Verwaltungsrecht

Beschwerde, Anordnungsanspruch, Anordnungsgrund, Antragstellung, Verwaltungsrechtsweg, Klagebefugnis, Streitwertfestsetzung, Vorrichtung, Antragsteller, Informationsanspruch, Anordnung, Anspruch, Beschwerdeverfahren, Einstellung, einstweiligen Anordnung, Erlass einer einstweiligen Anordnung, Vorwegnahme der Hauptsache

Aktenzeichen  RN 5 E 21.777

Datum:
5.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10603
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
VwGO § 40 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4

 

Leitsatz

Ein vom Antragsteller geltend gemachter Anspruch auf Herausgabe von Informationen über die Funktion eines Nachtbriefkastens und über das Prozedere der Entleerung kann vor den Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden. Ein derartiger Anspruch setzt im Einzelfall ein eigenes, gewichtiges und auf andere Weise nicht zu befriedigendes Informationsinteresse voraus.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um den Nachtbriefkasten des Amtsgerichts Passau besichtigen und fotografieren zu können. Darüber hinaus begehrt er Auskünfte über die Bedienung, die Wartung und die Handhabung des Nachtbriefkastens.
Der Antragsteller hat am 6.7.2020 einen Beschluss des Amtsgerichts Passau – Abteilung für Familiensachen – nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) erwirkt. Die Anordnungen in diesem Beschluss waren bis zum 6.1.2021 befristet.
Da der Antragsteller eine Verlängerung der Gewaltschutzanordnung wünschte, stellte er einen entsprechenden Antrag beim Amtsgericht. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 11.3.2021 (Az. 6 F 653/20) abgelehnt. Die Verlängerung einer Gewaltschutzanordnung setze eine rechtzeitige Antragstellung vor Ablauf der Wirkungsdauer voraus. Ausweislich des Eingangsstempels des Nachtbriefkastens sei der Verlängerungsantrag erst am 7.1.2021 – also verspätet – beim Amtsgericht eingegangen. Die Überzeugung des Gerichts, dass der Antragsteller den Antrag nicht rechtzeitig eingeworfen habe, werde angesichts des Eingangsstempels auch durch die vom Antragsteller abgegebene eidesstattliche Versicherung sowie durch ein von ihm vorgelegtes Video nicht erschüttert. Ungeachtet dessen sei der Antrag aber auch unbegründet, was im Beschluss eingehend dargelegt wird (S. 3 bis 7 des Beschlusses).
Der Antragsteller hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt, die dem Oberlandesgericht München am 22.4.2021 zur Entscheidung vorgelegt wurde.
Bereits mit Schreiben vom 13.4.2021 an das Amtsgericht Passau beantragte der Antragsteller sinngemäß, den Nachtbriefkasten persönlich besichtigen zu können, um sich von dessen Funktionsweise überzeugen zu können.
Mit Schreiben des Amtsgerichts vom 23.4.2021 teilte das Amtsgericht dem Antragsteller mit, die Funktionsweise des Nachtbriefkastens sei ihm bereits von einem Justizwachtmeister in einem persönlichen Gespräch erklärt worden. Um 24 Uhr eines Arbeitstages (Montag bis Freitag, ausgenommen gesetzliche Feiertage und dienstfreie Tage) werde im Nachtbriefkasten durch eine elektromagnetische Vorrichtung und eine Zeitschaltuhr eine Klappe betätigt, die die eingeworfene Post nach dem Datum des Einwurfs trenne. Zu Dienstbeginn werde der Nachtbriefkasten von den Justizwachtmeistern geöffnet, die sortierte Post getrennt entnommen und die Klappe manuell zurück in die Ausgangsposition gebracht. Anschließend werde das Eingangsdatum der sortierten Post mit einem Eingangsstempel dokumentiert. Der Nachtbriefkasten des Amtsgerichts Passau funktioniere störungsfrei und werde von den Justizwachtmeistern ordnungsgemäß bedient. Eine fehlerhafte Funktion würde sofort zu Dienstbeginn bemerkt und gemeldet werden. Die richtige Einstellung der Zeitschaltuhr werde regelmäßig geprüft und falls erforderlich nachjustiert.
Bereits am 21.4.2021 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Regensburg einen Antrag nach § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Es obliege ihm im Rahmen seiner Beschwerdebegründung hinsichtlich der ihm in erster Instanz verwehrten Verlängerung des Gewaltschutzantrags nachzuweisen, dass er seinen Antrag fristgemäß in den Nachtbriefkasten eingeworfen habe. Dabei könne es dahinstehen, ob auch das OLG Erkundigungen zum Nachtbriefkasten des Amtsgerichts einholen werde. Selbst wenn das OLG dies tue, müsse sich der Antragsteller mit der Richtigkeit der dem OLG seitens des Amtsgerichts zugeleiteten Informationen befassen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
