BVerwG, B.v. 29.8.2018 – 3 B 24.18 – juris Rn. 14 ff.). Aus der im Zulassungsverfahren zitierten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. September 2011 (BayVBl 2012, 181) folgt nichts Gegenteiliges. Im damaligen Fall ging es nicht wie hier um die mögliche Verwirkung einer behördlichen Forderung während eines noch laufenden Rechtsbehelfsverfahrens, sondern um den umgekehrten Fall eines erst nach sehr langer Zeit erstmals im Wege einer Untätigkeitsklage geltend gemachten Klageanspruchs gegenüber einer Behörde, die sich dagegen mit dem Einwand der Verwirkung zur Wehr gesetzt hatte.
cc) Die Beklagte war unter den gegebenen Umständen berechtigt, die Anzahl der im streitgegenständlichen Steuerjahr vom Kläger gehaltenen Hunde zu schätzen.
Die Voraussetzungen der über Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. aa KAG anwendbaren Vorschrift des § 162 Abs. 1 Satz 1 AO, wonach die Behörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen hat, wenn sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann, lagen vor, wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen dargelegt hat. Die in der Hundesteuersatzung festgelegte An- und Abmeldeverpflichtung in Bezug auf das Halten von Hunden dient gerade dem Zweck, der steuererhebenden Gemeinde insoweit eigene Ermittlungen zu ersparen, zumal wenn diese wie im vorliegenden Fall durch mangelnde Kooperationsbereitschaft des Grundstückseigentümers erschwert werden. Ein Hundehalter kann sich daher in solchen Fällen grundsätzlich nicht darauf berufen, keine oder weniger Hunde zu halten als in seiner ursprünglichen Meldung angegeben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie hier nicht näher dargelegt wird, wie sich der zunächst angemeldete größere Hundebestand im Laufe der Jahre geändert hat. Solange es hierzu an detaillierten und plausiblen Angaben fehlt, kann die Gemeinde – auch noch nach längerer Zeit – die ursprünglich angegebene Zahl von Hunden ihrer Schätzung zugrunde legen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben