Verwaltungsrecht

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Aktenzeichen  Au 2 K 20.460

Datum:
28.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40213
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
I.
Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der angegriffene Zweitwohnungssteuerbescheid ist – soweit streitgegenständlich – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 27. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes … vom 3. Dezember 2018. Der Beklagte hat den Antrag des Klägers vom 12. Dezember 2015 auf Aufhebung des Zweitwohnungssteuerbescheids vom 27. Januar 2009 für die Jahre 2016 und 2017 zutreffend abgelehnt.
1. Der Kläger kann sich für die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids be züglich der Jahre 2016 und 2017 nicht auf Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) berufen.
Nach Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG sind Bescheide, die für mehrere Zeitabschnitte gelten, von Amts wegen oder auf Antrag des Schuldners durch einen neuen Bescheid zu ersetzen, wenn sich die Berechnungsgrundlagen ändern.
Zwar handelte es sich bei dem im Jahr 2009 erlassenen Zweitwohnungssteuerbescheid um einen Bescheid, der für einen bestimmten Zeitabschnitt galt – das jeweils nach der Zweitwohnungssteuersatzung 2004/2008 festgesetzte Steuerjahr – und der nach dem Willen des Beklagten auch für die kommenden Zeitabschnitte gelten sollte. Der Bescheid war ausdrücklich mit dem Hinweis versehen worden, dass er solange gelten solle, bis er durch einen neuen Steuer- bzw. Berichtigungsbescheid ersetzt werde.
Ein Fall der Änderung der Berechnungsgrundlagen liegt jedoch für die Jahre 2016 und 2017 als den jeweils neuen Zeitabschnitten nicht vor. Ein solcher nach Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG zu beachtender Fall liegt dann vor, wenn sich die Berechnungsgrundlagen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ändern, mithin die tatsächlichen Verhältnisse oder die Rechtsgrundlagen, die dem Bescheid für den ersten Zeitabschnitt zugrunde gelegt worden sind, nicht unverändert fortbestehen bleiben (vgl. Engelbrecht in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, Stand August 2018, Art. 12 Rn. 13).
a. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach dem Erlass des Zweitwohnungssteuerbescheids vom 27. Januar 2009 ist in Bezug auf die Veranlagungszeiträume 2016 und 2017 nicht eingetreten.
Eine solche ist beispielsweise anzunehmen, wenn der veranlagte Zweitwohnungsbesitzer die Zweitwohnung aufgibt oder dort seine Hauptwohnung nimmt, sich die Miete für eine der Zweitwohnungssteuer unterliegende Wohnung verändert (vgl. VG München, U.v. 26.3.2012 – Az. M 10 K 11.5179 – juris) oder seitens der Gemeinde neue Steuersätze festgesetzt werden. Vorliegend hat der Beklagte erst in der Zweitwohnungssteuersatzung 2018 einen neuen Steuertarif festgelegt, welcher jedoch nach dem Inhalt der Zweitwohnungssteuersatzung 2018 erst ab dem 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt wurde. Auf die Jahre 2016 und 2017 hatte dies noch keine Auswirkung.
b. Ferner hat sich vorliegend auch nicht die Rechtsgrundlage, die dem Bescheid zu grunde gelegt wurde, geändert. § 12 Abs. 1 ZwStS 2018 bestimmt, dass die Satzung zum 1. Januar 2018 in Kraft tritt. Eine weitere Rückwirkung bemisst sich die Satzung nicht bei, sodass für die Jahre 2016 und 2017 noch die Zweitwohnungssteuersatzung 2004/2008 in Kraft war. Damit hat der Beklagte gerade zum Ausdruck gebracht, dass bis zum 31. Dezember 2017 weiterhin die ZwStS 2004/2008 Anwendung finden soll. Daran ändert vorliegend auch der Umstand nichts, dass das Bundesverfassungsgericht die Zweitwohnungssteuersatzung des Beklagten mit Beschluss vom 18. Juli 2019 (BVerfG, B.v. 18.7.2019 – 1 BvR 807/12 – juris) für verfassungswidrig erklärt hat. Denn die Satzung gestaltet sich zwar hinsichtlich der Anknüpfung an die indizierte Jahresrohmiete und im Hinblick auf den dort angewandten degressiven Steuersatz als verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings die Fortgeltung der Satzung bis längstens 31. März 2020 (a.a.O.) angeordnet. Diese Fortgeltungsanordnung ist für das Verwaltungsgericht in entsprechender Anwendung des § 31 BVerfGG verbindlich (vgl. etwa BFH, B.v. 12.5.2011 – II B 126/10 – juris Rn. 7 f. m.w.N. zur Fortgeltungsanordnung bzgl. eines Gesetzes), sodass es seiner Entscheidung die Weitergeltung der Satzung 2004/2008 zugrunde zu legen hat.
Diese Fortgeltungsanordnung ist aber trotz des zwischenzeitlichen Ablaufs der seitens des Bundesverfassungsgerichts gesetzten Fortgeltungsfrist, die am 31. März 2020 endete, für das Gericht weiterhin beachtlich. Denn die angeordnete Fortgeltung der Zweitwohnungssteuersatzung 2004/2008 hat zur Folge, dass diese Satzung auf alle bis zu diesem Zeitpunkt verwirklichten Steuertatbestände weiterhin anzuwenden ist und nicht etwa nach diesem Zeitpunkt eine Anwendung des Gesetzes auf vor diesem Zeitpunkt verwirklichte Tatbestände ausgeschlossen werden sollte (vgl. BFH, B.v. 18.6.1997 – II B 33/97 (Saarland) – juris). Dies folgt aus Sinn und Zweck einer bloßen Unvereinbarkeitserklärung der geprüften Rechtsnorm mit dem Grundgesetz verbunden mit der Anordnung ihrer befristeten Weiteranwendung gegenüber einer Nichtigkeitserklärung. Folge einer Nichtigkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht wäre es u.a. gewesen, dass die Satzung ab Entscheidungszeitpunkt nicht mehr hätte angewendet werden können. Im Ergebnis hinge die endgültige steuerliche Belastung der einzelnen Steuerpflichtigen vom jeweiligen zufälligen Verfahrensstand zum Zeitpunkt des Ergehens der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ab. Sinn und Zweck der bloßen Unvereinbarkeitserklärung verbunden mit der Anordnung einer befristeten Weiteranwendung der geprüften Rechtsnorm und zugleich deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist es jedoch gerade, diese unerwünschte Folge einer Nichtigkeitserklärung zu vermeiden und durch eine verfassungsnähere, insbesondere auch den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung stärker berücksichtigende Folge zu ersetzen. Dies wird jedoch nur dadurch erreicht, dass alle innerhalb eines bestimmten Zeitraums verwirklichten Sachverhalte im Ergebnis rechtlich gleich behandelt werden. Dies ist nur dann der Fall, wenn die befristete Anordnung der Weiteranwendung des für verfassungswidrig erkannten Rechts als eine Regelung über dessen zeitlichen Geltungsbereich zu beurteilen ist mit der Folge, dass die für verfassungswidrig erkannte Rechtsnorm für innerhalb dieses zeitlichen Geltungsbereichs verwirklichte Sachverhalte noch Rechtswirkung erzeugt. Eine andere Auslegung würde dem Sinn und Zweck der Unvereinbarkeitserklärung, die mit einer befristeten Weiteranwendung der beanstandeten Rechtsnorm verbunden ist, widersprechen. Die Satzung wurde auch bis zum 31. März 2020 durch eine verfassungsgemäße Norm ersetzt, sodass auch insoweit keine (rückwirkende) Nichtigkeit eingetreten ist.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Bescheid vom 27. Januar 2009 in Bezug auf die Veranlagungszeiträume 2016 und 2017 nach Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG aufgehoben wird.
In Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG ist der Fall geregelt, dass ein Bescheid gemäß Art. 12 KAG von Anfang an sachlich unrichtig war. Dies betrifft Fälle, in welchen sich nicht die Berechnungsgrundlage geändert hat, sondern die Berechnungsgrundlage in dem Bescheid nicht richtig verarbeitet worden ist (vgl. Engelbrecht a.a.O., Art. 12 Rn. 16). Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Umsetzung der Berechnungsgrundlage sind hingegen nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Der Bescheid vom 27. Januar 2009 wurde zwar aufgrund einer für nichtig erklärten Satzungsgrundlage erlassen. Allerdings wirkt sich dies vorliegend jedoch aufgrund der durch das Bundesverfassungsgericht angeordneten Fortgeltung nicht aus (s.o.). Damit ist der Bescheid auch nicht von Anfang an als sachlich unrichtig und damit als rechtswidrig anzusehen.
3. Auch ein Anspruch auf Aufhebung der Steuerfestsetzung für die Jahre 2016 und 2017 aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 KAG i.V.m. § 130 der Abgabenordnung (AO) besteht nicht.
Insofern wurde der Bescheid zwar aufgrund einer nichtigen Satzungsgrundlage erlassen. Dies wirkt sich jedoch – wie bereits aufgezeigt – nicht aus, da das Bundesverfassungsgericht die Fortgeltung der Satzungsgrundlage angeordnet hat (s.o.).
Sonstige Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids in Bezug auf die Regelung der Jahre 2016 und 2017 sprechen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).


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