1. den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller persönlich unter Begleitung zu gestatten, den Nachtbriefkasten am Amtsgericht Passau zu besichtigen und ihm zu gestatten, Notizen und Fotografien zu fertigen,
2. den Antragsgegner zu verpflichten, Auskunft darüber zu erteilen, ob
– eine Bedienungsanleitung für den Nachtbriefkasten existiere,
– ein Wartungsprotokoll für den Nachtbriefkasten existiere,
– für die Poststelle am Amtsgericht Passau hinsichtlich der Handhabe der aus dem Nachtbriefkasten entnommenen Post Dienstanweisungen existieren und
– Aufzeichnungen über die Entnahme, den Betrieb und die Bearbeitung der Post aus dem Nachtbriefkasten hinsichtlich der Nacht vom 6.1.2021 auf den 7.1.2021 existieren,
3. dem Antragsteller Einsicht in die unter 2. bezeichneten Unterlagen zu gewähren und ihm dabei zu erlauben, Abschriften, auch unter Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel wie Fotokamera oder Scanner zu fertigen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es sei bereits zweifelhaft, ob außerhalb des anhängigen Verfahrens beim Familiengericht Passau überhaupt ein öffentlich-rechtlicher Anspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO bestehe. Sollte dies zu bejahen sein, fehle jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis. Die Frage, ob die Verlängerung des Gewaltschutzbeschlusses rechtzeitig beantragt worden sei, werde derzeit im Beschwerdeverfahren vor dem OLG München geprüft. In diesem Verfahren könne der Antragsteller eine entsprechende Beweiserhebung beantragen. Darüber hinaus sei der Antrag auf Verlängerung des Gewaltschutzbeschlusses nicht nur wegen verfristeter Antragstellung, sondern auch wegen Unbegründetheit abgewiesen worden. Die verspätete Antragstellung sei somit nicht entscheidungserheblich gewesen.
Im Übrigen habe der Antragsteller bereits mit Schreiben vom 13.4.2021 eine Auskunftserteilung beantragt. Die Auskünfte seien ihm erteilt worden. Ein Justizwachtmeister habe ihm die Funktion des Nachtbriefkastens erklärt und auf seine Fragen geantwortet. Im Schreiben vom 23.4.2021 seien dem ‚Antragsteller darüber hinaus zusätzliche Erläuterungen gegeben worden. Der Zutritt zu nicht öffentlichen Räumen des Amtsgerichts und die Besichtigung des Nachtbriefkastens sei ihm nicht gestattet worden. Weitergehende Auskünfte – wie nunmehr im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht beantragt – habe der Antragsteller gegenüber dem Amtsgericht bislang noch überhaupt nicht geltend gemacht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf den vom Amtsgericht vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen:
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Die Zulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt unter anderem voraus, dass der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (dazu 1) und sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund geltend gemacht sind (dazu 2.).
1. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist eröffnet. Der vom Antragsteller geltend gemachte Informationsanspruch ist öffentlich-rechtlicher Natur. In seiner Antragsschrift betont der Antragsteller ausdrücklich, ihm sei bewusst, dass auch das OLG München im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eine Beweiserhebung zur Funktionsfähigkeit des Nachtbriefkastens durchführen könne. Ginge es dem Antragsteller allein um diese unter Umständen relevante Beweisfrage im Rahmen des Gewaltschutzverfahrens, so wäre ausschließlich das OLG München im Rahmen der dortigen Beweiserhebung das zuständige Gericht.
Der Antragsteller betont aber, einen darüberhinausgehenden Informationsanspruch geltend machen zu wollen, um gegebenenfalls die Ergebnisse der Beweiserhebung vor dem OLG verifizieren zu können. Mithin macht er einen Informationsanspruch außerhalb des vor dem OLG anhängigen Beschwerdeverfahrens geltend. Im Ergebnis geht es ihm damit um einen allgemeinen Informations- bzw. Auskunftsanspruch, den er meint, gegenüber dem Amtsgericht außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens zu haben.
Das Amtsgericht wird insoweit vom Antragsteller nicht als Teil der Judikative in Anspruch genommen, sondern als Gerichtsverwaltung, die für den reibungslosen Ablauf der Rechtsprechung innerhalb des Gerichts verantwortlich ist und insoweit auch die erforderliche Infrastruktur – vorliegend also den Nachtbriefkasten – zur Verfügung stellt. Die Gerichtsverwaltung wird insoweit hoheitlich als Behörde tätig, weshalb ein ihr gegenüber geltend gemachter Anspruch auf Herausgabe von Informationen zum Nachtbriefkasten im Bereich des öffentlichen Rechts wurzelt; denn die Herausgabe würde in Erfüllung hoheitlicher Aufgabe erfolgen. In diesem Sinn hat auch das OLG Bremen einen Antrag auf Vorlage von Verträgen zwischen der Präsidentin des Landgerichts Bremen und Referendarinnen und Referendaren im juristischen Vorbereitungsdienst dem Verwaltungsrechtsweg zugeordnet. Die Referendare waren in einem gegen den dortigen Antragsteller geführten Strafprozess als Protokollführer tätig und der Antragsteller im dortigen Verfahren bezweckte mit seinem Antrag den Nachweis, dass die Referendare keine Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gewesen seien und die Hauptverhandlung somit nicht in ununterbrochener Gegenwart eines Urkundsbeamten durchgeführt worden sei (vgl. § 226 Abs. 1 StPO). Da die Entscheidung der Landgerichtspräsidentin über die Herausgabe der Verträge nicht zur Regelung einer Angelegenheit auf dem Gebiet der Strafrechtspflege ergangen sei, hat das Gericht die Streitsache an die Verwaltungsgerichtsbarkeit verwiesen (OLG Bremen, B.v. 21.10.2016 – 1 VAs 4/16 – nicht veröffentlicht, aber zitiert bei: OVG Bremen, B.v. 13.2.2017 – 1 B 327/16 – juris, Rn. 6). Dieser Sachverhalt ist mit dem vorliegenden vergleichbar.
2. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in jedem Fall die Geltendmachung sowohl eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit), d.h. nach dem Vortrag des Antragstellers muss das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes zumindest als möglich erscheinen. Diese Voraussetzung entspricht somit der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO im Hauptsacheverfahren.
Ferner besteht hier die Besonderheit, dass im Falle der Gewährung von Eilrechtschutz die Hauptsache vorweggenommen würde, was dem Wesen des vorläufigen Rechtsschutzes widerspricht. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 13 m.w.N. aus Rspr. und Lit.). Dies wäre hier jedoch offensichtlich der Fall. Andererseits ist es anerkannt, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache dann möglich ist, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (vgl. BVerfG, B.v 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – juris = BVerfGE 79, 69; BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9.12 – juris = BVerw-GE 146, 189; BVerwG, B.v. BVerwG, B.v. 13.8.1999 – 2 VR 1.99 – juris = BVerwGE 109, 258; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 14).
a) Der Antragsteller hat schon einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend geltend gemacht. Der vom Antragsteller geltend gemachte Informationsherausgabeanspruch ist vergleichbar mit einem Anspruch auf Akteneinsicht außerhalb eines Verwaltungsverfahrens. Ein derartiger Anspruch kann grundsätzlich nicht auf Art. 29 Abs. 1 BayVwVfG gestützt werden, da ein allgemeines Recht auf Einsicht in Akten und Unterlagen außerhalb eines Verwaltungsverfahrens nicht besteht (BVerwG, U.v. 5.6.1984 – 5 C 73.82 – juris; BVerwG, U.v. 16.9.1980 – I C 52.75 – juris; BayVGH, U.v. 22.3.1988 – 21 B 87.3439 -BeckRS 1988, 07862).
Andererseits ist es in der Rechtsprechung aber auch anerkannt, dass aus rechtsstaatlichen Gründen ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Antrag auf Einsichtnahme in bei der Behörde vorhandene Unterlagen und Informationen besteht. Ob sich dieser Anspruch unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 GG ergibt, kann insoweit dahinstehen. Erforderlich ist jedenfalls, dass der Antragsteller im Einzelfall ein eigenes, gewichtiges und auf andere Weise nicht zu befriedigendes Informationsinteresse gegenüber der Behörde, gerade in Umsetzung mit der Durchsetzung von Rechten, darlegen kann (OVG Bremen, B.v. 13.2.2017 – 1 B 327/16 – juris; BGH, B.v. 14.7.2015 – KVR 55/14 – juris).
Diese tatbestandlichen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Ermessensspielraums sind vorliegend offensichtlich nicht gegeben. Der Antragsteller kann kein eigenes, gewichtiges und auf andere Weise nicht zu befriedigendes Informationsinteresse geltend machen. Es liegt zwar auf der Hand, dass es für den Antragsteller von entscheidender Bedeutung ist, dass er gegenüber dem OLG München nachweisen kann, seinen Antrag auf Verlängerung der Gewaltschutzanordnung rechtzeitig gestellt zu haben. Er versucht dabei nachzuweisen, dass der Nachtbriefkasten des Amtsgerichts Passau nicht ordnungsgemäß funktioniert habe bzw. die Bediensteten des Amtsgerichts beim Entleeren des Briefkastens nicht ordnungsgemäß gearbeitet hätten, weshalb sein Verlängerungsantrag im Verfahren vor dem Amtsgericht Passau zu Unrecht als verfristet angesehen worden sei. Von daher geht es für den Antragsteller zweifelsohne um gewichtige Fragen, deren Beantwortung unter Umständen ausschlaggebend für sein Rechtschutzbegehren sind, das derzeit durch das OLG München geprüft wird.
Insoweit ist jedoch zu bedenken – worauf der Antragsteller in seiner Antragsschrift selbst hingewiesen hat – dass diese Fragen vom OLG im Rahmen des dortigen Verfahrens zu untersuchen sind. Sofern der Antragsteller im dortigen Verfahren – etwa durch eine eidesstattliche Versicherung oder durch Zeugenaussagen, die einen rechtzeitigen Einwurf des Verlängerungsantrags bestätigen – substantiiert darlegen kann, dass unter Umständen eine Fehlfunktion des Nachtbriefkasten oder ein Fehlverhalten der Bediensteten des Amtsgerichts vorgelegen haben könnte, so wird das OLG insoweit eine Beweiserhebung durchführen müssen, sofern es auf die Rechtzeitigkeit des Verlängerungsantrags ankommt. Auf durch den Antragsteller selbst eingeholte Informationen und Auskünfte wird der Antragsteller im Beschwerdeverfahren somit nicht angewiesen sein. Sein Informationsinteresse kann – sofern ein solches überhaupt als gewichtig anzuerkennen ist, denn die Verfristung des Verlängerungsantrags des Antragstellers im Gewaltschutzverfahren war nicht der allein tragende Entscheidungsgrund im Verfahren vor dem Amtsgericht – auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG befriedigt werden.
b) Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bezüglich der begehrten Auskünfte zustehen sollte, wäre dieser Anspruch durch das Amtsgericht Passau bereits erfüllt worden. Die Funktionsweise des Nachtbriefkastens wurde dem Antragsteller seitens eines Justizwachtmeisters bereits erklärt. Außerdem hat das Amtsgericht dem Antragsteller die Funktionsweise des Nachtbriefkastens und die Modalitäten der Leerung mit Schreiben vom 23.4.2021 mitgeteilt. Insofern hat die Direktorin des Amtsgerichts das ihr zustehende Ermessen dahingehend ausgeübt, dem Antragsteller die in dem Schreiben mitgeteilten Informationen zu erteilen.
Ein Anspruch auf weitergehende Auskünfte, die der Antragsteller im Verfahren nach § 123 VwGO mit seinen Anträgen 2 und 3 geltend macht, besteht jedenfalls nicht. Einerseits hat der Antragsteller gegenüber dem Amtsgericht insoweit noch keinen Vorantrag gestellt, sodass bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte. Andererseits ist es nicht vorstellbar, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung der von ihm begehrten detaillierten Informationen hat. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn insoweit eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegen würde (BVerwG, B.v. 16.8.1978 – 1 WB 112.78 – juris). Dies ist jedoch augenscheinlich nicht der Fall. Die vom Antragsteller begehrten Auskünfte betreffen interne Arbeitsabläufe und beeinträchtigen in ganz erheblichem Maß die Interessen des Antragsgegners, die dieser im Rahmen einer vorzunehmenden Ermessensentscheidung ohne Weiteres berücksichtigen darf. Allein deshalb kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht; denn in einem Hauptsacheverfahren könnte der Antragsteller bestenfalls einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durchsetzen, sofern dieser nicht bereits vollumfänglich erfüllt ist. Eine Verpflichtung des Antragsgegners, die Informationen und Auskünfte – wie vom Antragsteller gewünscht – herauszugeben, würde somit über das hinausgehen, was der Antragsteller im Hauptsacheverfahren überhaupt erreichen könnte. Eine Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes darf aber grundsätzlich die Hauptsache nicht vorwegnehmen oder gar mehr gewähren, als in der Hauptsache möglich wäre.
c) Aufgrund der fehlenden Geltendmachung eines Anordnungsanspruchs brauchte die Kammer nicht mehr zu überprüfen, ob ein Anordnungsgrund geltend gemacht ist.
Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Das Gericht hält vorliegend im Hauptsacheverfahren die Festsetzung eines Streitwerts in Höhe des Verfahrenswerts im Verlängerungsverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz für angemessen. Dieser wurde vom Familiengericht auf 1.000,- EUR festgesetzt. Zwar beträgt der Streitwert im Eilrechtschutzverfahren nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs grundsätzlich lediglich die Hälfte des Streitwerts im Hauptsacheverfahren. Das Gericht hat jedoch von der ebenfalls dort geregelten Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Streitwert bis zur Höhe des Hauptsachestreitwerts anzuheben, da vorliegend eine Vorwegnahme der Hauptsache beantragt war.


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